Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die Fraktion der FDP hat die Abgeordnete Frau Schneider das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In einer Minute beginnt in unserem Land der Karneval. Trotz der schwierigen Umstände wünsche ich jetzt schon einmal allen Jecken eine schöne Karnevalszeit.

(Beifall von Franziska Müller-Rech [FDP])

Einiges, was ich heute Morgen gehört habe, hat mich doch schon sehr an Karneval erinnert, wobei ich das Ganze nicht witzig fand.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD: Oh!)

Meine Vorredner von SPD und Grünen haben ein Feuerwerk an Vorwürfen gegen die Landesregierung abgefeuert. Konstruktive Vorschläge habe ich überwiegend vermisst.

Sie beklagen, dass so wenig zum Thema „Schule“ ausgeführt wurde. Wenn der Landesgesundheitsminister in dieser Debatte über Gesundheit unterrichtet, dann steht es ihm auch zu, über Gesundheit im Allgemeinen zu sprechen.

(Beifall von der FDP – Christian Dahm [SPD]: Das hat es reichlich gegeben!)

Mit Blick auf die Tagesordnung sage ich: Wir haben noch reichlich Debatten zur Schule, zu Corona und zu Solingen vor uns. Vielleicht lesen Sie einfach mal nach, was noch geplant ist.

(Beifall von der FDP und der CDU – Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Das ist eine gute Idee! – Christian Dahm [SPD]: Aber die Unterrichtung ist doch von der Landesregierung angemeldet worden! Das ist ja lustig!)

Der Oberkarnevalsgag war für mich die Behauptung, dass der Ministerpräsident keine Mehrheit hinter sich hat. Die NRW-Koalition zeichnet sich dadurch aus, dass man auch mal kritisch diskutiert und hinterfragt, dass man verschiedene Meinungen zulässt, wie es in einer guten Ehe üblich sein sollte,

(Zuruf von der SPD: Sollte!)

anstatt einem permanent hinterherzulaufen und nach dem Mund zu reden. Das zeichnet eine gute Koalition doch aus, aber wahrscheinlich kennen Sie das gar nicht.

(Beifall von der FDP und der CDU – Lachen von der SPD)

Kollegin Paul hat wenigstens mal das Wort „Bildungsgerechtigkeit“ in den Mund genommen, auch wenn ich jetzt doch noch etwas zur Schule sagen muss.

Wir wollen Bildungsgerechtigkeit, weil nicht alle Kinder Helikoptereltern haben, Eltern, die rund um die Uhr zu Hause bleiben und die Kinder permanent betreuen können. Durch den Lockdown im Frühjahr haben die Eltern schon so viel Urlaub genommen, dass sie froh sind, an ihre Arbeitsplätze zu können, wenn die überhaupt noch da sind.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Deshalb brauchen wir auch mehr Engagement im Offe- nen Ganztag!)

Nicht alle Kinder leben im schicken Einfamilienhäuschen oder in einer netten Wohnung. Viele Kinder haben überhaupt keinen Raum, in den sie sich zurückziehen und wo sie in Ruhe arbeiten können. Bildungsgerechtigkeit heißt für uns, diese Kinder in ihrem gewohnten sozialen Umfeld zu lassen, was diese Kinder auch wollen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Werte Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, vielleicht sollten Sie Ihre Gespräche nicht immer nur mit der GEW führen, sondern tatsächlich auch mal mit den Lehrern und den Schülern vor Ort reden. Ich bekomme in meinen Gesprächen dort ganz andere Feedbacks.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU – Zuruf von der SPD)

Die Kinder brauchen ihre sozialen Kontakte, sie brauchen ihr gewohntes Umfeld. Zu einem gesunden Leben gehört mehr, als nicht an COVID-19 zu erkranken.

Mit Erlaubnis des Präsidenten möchte ich die Präambel der Verfassung der Weltgesundheitsorganisation WHO von 1948 zitieren: Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur die Abwesenheit von Krankheit und Gebrechen.

Deshalb brauchen wir eine ganzheitliche Sichtweise, die bei der Bekämpfung des Virus auch die sozialen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Folgen der Eindämmung berücksichtigt.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Eben!)

Wir müssen auf der einen Seite immer wieder abwägen, welche Schutzmaßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sind, auf der anderen Seite aber auch, wie wir den Kontakt zu Angehörigen, wie wir Bildung, kulturelles Leben und wirtschaftliche Perspektiven erhalten können.

Es ist auch notwendig, diesen Abwägungsprozess, wie heute im Landtag, öffentlich zu debattieren und nicht nur in Telefonkonferenzen zwischen Bundeskanzleramt und Staatskanzleien der Länder zu erörtern.

(Zuruf von der SPD)

Ohne diese öffentliche Auseinandersetzung würden wir letztlich die Akzeptanz der Bevölkerung für Maßnahmen verlieren, die erheblich in die Grundrechte eingreifen.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD)

Für uns Freie Demokraten sind parlamentarische Kontrolle, gesetzliche Grundlagen für schwerwiegende Eingriffe und ein Vorbehalt des Landtags bei einzelnen Maßnahmen sinnvoll.

(Beifall von der FDP)

Wir wollen deshalb bei der anstehenden Evaluation des Pandemiegesetzes einen gesetzlichen Handlungsrahmen für die Maßnahmen in der Coronaschutzverordnung definieren.

Dieser Handlungsrahmen sollte aber nicht so aussehen wie der aktuell auf Bundesebene vorgelegte Entwurf eines neuen § 28a Infektionsschutzgesetz. Maßnahmen aufzuführen, die noch deutlich weitergehen als die Einschränkungen im Frühjahr, zum Beispiel Ausgangsbeschränkungen, Eingriffe in den privaten Raum und allgemeine Reisebeschränkungen nicht nur für touristische Reisen, das überschreitet aus unserer Sicht die Grenzen der Verhältnismäßigkeit.

Dieses Sammelsurium der Maßnahmen bleibt zudem unbestimmt: Es wird weder klar, welche Maßnahmen welche Wirkung haben sollen, noch ist erkennbar, in welcher Lage genau was passieren soll. So kann die Große Koalition keine Rechtssicherheit schaffen, sondern stellt nur einen Freifahrtschein für Eingriffe in Grundrechte und persönliche Freiheiten aus.

Ich appelliere heute an Union und SPD in Berlin, auch den Rat der juristischen Experten in der morgigen Anhörung im Bundestag zu hören und den Entwurf bitte noch einmal zu überarbeiten.

(Beifall von der FDP)

Beim Ausbruch der Pandemie in Europa mussten wir unverzüglich reagieren, entschlossen handeln und das Infektionsgeschehen mit umfassenden Maßnahmen begrenzen.

SARS-CoV-2 war ein neues Virus; viele Fragen zu Infektionswegen waren noch offen. Bilder aus China, Italien oder Spanien sowie später auch Meldungen aus den USA und Brasilien führten uns aber vor Augen, wie groß die Gefahr sein könnte.

Angesichts dieser Bilder fanden viele Menschen auch weitreichende Eingriffe in eigentlich als selbstverständlich geltende Freiheiten angemessen. So sind Deutschland und Nordrhein-Westfalen bisher verhältnismäßig gut durch die Krise gekommen, denn eine große Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger hat verantwortungsvoll und rücksichtsvoll gehandelt.

Die FDP-Fraktion steht für eine evidenzbasierte Politik; das haben wir bereits im April mit unserem ersten Positionspapier deutlich gemacht. Es gilt heute umso mehr, wo die Situation anders ist als noch zu Beginn des Ausbruchs.

Wir haben viele Erkenntnisse über Übertragungswege und effektive Behandlungen gesammelt. Wir haben Kapazitäten bei Testlaboren und in der Intensivmedizin ausgeweitet. Jetzt gilt es, nicht nur die aktuelle Welle der Infektionen zu brechen, sondern

auch eine Strategie zu entwickeln, wie wir durch den Winter kommen und ein Leben mit dem Virus gestalten können.

Für uns steht dabei die Eigenverantwortung der Menschen im Vordergrund. Alle Mitbürgerinnen und Mitbürger können durch ihr persönliches Verhalten dazu beitragen, die Pandemie einzudämmen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Genau!)

Nach unserem Menschenbild ist es auch sinnvoller, Menschen zu überzeugen, als sie zu maßregeln. Die Einhaltung des Abstandsgebots und die Hygieneregeln, das Tragen von Masken und die Reduzierung von Kontakten sind Grundprinzipien, die während der Pandemie wohl auf längere Sicht notwendig sein werden.

Wir brauchen aber auch mehr innovative Lösungen und müssen die Digitalisierung besser nutzen. Gerade bei der Corona-Warn-App gibt es noch erhebliche Verbesserungspotenziale. Dazu zählen

die Nutzung auch auf älteren Mobilfunktelefonen, – das Zusammenspiel mit allen europäischen

die Vereinfachung der Übertragung positiver

Testergebnisse,