weil wir in den vergangenen drei Jahren erst mal die größten Baustellen, die Sie uns 2017 hinterlassen haben, abräumen mussten.
Das war die personelle Situation im sicherheitspolitischen Bereich, das war die technische Situation, und das war das veraltete Polizeigesetz.
Deswegen haben wir es bisher nicht auf den Weg gebracht, aber wir werden uns im parlamentarischen Verfahren jetzt erfreulicherweise damit beschäftigen.
Sie hätten es früher machen können. Herr Wolf hat selbst die Föderalismusreform von 2006 angesprochen. In Ihrem Koalitionsvertrag steht im Übrigen kein einziges Wort zu einem Versammlungsfreiheitsgesetz. Sie hätten es schon früher machen können; das haben Sie nicht gemacht. Insofern: Zeit genug war da.
Aber ich würde jetzt gerne – weil Herr Wolf von einem umfangreichen Gesetzentwurf gesprochen hat – auf konkrete Inhalte eingehen. Er hat dargestellt, dass es klarer gefasst werden müsse.
Der Regelungsbereich ist sehr oberflächlich und nur beschränkt auf öffentliche und nichtöffentliche Versammlungen unter freiem Himmel und in geschlossenen Räumen.
Es gibt im Gesetzentwurf keine Aussagen zum Militanzverbot, keine gesetzliche Legaldefinition zum Begriff der Eilversammlung und keine gesetzliche Legaldefinition zum Begriff der Spontandemonstration. Die Rechtsproblematik der Kontrollstellen wird im Gesetzentwurf mit keinem einzigen Wort erwähnt. Das zeigt, dass er nicht umfangreich ist und die Versammlungsrechtslage in Nordrhein-Westfalen klarer macht, sondern eher verschlimmert und für mehr Verwirrung sorgt.
Beim § 13 sind wir wirklich uneingeschränkt beieinander. Da könnte man aber noch weitergehen, und ich würde mir wünschen, dass wir in der Debatte schauen, wie weit man gehen kann, um gerade rechtsextremistische Demonstrationen und Versammlungen, vielleicht auch andere Dinge, zu verbieten.
§ 15 – Durchsuchung und Identitätsfeststellung – steht nach meinem Dafürhalten ein Stück weit im Widerspruch zum § 9. Aber das können wir sicherlich im Ausschuss noch im Detail diskutieren.
§ 18 – Öffentliche Verkehrsflächen im Privateigentum –: Das Eigentum ist in Art. 14 Grundgesetz geschützt. Wenn man so einen Eingriff vornehmen möchte, wie Sie ihn hier hineingeschrieben bzw. aus Schleswig-Holstein übernommen haben, ist der Gesetzestext an dieser Stelle zu dünn. Er hätte weitaus umfangreicher ausfallen müssen. Zur Frage der Verhältnismäßigkeit enthält er an der Stelle keine einzige Aussage. Wenn man so weitreichend in das Eigen
tum eingreifen möchte, hätte man, damit das rechtssicher ist, ein bisschen mehr schreiben können und müssen, auch in der Begründung.
Es findet sich kein Wort zu willkürlichen und rechtswidrigen Hausbesetzungen – auch das muss man sagen.
Um auf die Klarheit zu kommen: Sie schreiben hier auch neue Begriffe hinein bzw. haben sie übernommen; zum Beispiel den Begriff „zu besorgen“ in § 22.
Das wird wahrscheinlich eher für Rechtsunsicherheit als für Rechtssicherheit sorgen, weil es, zumindest in Nordrhein-Westfalen, ein neuer Rechtsbegriff ist. Auch da zeigt sich sehr, sehr deutlich, dass es nicht ganz so ist, wie Sie es hier eben so schön dargestellt haben.
§ 23 – Straftaten –: Da würden wir uns wünschen, dass nicht nur alles im Zusammenhang mit Waffen und Gewalt unter Strafe gestellt wird, sondern vielleicht noch ein bisschen weitergegangen wird. Das gilt gerade mit Blick auf das, was Sie, Herr Kollege Wolf, gesagt haben.
Es gibt keine Strafbarkeit, wenn jemand vorsätzlich verbotene Versammlungen durchführt. Bezüglich Ordnungswidrigkeiten haben Sie das eine oder andere drin, aber die sind als Ordnungswidrigkeiten nur bußgeldbewehrt.
Es gibt keine Strafbarkeit, wenn jemand vorsätzlich von Auflagen oder Beschränkungen abweicht. Das zeigt, dass es sehr liberal ist. Aber gerade, wenn man Rechtsextreme, die bestimmte Dinge ausnutzen, auch das Rechtssystem für sich ausnutzen, besser und härter verfolgen will, sollte man über das eine oder andere noch mal nachdenken.
Es gibt auch keine Strafbarkeit, wenn jemand gegen das Vermummungsverbot verstößt, keine Strafbarkeit, wenn jemand gegen das Uniformverbot verstößt, keine Strafbarkeit, wenn jemand gegen das Schutzausrüstungsverbot verstößt.
Das ist doch bei Weitem nicht umfangreich und sollte nach unserer Meinung ganz anders aussehen, abgesehen davon, dass der Gesetzentwurf auch keine Regelung zur Entschädigung und zum Schadensersatz enthält.
Quintessenz, meine sehr geehrten Damen und Herren: Das ist kein umfangreicher Gesetzentwurf, der die Lage in Nordrhein-Westfalen klarer macht, der
ein modernes Versammlungsfreiheitsgesetz in Nordrhein-Westfalen implementiert, sondern es ist ein handwerklich eher schlecht gemachter Gesetzentwurf, der an vielen Stellen – ich habe es gerade dargestellt; wir können im Ausschuss darüber diskutieren – erhebliche Schwachstellen enthält.
Wir würden uns freuen, wenn wir mit Blick auf das, was Sie gesagt haben, Herr Kollege Wolf, hier in Nordrhein-Westfalen ein qualitativ hochwertiges, zukunftsorientiertes und klares Gesetz haben. Dazu sind Sie herzlich eingeladen. – Herzlichen Dank, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erst einmal grundsätzlich: Für uns Freie Demokraten sind Grund-, sind Bürgerrechte zentrale Errungenschaften unserer modernen Gesellschaft, unserer Demokratie. Natürlich stellt uns die aktuelle Pandemie immer wieder aufs Neue auf die Probe, wenn es um fundamentale Fragestellungen geht: Wie umgehen mit Einschränkungen von Grundrechten, wie entscheiden, wenn es zwischen grundlegenden Rechten abzuwägen gilt?
Ich glaube, diese Aufgabe wiegt schwer. Ich finde auch, sie muss schwer wiegen. Wir dürfen es uns nicht leicht machen, sondern wir müssen intensiv darüber diskutieren. Denn wir alle dürfen nicht aus den Augen verlieren, wie viele Regulierungen dieser Tage das Leben der Menschen in diesem Land massiv beeinflussen.
Das bringt mich zu diesem Gesetzentwurf, zur Versammlungsfreiheit. Ein Musterbeispiel dafür ist das Recht auf Versammlungsfreiheit. Die Versammlungsfreiheit ist in den vergangenen Wochen und Monaten immer wieder und immer mehr in den Fokus gerückt. Sie ist dabei aber auch immer wieder Ausweis unserer funktionierenden Demokratie.
Ja, wir leben zum Glück in einem Land, in dem man vor der Staatskanzlei, vorm Kanzleramt, vor den Parlamenten fundamental Opposition zum Ausdruck bringen kann und darf, aber bitte mit Anstand und bitte mit Abstand. Natürlich darf das Recht auf Versammlungsfreiheit nicht als Freibrief herhalten, um ganz bewusst und mit Ansage gegen geltendes Recht zu verstoßen.
Die Bilder aus Leipzig – wir haben heute Mittag noch nicht darüber gesprochen – sind der jüngste Beleg
dafür, wie einige in unserer Gesellschaft genau das tun und dabei die Wahrnehmung von Grundrechten mit maximalem Egoismus verwechseln. Deswegen müssen wir intensiv darüber diskutieren, wie wir Versammlungen und Demonstrationen auch in Krisenzeiten, gerade in Krisenzeiten so ermöglichen, dass beidem Genüge getan wird, freie und öffentliche Meinungsäußerung auf der einen Seite und klare Regeln und das Einhalten derselben auf der anderen Seite.
Dabei kann das veraltete Versammlungsrecht nur noch schwerlich der Maßstab sein. Das ist bei verschiedenen Gelegenheiten, spätestens in diesem Krisenjahr, überdeutlich geworden.
Wir haben uns im Koalitionsvertrag verständigt, wir haben es verankert, dass wir von der Gesetzgebungskompetenz des Landes Nordrhein-Westfalen Gebrauch machen wollen, um ein eigenes modernes Versammlungsfreiheitsgesetz zu etablieren. Deswegen teile ich grundsätzlich, Herr Kollege Wolf, das Anliegen der SPD. Wir haben es verankert. Die Urheberschaft haben Sie natürlich nicht, denn es steht ja im Koalitionsvertrag, und der Minister hat es im Ausschuss auch schon angekündigt.
Ich sage ja gerade, es ist gut, wenn wir darüber breit diskutieren. Das habe ich doch nicht in Abrede gestellt. Ich habe explizit gesagt, dass ich das Anliegen der SPD teile. Aber handwerklich, wenn man sich die Details anschaut – Kollege Dr. Katzidis hat gerade schon einiges dargestellt –, da bin ich noch nicht voll umfänglich überzeugt. Denn meines Erachtens muss eine Reform des Versammlungsgesetzes dann auch verschiedene Kriterien erfüllen: Sie muss modern sein, sie muss im Einklang mit der Verfassung stehen und auch auf die Gegebenheiten unserer Zeit angepasst sein.
Da reicht es dann eben nicht – das gehört auch zur Wahrheit –, einen zehn Jahre alten Musterentwurf abzuschreiben; das hat sich im Grunde schon zu Schulzeiten nicht sonderlich gelohnt. Bei so grundlegenden Fragen wie dem Versammlungsrecht würde ich das nicht empfehlen, meine Damen und Herren von der SPD.
Dabei enthalten der besagte Musterentwurf und auch der Gesetzentwurf durchaus gute Punkte; das sagte ich gerade. So wurde die Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in dem Entwurf beachtet, symbolträchtige Orte und Tage besonders geschützt und die Anwesenheit der Polizei auf Versammlungen ausdrücklich geregelt.