Protokoll der Sitzung vom 11.11.2020

Vor allen Dingen sind diese massiven Grundrechtseinschränkungen nicht erforderlich. Sie vernach

lässigen in sträflicher Weise andere schützenswerte Grundrechtsgüter, obwohl die Gefährlichkeit des Coronavirus nicht höher ist als die eines anderen, allerdings sehr aggressiven Grippevirus.

So hat bei all den Entscheidungen zur Grundrechtseinschränkung keine Prüfung der Verhältnismäßigkeit stattgefunden. Es wurde nie untersucht, ob die Vorteile der zahlreichen Verbote überhaupt ihre evidenten Nachteile und Gefahren überwiegen.

Wie viele Menschen werden krank und sterben aufgrund der Aussetzung von Versorgung und Betreuung? Schon wird dem Staatsvolk angedroht, dass man die Zügel anziehen werde, wenn der neue Lockdown keine Wirkung erziele. Dabei würde es sich aus wissenschaftlicher Sicht eher aufdrängen, in diesem Fall die Wirksamkeit und Eignung der Maßnahmen infrage zu stellen.

Stattdessen wird die Krise von der Bundesregierung aufrechterhalten, Fakten werden ignoriert, und Kritiker werden mundtot gemacht oder zum Widerruf gezwungen,

(Zuruf von Matthias Kerkhoff [CDU])

wie Dr. Klaus Reinhardt, der sein vernichtendes Urteil über die Nutzlosigkeit von Masken widerrufen musste wie seinerzeit Galileo Galilei seine Erkenntnis über die Bewegung der Himmelskörper.

(Henning Höne [FDP]: Mein Gott, geht‘s noch ‘ne Stufe größer?)

Das ist aber so. Deshalb fordert die AfD mit ihrem Antrag …

(Henning Höne [FDP]: Grober Unfug!)

Herr Höne, ich weiß, dass Sie nicht zuhören wollen. Denken Sie aber wenigstens einfach nach.

(Henning Höne [FDP]: Sie stellen sich auf eine Stufe mit Galilei!)

Deshalb fordert die AfD mit ihrem Antrag die Landesregierung auf, die Grundrechtseinschränkungen aufzuheben und die Übergriffigkeit des Bundes gerichtlich nachzuweisen, Herr Höne.

(Henning Höne [FDP]: Sie überschätzen sich massiv!)

Wir im Landtag Nordrhein-Westfalen haben die Pflicht, die Rechte der Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Sie sind keine Untertanen und dürfen auch nicht so behandelt werden, Herr Höne. Früher hat die FDP das Gleiche gedacht.

(Henning Höne [FDP]: Ach, Herr Seifen! – Markus Wagner [AfD]: In Berlin sagt die FDP das auch!)

Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Danke schön, Herr Seifen. – Jetzt hat für die CDU-Fraktion Herr Kollege Preuß das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unter Punkt 1 der heutigen Plenarsitzung sind wir über die Situation im Zusammenhang mit der Pandemie informiert worden.

Mit einer ganzen Serie von Anträgen der AfD-Fraktion in dieser Plenarwoche wird deutlich, dass die AfD die Coronakrise und die Fakten in diesem Zusammenhang schlichtweg ignoriert und staatliches Handeln infrage stellt, indem sie Grundrechtsverletzungen behauptet.

(Dr. Christian Blex [AfD]: Die gibt es!)

Es scheint die Krise gar nicht zu geben. Würde man allen Anträgen zustimmen und sie umsetzen, gäbe es keine staatliche Verantwortung für den Gesundheitsschutz der Menschen oder medizinische Vorsorgebehandlungen.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

So wird behauptet – das hat Herr Seifen in seinem Redebeitrag gerade wiederholt –, Tote im Zusammenhang mit dem Virus gebe es nur angeblich. Die Gesundheitsgefahren seien nicht anders als bei vergleichbaren anderen Erkrankungen, also gar nicht so schlimm. Staatliche Eingriffe seien kaum zu rechtfertigen. Dem Staat werden sogar Machtmissbrauch und Willkür unterstellt.

Das ist nicht unsere Position. Die Risiken, die mit der Infektion verbunden sind, nämlich schwere Krankheitsverläufe und gesundheitliche Beeinträchtigungen auch nach der Genesung, weltweit enorm steigende Infektionszahlen und fehlende Behandlungskapazitäten vor allem im europäischen Ausland werden schlichtweg ignoriert.

Die AfD weist keine Handlungsalternative auf, wie die einzelnen Anträge zeigen. Deutlicher kann man seine Respektlosigkeit gegenüber einem an Corona erkrankten oder durch Corona gefährdeten Menschen nicht zum Ausdruck bringen.

Die AfD zeigt, dass sie keine Alternative für Deutschland ist. Der Staat muss aktiv handeln. Er muss den Einzelnen und auch die Gemeinschaft insgesamt vor Gesundheitsgefahren schützen. Das Zusammenleben der Menschen funktioniert nur dann, wenn wir uns alle im Umgang miteinander Regeln geben, die dann auch alle beachten müssen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP sowie von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Vielen Dank, Herr Preuß. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Professor Dr. Bovermann.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute am 11.11. muss der Start in die Karnevalssession aufgrund der Coronapandemie ausfallen. Vielleicht hat das die AfD dazu verleitet, selbst etwas Prohibitionsstimmung zu verbreiten.

Tatsächlich wird jedoch mit dem behaupteten Prohibitionsdiktat ein doppelter Zweck verfolgt: Zum einen soll ein Anlass geschaffen werden, um in diesem Haus den Mythos von der Aufgabe der Freiheit und der Entmündigung der Bürgerinnen und Bürger zu propagieren. Zum anderen soll in einem Akt des Widerstands die Landespolitik gegen die Bundespolitik instrumentalisiert werden.

(Zuruf von Dr. Christian Blex [AfD])

Doch die Versuche, ausgerechnet die AfD als Verteidigerin der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und als einzig wahre Opposition zu inszenieren,

(Helmut Seifen [AfD]: Das ist sie ja auch!)

sind zum Scheitern verurteilt.

(Beifall von Michael Hübner [SPD])

Die Darstellung der Ausgangslage im Antrag bleibt der Realität fern und erschöpft sich in unbewiesenen Behauptungen. Die einzige konkrete Forderung nach einem Bund-Länder-Streit vor dem Bundesverfassungsgericht erweist sich als Schuss in den Ofen.

Da es sich beim Infektionsschutzgesetz im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 Grundgesetz um ein Bundesgesetz handelt, ist die Kompetenzverteilung klar geregelt. Vielleicht sollte sich die AfD einmal mit den Grundlagen des bundesdeutschen Föderalismus beschäftigen oder Herrn Beckamp fragen, der ja in der Enquetekommission III mit uns gemeinsam zum Thema „föderale Grundordnung“ berät.

Die SPD lehnt diesen Antrag ab und leistet so ihren Beitrag zur Prohibition im Sinne des Schutzes vor bestimmten gefährlichen Substanzen, in diesem Fall vor den Substanzen des Rechtspopulismus. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU, der FDP und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Professor Dr. Bovermann. – Nun spricht Frau Schneider für die FDP-Fraktion.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Im vorliegenden Antrag ist viel vom Deutschen Bundestag die Rede; vielleicht haben die Antragsteller vergessen, dass wir uns hier im Landtag von NRW befinden.

Die Antragsteller wollen sich hier als Verteidiger von Parlamentsrechten stilisieren. Dabei geht es ihnen doch um etwas völlig anderes:

(Helmut Seifen [AfD]: Ach?)

Sie wollen doch vielmehr den parlamentarischen Betrieb behindern und ausbremsen. Anders kann ich mir Ihre Antragsflut in dieser Plenarwoche nicht erklären.

Es geht Ihnen nicht um die Sache, und es geht Ihnen auch nicht um die Debatte, sondern allein darum, mal wieder eine ganze Reihe von vermeintlich coolen YouTube-Videos ins Netz zu stellen,

(Helmut Seifen [AfD]: Ach!)

um Ihre Filterblase zu bedienen und Schaum vor dem Mund zu produzieren.

(Beifall von der FDP, der CDU und den GRÜNEN – Helmut Seifen [AfD]: Reden Sie mal zur Sache!)

Die NRW-Koalition ist sich sehr wohl ihrer Verantwortung bewusst. Sie hat in der aktuellen Pandemie immer einen Ausgleich zwischen notwendigen Eingriffen zum Schutz der Gesundheit auf der einen und dem Schutz der Grundrechte auf der anderen Seite gesucht.