Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Leiharbeit im Gesundheitswesen und in der Pflege unterscheidet sich grundlegend von der Leiharbeit in anderen Bereichen, denen sie hilft, saisonale Auftragsschwankungen oder Auftragsspitzen zu bewältigen.
Den Hype der Leiharbeit, der mich als Krankenschwester und in meiner Zeit als Personalratsvorsitzender, zuständig für ungefähr 2.000 Pflegende, echt umgetrieben hat mit Abwerbe- und Ablöseprämien von mehreren Tausend Euro, gerade in Funktionsbereichen wie OP und Anästhesie, gibt es Gott sei Dank in der Form nicht mehr. Seit 2019 scheint sich das Wachstum in diesem Segment nicht mehr fortzusetzen.
Wir wollen sie auch nicht, Peter, wie in der Auswertung in der Anhörung unterstellt wurde, verbieten. Wir werden auch gleich hören, dass mit einer Größenordnung von 2 % der Kapazitäten in der Pflege dieses Thema keiner besonderen Beachtung bedarf. Aber, sehr geehrte Damen und Herren, was auch zur Wahrheit gehört: Leiharbeit vergrößert die Pflegegruppe quantitativ nicht, denn die Vielzahl von Leiharbeitnehmenden kommt aus einer Anstellung im Gesundheitswesen. Sie steigen nur um. Fragt man sie, warum sie sich von einem Personaldienst anstellen lassen, bekommt man folgende Antworten: Ich verdiene mehr Geld.
Ich kann meine Arbeitszeit weitestgehend selber und verbindlich gestalten, und das ermöglicht mir ein organisierbares Familienleben. Ich muss nicht mehr an Sonn- und Feiertagen und im Nachtdienst arbeiten. Ich trage nur noch die Verantwortung für mein haftungssicheres Arbeiten.
Bei uns in Ostwestfalen sagt man: „Dem einen sin Uhl ist dem andern sin Nachtigall.“ Man könnte es auch Rosinenpicken nennen. Aber diese Gruppe
macht genau das, was wir für Pflege insgesamt genau so brauchen: endlich ein am Pflegebedarf der Menschen bemessenes Pflegepersonal, ein Vorbei mit ständigem Arbeiten auf Abruf, ein Vorbei mit Arbeitsbedingungen, die Pflegende selber krank machen, sondern Arbeitsbedingungen, die sie im Beruf halten und den Nachwuchs in diesen schönen Beruf locken, eine der Verantwortung entsprechende Entlohnung, und zwar abgesichert durch einen Tarifvertrag. Da habe ich mich über Sie, Herr Minister Laumann, gestern echt sehr gefreut.
Noch einmal: Wir reden über eine Aufgabe, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag, einen Versorgungsprozess, verantwortet in hochtechnisierten Settings, digital zum einen; er findet in hochkomplexen Prozessen, übrigens auch in der ambulanten Versorgung, statt. Strukturenüberblick, Kommunikation, erhebliche Dokumentationsnotwendigkeiten in spezifischen Systemen und die Patientenbindung sind wesentliche Elemente dieses Prozesses. Einarbeitung, das Beherrschen sicherheitsrelevanter Verfahrensanweisungen: Es ist doch unrealistisch zu glauben, dass der kurzfristige Einsatz eines Leiharbeitnehmenden ihn das beherrschen lässt und von den Teams als wirksame Hilfe empfunden wird.
Uns ist klar, dass kleine Einrichtungen nicht über die personellen Ressourcen verfügen, um einen eigenen Pool zu bilden. Sie werden, bis wir eine am Pflegebedarf orientierte Personalbemessung haben, auf einen Personaldienst vermutlich angewiesen sein.
In meinen Krankenhäusern haben wir Personalräte eine Poolvereinbarung beschlossen: Rückkehr aus langen Abwesenheitszeiten, aus der Elternzeit, kleine Aushilfsverträge bei bestehendem unbefristetem Vertrag mit einer besseren Bezahlung für Flexibilität, aber eben mit den Kenntnissen der eigenen Organisation. Das war den Kollegen in Bezug auf Unterstützung ein willkommenes Modell.
Und by the way: Auch der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste hatte im Mai 2019 eine Umfrage unter seinen Mitgliedern veröffentlicht, weil selbst dort 96,3 % der Unternehmen angaben, sie würden gerne auf den Einsatz von Leiharbeitnehmerinnen verzichten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns gemeinsam auf den Weg der Eindämmung und letztendlich der Abschaffung der Leiharbeit in der Pflege. Wir haben hier keine Produktionsspitzen zu bearbeiten, sondern ein Themenfeld, wie beschrieben, damit auch wir, die wir hier im Saal sind, auf eine professionelle Versorgung im Krankheitsfall und in der Betreuung, wenn wir alt sind, zählen können.
Darum werbe ich nachdrücklich um Ihre Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Weng. – Als nächste Rednerin hat für die Fraktion der FDP Frau Kollegin Schneider das Wort.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, die Zeitarbeit ist eher ein Randphänomen. Das haben unisono alle Experten in einer relativ großen Anhörung bestätigt. Von daher kann ich diesen Antrag auch nicht ganz nachvollziehen, aber vielleicht haben die Kolleginnen und Kollegen von der SPD einfach das Bedürfnis, ihrer Gesundheitssenatorin in Berlin für ihre Bundesratsinitiative den Rücken zu stärken. Ich weiß es nicht.
Auch mit viel Zahlenspielerei gelingt es nicht, bei der Zeitarbeit in der Pflege einen Handlungsbedarf herbeizurechnen. Sicherlich lässt sich in der Zeit von 2014 bis 2018 ein Anstieg erkennen. Aber selbst diese Entwicklung hat eben nur dazu geführt, dass der Anteil der Zeitarbeit gerade mal 2 % ausmacht. In NRW sind das gerade mal 8.000 Pflegekräfte, die in der Zeitarbeit beschäftigt sind.
Guckt man sich die neuesten Zahlen an, bestätigt sich sogar die Einschätzung des Randphänomens. Zuletzt sanken nämlich die Anteile von Zeitarbeitskräften sowohl in der Krankenpflege als auch in der Altenpflege. Darauf hat in der Anhörung sogar ver.di hingewiesen, liebe Kollegen von der SPD.
Damit nicht genug – die Gewerkschaft geht außerdem davon aus, dass sich der sinkende Trend noch weiter verstärken wird. Es ist schon erstaunlich, dass die Sozialdemokraten offenbar die Einschätzungen von Gewerkschaften auf einmal ignorieren.
Die Zahlen geben also keinen Handlungsbedarf her. Aber auch aus grundsätzlicher Erwägung kommt ein Verbot der Zeitarbeit in der Pflege nicht infrage. Die Zeitarbeit ist unerlässlich, um in Belastungssituationen schnell und für einen kurzen Zeitraum zu reagieren und so eine gute Versorgung zu sichern. Gerade in Zeiten mit einem hohen Krankenstand brauchen die Einrichtungen, die nicht alle 2.000 Beschäftigte haben, und die Dienste diese Reaktionsmöglichkeit.
Aber nicht nur die Arbeitgeber schätzen die Möglichkeit der Zeitarbeit, auch viele Pflegekräfte schätzen diese Arbeitsbedingungen.
Sie verurteilen das und würden das gerne verbieten – das ist eben der Unterschied zwischen den Sozialdemokraten und der FDP –, aber wir freuen uns, wenn es flexible Arbeitszeitmodelle gibt. Wir freuen uns, wenn wir die Möglichkeit bekommen, junge Menschen für die Pflege zu gewinnen und ältere Menschen zurückzugewinnen mit den Arbeitsmodellen,
die sie sich vorstellen und die ihnen der Arbeitgeber bieten kann. Das ist aus liberaler Sicht definitiv nicht verwerflich.
Vielen Dank, Frau Schneider, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Nach dem, was Sie vortragen, muss ich Ihnen eine Frage stellen. Ich weiß ja, dass Sie auch in der Krankenpflege gearbeitet haben. Wie wäre das für Sie, Frau Schneider, wenn Sie auf einer Station mit ausgedünntem Personal arbeiten würden und dann Zeitarbeitskolleginnen und -kollegen bekommen würden, die gerne nur von 8 bis maximal 14 Uhr und auf keinen Fall sonntags und nachts arbeiten wollen? Wie würden Sie das für sich empfinden? Denn dann dürfen Sie ja die anderen Zeiten alle abdecken. Wäre das auch noch mit Ihrem FDP-Gedankengut vereinbar?
Das war jetzt aus meiner Sicht nicht eine Zwischenfrage. Das war gleich eine ganze Batterie, liebe Kollegin Lück.
Ich war ja auch lange Zeit Stationsleitung in einem kleinen Haus. Wenn wir in dieser Zeit Personalengpässe gehabt hätten – die hatten wir damals auch –, wäre ich gottfroh gewesen über jede Pflegekraft, die sich bereiterklärt hätte, auch nur vier Stunden am Tag zu einer x-beliebigen Zeit einzuspringen, einfach um meine Mitarbeiter zu entlasten und um den Patienten die allerbeste Versorgung zu bieten.
Mit der Zeitarbeit lässt sich außerdem besser auf besondere Lebenssituationen eingehen, denn auch Pflegekräfte möchten Arbeit mit Kindererziehung, Weiterbildung oder häuslicher Pflege vereinbaren. Zeitarbeit wird vor allem nach der Ausbildung zum Kennenlernen unterschiedlicher Arbeitsstätten angestrebt. Junge und qualifizierte Kräfte wollen sich erst einmal orientieren, bevor sie sich für eine Festanstellung entscheiden. Auch das finde ich nicht verwerflich. Außerdem trägt die Zeitarbeit erheblich zur
Integration und Qualifikation ausländischer Pflegekräfte sowohl aus der EU als auch aus Drittstaaten bei.
oder auch wieder zurückzuholen. Würde sie wegfallen, würden viele Pflegekräfte der Pflege den Rücken kehren. Das würde den Fachkräftemangel in der Pflege noch weiter verschärfen.
Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen, statt also die Zeitarbeit zu einem Problem hochzustilisieren, sollten wir lieber dafür sorgen, dass die Arbeitsbedingungen in der Pflege besser werden. Denn nur dann können wir den bundesweiten Fachkräftemangel wirksam bekämpfen.
Beginnen muss man bereits in der Ausbildung. Da hat die NRW-Koalition bereits geliefert. Ich sage nur: Schulkostenpauschale in der Altenpflege erhöht, Finanzierung der neuen generalistischen Pflegeausbildung gesichert, und noch vor drei Wochen hat diese Landesregierung 250 Millionen Euro für die Pflegeausbildung zur Verfügung gestellt, um zusätzliche Plätze in den Pflegeschulen zu finanzieren
sowie vorhandene Gebäude zu modernisieren und damit die Ausbildung schließlich attraktiver zu machen.
Mit einer klug konzipierten Pflegekammer geben wir in NRW den Pflegenden auch endlich eine Stimme. NRW hat sich auch stark dafür gemacht, dass die Bezahlung in der Pflege besser wird. Der Bundesrat hat auf Initiative unserer Landesregierung die Notwendigkeit bekräftigt, eine verbesserte allgemeinverbindliche und tariflich verankerte Vergütung für Pflegekräfte zu schaffen. Da muss nun eben die Bundesregierung entsprechende Konzepte vorlegen.
Die Forderung, die Zeitarbeit insgesamt zu verbieten, ist also ein untauglicher Versuch, Probleme zu kaschieren, ohne dass sich dann etwas bessern würde. Wer das fordert, der trägt auch für den Abbau weiterer Pflegeplätze Verantwortung.