Protokoll der Sitzung vom 12.11.2020

Der Agrarministerrat hat die EU-Kommission aufgefordert, den Status, eine Untersuchung zum Status neuartiger genomischer Verfahren im Rahmen des EU-Rechts vorzulegen. Julia Klöckner ist auf Bundesebene intensiv im Gespräch.

Es gibt noch ganz viel dazu zu sagen. Meine Redezeit reicht leider, leider nicht aus. Ich bekomme wahrscheinlich auch keine zusätzliche. Ich freue mich auf die Diskussion, danke den Fraktionen für die Einbringung dieses Antrags in den Landtag und wünsche mir eine ideologiefreie Diskussion, auch mit Blick auf die zukünftigen Anforderungen an unsere Äcker. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Danke schön, Frau Ministerin Heinen-Esser. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 17/11658 an den Ausschuss für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz. Die abschließende Beratung und Abstimmung sollen dort in öffentlicher Sitzung stattfinden. Hat jemand etwas dagegen? – Nein. Gibt es Enthaltungen? – Nein. Damit ist der Antrag Drucksache 17/11658 einstimmig so überwiesen.

Ich rufe auf:

4 Technologische und soziale Innovationen zu

sammendenken – Social Entrepreneurship nachhaltig fördern und stärken

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/11178

Die Aussprache ist eröffnet. – Für die grüne Fraktion begründet Herr Bolte-Richter diesen Antrag. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Social Entrepreneurs und soziale Innovationen bekommen eine immer größere gesellschaftliche Bedeutung. Es geht darum, soziale und gesellschaftliche Probleme durch unternehmerische Ansätze zu lösen. Social Entre

preneurs wollen technologische Innovationen anschieben und für soziale Effekte nutzen. Mit ihren Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsideen ist ein enormes wirtschaftliches Potenzial und auch ein großes Potenzial an Innovation verbunden.

Ein herausragendes Beispiel dafür, wie Open Social Innovation hilft, gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen und zu lösen, ist der Hackathon #WirVsVirus, der uns in diesem Jahr in der Pandemiesituation begleitet hat. Er hat eine Community geschaffen, die sehr deutlich unter Beweis gestellt hat, wie uns Innovationen helfen, Lösungen für akute Probleme zu finden. Am 1. Oktober fand das große Finale statt. Ein halbes Jahr lang haben Projektteams aus Ministerien, Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft, oft auch Ehrenamtliche, mit herausragendem Engagement und Hingabe gearbeitet, oftmals nur im virtuellen Raum, ohne sich je physisch getroffen zu haben.

Es gibt eine ganze Menge Beispiele, die uns wirklich tolle Innovationen geliefert haben, um mit dieser Pandemielage und den damit verbundenen Herausforderungen umzugehen. Ein Beispiel aus NordrheinWestfalen ist ein Team, das den Chatbot UDO entwickelt hat. Einige Entwickler, ich glaube sogar, die meisten, kommen aus Ennepetal. Sie haben einen ganz wesentlichen Beitrag zur Digitalisierung des Antragsprozesses für das Kurzarbeitergeld geleistet. Durch digitale Tools, die aus einer solchen Gruppe entstanden sind, ist der Prozess für die Arbeitgeber sehr schnell und sehr benutzerfreundlich abzuwickeln.

Das ist nur ein Beispiel. Ich finde, es ist ein guter Zeitpunkt, den vielen innovativen Köpfen in unserem Land unseren Dank und unsere Anerkennung auszudrücken.

Es ist aber nicht nur eine Frage von Anerkennung und Dank, sondern das muss sich auch in konkreter Politik niederschlagen. Social Entrepreneurs, Social Start-ups, Sozialunternehmen brauchen politische, rechtliche und finanzielle Unterstützung.

(Beifall von Verena Schäffer [GRÜNE])

Sie benötigen Förderung, Vernetzung und Unterstützungsstrukturen. Wir brauchen eine Strategie zur Förderung von Social Entrepreneurship.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir stellen fest, dass es immer wieder Social Startups gibt, die für Innovationen, für ihre Produkte, für Geschäftsmodelle ausgezeichnet werden und die dann trotzdem nicht in die Förderprogramme hineinkommen. Wer hochinnovativ ist, wer aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen mit Marktmethoden angeht und Lösungen dafür entwickelt, der muss auch den Zugang zur Förderung erhalten.

Wir stellen aber fest, dass Förderprogramme oftmals auf schnell skalierbare Geschäftsmodelle, schnell skalierbare Technologien ausgerichtet sind und diese fördern wollen. Dann ist es für Sozialunternehmer*innen oft schwierig, mit ihren Geschäftsmodellen hineinzukommen. Da hat die Landesregierung aus unserer Sicht nach wie vor ein viel zu enges Innovationsverständnis.

Wir Grüne sind davon überzeugt, dass soziale und ökologische Innovationen konzeptionell anders gefördert werden müssen als zum Beispiel reine TechStart-ups. Das haben Sie, Herr Minister, eindeutig negiert. Das zeigt uns, dass Sie einfach noch nicht verstanden haben, worüber wir hier reden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir fordern heute, dass die Landesregierung eine Strategie zur umfassenden Förderung sozialer Innovationen und zur stärkeren Sichtbarkeit von Sozialunternehmen entwickelt. Wir brauchen auch eine finanzielle Förderung.

Das zeigt insbesondere das Programm der schwarzgrünen Landesregierung in Hessen. Das hessische Wirtschaftsministerium hat gemeinsam mit dem Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland, dem SEND, das Projekt Sozialinnovator Hessen aufgelegt, um den besonderen Bedürfnissen von Social Start-ups und Social Entrepreneurs gerecht zu werden. Mit diesem Programm erhalten dort soziale Gründerinnen und Gründer seit diesem Jahr die Möglichkeit, sich im Rahmen des Projekts besser zu vernetzen, Fachgruppen zu bilden, sich zu qualifizieren und dann auch den Zugang in die Förderung zu finden.

Wir haben in den letzten Jahren hier immer wieder initiativen vorgelegt, Anfragen und Anträge gestellt mit dem Ziel, dass es wenigstens so weit kommt, dass Social Entrepreneurship nicht mehr ganz so unter dem Radar dieser Landesregierung fliegt. Sie haben das Thema immerhin in die Neue Gründerzeit aufgenommen, sie haben es dort benannt.

Sobald etwas in einem schwarz-gelben Konzeptpapier steht, ist kein Superlativ mehr vor Ihnen sicher. Deswegen muss Nordrhein-Westfalen dann immer sofort der „attraktivste Standort“ werden. Gut gebrüllt, nett angekündigt, nichts passiert! Diese Linie kennen wir leider.

Mit unserem Antrag beschreiben wir heute erneut, wie es besser geht. Ich freue mich sehr auf die Debatte, ich freue mich sehr auf gute Erkenntnisse, und ich freue mich natürlich auch auf Ihre Zustimmung zu unserem Antrag. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Bolte-Richter. – Jetzt spricht Herr Braun für die CDUFraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Einigkeit ist schnell geschildert: Wir sind uns einig, soziale Innovationen zu unterstützen.

Lieber Matthi Bolte-Richter, ihr kommt in eurem Antrag mit zwei Beispielen um die Ecke, an denen sich NRW orientieren soll. Gefuchst wie ihr seid, habt ihr euch gedacht, ihr referenziert auf zwei Bundesländer, in denen die CDU mitregiert. Klare Taktik: Damit lockt ihr die CDU Nordrhein-Westfalens in die Falle; denn dann müssen sie ja mitstimmen. – Ich muss euch den Zahn ziehen. Mit eurer Fuchsigkeit ist es nicht so weit her.

Punkt eins: nachrichtenlose Konten. Darauf bist du in deiner Rede leider gar nicht eingegangen. In eurem Antrag verweist ihr auf eine angebliche Bundesratsinitiative des Landes Schleswig-Holstein, der wir uns bestenfalls anschließen sollen. Ich hätte mir insoweit Aufklärung gewünscht. Leider gibt es keine solche Bundesratsinitiative, jedenfalls noch nicht. Es gibt noch nicht einmal einen Landtagsbeschlusses in Schleswig-Holstein. Was es gibt, ist ein Antrag, der vielleicht in der nächsten Woche in den schleswigholsteinischen Landtag eingebracht und dann wohl erst einmal in den dortigen Fachausschüssen beraten wird.

Ergo: Eure Fuchsigkeit ist ein Rohrkrepierer. So klar muss man das sagen. Es tut mir leid, Kollege Matthi Bolte-Richter. Es ist schon ärgerlich, solche krummen Aussagen in einem Antrag zu lesen.

Zum inhaltlichen Aspekt – das will ich nicht aussparen –: Ja, ich persönlich finde es interessant, sich über Bankkonten zu unterhalten, die seit mehreren Jahren nicht mehr genutzt werden oder keiner Person, keinem Erben zugeordnet werden können. Das ist eine komplexe finanzpolitische Materie, die erst einmal für sich fachlich diskutiert werden muss. Ich gebe zu, ich bin da kein Experte. Weil es sich offenbar aber auch für Experten nicht um eine offenkundige Angelegenheit handelt, hat die Bundesregierung dazu im Oktober eine entsprechende Studie ausgeschrieben. Dabei soll zum Beispiel auch die Schaffung eines Melderegisters geklärt werden.

Erst dann – ich wiederhole das: erst dann –, wenn diese finanzrechtlichen Fragen geklärt sind, kann man sich ernsthaft über weitere Schritte unterhalten, ob und wie möglicherweise staatlicherseits mit diesen Geldern umgegangen wird. Bleibt es bei der aktuellen rechtlichen Regelung? Fließen die Gelder in Bankenfinanzierungssysteme, fließen sie zum Teil in Wagniskapital, fließen sie in die Rentenkasse oder, oder, oder?

Hier mal eben ohne rechtssichere Grundlage Social Entrepreneurs 9 Milliarden Euro zu versprechen, das ist nichts anderes als der Versuch eines billigen Geländegewinns. Deswegen, liebe Kollegen der Fraktion der Grünen, wird es unsere Zustimmung dafür ganz sicher nicht geben.

Der zweite Punkt – den hast du gerade angesprochen – ist der hessische Fonds. Ihr suggeriert, dass Hessen mit dem Social Innovation Fund erstens etwas völlig Neues macht und zweitens nun aber richtig Fördergelder in die Hand nimmt.

Ich werde das hessische Programm sicherlich nicht schlechtreden, aber beide Suggestionen sind falsch. Das hessische Programm ist nichts anderes als ein Beratungs- und Betreuungsnetzwerk. Das Programm beinhaltet keine direkte Unternehmensförderung. Das kann es auch gar nicht, denn das Programm umfasst gerade einmal 228.000 Euro.

Betreuung, Beratung, Netzwerke und CoworkingPlätze bieten wir in Nordrhein-Westfalen schon lange über die DWNRW-Hubs, die ihr übrigens mal initiiert habt, und die STARTERCENTER NRW. Das wird sogar von dem von dir zitierten SEND e. V. bestätigt.

Ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten sinngemäß den unter Fachkollegen bekannten Herrn Grothaus aus einem Anhörungsprotokoll des Digital- und Innovationsausschusses: Der Start-up-Monitor habe gezeigt, dass NRW auf einem sehr guten Weg sei; er selber habe miterlebt, wie die digitalen Hubs gute Arbeit leisten.

Unsere DWNRW-Hubs in NRW werden dafür sogar mit 4 Millionen Euro jährlich ausgestattet. Das ist nicht einmalig, sondern jährlich und steht auch für 2021 wieder an. Das ist sage und schreibe das 16Fache von dem, worüber wir in Hessen sprechen. Selbst wenn wir das in Relation zum Gesamtvolumen der Landeshaushalte setzen, ist es immer noch das Achtfache.

Bei dieser Rechnung ist kein einziger Cent einkalkuliert, den wir hier in NRW allen grünen Unkenrufen zum Trotz tatsächlich zur unmittelbaren Finanzierung von Social Entrepreneurs zahlen, nämlich zum Beispiel über die sehr erfolgreichen und vielfach gelobten Gründerstipendien. Deswegen, lieber Kollege Matthi Bolte-Richter, geht der Schuss bei diesem Antrag deutlich nach hinten los.

Spannend hätte der Antrag bei der Änderung von NRW.BANK-Programmen werden können. Ich hätte mich gefreut, Anregungen zu bekommen, wie wir da noch besser werden können. Tatsächlich wünschen sich die Grünen in dem Antrag aber genau eines: eine Prüfung der Programme. Vielleicht formulieren die grünen Kollegen auch deshalb so zurückhaltend, weil erst jüngst ein weiteres Förderprogramm der NRW.BANK gestartet wurde, genannt MicroCrowd,

welches sich explizit an Sozialunternehmen mit reduzierter Gewinnabsicht adressiert.

Wenn wir über Finanzierungsmöglichkeiten von sozialen Innovatoren reden, ist es aber nicht ausreichend, sich auf staatliche Finanzierungsmöglichkeiten zu versteifen. Auch hier Zahlen der SEND e. V. von 2019, wie sich Social Entrepreneurs neben Eigenkapital finanzieren: zu 23 % durch staatliche Fördermittel, 18 % durch Crowdfunding, 17 % durch Stiftungen, weitere 17 % durch Business Angel und Inkubatoren, 12 % durch Bankdarlehen. Diese Zahlen erwecken alles andere als den Eindruck, als gebe es nicht eine Vielzahl an Möglichkeiten zur finanziellen Unterstützung. Staatliche Hilfen sind bereits Spitzenreiter.

Kurzum: Trotz der desolaten Antragslage – anders kann ich das leider nicht beschreiben – freue ich mich auf die folgende Debatte im Ausschuss. Vielleicht kommt der „grüne Knochen“ dann ja doch mit etwas mehr Fleisch um die Ecke. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Braun. – Nun spricht für die SPD-Fraktion Frau Spanier-Oppermann.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Braun, von einer desolaten Antragslage möchte ich nicht sprechen. Ich bin den Grünen-Kollegen dankbar, dass dieses zeitgemäße und wichtige Thema noch einmal im Ausschuss zur Sprache kommt. Dass wir über den einen oder anderen Punkt eine interessante Debatte führen werden, das wurde, glaube ich, schon in den beiden Wortbeiträgen deutlich.

Was ist Innovation? Was bedeutet Fortschritt? Ist es nur der technische oder auch der gesellschaftliche und soziale Fortschritt, der zu einem Wandel oder Umdenken in der Gesellschaft führt? Über diese Fragen sollten wir uns in unserem Fachausschuss auf jeden Fall unterhalten. Denn das soziale Unternehmertum vereint mehrere Aspekte aus vielen Bereichen, wie hier schon angesprochen wurde.