Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserer heutigen, 107. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien, außerdem all denen, die uns an den Bildschirmen zuschauen.
Für die heutige Sitzung haben sich 22 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung: Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 12. November 2020
mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag zum Thema „Ausgestaltung und Umsetzung der Außerordentlichen Wirtschaftshilfen für vom Teil-Lockdown erfasste Unternehmen, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen“ zu unterrichten. Die Unterrichtung und die Beratung sind als Tagesordnungspunkt 1 vorgesehen und angemeldet.
Ich weise darauf hin, dass die Fraktion der SPD und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen am 11. November 2020 gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt haben.
Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich darauf verständigt, diese Aktuelle Stunde in Verbindung mit dem Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit der Überschrift „Bildung und Infektionsschutz zusammen denken! Für krisenfeste Lernräume sorgen – neue Wege gehen“, Drucksache 17/11655, verbunden zu beraten. Aufgrund der Unterrichtung durch die Landesregierung wird dies als Tagesordnungspunkt 2 aufgerufen. Alle weiteren Tagesordnungspunkte verschieben sich entsprechend.
dentlichen Wirtschaftshilfen für vom TeilLockdown erfasste Unternehmen, Betriebe, Selbständige, Vereine und Einrichtungen
Die Unterrichtung durch die Landesregierung erfolgt durch den Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, Herrn Professor Dr. Pinkwart. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den vergangenen Wochen ist deutschlandweit ein massiver Anstieg der Anzahl der Coronainfizierten zu verzeichnen. Eine Kontaktnachverfolgung ist aufgrund der dynamischen Entwicklungen teilweise nicht mehr möglich.
Um das Coronavirus durch die erhebliche Reduzierung von Kontakten einzudämmen, haben Bund und Länder Ende Oktober die Vollschließung einiger Branchen beschlossen. Diese Vollschließung bringt für viele Unternehmen neben den bereits seit dem Frühjahr bestehenden Einschränkungen massive Einbußen mit sich, jedoch stehen der Bund und die Länder an der Seite der Unternehmen und ihrer Beschäftigten. Wir setzen hierzu mit Hochdruck eine weitere zielgerichtete kurzfristige Wirtschaftshilfe auf. Sie geht deutlich über die bereits bestehenden Hilfsmaßnahmen wie die Sofort- und Überbrückungshilfe sowie die „NRW Überbrückungshilfe Plus“ hinaus.
Mit dem Bund-Länder-Beschluss der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten vom 28. Oktober 2020 ist hierfür die Außerordentliche Wirtschaftshilfe des Bundes vorgesehen, deren inhaltliche und technische Ausgestaltung von der Bundesregierung im Benehmen mit den Ländern bis in die letzten Stunden hinein entwickelt wurde.
Dabei hat sich die Landesregierung – und hier möchte ich mich besonders bei Finanzminister Lutz Lienenkämper und dem Chef der Staatskanzlei, Nathanael Liminski, für die enge Abstimmung bedanken – intensiv eingebracht und hierzu auch den engen Dialog mit Vertretern der betroffenen Betriebe und Solo-Selbstständigen in unserem Land gesucht. Nunmehr sind die wesentlichen Förderbedingungen und Förderzugänge entschieden, über die ich Sie hiermit für die Landesregierung informiere.
Antragsberechtigt sind alle Unternehmen, auch öffentliche, Betriebe, Selbstständige, Vereine und Einrichtungen, die auf der Grundlage der erlassenen Schließungsverordnungen den Geschäftsbetrieb
einstellen müssen. Beispiele für Unternehmen sind der solo-selbstständige Eventmanager oder Musiker und Künstler, Gaststätten und Beherbergungsbetriebe, Sportvereine, Fitnessstudios, kulturelle Veranstaltungsstätten in öffentlicher und privater Trägerschaft.
Neben den direkt von der Schließung betroffenen Unternehmen können auch alle Unternehmen, die nachweislich und regelmäßig 80 % ihrer Umsätze mit direkt von den Schließungen betroffenen Unternehmen erzielen, die Wirtschaftshilfe des Bundes beantragen. Beispiele für diese Unternehmen sind Zulieferer, Wartungs- und Reinigungsbetriebe und andere Dienstleister.
Um möglichst viele – und darum haben wir auch gerungen – der mittelbar betroffenen Solo-Selbstständigen und Betriebe zu erreichen, sind außerdem Unternehmen einbezogen, die regelmäßig 80 % ihrer Umsätze durch Lieferungen und Leistungen im Auftrag direkt von den seitens der Maßnahmen betroffenen Unternehmen über Dritte erzielen. Diese Unternehmen müssen nachweisen, dass sie wegen der Schließungsverordnung einen Umsatzeinbruch von mehr als 80 % im November 2020 gegenüber dem Vorjahr erleiden. Beispiele für Unternehmen sind hier Künstler und Dienstleister, die etwa über Veranstaltungsagenturen für die direkt betroffenen Betriebe tätig werden.
Für einige Wirtschaftsgruppen, beispielsweise Restaurants, gibt es einige Besonderheiten bei der Ermittlung der Höhe der Wirtschaftshilfe. Auch das will ich hier noch mal ausführen, weil es von Anfang eine Frage war, die wir sehr früh in Abstimmung mit dem Bund mit den Gaststättenbetreibern haben klären können.
Ich spreche das Thema „Außer-Haus-Verkäufe“ an. Hier ist von Anfang an, wie ich meine, eine sehr gute Regelung gefunden worden, die wir sehr früh, schon Anfang November, haben kommunizieren können. Diejenigen, die jetzt sehr stark Außer-Haus-Verkauf betreiben, sollen dadurch keine besonderen Nachteile haben. Im Gegenteil: Es werden gegenüber dem Vorjahr 75 % des um die Außer-Haus-Verkäufe reduzierten Umsatzes zugrunde gelegt. Auf diesem Betrag aufsetzend kann jetzt unbegrenzt ein AußerHaus-Verkauf der Gaststätten stattfinden.
Ich denke, das ist eine sehr gute Regelung, die hilft, dass die Unternehmen nicht nur mit staatlicher Hilfe durch diese Zeit kommen, sondern sich zusätzlich betätigen und dadurch wirtschaftliche Einnahmen erzielen können.
Insgesamt umfasst die geplante Wirtschaftshilfe ein Volumen von ca. 10 Milliarden Euro aus Bundesmitteln. Sie bezuschusst betroffene Unternehmen pro Woche der Schließung mit 75 % des durchschnittlichen wöchentlichen Umsatzes im November 2019.
Solo-Selbstständige haben bei der Ermittlung des Zuschusses ein Wahlrecht. Sie können als Bezugsrahmen für den Umsatz auch den durchschnittlichen Vorjahresumsatz zugrunde legen.
Die Außerordentliche Wirtschaftshilfe soll zudem auch die jungen Unternehmen unterstützen. Unternehmen, die nach dem 30. November 2019 gegründet worden sind, können ebenfalls einen Antrag stellen. Bezugsgröße zur Ermittlung der Wirtschaftshilfe ist hier der Vormonat Oktober 2020 oder der monatliche Durchschnittsumsatz seit der Gründung des Betriebes.
Die gewährte Wirtschaftshilfe wird mit bereits anderen gewährten Hilfsmaßnahmen wie dem Kurzarbeitergeld oder der Überbrückungshilfe verrechnet.
Wie bei den bereits bekannten Hilfsmaßnahmen – der Soforthilfe, der Überberückungshilfe und der „NRW Überbrückungshilfe Plus“ – werden die fünf Bezirksregierungen zusätzlich auch die Bewilligung der Außerordentlichen Wirtschaftshilfe übernehmen, wofür ich Herrn Innenminister Herbert Reul und unseren fünf Regierungspräsidentinnen und Regierungspräsidenten besonders dankbar bin.
Die Landesregierung hat sich in den letzten zwei Wochen ganz eng mit den Regierungspräsidenten und den Mitarbeitern abgestimmt. Sie haben schon viele Programme zusätzlich geschultert. Wir haben gesagt: Jetzt müssen wir noch mal kräftig helfen. – Das geschieht nun, und dafür möchte ich mich im Namen des Ministerpräsidenten und der Landesregierung herzlich bedanken.
Die Bezirksregierungen werden auch diesmal von Mitarbeitern der NRW.BANK, von Mitarbeitern von IT.NRW und anderen nachgeordneten Behörden unterstützt. Das zeigt, dass wir wirklich alles tun wollen, damit die Hilfe schnell bei den Betroffenen ankommen kann.
Die digitale Antragstellung hat sich sowohl bei der Soforthilfe als auch bei der Überbrückungshilfe bewährt. Daher wird der Antrag für die Außerordentliche Wirtschaftshilfe ebenso über ein digitales Portal zu stellen sein. Der Bund wird dafür erneut die nationale Plattform der Überbrückungshilfe nutzen. Um ein sicheres Antragsverfahren zu gewährleisten, ist eine Antragstellung vornehmlich über einen vom Antragsteller beauftragten Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Buchprüfer oder Rechtsanwalt möglich. Das haben wir bereits mit der Überbrückungshilfe I und II eingeführt.
Wichtig ist – und das ist ein ganz entscheidender Punkt –, dass die Solo-Selbstständigen, die einen Höchstsatz von 5.000 Euro beantragen können, einen Weg gehen können, den wir schon bei der Soforthilfe gewählt hatten. Sie sollen nicht über die beratenden Berufe gehen müssen, sondern ihren Antrag direkt online stellen können. Es ist gelungen, ein Verfahren zu finden, welches eine rechtssichere Authentifizierung gewährleistet und für einen sehr einfachen und schnellen Zugangsweg sorgt. Das wird in Nordrhein-Westfalen in Hunderttausenden Fällen dazu beitragen, dass die Hilfe so schnell ankommt, wie die Ministerpräsidenten und die Bundeskanzlerin es zugesagt haben.
Es konnte auch erreicht werden, dass die anderen Betriebe, deren Gestaltung komplexer ist – und damit kann die Höhe der Förderung natürlich deutlich höher
ausfallen –, im Rahmen einer Abschlagszahlung von bis zu 10.000 Euro eine möglichst unbürokratische und schnelle Hilfe bekommen.
Die Antragstellung startet in der Woche zum 25. November. In der nächsten Woche wird mit Hochdruck an dieser Plattform gearbeitet und die Software entwickelt, damit das Antragsverfahren starten kann. Wir erwarten, wenn alles gut geht, dass noch im November, wie zugesagt, die Solo-Selbstständigen, aber auch die anderen Unternehmen ihre Abschlagszahlung erhalten können.
Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit ein paar Worte zum weiteren Fortgehen bei der Soforthilfe sagen; denn auch dort haben wir unter dem Eindruck der jüngsten Ereignisse im Zusammenhang mit der Pandemie weitere Erleichterungen für die Unternehmen vorgesehen. Wie Sie wissen, haben wir uns beim Bund für deutliche Verbesserungen beim Abrechnungsverfahren in den Sommermonaten eingesetzt. Damit kommen jetzt Verbesserungen insbesondere bei den von den Umsätzen absetzbaren Personalkosten und den gestundeten Zahlungen zum Tragen.
Zwischenzeitlich hat sich die wirtschaftliche Situation bei vielen Soforthilfeempfängern pandemiebedingt erneut eingetrübt. Daher geben wir ihnen mehr Zeit bei der Schlussabrechnung. Wir verschieben den Zeitraum für die Meldung bis ins Frühjahr und für die Rückzahlung bis in den Herbst des kommenden Jahres. Wir sind dem Bund dankbar, wenn er dann die Abrechnungsfristen, die wir mit ihm vereinbart haben, entsprechend anpasst.
Um dem Wunsch jener Soforthilfeempfänger zu entsprechen, die mit Blick auf die Steuererklärung für dieses Jahr ihre Abrechnung noch bis Jahresende vornehmen wollen, erhalten diese die Gelegenheit dazu, damit wir wirklich allen gerecht werden. Wir haben mit vielen gesprochen. Ich halte das für eine sehr gute Lösung, um in dieser besonderen Situation zu zeigen, dass wir zusätzliche Liquiditätsbrücken bauen können.
Neben der Außerordentlichen Wirtschaftshilfe hat der Bund weitere Hilfsmaßnahmen vorgesehen. So wird der KfW-Schnellkredit für Unternehmen bis zu zehn Beschäftigten geöffnet und angepasst. Die maximale Kredithöhe beträgt 300.000 Euro. Dies ist abhängig von dem im Jahr 2019 erzielten Umsatz.
Zudem wird der Bund die Hilfsmaßnahmen für Unternehmen in Form der Überbrückungshilfe III verlängern und die Konditionen für die hauptbetroffenen Wirtschaftsbereiche wesentlich verbessern, was ganz besonders wichtig für das Eventmanagement, aber auch für die Schausteller und andere ist, die seit Monaten nicht arbeiten können. Hier sind wir mit dem Bund in enger Abstimmung, um durch Verbesserungen der Überbrückungshilfe III den einzelnen, beson
Möglicherweise gelingt auch noch – wir haben es in dieser Woche bereits debattiert – beim Unternehmerlohn im Rahmen der Überbrückungshilfe III ein Durchbruch, was uns und viele Begünstigte natürlich freuen würde.
Lassen Sie mich abschließend noch eines sagen, meine sehr verehrten Damen und Herren: Was ich Ihnen hier habe vortragen können, sind materielle Unterstützungen. Aber die vielen Gespräche, die auch Sie in den letzten Tagen und Wochen geführt haben, zeigen uns: Es geht einerseits darum, dass wir versuchen, die wirtschaftlichen Grundlagen zu erhalten. Andererseits geht es besonders darum, in ideeller Weise deutlich zu machen, dass diejenigen, die jetzt in den Teil-Lockdown gegangen sind, einen solidarischen Beitrag für unsere Gesellschaft, für die Wirtschaft leisten und dass sie unser aller Respekt und Anerkennung für diese besondere Leistung verdienen. Viele haben sich vorher so sehr angestrengt.
Wir wollen, dass sie diese Anstrengungen auch fortsetzen. Wir wollen, dass die Rahmenbedingungen so sind und von uns weiter positiv beeinflusst werden können, dass sie bald wieder ihre Tätigkeit aufnehmen können. Denn den Menschen geht es auch darum, dass sie ihre Existenz aus eigener Kraft sichern können, dass sie endlich wieder arbeiten können.
Ich denke mit besonderer Leidenschaft an das, was uns Herr Ritter in den Runden sagte: Es sind Familienbetriebe. Die wollen einfach wieder arbeiten.
Lassen Sie uns alles tun, damit das möglichst bald gelingt. Dafür braucht es immer wieder solidarisches Handeln und wechselseitiges Verständnis. Ich denke, auch das kommt durch dieses Hilfsprogramm zum Ausdruck. – Herzlichen Dank für Ihre freundliche Aufmerksamkeit.