Protokoll der Sitzung vom 25.11.2020

Die Konsequenz haben wir doch heute in Ihrer Unterrichtung gehört, Herr Laschet. Das, was Sie hier gesagt haben, war so unverbindlich, so abstrakt und so gewunden, als müssten Sie durch rote Laserschranken klettern.

(Christof Rasche [FDP]: Warum lesen Sie das denn gerade ab?)

Ihre Angst vor Festlegungen war bei Ihrer Unterrichtung doch in jedem Satz zu spüren.

(Zurufe von der CDU und der FDP – Glocke – Beifall von der SPD)

Bei aller Dramatik, die diese Pandemie im Augenblick auch auslöst, gibt es doch eins, vor dem wir uns alle schützen sollten, nämlich vor einer Theatralik in Superlativen.

(Zurufe von der FDP)

Herr Laschet, „das härteste Weihnachten, das die Nachkriegsgeneration je erlebt hat“ – das haben Sie gesagt, Herr Laschet. Ist das Ihr Ernst?

In Nordrhein-Westfalen haben gerade Hunderttausende von Menschen Angst davor, dass sie Weihnachten überhaupt kein Dach mehr über den Kopf haben, weil sie ihre Miete nicht mehr bezahlen können. Sie können ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen, und sie leiden mit infizierten Angehörigen. Die größte Sorge vieler Menschen ist nicht, wie wir Weihnachten feiern. Sparen Sie sich bitte solche Superlative. Das bringt uns in dieser Krise auch nicht weiter, Herr Laschet.

(Beifall von der SPD)

Noch ein weiterer Hinweis: In der Diskussion in den letzten Wochen hat man manchmal den Eindruck gewinnen können, das oberste Ziel sei, Weihnachten feiern zu können. Ich möchte das auch gerne. Ich verbringe Weihnachten auch gerne im Kreis meiner Lieben, meiner Familie zu Hause.

Aber denken wir bitte die Pandemiebekämpfung nicht nur bis zum 24., 25. oder 26. Dezember. Wir brauchen eine Strategie, wie wir nicht nur gesund und sicher über die Weihnachtstage, sondern auch noch bis Mitte/Ende nächsten Jahres kommen, nämlich, bis der Impfstoff dann auch flächendeckend verimpft werden kann.

Einen Aspekt muss ich auch noch ansprechen, Herr Laschet, weil Sie ihn gerade angesprochen haben, und zwar die Schulpolitik. Beenden Sie bitte Ihre parteipolitische Kampagne, in der Sie immer wieder unterstellen, die SPD möchte Schülerinnen und Schüler ins Homeoffice stecken.

(Zuruf von der CDU)

Genau das Gegenteil ist der Fall.

(Lachen von Josef Hovenjürgen und Bodo Löttgen [CDU])

Wir wollen so lange wie möglich den Präsenzunterricht erhalten. Das ist die Position der SPD.

(Beifall von der SPD – Christof Rasche [FDP]: Peinlich!)

Ihr persönlicher Kampf gegen Vorschläge kluger Oberbürgermeister in unserem Land frisst Sie doch so auf, dass Sie gar nicht mehr realisieren, wie einsam es um Sie herum in der Schulpolitik geworden ist.

(Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

Sie haben gerade gesagt, es stünden alle CDU- oder CSU-Ministerpräsidentinnen und -Ministerpräsidenten und auch die der SPD dahinter. Schauen Sie sich doch einmal die Beschlussentwürfe der B-Seite an, die gestern herumgeschickt worden sind. Nein, CDUMinisterpräsidentinnen und -Ministerpräsidenten for

derten gestern in ersten Entwurfspapieren ein Wechselmodell. Für die je Klasse zu bildenden Gruppen wechseln sich Distanz- und Präsenzunterricht ab.

(Ursula Heinen-Esser, Ministerin für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucher- schutz: Das war wann? Ab welcher Inzidenz?)

In der jetzigen Fassung des Beschlussvorschlags steht Hybridunterricht drin, und Markus Söder sprach gestern Abend im „heute journal“ von Wechselunterricht. Das ist das Solinger Modell. Hören Sie endlich auf Ihre eigenen Parteifreunde. Der Zug ist längst weitergefahren, Herr Laschet.

(Beifall von der SPD)

Und sorgen Sie bitte heute dafür, dass wir in Deutschland eine vernünftige Teststrategie bekommen.

(Zurufe von der CDU)

Wir haben schon vor Monaten darauf hingewiesen,

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Mi- chael Hübner [SPD]: Was soll denn hier „Scheiß was drauf“ heißen? „Scheiß was drauf“ ist unparlamentarisch! – Josef Hoven- jürgen [CDU]: Das ist unsäglich! – Michael Hübner [SPD]: Aber nicht mit „Scheiß was drauf“! – Weitere Zurufe – Unruhe – Glocke)

mit welchen Techniken man Testkapazitäten erhöhen kann und welche segensreiche Wirkung Schnelltests auch in diesem Land haben.

Wenn wir Quarantänezeiten reduzieren und Besuche in Krankenhäusern und Altenheimen ermöglichen wollen – da haben Sie uns völlig an Ihrer Seite; das wollen wir auch –, brauchen wir eine Kombination aus Schnelltests und PCR-Tests. Warum gibt es noch keine strategische Entscheidung, wo und wie das eingesetzt werden soll? Wir können Ihnen notfalls weitere Vorschläge unterbreiten.

Drittens müssen wir auf die sozial Benachteiligten achten. Auch darauf bitte ich Sie heute in der Konferenz mit den anderen Regierungschefinnen und Regierungschefs ein Augenmerk zu richten.

(Zuruf von Henning Höne [FDP])

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat gestern mit dem Deutschen Mieterbund noch einmal darauf hingewiesen, wie ernst die Lage auf dem Mietwohnungsmarkt gerade in Coronazeiten tatsächlich ist und wie Mieterinnen und Mieter leiden, wie aber auch – ja, hören Sie zu – Vermieter leiden, die Mietausfälle zu verkraften haben. Ich denke, auch hier täte es uns gut, noch einmal über unseren Rettungsschirm nachzudenken, um Ausfälle auf Mieterseite abzufedern. Wir können nicht auf der einen Seite mit Steuergeldern die Dividende bei BMW bezahlen und auf der anderen Seite tatenlos zusehen, wie die Kellnerin ihre Wohnung verliert, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall von der SPD)

Heute werden in der Videokonferenz die Weichen für die Zukunft gestellt. Was wir heute richtig machen, wird über Jahrzehnte Früchte abwerfen. Doch was wir heute falsch machen, wird uns leider genauso lange verfolgen. Lassen Sie uns deswegen heute alles gemeinsam richtig machen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU spricht nun ihr Fraktionsvorsitzender Löttgen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich am vergangenen Donnerstag um Viertel vor zwei eine Kopie des Schreibens der Fraktionsvorsitzenden der Grünen an den Ministerpräsidenten auf den Tisch bekam, habe ich mich gefragt: Was soll eine Unterrichtung bringen, bevor die Verhandlungen überhaupt beginnen?

Im Schreiben der Grünen steht, im Sinne einer wirklichen Parlamentsbeteiligung wäre es aus ihrer Sicht angezeigt, das Parlament im Vorfeld der MPK über die Linie der NRW-Landesregierung zu unterrichten und darüber im Parlament zu debattieren.

Die Verhandlungslinie einer Landesregierung zu diskutieren, ohne auf Einzelmaßnahmen einzugehen: Das muss man nicht, aber kann man machen. Das wäre auch so weit, so gut gewesen, hätte uns nicht heute Morgen um 8:09 Uhr im Informationsdienst des Parlamentes ein Entschließungsantrag Ihrer Fraktion erreicht, der merkwürdigerweise bereits um 0:01 Uhr der „Rheinischen Post“ bekannt war und über dpa gespielt wurde.

Aber zurück zum Donnerstag vergangener Woche: Eine knappe Stunde nach dem Schreiben der Grünen kam das Schreiben des SPD-Fraktionsvorsitzenden,

(Josefine Paul [GRÜNE]: Oh!)

das einen gravierenden Unterschied zum Schreiben der Grünen aufweist.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich zitiere aus diesem Schreiben Herrn Kutschaty:

Deshalb teile ich ausdrücklich die Einschätzung der Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der Grünen, dass wir vor der Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder im Landtag debattieren müssen – jetzt kommt der Unterschied –, welche Maßnahmen wir für angemessen halten.

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Ja!)

Da blieben nach dem Lesen doch zwei Fragen, Herr Kutschaty: Wer ist denn „wir“?

(Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Das Parla- ment!)

Ist das ein Majestätsplural? Handelt es sich um das unpersönliche Reden über sich selbst in der dritten Person?

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Oh!)