Protokoll der Sitzung vom 25.11.2020

Jetzt könnte man fragen: Ist es bei Ihnen Einsicht oder Notwendigkeit oder Not? Aber bei Ihnen bedarf es ja immer Not, damit Sie einsehen, dass das Richtige zu tun ist. Sie haben zu Beginn der Legislaturperiode von Entfesselung und großen Neuanfängen gesprochen. Bei der Finanzierungsfrage der Krankenhauslandschaft sind Sie aus meiner Sicht zu kurz gesprungen. Das ist nicht der große Wurf, den alle in der Landschaft erwartet haben.

Jetzt haben Sie die größte Reform der nordrheinwestfälischen Krankenhauslandschaft angekündigt – so haben Sie es gesagt. Sie meinen das Vorhaben, die Bettenzahl als Kennzahl für die kapazitätsbestimmende Größe in den Hintergrund treten zu lassen. Zukünftig soll über sogenannte Leistungsbereiche und Leistungsgruppen geplant werden. Die Leistungsgruppen sollen an Qualitätskriterien geknüpft werden, wie etwa an Fachärztezahl oder die Ausstattungsmerkmale eines Krankenhauses.

Die Befugnis zur Erbringung bestimmter Leistungen in Krankenhäusern wird zukünftig von der spezifischen Erfüllung der Qualitätskriterien abhängen. Sie möchten mit diesem Vorhaben unter anderem angebliche Überkapazitäten und Doppelstrukturen

abbauen. Was sich in der Theorie zunächst sinnvoll anhört, entpuppt sich in der Praxis als zu vorschnell und zu unüberlegt.

Schon im Vorfeld zur groß angesetzten Anhörung, die wir im Ausschuss noch durchführen werden, werden massiv kritische Stimmen laut, wonach wir gerade dank dieser Überkapazität in den Krankenhäusern der Pandemie erfolgreich begegnen konnten. Ich möchte an dieser Stelle, verehrte Kolleginnen und Kollegen, allen im Gesundheitssystem tätigen Frauen und Männern meinen größten Respekt und meinen Dank für ihren unermüdlichen Einsatz nicht nur in Coronazeiten danken.

(Beifall von der SPD, Dr. Günther Bergmann [CDU] und Stefan Lenzen [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn uns die Pandemie eines gelehrt hat, dann doch, dass wir für jede Ärztin und für jeden Arzt, für jede Pflegerin und für jeden Pfleger, für jede Beschäftigte und für jeden Beschäftigten im Gesundheitswesen und auch für jedes Bett dankbar sein sollten, das uns zur Verfügung steht. Statt diese Strukturen wegzurationalisieren, sind wir es den Menschen,

(Beifall von der SPD)

die an der vordersten Front gegen das Virus ankämpfen, schuldig, nicht alles auf Kante zu nähen, sondern eine solide aufgestellte und gut finanzierte Krankenhauslandschaft sicherzustellen. Dazu gehören auch die Überkapazitäten, die im Notfall, sei es bei einer Pandemie oder beispielsweise einer Naturkatastrophe, das Schlimmste auffangen und die Ressourcen zur Verfügung stellen, die wir dann im gut funktionierenden Gesundheitssystem benötigen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nichts ist für den Menschen wichtiger, als gesund zu bleiben oder gesund zu werden. Was wir brauchen, ist daher eine echte Pufferfinanzierung genau für diese Überkapazitäten, damit das Gesundheitssystem auch zukünftig handlungsfähig bleibt. Dabei denke ich auch an den ländlichen Raum, den wir bei Leistungsgruppen schwer klassifizieren können. Auch diesen Punkt haben Experten bereits kritisiert.

Auch zum Thema „sexuelle Gesundheit“ haben wir umfangreiche Anhörungen durchgeführt. Damals schienen wir uns fraktionsübergreifend einig zu sein, wie wichtig die Arbeit der verschiedenen Akteure wie beispielsweise der Aidshilfe war und weiterhin ist. Statt jedoch die Akteure in diesem Jahr, in dem keine großen Benefizaktionen stattfinden konnten und somit Großspenden ausgeblieben sind, besonders zu unterstützen, kürzen Sie ihnen ausgerechnet in diesem Bereich faktisch die Mittel. Das steht uns und Ihnen hier nicht gut zu Gesicht. Die Kolleginnen und Kollegen der Aidshilfe standen in der Bürgerhalle und haben wirklich darum gebettelt, noch überleben zu können.

Ich will etwas Weiteres sagen: Wir können, wenn wir uns ein existentiell leistungsfähiges und humanes Gesundheitswesen leisten wollen, nicht alles nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sehen.

Am Ende meiner Rede möchte ich Johannes Rau zitieren, der in seiner Rede beim 107. Deutschen Ärztetag am 18. Mai 2004 Folgendes sagte:

„Meine Damen und Herren, Gesundheit ist ein hohes Gut, aber sie ist keine Ware.

Ärzte sind keine Anbieter, und Patienten sind keine Kunden.

Ich halte nichts davon, unser ganzes Leben in Begriffe der Betriebswirtschaft zu pressen.“

Meine Damen und Herren, wir Sozialdemokraten fühlen uns nicht nur am heutigen Tag, sondern auch in Zukunft den Worten unseres Altbundespräsidenten verpflichtet. – Glück auf.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Yüksel. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Preuß.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Haushaltsentwurf 2021 setzen wir konsequent fort, was wir im Jahr 2017 begonnen haben, nämlich die beste gesundheitliche Versorgung für die Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen zu erreichen und auszubauen.

Wie wichtig ein stabiles und gut aufgestelltes Gesundheitssystem ist, führt uns die Coronapandemie in diesem Jahr besonders vor Augen. Krankenhäuser mit leistungsfähigen Strukturen bilden hierbei die notwendige Voraussetzung. Nun passen Sie bitte auf, Herr Kollege Yüksel: Im kommenden Jahr wollen wir daher insgesamt 767 Millionen Euro in unsere Krankenhausversorgung investieren. Für die Pauschalförderung stellen wir insgesamt 564 Millionen Euro zur Verfügung. Das sind 6 Millionen Euro mehr als für das laufende Haushaltsjahr.

Die Einzelförderung umfasst wieder 100 Millionen Euro, um Investitionsmaßnahmen der Krankenhäuser zu Förderschwerpunkten gezielt fördern zu können. Für die Kofinanzierung des Krankenhausstrukturfonds des Bundes sind 95 Millionen Euro vorgesehen. Ergänzt werden diese durch Mittel des Bundes mit rund 105 Millionen Euro.

Meine Damen und Herren, die Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen haben noch nie so viel Geld bekommen wie jetzt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir setzen auf eine effiziente Krankenhausplanung und auf Strukturveränderungen, mit denen wir die medizinische Versorgung der Menschen in NordrheinWestfalen sicherstellen und verbessern wollen – auch im Akutfall. Das bedeutet eine höchstmögliche medizinische Qualität mit Schwerpunktbildung und Spezialisierung.

Entschuldigung, Herr Kollege Preuß, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Yüksel würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Ja, bitte.

Vielen Dank, Herr Preuß, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Natürlich passe ich sehr aufmerksam auf, wenn Sie eine Rede halten. Aber ist Ihnen die DIW-Studie bekannt, die die Finanzierungslücke der Krankenhäuser in Nordrhein-Westfalen auch nach Ihrer angekündigten Finanzierung bei 1,1 bis 1,5 Milliarden Euro sieht? Ist Ihnen diese Studie bekannt?

Ja, das ist bekannt geworden, sehr konkret bekannt geworden, und zwar in der vorherigen Legislaturperiode, in der Rot-Grün regiert hat. In dieser Zeit, in der gesamten Zeit davor, ist nichts in Sachen Krankenhausfinanzierung passiert. Erst wir, die NRW-Koalition, haben 2017 das Thema aufgegriffen und mehr Mittel zur Verfügung gestellt.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich könnte das jetzt anhand der Haushaltspläne ab 2017 im Einzelnen darstellen.

(Beifall von der FDP)

Das möchte ich mir aber jetzt ersparen. Sie wissen das natürlich sehr genau.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das stimmt aber nicht ganz, Herr Kollege! 2018 waren Sie da!)

Meine Damen und Herren, jeder Patient, jede Patientin soll dabei die bestmögliche Gesundheitsversorgung erhalten. Der neu ausgerichtete Krankenhausplan wird leistungsfähige Krankenhausstrukturen schaffen. Davon sind wir überzeugt. Der Fokus liegt dann nicht auf der Bettenzahl, sondern auf der Versorgung, auf Versorgungsstrukturen und vor allen Dingen auf Qualität. Es geht nicht um Betten, sondern es geht um die bestmögliche medizinische Versorgung.

Auch die Gesundheitsämter stehen in diesem Jahr angesichts der Coronapandemie vor großen Herausforderungen. Im nächsten Jahr sollen daher 25 Millionen Euro zur Einstellung von Hilfskräften zur Kon

taktnachverfolgung an die Kommunen fließen. Auch wenn Impfungen gegen das Coronavirus wohl bald beginnen sollen, wird es noch geraume Zeit bis zu einer Normalisierung der Lage dauern.

Eine weitere wichtige Säule der Gesundheitsversorgung ist das Hausärzteprogramm, das 2021 wiederum mit 2,5 Millionen Euro belegt sein wird, um die hausärztliche Versorgung vor allen Dingen in kleineren Kommunen und in ländlichen Bereichen sicherstellen zu können.

Die Landarztquote ist ein Erfolgsmodell und ein wichtiges Instrument zur flächendeckenden medizinischen Versorgung. 7,8 % der Medizinstudienplätze sind 2019 und 2020 an Bewerberinnen und Bewerber vergeben worden, die später im ländlichen Raum praktizieren werden. Es spricht für sich, dass das Interesse an den Studienplätzen mit 450 Bewerbungen für das Sommersemester 2021 weiterhin sehr hoch ist.

Auch die Digitalisierung im Gesundheitswesen ist sehr wichtig. Für die Digitalisierung stellen wir 6,8 Millionen Euro zur Verfügung. Davon fließen allein 3,6 Millionen Euro in das virtuelle Krankenhaus, das die fachärztliche Expertise der im Land verteilten medizinischen Spitzenzentren für die gesamte Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen verfügbar macht.

Der Schutz der Kinder ist uns eine Herzensangelegenheit. Die Jüngsten und Schwächsten in unserer Gesellschaft müssen geschützt werden. Seit April 2019 wird das „Kompetenzzentrum Kinderschutz im Gesundheitswesen“ mit jährlich 2 Millionen Euro gefördert. Zugleich unterstützen wir vor Ort auch die wertvolle Arbeit der 25 Kinderschutzambulanzen im kommenden Jahr mit 1,5 Millionen Euro.

Ich möchte nur ganz nur noch auf die generalistische Pflegeassistenz-Ausbildung hinweisen. Es geht darum, Pflegekräfte zu gewinnen. Mehr als 14 Millionen Euro sollen in die dauerhafte Erhöhung der Schulkostenförderung und in die Erweiterung der Ausbildungskapazitäten auf 2.000 Plätze fließen.

In diesem Jahr wurde endlich die gesetzliche Grundlage für eine Pflegekammer geschaffen. Hierfür stehen 5 Millionen Euro für die Anschubfinanzierung zur Verfügung. Im Jahre 2021 werden 2 Millionen Euro in die Anschubfinanzierung fließen.

Der vorliegende Haushaltsentwurf für 2021 zeigt, dass zukunftsfähige Krankenhausstrukturen, die Digitalisierung des Gesundheitswesens und die Bekämpfung des Hausärztemangels sowie des Pflegekräftemangels weiterhin im Zentrum unserer Gesundheitspolitik stehen. Nur mit ausreichenden finanziellen Mitteln lässt sich eine optimale gesundheitliche Versorgung unserer Bevölkerung umsetzen. Dafür tun wir – auch im Rahmen des Haushaltsplanes – alles. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt Herr Kollege Mostofizadeh Gelegenheit, das Wort zu nehmen.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Selten habe ich den Kollegen Preuß sich so durch eine Rede hecheln hören wie heute. Er musste sich anstrengen, alle Fleißkärtchen an den Minister zu verteilen, die er eingesteckt hatte. Die eine oder andere mag ja berechtigt sein. Aber ich möchte einen zentralen Bereich ansprechen, der mir am Herzen liegt und bei dem wir eine durchaus differenzierte Position zu allen Mitbewerbern hier im Haus einnehmen – das ist die Krankenhausplanung.

In der Tat, Herr Kollege Yüksel, würde ich jetzt nicht zwingend auf das Krankenhausgutachten hinweisen, das 1,5 Milliarden Euro Bedarf pro Jahr ausweist. Denn zum einen bin ich nicht sicher, dass diese Größenordnung machbar ist, und zum anderen muss ich an dieser Stelle auf etwas hinweisen, das hier sehr konkret ist: Ich bin der festen Überzeugung, dass wir uns die Struktur an Krankenhäusern, wie wir sie zurzeit in Nordrhein-Westfalen haben, nicht leisten können und auch nicht leisten sollten. Deswegen halte ich es für richtig, sich auf den Weg zu machen und zu überlegen, wie wir mehr Spezialisierung schaffen und die Qualität steigern können. Denn Corona lehrt uns nicht, möglichst viele Krankenhäuser zu haben, sondern eine möglichst gute Behandlung sicherzustellen.

Denn – das zeigt eine Studie der Universität Münster – diejenigen Coronapatientinnen und -patienten, die auf Intensivstationen in Unikliniken oder auch anderen Spezialkliniken gelegen haben, hatten deutlich höhere Chancen auf einen besseren Verlauf als an anderen Standorten.

Und das nervt mich auch an anderen Stellen: Sie wissen genauso gut wie ich, dass wir in Nordrhein-Westfalen – auch in ganz Deutschland – viel weniger Pflegekräfte haben, als wir eigentlich brauchen. Von daher müssen wir uns gut überlegen, wo wir diese hochqualifizierten Leute einsetzen. Deswegen halte ich den Weg für richtig – das sage ich auch als Oppositionspartei –, genau an den Stellen zu investieren, wo wir sie brauchen. Das heißt, möglicherweise auch im ländlichen Bereich – wobei Nordrhein-Westfalen da sicherlich nicht mit Mecklenburg-Vorpommern oder anderen Ländern zu vergleichen ist – den ein oder anderen Standort mehr zu haben und dort vielleicht auch Zentren zu bilden. Zentrum muss nicht immer Großstadt heißen, es kann auch im sogenannten ländlichen Bereich sein. Da stelle ich mich auch hinter.

Ich sage das jetzt so präzise, weil ich dem Minister an der Stelle Vorwürfe machen muss, denn er hat in