Protokoll der Sitzung vom 25.11.2020

Es ist zunächst so, dass die Gesetzesänderung von vornherein nur greift, wenn die Durchführung der Vor-Ort-Kontrollen aufgrund staatlicher Reisebeschränkungen unmöglich oder unzumutbar ist. Ist eine solche Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit gegeben, dürfen die Zertifizierungsstellen nur unter engen Voraussetzungen Zertifikate vergeben. Sie müssen von der Zuverlässigkeit des Herstellers bei der

Wahrung von Kinderrechten aufgrund einer Gesamtschau ihnen bekannt gewordener Umstände ausgehen können. Damit ist klar: Verbleiben Zweifel, hat eine Zertifizierung zu unterbleiben. Nach Aufhebung der Reisebeschränkungen sind die Kontrollen dann wieder unverzüglich einzuführen.

Ich glaube, dass wir hier eine pragmatische Lösung gefunden haben und den Kinderschutz in diesem Punkt in keinem Fall hinten anstellen. Dies gerade der Koalition zu unterstellen, die nach jahrelangem Hin und Her zwischen den Ressorts, auch in rot-grüner Zeit, dieses Thema scharfgeschaltet hat, ist vielleicht noch einmal zu überdenken. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Es gibt keine weiteren Wortmeldungen. Somit sind wir am Schluss der Aussprache angelangt und kommen zu den Abstimmungen.

Wir stimmen erstens über den Änderungsantrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache

17/11961 ab. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – Das sind CDU, FDP und AfD. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Änderungsantrag Drucksache 17/11961, wie festgestellt, abgelehnt.

Wir stimmen zweitens über den Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und FDP Drucksache 17/11165 ab. Der Hauptausschuss empfiehlt in der Drucksache 17/11862, den Gesetzentwurf anzunehmen. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Gesetzentwurf Drucksache 17/11165 selbst und nicht über die Beschlussempfehlung. Wer möchte hier zustimmen? – Das sind CDU, FDP und AfD. Gibt es Gegenstimmen? – Das sind SPD und Grüne. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf Drucksache 17/11165, wie gerade festgestellt, angenommen und verabschiedet.

Ich rufe auf:

8 Modellversuch kontrollierte Cannabis-Ab

gabe: Schwarzmarkt bekämpfen, Jugendschutz und Prävention stärken

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/8579

Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales Drucksache 17/11863

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin für die Fraktion der CDU – Herr Kollege Mostofizadeh, Sie waren schon auf dem Weg zum Redepult; der Hintergrund ist, dass diese Drucksache aus dem Ausschuss zurückkommt – der Abgeordnetenkollegin Frau Fuchs-Dreisbach das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Grünen verdeutlicht einige Problematiken der Legalisierung von Cannabis sehr gut. Es müssen hier sowohl die strafrechtlichen Aspekte als auch die gesundheitlichen Auswirkungen und Gefahren gegeneinander abgewogen werden.

Der gesundheitliche Aspekt wurde aus unserer Sicht in der Diskussion bisher zu wenig aufgegriffen. Die Gefahr, durch Cannabiskonsum in eine Abhängigkeit zu kommen, liegt ja auf der Hand. Neben dem unstillbaren Verlangen nach der Droge und Entzugserscheinungen kann es auch zu körperlichen und psychischen Schäden wie zum Beispiel Lungenerkrankungen oder Psychosen kommen. Auch das Umfeld der Abhängigen kann betroffen sein, wenn Pflichten wie die Kinderbetreuung oder berufliche Notwendigkeiten vernachlässigt werden. Ein Kontrollverlust ist möglich.

Die erleichterte Verfügbarkeit einer Substanz wie Cannabis führt perspektivisch eher zu einer Zunahme der cannabisassoziierten Probleme. Das Beispiel der Niederlande verdeutlicht zudem, dass auch bei einer Legalisierung von Cannabis der Kriminalität kein Riegel vorgeschoben ist.

Eine Debatte über die Legalisierung von Cannabis erachten wir nur im Rahmen einer umfassenden Betrachtung von Betäubungsmitteln für sinnvoll. Die Idee, einen wissenschaftlich basierten Modellversuch zu unternehmen, ist ja nicht neu. Bisher initiierte Modellprojekte wurden jedoch vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte negativ beschieden. Einen erneuten Vorstoß erachten wir für nicht nötig, da sich die Voraussetzungen nicht wesentlich geändert haben.

Ihren Antrag lehnen wir daher, wie im Ausschuss schon angekündigt, ab. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank. – Für die Fraktion der SPD spricht nun die Abgeordnete Frau Weng.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir ganz ehrlich sind, müssen wir zugeben: Wir schauen seit Jahrzehnten auf eine erfolglose Drogenpolitik. Der War on Drugs gilt als gescheitert. Wir haben stag

nierend hohe Zahlen von Drogentoten. 2010 waren es 1.237; 2019 starben 1.398 Menschen an ihrem Drogenkonsum, 122 mehr als im Jahr zuvor. Es gibt also eine steigende Tendenz.

(Zuruf von Dr. Günther Bergmann [CDU])

Wir beobachten mehr Erstkonsumenten, jüngere Erstkonsumenten und mehr begleitende Beschaffungskriminalität. Tonnen von Drogen fallen uns im Hellfeld quasi vor die Füße, ganz besonders hier in Nordrhein-Westfalen an der Grenze zu den Niederlanden. Südamerikanische Staaten sind dabei, aus Europa eine Riesendrogenküche zu entwickeln.

Machen wir uns nichts vor, meine Damen und Herren: Das Dunkelfeld ist ein milliardenschwerer, stetig wachsender Schwarzmarkt, den wir nicht ansatzweise kennen oder unter Kontrolle bringen können. Auch ein Phänomen der Geldwäsche lässt sich hier verorten.

Sachverständige in den Anhörungen, Strafrechtler*innen und der BDK, haben sich bereits im Jahr 2018 für eine Neuausrichtung der Drogenpolitik ausgesprochen.

Will heißen: Die Verbotspolitik der letzten Jahrzehnte ist gescheitert. Denn dieses selektive Drogenverbot hält weder Menschen vom Konsum ab, noch schützt es die Gemeinschaft. Und genau dieses Verbot verhindert nicht die Nachfrage, sondern schafft das Angebot dieser unkontrollierten Märkte und macht Drogen oft noch gefährlicher, als sie ohnehin sind.

Wir überziehen Gelegenheitskonsumenten unverhältnismäßig mit der ganzen Reichweite des Strafrechts und binden damit bei der Strafverfolgung extrem viele Ressourcen bei Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichten mit der Bearbeitung kleiner Drogendelikte. Diese Ressourcen gehören dringend in den Jugendschutz, die Präventionsmaßnahmen und den Verbraucherschutz.

Insoweit ist der Antrag von Bündnis 90/Die Grünen ein richtiger Impuls. Aber die Verkürzung auf den strategischen Umgang mit Cannabis wird dieser Drogenproblematik einfach nicht gerecht. NRW kennt die dramatische Problematik mit Crystal Meth, Kokain und anderen Drogen. Es sind eng verknüpfte Märkte mit Dealern, die darüber hinaus Substanzen – auch Cannabis – strecken, um neue Suchtpotenziale bei den Konsumenten zu wecken; einfach, um nur noch mehr Gewinn zu machen.

Deshalb müssen Drogenkonsum und Drogenkriminalität ganzheitlicher gedacht werden. Es ist doch unbestritten, dass der Gebrauch von Cannabis gesundheitliche Risiken und ein Suchtpotenzial mit sich bringt, wie es bei Alkohol und Nikotin auch der Fall ist.

Aber aus gesundheitlicher Sicht hat die bisherige Verbotspolitik uns in Bezug darauf überhaupt noch

keinen Vorteil verschafft. Welches öffentliche Interesse begründet, Konsumenten zu stigmatisieren? Wo ist der Mehrwert, einen Heroinsüchtigen ins Gefängnis zu bringen, wohl wissend, dass es dort kein Therapieangebot gibt?

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Wenn wir als Staat Drogenkonsumenten nur strafen oder den Schwarzmarkt anbieten können, verlieren wir jeden geeigneten Anknüpfungspunkt zu ihnen, also den gesundheitspräventiven Ansatz, damit Beratung und Therapie überhaupt zum Einsatz kommen können.

Seit Jahren beschäftigt sich auch meine Partei auf Bundesebene mit der Entkriminalisierung des Besitzes von Cannabis. Zur Landtagswahl 2017 war einer unserer Programmpunkte die Entkriminalisierung von Suchtabhängigen.

Eine reale Erfahrung dazu von fast 20 Jahren hat Portugal mit genau dieser Herangehensweise gemacht und dokumentiert einen späteren Einstieg von Jugendlichen in die Drogenszene, weniger Beschaffungskriminalität, einen deutlich verkleinerten

Schwarzmarkt und weniger Drogentote.

Ja, der Bund ist zuständig. Es geht um das Ordnungswidrigkeitenrecht versus Strafrecht, eine Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes und eine Vielzahl zu klärender gesundheits- und rechtspolitischer Fragen.

Konsumenten schützen und begleiten, Dealer hart bestrafen und gegen die Organisierte Kriminalität, Kartelle und Schwarzmärkte vorgehen – wie gesagt, seit Jahrzehnten eine gewaltige Aufgabe. Lassen Sie uns die lange notwendigen Debatten von hier aus neu beginnen. Den Antrag lehnen wir in der bestehenden Form ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Herzlichen Dank. – Für die Fraktion der FDP spricht der Abgeordnetenkollege Matheisen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Cannabis-Prohibition – das ist die ganz klare Haltung der Freien Demokraten – ist in dieser Form gescheitert. Wir erleben einen Markt, der sich im Illegalen abspielt, der keinerlei Verbraucherschutz aufweist, der keinerlei Jugendschutz aufweist und der gewaltige Probleme mit sich bringt.

Daher unterscheiden wir uns an dieser Stelle von der Grundhaltung her grundsätzlich vom Koalitionspartner. Das ist eben zum Ausdruck gekommen. Es ist in einer Demokratie auch richtig und gut, dass es unterschiedliche Meinungen zu dem Thema gibt und

dass diese auch entsprechend zum Ausdruck kommen.

Ich bin daher froh über jede Debatte, die über dieses Thema geführt wird. Ich bin froh, wenn darüber diskutiert wird.

Ich kann Ihnen auch sagen – wir sind ja hier gewählt, um unserem Gewissen zu folgen –: Ich habe sehr viel über Ihren Antrag nachgedacht. Es ist ein Thema, das mich persönlich bewegt und für mich auch eine Gewissensfrage ist.

Nichtsdestotrotz werden wir Ihren Antrag ablehnen, und zwar aus zwei Gründen.

Zum einen haben wir hier in Nordrhein-Westfalen mit dem Koalitionspartner, der dazu eine grundsätzlich andere Haltung hat, einen vernünftigen Weg gewählt – einen Weg, der in den Mittelpunkt nicht die Kriminalisierung des einzelnen Konsumenten stellt, sondern den Dealer in den Mittelpunkt stellt. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das hat sich beispielsweise bei der Justizministerkonferenz gezeigt, bei der auf baden-württembergische Initiative hin seinerzeit die Absenkung der Freimengen initiiert wurde. Wir aus NRW haben uns enthalten. Wir haben dem nicht zugestimmt. Das ist auch ein Ausdruck von Maß und Mitte in dieser Frage.

Zum anderen – Kollegin Weng hat das gerade schon angesprochen – ist es nun einmal ein Bundesthema. Die Entscheidung fällt am 26. September nächsten Jahres. Das wird der Tag der Bundestagswahl sein. Dann wird über die Mehrheiten im Bundestag bestimmt, die zu einer Lösung führen können. Ich hoffe, dass wir dort eine Mehrheit derjenigen bekommen, die legalisieren.

Das Modellprojekt würde – das hat auch die Anhörung gezeigt – mindestens drei Jahre in Anspruch nehmen. Es wird mindestens drei Jahre dauern, bis dort Ergebnisse vorliegen.