Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu unserer 109. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien sowie den Zuschauerinnen und Zuschauern an den Bildschirmen.
Geburtstag feiern heute gleich zwei Abgeordnete, und zwar Frau Kollegin Inge Blask von der Fraktion der SPD und Herr Kollege Thomas Göddertz von der Fraktion der SPD. Herzlichen Glückwunsch und Ihnen persönlich alles Gute.
Entschließungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/11978
Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 17. November mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag zum Thema zu unterrichten.
Die Unterrichtung durch die Landesregierung erfolgt durch Herrn Ministerpräsidenten Laschet. Ich erteile dem Herrn Ministerpräsidenten das Wort. Bitte schön!
Am 25. Februar 2020, also auf den Tag genau vor neun Monaten wurde der erste Coronafall in Nordrhein-Westfalen registriert. Kein anderes Thema hat uns alle im Beruf, in der Familie, im Freundeskreis, in der Kirchengemeinde, im Verein, in der Politik, in jedem Lebensbereich so sehr beschäftigt, so sehr eingeschränkt und auch so sehr gefordert.
Mit umfassenden Maßnahmen, vor allem mit einer beispiellosen Solidarität und Disziplin haben wir es in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland im
Als die Infektionszahlen rund um Ostern sanken, haben wir uns für frühe Öffnungen eingesetzt, besonders in Schulen und Kitas. Manche haben das damals „Lockerungen“ genannt. In Wirklichkeit war es etwas, was in einer liberalen Demokratie selbstverständlich sein sollte: Wir haben Grundrechtseingriffe zurückgenommen.
Die Infektionszahlen sind dann auch seit Ostern kontinuierlich gesunken: bis zum Juni auf einen Inzidenzwert von 3,3 in Nordrhein-Westfalen. Wir reden heute über einen Inzidenzwert von über 150. Damals waren ganz viele Kreise in Nordrhein-Westfalen ohne einen einzigen Coronafall.
Im Sommer, insbesondere nach den Sommerferien stiegen die Zahlen erneut an. Es ist uns damals auch gelungen, bei einzelnen Fällen schnell zu reagieren und die Zahl zurückzudrehen.
Alle erinnern sich noch an die dramatische Berichterstattung in ganz Deutschland über den Fall einer Fleischfabrik im Kreis Gütersloh. Wir haben sehr schnell den Kreis Warendorf und den Kreis Gütersloh zurückgefahren. Nach zwei Wochen war das Geschehen auch dort wieder im Griff. Es ist verhindert worden, dass aus diesem Kreis, aus dieser Fleischfabrik ganz Deutschland infiziert wurde.
Dann kamen die Reiserückkehrer. Dabei ging es nicht so sehr um die Touristen, sondern um die Familienbegegnungen, die in den Ferien stattgefunden haben. Auch die konnten danach wieder in einen normalen Rhythmus zurückgeführt werden.
Uns allen war damals aber klar: Die schwierigste Zeit liegt noch vor uns. Es ist klar, dass im Herbst und insbesondere im Winter die Zahlen steigen werden. Die Erkältungs- und Grippesaison, die jedes Jahr nicht nur in Coronazeiten die Krankenhäuser an die Grenze ihrer Belastbarkeit bringt, in denen viele Menschen mit Influenza auf den Intensivstationen liegen, wird kommen. Diese Zeit wird in diesem Jahr zusätzlich durch das Coronavirus belastet werden.
Alle – auch alle Virologen, egal auf welcher Seite und in welcher Tonlage sie sprechen – hat die Dynamik des Geschehens im Oktober überrascht. Manche hatten die Bundeskanzlerin ja noch ein wenig belächelt, als sie mal ihre Rechnung vorgestellt hat, was im Dezember passieren würde und was exponentielles Wachstum heißt. Dass das Ganze schon im Oktober übertroffen war, hat alle überrascht.
Deshalb mussten wir diese dynamische komplexe exponentielle Wachstumsphase Ende Oktober brechen. Das waren die Maßnahmen, die beschlossen wurden, die auch gewirkt haben: Das exponentielle Wachstum ist zurückgegangen.
Heute Morgen lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei 154,2, also minus 3,6 zum gestrigen Tag, als ich Ihnen berichtet habe. Das war der niedrigste Wert der Sieben-Tage-Inzidenz seit dem 2. November 2020, als es den Höhepunkt der Zahlen gab.
Das ist aber alles kein Grund zur Beruhigung, denn so, wie wir wussten, dass in den Sommerferien die Zahlen steigen werden – durch den Reiseverkehr, durch die Familienbegegnungen –, werden wir auch jetzt damit rechnen müssen, dass die Zahlen wieder steigen werden, wenn Millionen Menschen in Deutschland zum Weihnachtsfest ihre Eltern, ihre Familien und ihre Großeltern besuchen und Reiseverkehr quer durch Deutschland stattfindet. Das kann man jetzt schon erahnen.
Deshalb ist es wichtig, jetzt nicht lockerzulassen, sondern diesen stabilen Wert möglichst noch weiter zu reduzieren, damit wir, wenn der Wert über Weihnachten und in den Weihnachtsferien ansteigen sollte, nicht wieder in die exponentielle Wachstumsphase kommen.
Das ist der Grund, weshalb wir in der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin am gestrigen Tage entschieden haben, die Maßnahmen über den 30. November 2020 hinaus zu verlängern.
Das Bundesinfektionsschutzgesetz – dort wurde der Parlamentsvorbehalt festgeschrieben – sieht vor, dass alle Maßnahmen immer nur auf vier Wochen befristet sein dürfen und danach immer wieder neu entschieden werden muss.
Das ist vom Grundgedanken her richtig und entspricht übrigens auch unserem Gedanken vom Frühjahr: Wenn die Zahlen in vier Wochen wirklich signifikant gesunken sein sollten, müssten auch die Grundrechtseingriffe wieder zurückgenommen werden. Das ist die gleiche Logik. Deshalb die Befristung auf vier Wochen.
Wir haben uns gestern trotzdem politisch festgelegt, dass wir die Verordnung jetzt erst einmal für den Dezember, also bis zum 20. Dezember 2020, verlängern. Wir werden das Landesrecht in den nächsten Tagen noch ausarbeiten.
Wir haben politisch aber alle gesagt: Die Maßnahmen gelten bis Anfang Januar, also über die vier Wochen hinaus, sodass sich jeder auch persönlich darauf einstellen kann.
Es wird Weihnachten keine offenen Restaurants geben, es wird am Silvesterabend kein Silvesteressen in irgendeinem Restaurant geben. Alle Maßnahmen gelten bis in die ersten Januartage. Damit schaffen wir Klarheit für die Restaurants, für die Unternehmer, aber auch für jeden Einzelnen.
Das Erste sind Kontaktbeschränkungen. Die Zahl der Kontakte ist immer noch zu hoch. Die Maßnahmen haben dazu geführt, dass die Kontakte um 40 % reduziert werden konnten.
Das hat aber kaum zu einer gravierenden Senkung der Inzidenzwerte und damit der Neuinfektionen geführt. Deshalb müssen wir bei den Kontaktbeschränkungen noch einmal nachlegen:
Ab dem 1. Dezember 2020 sind private Zusammenkünfte nur noch mit maximal fünf Erwachsenen aus zwei Haushalten erlaubt. Ausnahmen gelten für die Weihnachtstage und den Jahreswechsel.
Mancher hat gefragt: Warum gilt das nicht einfach nur für die drei Weihnachtstage? Warum muss man denn die Tage dazwischen auch noch hinzunehmen? Warum muss man denn Silvester noch Ausnahmen machen? Silvester ist kein großer kirchlicher, christlicher oder sonstiger Feiertag, sondern eher ein Partytag.
Vor allem sozialdemokratische Kollegen, aber auch andere haben vorgebracht, dass viele an den Weihnachtstagen Schichtdienst leisten müssen. Die Verabredung in vielen Betrieben lautet: Wir machen Weihnachtsdienst, aber dafür haben wir Silvester frei. Manche holen ihre familiären Feiern in den Tagen zwischen Weihnachten und Neujahr nach.
Manche haben gefordert: Nein, es gilt eine strikte Regel nur für die drei Weihnachtsfeiertage. Strikt, streng, geht nicht. – Das Ergebnis lautet trotzdem: Wir tragen dieser Lebenswirklichkeit Rechnung, sodass vom 23. Dezember 2020 bis zum 1. Januar 2021 diese Zehn-Personen-Regelung gilt, damit man sich im Familienkreis treffen kann.
Jetzt wird mancher vielleicht sagen: Zehn Leute sind relativ viel. – Nein, so viel ist das nicht. Bei einer Familie mit drei erwachsenen Kindern plus deren Partner und mit den Großeltern sind die zehn Personen schnell erreicht. Deshalb ist zehn eine Größenordnung, die man in eine Verordnung schreibt.
Kein Mensch wird das am Heiligen Abend unter dem Christbaum nachzählen, aber an jede Familie ergeht die Bitte: Reduziert die Kontakte, soweit das in den familiären Rahmen passt, und achten Sie auf alle Regeln. Wenn alle mitmachen, ist das wirkungsvoller als jede Verordnung, die das Landesgesundheitsministerium schreibt.
Der Appell an alle lautet: An Weihnachten ist eine Familienbegegnung möglich, aber bitte haben Sie im Blick, was Familienbegegnungen auch im Negativen bedeuten können.
Zweitens. Mund-Nasen-Bedeckungen schützen. Daher wird die Pflicht nochmals ausgeweitet. Es hilft nichts, wenn wir jetzt bei großen Geschäften und Einkaufszentren die Personenzahl pro Quadratmeter noch einmal verringern, damit es keine überfüllten
Läden gibt, man dann aber draußen auf dem Parkplatz mit dem Einkaufswagen Schlange steht oder den Plausch, den man drinnen nicht mehr halten kann, ohne Maske draußen auf dem Parkplatz führt. Auch auf Parkplätze von Supermärkten und im beruflichen Bereich wird die Maskenpflicht noch einmal ausgeweitet.
Als drittes wichtiges Ergebnis hat das Offenhalten von Kitas und Schulen weiterhin oberste Priorität. Nur so können wir Bildungschancen sichern.
Um den Schutz der Schülerinnen und Schülern sowie der Lehrerinnen und Lehrer zu verbessern, werden vermehrt Antigenschnelltests zum Einsatz kommen. Sie sind jetzt in größerer Menge verfügbar. Sie waren vor vier Wochen noch nicht in dieser Menge verfügbar; da mussten wir priorisieren: für Altenheime, für Pflegeeinrichtungen, für Behinderteneinrichtungen.
Jetzt sind mehr Tests da. Jeden Tag kommen neue auf den Markt. Deshalb haben wir auch die Möglichkeit, die Quarantänezeit für Schülerinnen und Schüler, in deren Klasse ein Coronafall aufgetreten ist, auf fünf Tage zu reduzieren. Dies ist aber nur möglich, wenn die Tests da sind. Wir können nicht 2,5 Millionen Schüler testen. Wo es aber solche Fälle gibt, müssen diese Antigenschnelltests jetzt schnell eingesetzt werden.
Zudem haben wir eine neue Kategorie für Städte und Kreise eingeführt, in denen der Inzidenzwert über 200 liegt; das ist schon eine extrem hohe Zahl. Der Landesgesundheitsminister steht mit seinen Mitarbeitern, mit den örtlichen Landräten und den Oberbürgermeistern jetzt schon im Gespräch, um zu sehen, welche Zusatzmaßnahmen ergriffen werden können.
Wir haben gestern einige Kriterien festgelegt, die dann erfolgen können. Dazu gehört auch der Distanzunterricht. Das ist heute schon rechtlich möglich und in Einzelfällen auch schon verabredet worden.