Protokoll der Sitzung vom 26.11.2020

Schulleiterinnen und Schulleiter, die sich offen für alternative Unterrichtskonzepte einsetzen, werden ins Ministerium einbestellt. Das ist Drohung statt Dialog, meine Damen und Herren. Deshalb äußern sich Lehrerinnen und Lehrer im Augenblick auch nur noch im Schutze der Anonymität. Gleichzeitig drohen zahlreiche Betriebe damit, ihre Auszubildenden in Quarantäne zu schicken, wenn sie weiterhin in die Berufsschule müssen. Die Stimmung vor Ort ist vergiftet. Das darf nicht so sein.

Noch etwas sollte außer Frage stehen: Eine Pandemie ist kein PR-Problem. Eine Regierung, die glaubt, das größte Problem an unseren Schulen sei nicht das Infektionsgeschehen, sondern schlechte Publicity, hat

den Bezug zur Realität verloren. Wir müssen uns mittlerweile die Frage stellen, ob das bei dieser Regierung schon der Fall ist.

Wie wir wissen, versorgt diese Regierung mittlerweile die Schulen im Lande nicht mit Unterrichtskonzepten, Software und Endgeräten, wohl aber mit Anweisungen zur Außenkommunikation. Ich zitiere aus einem sogenannten Hand-out der Bezirksregierung Münster, das an die dortigen Schulleitungen ging. In diesem Hand-out der Bezirksregierung Münster an die Schulleitungen heißt es wörtlich:

„Eltern, die in Sorge um ihre Kinder sind, Lokalpolitiker unter Druck und nicht zuletzt Ihre Kollegen wollen nicht hören, dass Sie Zweifel haben, sondern – dass Ihre Schule ein sicherer Ort ist! Entsprechend sollten Sie“

der Appell geht an die Schulleitungen –

„diese Botschaft verstärken.“

Was ist das, Herr Laschet? Das ist Anstiftung zur Schönfärberei. Das ist eine Aufforderung, Regierungs-PR zu betreiben, aber keine vernünftige Hilfestellung für unsere Schulen in diesem Land.

(Beifall von der SPD)

Dann gibt es in diesem Hand-out, in diesem Leitfaden, wie man Öffentlichkeitsarbeit an Schulen in Pandemiezeiten macht, noch eine weitere Empfehlung zur Kommunikation an die Schulleitungen. Da wird gefragt: Was sind denn positive Aussagen, die Schulleitungen treffen können? Dann wird den Schulleitungen nahegelegt, doch bitte folgende positive Positionen zu transportieren – ich zitiere –:

„Unsere Schülerinnen und Schüler haben Verständnis für die Maßnahmen und halten sich sehr diszipliniert an die Regeln.“

Nächster Vorschlag:

„Dank unserer engagierten Lehrerinnen und Lehrer findet der Präsenzunterricht auch unter Corona-Bedingungen in der gewohnt hohen Qualität statt.“

Wer so etwas verschickt, will Missstände vertuschen und kritische Diskussionen unterdrücken, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Einer Regierung, die solche Papiere mit Handreichungen für Schulleitungen verschickt, kann man nicht trauen. Noch schlimmer: Mit solchen Aufforderungen zerstört man das Vertrauen zwischen Schulen und Eltern. Väter und Mütter wollen nicht manipuliert werden, sie wollen den Lehrerinnen und Lehrern ihrer Kinder vertrauen können. Sie haben das Recht auf die Wahrheit. Unsere Schulleiterinnen und Schulleiter wollen Probleme lösen. Sie wollen nichts vertuschen müssen.

Hier wurde eine rote Linie überschritten. Stoppen Sie diese Kampagne bitte umgehend und sofort, Frau Gebauer!

(Beifall von der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, unsere Kommunen, Schulen und Kitas müssen endlich das bekommen, was sie am meisten brauchen: Klarheit, Sicherheit und Vertrauen. Es muss im ganzen Land klar sein, ab welchen Inzidenzwerten welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Es muss klar sein, dass es um die Sicherheit aller Menschen in diesem Lande geht, insbesondere auch um die Sicherheit von Kindern, Lehrerinnen und Lehrern, Erzieherinnen und Erziehern, die uns nicht weniger wert ist als die Sicherheit anderer Menschen.

Vor allem darf kein Zweifel daran bestehen, dass diese Politik, diese Landesregierung, dieses Parlament den Menschen vertraut. Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, Kita- oder Schulleitungen wissen am besten, was vor Ort getan werden muss, was in ihrer Kita, in ihrer Schule geschehen muss, um den Unterricht, um die Betreuung aufrechtzuerhalten. Deswegen müssen sie vom Land die Hilfe bekommen, die sie verlangen und brauchen.

Auf dem letzten Weg dieser Pandemie braucht Nordrhein-Westfalen also nicht nur klare Regeln und vernünftige Investitionen. Unser Land braucht einen Geist des Vertrauens und der Kooperation. Dieser ist teilweise leider über den Sommer verloren gegangen. Er fehlt jetzt. Wir können ihn wiederbeleben. Wir reichen dazu die Hand. Noch ist es nicht zu spät, Nordrhein-Westfalen sicher durch diese Pandemie zu bekommen. Lassen Sie uns gemeinsam dafür arbeiten. – Herzlichen Dank. Glückauf, NordrheinWestfalen!

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU spricht nun ihr Fraktionsvorsitzender Löttgen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin dem Ministerpräsidenten außerordentlich dankbar, dass er an die Opfer der Pandemie erinnert hat. Ich bin Ihnen, Herr Kutschaty, ebenfalls dankbar, dass Ihr Einstieg in die Rede so war, wie er war.

Denn ich habe die von Ihnen geschilderte Situation vor wenigen Tagen in meinem Familienkreis erleben müssen: Krankenhaus, Intensivstation, Sterben, Beerdigung. Das ist schon ohne Corona etwas, was eine Familie stark in Anspruch nimmt. Unter den Bedingungen von Corona kann es fast unerträglich werden.

Ich will ein Zweites tun. Ich will einfach etwas richtigstellen, was Sie in Ihrer Rede behauptet haben, und nur einmal kurz aus der Pressekonferenz von Tim Kurzbach den Originalton zitieren, nur damit es richtiggestellt wird:

„An den weiterführenden Schulen und Berufskollegs in Solingen werden Klassen und Kurse ab 4. November halbiert und getrennt unterrichtet.“

An allen weiterführenden Schulen! Da ist nicht differenziert worden, ob Infektionen da sind oder nicht, sondern es sind alle über einen Kamm geschoren worden. Das ist das, was wir kritisieren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es ist ja so, dass die Ministerpräsidenten gestern im Laufe des Tages sieben Stunden lang mit der Bundeskanzlerin verhandelt haben und sich einen langen Tag und uns eine verhältnismäßig kurze Nacht beschert haben.

Mit Blick auf die Zahlen von gestern – ich bin nicht ganz so aktuell wie der Ministerpräsident mit den Zahlen von heute – sind wir runter von den täglichen Zuwachszahlen an akut Infizierten, die lange über dem Wert von 5.000 gelegen haben. Jetzt sind wir bei etwas über 3.000 Fällen angekommen. Seit dem 4. November lag die höchste Sieben-Tage-Fallzahl, die erreicht wurde, bei 31.914, was einer Inzidenz von 177,8 entsprach. Wir sind jetzt runter auf den Wert, den Armin Laschet genannt hat. Ich habe noch den gestrigen Wert, was die Differenz dann auch deutlich macht, der eine Inzidenz von 157,8 anzeigt.

Aber, liebe Kollegen und Kollegen, erst ab einer Sieben-Tage-Fallzahl von 8.973 Fällen – noch einmal zum Vergleich: jetzt sind wir bei 28.314 Fällen – wird der wochenbezogene Grenzwert von 50 Neuinfektionen je 100.000 Einwohnerinnen und Einwohner unterschritten.

Das heißt, wir haben wahrlich noch eine weite Wegstrecke vor uns. Insofern sind sowohl die Infektionslage als auch die Ergebnisse der Ministerpräsidentenkonferenz von gestern eine Mischung aus guten und schlechten Nachrichten. Zumindest für mich überwiegen zum ersten Mal die guten Nachrichten. Eine dieser guten Nachrichten in diesem Beschluss ist der Satz:

„Wirksame Impfstoffe sind für die Bewältigung der Pandemie von zentraler Bedeutung. Bei bestmöglichem Verlauf kann mit ersten Lieferungen im Dezember gerechnet werden. Zur Vorbereitung schaffen die Länder rechtzeitig Impfzentren und -strukturen.“

Ich weiß nicht, ob Sie sich vorstellen können, wie sehr ich mir so einen Satz gewünscht habe. Das ist Licht am Ende des Tunnels. Das macht uns Hoffnung, diese Pandemie zu überstehen, ohne allzu viele weitere Leben verlieren zu müssen, von denen

jedes einzelne es wert gewesen wäre, viele weitere Lebensjahre zu dauern. Das macht uns Hoffnung auf eine Rückkehr zu einem normalen Leben nach der Pandemie.

Meine Damen und Herren, nach dem, was Karl-Josef Laumann hier berichtet hat, sind die Vorbereitungen für die Organisation von Impfzentren schon fortgeschritten. Die Städte und Kreise sind frühzeitig in die Organisation einbezogen worden, um einen bestmöglichen Ablauf zu gewährleisten. Dafür, lieber Karl-Josef, ganz herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Um das Ziel zu erreichen, bedarf es aber noch einer absehbaren Zeit gemeinsamer Disziplin. Disziplin bedeutet, Dinge, die man hasst, so zu tun, als würde man sie lieben. Das wichtigste, was wir lieben lernen müssen, ist die Beherzigung der Kontaktbeschränkungen. Warum geht das in manchen Schädel nicht hinein?

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Bitte vermeiden Sie Kontakte zu unseren Mitmenschen, die nicht unbedingt notwendig sind. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

Wichtig ist die Einhaltung der AHA- plus AL-Regeln – „AL“ steht nicht für „Armin Laschet“, sondern für „App und Lüften“. Die Einhaltung der AHA- und AL-Regeln – Abstand, Hygiene, Alltagsmaske, App und Lüften – schützt uns selbst, vor allem aber auch andere. Diese Regeln sind der wichtigste Hebel, um eine Überlastung unseres Gesundheitssystems zu verhindern. Die Einhaltung dieser Regeln verhindert aber vor allem, dass unsere Verwandten und Freunde, unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger das erfahren müssen, was hoffentlich jedem von uns möglichst erspart bleiben möge: Krankenhaus, Intensivstation und Beatmung. Die Einhaltung dieser Regeln verhindert das Leiden der Angehörigen, welches mit der Angst vor dem Verlauf der Infektion einhergeht.

Eines will ich hier und heute nicht vergessen: Nicht nur Infektionen selbst führen zu Gesundheitsschäden. Auch alle diejenigen, denen das vorher Gesagte schnurzpiepegal ist, die alle Regeln missachten, weil sie so toll querdenken können, sind nicht nur für neue Infektionen verantwortlich, sondern fügen den zum Schutz ihrer Demonstrationen eingesetzten Beamten auch noch Schaden zu. Am 19.11.2020 fand eine Demonstration in Berlin statt. Die „taz“ berichtet am Tag danach: Tritt gegen den Kopf, Arm ausgekugelt, Hand gebrochen, 77 Polizisten verletzt, drei schwerverletzt. – An dieser Stelle einen herzlichen Dank an alle Beamtinnen und Beamten, die sich auch bei solchen Demonstrationen dieser Gefahr in unserem Auftrag aussetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, alle Maßnahmen, die im Beschluss der gestrigen Konferenz festgehalten sind, sind bis zum 20. Dezember befristet. Am 15. Dezember findet die nächste Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten statt. Herr Kutschaty, ich weiß nicht, ob Sie die Sondersitzung des Landtags schon beantragt haben, die nach dem, was Sie gestern gesagt haben, am 14. Dezember stattfinden müsste.

(Thomas Kutschaty [SPD]: Können Sie krie- gen!)

Legen Sie los, Sie können das morgen in der Sitzung des Ältestenrats tun. Das ist kein Problem.

Insbesondere geht es darum – der Ministerpräsident hat es schon ausgeführt –, Kontakte weiterhin zu beschränken. Private Zusammenkünfte sollen nur noch mit dem eigenen und einem weiteren Hausstand und maximal fünf Personen – Kinder unter 14 ausgenommen – stattfinden. Besondere Regeln gelten für die Weihnachtstage. Maximal zehn Personen dürfen sich treffen, Kinder unter 14 zählen nicht mit.

Eine Maßnahme hätte ich mir vor Kurzem noch gar nicht vorstellen können: Die Bundesregierung wird beauftragt, auf der europäischen Ebene dafür zu sorgen, dass der Skitourismus in ganz Europa eingestellt wird. Davon ist nicht nur Österreich betroffen. Davon sind auch Länder wie Andorra, Spanien oder Slowenien betroffen. Man kann in vielen Ländern, zum Beispiel auch in Schweden, Ski fahren. Wenn das gelingt, wäre es ein wirklich toller Erfolg.

Bisher geschlossene Betriebe bleiben zunächst weiter geschlossen. Groß- und Einzelhandel bleiben geöffnet, allerdings mit einer für mich etwas kompliziert klingenden – das muss ich zu geben – 800-m²-Regelung. Wichtig für diejenigen Betriebe, die weiterhin geschlossen bleiben, ist, dass die Novemberhilfe zur Dezemberhilfe wird. Die finanzielle Unterstützung durch den Bund und die Länder wird fortgesetzt und bezieht sich diesmal ausdrücklich – auch das ist nicht zuletzt Nordrhein-Westfalen zu verdanken – auch auf Schausteller und Marktkaufleute.

Die Überbrückungshilfe III wird für alle, die nicht von Schließungen betroffen sind, aber unter erheblichen Einschränkungen des Geschäftsbetriebes zu leiden haben, bis Mitte 2021 verlängert werden. Auch dabei werden die Kultur- und Veranstaltungsbranche, die Solo-Selbstständigen und die Reisebranche ausdrücklich genannt. Das gibt gerade diesen genannten Branchen ein Stück mehr Planungssicherheit in dieser schwierigen Zeit.