Doch all das gibt es nicht – weder ein Konzept noch erste Schritte. Ihre Ministerin verweist lediglich auf die Mittel des Hochschulpakts und setzt ansonsten alle Hoffnungen auf die Hochschulvereinbarungen der rot-grünen Vorgängerregierung: 250 Millionen € mehr Grundmittel für bessere Lehre bis 2021.
Also: Rot-Grün soll es im Nachhinein noch richten. Das ist Ihre Hoffnung – und das war es dann auch.
Ach ja! Eines will ich nicht vergessen: Dann soll es ja noch Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer geben, was im Grunde nichts anderes ist als eine Strafsteuer für international vernetzte Universitäten und ein Gebührenzaun gegen zukünftige Fachkräfte.
Ihr Vorbild ist Baden-Württemberg. Erst hieß es, die zu erwartenden Einnahmen – 100 Millionen € sollten es sein – würden in die Verbesserung der Lehre fließen. Dann hieß es: Vielleicht investieren wir das Geld doch lieber in die Digitalisierung.
Mittlerweile ist völlig unklar, ob diese Gebühren überhaupt kommen; denn der Wissenschaftsministerin ist das Projekt ein wenig peinlich. Sie will diese Gebühren mittlerweile nur noch dann einführen, wenn es in Baden-Württemberg nicht zu einem Einbruch der Studierendenzahlen und der Gebühreneinnahmen kommt. Doch genau das ist dort nun eingetreten. Die
Anzahl ausländischer Studierender ist um 26 % gesunken, und statt 35 Millionen € wird man in BadenWürttemberg über die Gebühren nur noch 14 Millionen € einnehmen. Das sind 60 % weniger als geplant.
Schon jetzt ist doch klar: Die 100 Millionen €, die Sie den Universitäten versprochen haben, sind eine reine Fantasiezahl. Gestehen Sie es endlich ein: Studiengebühren sind gescheitert – ganz gleich, in welcher Form!
Ich füge hinzu: Das ist auch gut so! Denn Studiengebühren sind ungerecht. Sie sind unvernünftig. Also begraben Sie Ihr Lieblingsprojekt. Dann hätten sie tatsächlich endlich etwas für die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen getan.
Meine Damen und Herren, das waren jetzt nur drei Beispiele für enttäuschte Erwartungen und gebrochene Versprechen dieser Koalition. Es gibt noch viele andere – zum Beispiel Ihr Versprechen, die Erhöhung der Grunderwerbsteuer zurückzunehmen. Stattdessen stecken Sie sich das Geld klammheimlich in Ihre Tasche. „Versprochen – gebrochen“.
Oder Ihr Versprechen „Mehr Bewegung. Weniger Stau“ innerhalb der nächsten fünf Jahre: Nichts dergleichen wird passieren, und das wussten Sie doch auch schon vor den Wahlen. Schon wieder: „Versprochen – gebrochen“.
Oder Ihr Versprechen, Sie würden durch eine grundlegende Reform des Gemeindefinanzierungsgesetzes für niedrigere Grund- und Gewerbesteuerhebesätze sorgen: Auch das wird nicht passieren. Auch hier gilt: „Versprochen – gebrochen“.
Meine Damen und Herren, dieser Koalition mangelt es nicht an Geld. Es mangelt ihr an Glaubwürdigkeit.
Dabei ist ja nicht alles grundfalsch, was Sie tun. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren über 7.000 neue Lehrerstellen geschaffen. Sie schaffen nun weitere 2.000 Stellen. Das ist gut und schön. Wo aber ist Ihr Plan für mehr Bildungsgerechtigkeit, für Chancengleichheit im Bildungssystem oder für eine bessere Inklusion? – Es gibt ihn nicht. Wir haben noch nichts davon gehört.
Im Nachtragshaushalt 2017 haben Sie 250 Millionen € für die Krankenhausfinanzierung bereitgestellt. Das ist gut und schön. Doch leider war das nur ein einmaliges Prestigeobjekt ohne dauerhafte Wirkung.
Im Haushalt 2018 ist davon nichts zu sehen. Nein, Sie lassen die Kommunen dafür 100 Millionen € nachzahlen. Wo ist denn Ihr Konzept, die Investitionslücke von 1 Milliarde € tatsächlich zu schließen? – Es gibt keines. Sie haben keines. Auch das ist hier wieder deutlich geworden.
Wo ist Ihr Zukunftskonzept für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen, das sogenannte Entfesselungspaket? Ihre Antworten auf die Herausforderungen der digitalen Ökonomie sind mehr verkaufsoffene Sonntage und die Abschaffung der Hygieneampel? Da könnte man eigentlich lauthals lachen, wäre Ihr unnötiger und unnützer Aktionismus nicht so bitter für die vielen Beschäftigten im Einzelhandel, nicht so bitter für die vielen Kolleginnen und Kollegen.
Also: Es ist genauso gekommen, wie es vor der Wahl zu befürchten gewesen ist. Wenn diese Mitte-rechtsKoalition von Bürokratieabbau spricht, dann meint sie in Wahrheit die Absenkung von Standards im Verbraucherschutz und im Umweltschutz, ein Ende der Frauenförderung und nicht zuletzt die Beschneidung von Arbeitnehmerrechten.
Dafür wissen wir allerdings jetzt etwas genauer, was Ihnen alles nicht wichtig ist. Gute und bezahlbare Wohnungen haben für diese Koalition keine Priorität. Stattdessen plant sie ein Marktentfesselungsgesetz für den Wohnungsmarkt. Sie plant also – um das zu übersetzen – eine Entrechtung von mehr als 11 Millionen Menschen, die in Nordrhein-Westfalen zur Miete wohnen und schon bald noch höhere Mieten bezahlen müssen als bisher. Die werden entrechtet durch Ihr sogenanntes Entfesselungsgesetz.
Sozialpolitik, die benachteiligten Menschen dienen und die für gerechte Lebenschancen sorgen soll, hat keine Priorität.
Das ist ja der einzige relevante Bereich, in dem es keinen Stellenzuwachs geben soll. Auch die Arbeitsmarktpolitik hat für diese Regierung keine Priorität. Anstatt noch mehr Langzeitarbeitslosen neue Chancen auf einem sozialen Arbeitsmarkt zu geben, wird hier drastisch gekürzt.
Schwarz-Gelb ist nicht nur eine Koalition gebrochener Wahlversprechen und enttäuschter Hoffnungen; Sie ist – Sie müssen sich das auch immer wieder selbst vor Augen führen – immer noch die Koalition der kalten „Privat vor Staat“-Ideologie.
Der Ministerpräsident hat immer wieder betont, welch große wirtschaftspolitische Herausforderung der Brexit für Nordrhein-Westfalen darstelle. Deshalb hat er einen Brexit-Beauftragten berufen, über den er sagte – ich zitiere –:
„Nur eine erfahrene, gut vernetzte und durchsetzungsstarke Persönlichkeit mit ausgeprägter … Expertise kam für dieses Amt in Betracht.“
obwohl das doch eigentlich naheliegend wäre. Ist das denn keine Aufgabe für den Wirtschaftsminister oder für den Europaminister? Gibt es in Ihrer Regierung wirklich niemanden, der den Ansprüchen des Ministerpräsidenten genügt hätte, der also über ausreichend Erfahrung, Durchsetzungsstärke und Expertise verfügt? Da hätte ich Ihnen eigentlich ein bisschen mehr Selbstvertrauen unterstellt, Herr Ministerpräsident.
Aber noch überraschender war dann, wen der Ministerpräsident für kompetent genug hält: Friedrich Merz, den König der Finanzlobbyisten. Wir werden das alles in der Aktuellen Stunde am Freitag noch ausführlich beleuchten. Aber so viel will ich heute schon feststellen: Ausgerechnet dieser Friedrich Merz, der als Abgeordneter bis vor das Bundesverfassungsgericht gezogen ist, weil er seine finanziellen Abhängigkeiten nicht offenlegen wollte, ist nun der Wirtschaftsbotschafter Nordrhein-Westfalens in Großbritannien. Stramme Leistung, meine Damen und Herren!
Herr Merz soll nun alles – so habe ich den Ministerpräsidenten verstanden –, was er an Tatkraft und Zeit aufbringen kann, in den Dienst des Landes stellen – also alles, was noch übrig ist nach seiner Tätigkeit als deutscher Cheflobbyist von BlackRock, einer der größten Schattenbanken der Welt, nach seinen Tätigkeiten als Aufsichtsratsmitglied und Lobbyist der AXA AG, der DBV Winterthur Holding AG, der Deutsche Börse AG, der IVG Immobilien AG, der Wepa Industrieholding SE, der BASF Antwerpen NV, der Stadler Rail AG, der Geschäftsbank HSBC Trinkaus & Burkhardt und der Commerzbank AG.
Köln/Bonn, zu dem ihn der Ministerpräsident ja auch noch machen will. Meine Damen und Herren, wer bezweifelt ernsthaft, dass Friedrich Merz ein unabhängiger und vertrauenswürdiger Partner für alle Unternehmen sein kann, die ihn nicht bezahlen?
Nun gut. Ich will mal einräumen: Vielleicht haben ja auch diejenigen recht, die mir sagen: Mensch, das ist alles halb so schlimm. Das ist ja alles nur eine PRNummer. Der Merz hat ein weiteres Pöstchen für seine Sammlung, wird aber nicht viel tun, geschweige denn erreichen, aber eben auch keinen Schaden anrichten.
Er bekommt ja – wie der Ministerpräsident selbst betont – noch nicht einmal ein eigenes Büro. Herr Laschet brauchte einfach nur einen Namen – so wird mir gesagt –, mit dem er den rechten Jens-SpahnFanclub in seiner Partei beeindrucken kann. Es mag ja sein, dass dem so ist.
Sie passt zu einer Regierung, in der man viel zu lange nicht begriffen hat, dass ein Medienunternehmer nicht Medienminister sein kann, weil er für politische Entscheidungen verantwortlich wäre, die sein privates Vermögen mindern oder vermehren können.