Auch aus unserer Perspektive richten sich die Gespräche in Berlin an den richtigen Adressaten. Die Bedingungen des Wirtschaftsstabilisierungsfonds werden derzeit geprüft. Der Vorstand von thyssenkrupp, die Gewerkschaften und die SPD fordern eine Beteiligung Nordrhein-Westfalens am Unternehmen. Selbst wenn man das wollte, muss man doch sehen, dass die Auflagen für eine Beteiligung des Landes immens hoch sind und praktisch kaum realisierbar wären. Im Vergleich dazu hat der Bund im Rahmen des Strukturstabilisierungsfonds deutlich bessere Möglichkeiten.
Was wir unbedingt brauchen, ist ein tragfähiges Zukunftskonzept und ein starker industrieller Partner; denn Staatshilfe allein kann keine Lösung sein. Sie ist auch nur schwer vorstellbar, da eine direkte Beteiligung erhebliche Folgen für den Wettbewerb mit sich bringen würde. Die Entscheidung liegt jedoch beim Bund, wie ich eben bereits sagte.
Die Landesregierung begleitet und unterstützt thyssenkrupp dabei. Sie ist nicht nur im Austausch mit Vertretern des Unternehmens, sondern auch mit möglichen Investoren. Eben ist schon das britische Stahlunternehmen LIBERTY Steel genannt worden. LIBERTY Steel hat ein Angebot zur Übernahme vorgelegt, das tatsächlich eine Option sein könnte. Das Konzept ist gut begründet. Es berücksichtigt in angemessener Weise die Transformation zu grünem Stahl, und das Stahlgeschäft von thyssenkrupp und die anderen Werke von LIBERTY in Europa könnten sich gut ergänzen.
Nichtsdestotrotz können wir als Liberale aber gut die Vorbehalte seitens der Arbeitnehmer, der Gewerkschaften und auch des Betriebsrates nachvollziehen. Sie sprechen von fehlender Transparenz und fehlendem Vertrauen, insbesondere, weil einige der handelnden Personen das Vertrauen in der Vergangenheit verspielt haben. Da, glaube ich, ist es ganz wichtig, dass beide Seiten stärker als bisher in den Dialog eintreten und genau schauen, dass man hier neues Vertrauen aufbaut. Ich denke, dabei kann die Politik gut helfen.
Meine Damen und Herren, es braucht ganzheitliche Ansätze. Sie schaffen geeignete Rahmenbedingungen und Unterstützungsmaßnahmen, die den Unternehmen die Möglichkeit eröffnen, den Transformationsprozess eigenständig bewältigen zu können.
Die Landesregierung unterstützt Unternehmen bei ihrer Transformation. Dazu hat sie schon viel auf den Weg gebracht, sei es das industriepolitische Leitbild, die landeseigene und bundesweit einzigartige Initiative IN4climate.NRW oder das „Spitzencluster Industrielle Innovationen“, kurz SPIN.
Unser Ziel muss sein, das Stahlgeschäft nachhaltig zukunftsfest zu machen. Dafür braucht es die beste Lösung. Minister Pinkwart hat erst vor Kurzem die neue Wasserstoff-Roadmap NRW vorgestellt. Sie zeigt unseren Fahrplan, mit Wasserstoff den Umbau zu einer klimafreundlichen Wirtschaft zu gestalten. Wasserstoff bietet große Chancen für die Sicherung von Arbeitsplätzen und eine klimaneutrale Transformation auch der Stahlindustrie.
Wie Erzeugung und Anwendung von Wasserstoff am Stahlstandort Duisburg gelingen kann, zeigen die beiden Projektvorschläge „Wasserstoffelektrolyse in Duisburg“ und „Nutzung von grünem Wasserstoff – Aufbau einer Direktreduktionsanlage am Standort Duisburg“ der Initiative „Zukunft des Industriestandorts Nordrhein-Westfalen“.
Meine Damen und Herren, für die NRW-Koalition steht außer Frage: thyssenkrupp muss ein international wettbewerbsfähiges Unternehmen sein, und die Arbeitsplätze müssen so weit wie möglich in Nordrhein-Westfalen erhalten bleiben.
Wir sind davon überzeugt: Je schneller wir bei den Investitionen in Erzeugung und Anwendung von Wasserstoff in der Stahlproduktion vorankommen, umso eher schaffen wir die notwendigen wirtschaftlichen Perspektiven für thyssenkrupp und seine Beschäftigten. Das sichert den Industriestandort und Arbeitsplätze nicht nur in Duisburg, sondern in ganz Nordrhein-Westfalen. Dafür werden wir uns weiter einsetzen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Nachricht über den Abbau von 11.000 Stellen und das drohende Aus des Grobblechwerks von thyssenkrupp war in der vergangenen Woche für viele Menschen ein Schock. Es ist wichtig – unabhängig davon, dass wir uns an vielen Stellen ja nicht einig sind, wie wir mit der Situation umgehen –, dass wir heute das gemeinsame Signal schaffen: Wir stehen an der Seite der Beschäftigten und ihrer Familien.
Diese Menschen müssen heute erneut die Folgen von Managementfehlern der Vergangenheit tragen. Wir brauchen endlich ein entschlossenes und zu
packendes politisches Handeln der Landesregierung, und zwar, um die akute Krise bei thyssenkrupp zu bekämpfen, und auch, um den Konzern auf neue Füße zu stellen und eine langfristige Perspektive zu schaffen.
Meine Damen und Herren, die Optionen dafür liegen auf dem Tisch. Wir haben sie in den vergangenen Wochen an verschiedenen Stellen debattiert. Wir Grüne haben vorgeschlagen, dass der Bund über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds einsteigt. Das wäre aus unserer Sicht das Mittel der Wahl. Ich kann den Ministerpräsidenten und den Wirtschaftsminister nur auffordern: Werfen Sie Ihr ganzes politisches Gewicht in die Waagschale, damit das gelingt, damit über dieses Instrument eine Perspektive geschaffen werden kann.
Wir brauchen ein Moratorium für weitere Werksschließungen, weil wir es den Tarifpartnern nur so ermöglichen, die bestehenden Arbeitsplätze zukunftsfest zu machen und zu erhalten und eine gemeinsame Perspektive zu entwickeln.
Wir erwarten von Ministerpräsident Laschet auch, dass er seine Funktion im Kuratorium der Krupp-Stiftung endlich im Sinne der Beschäftigten von thyssenkrupp und endlich auch im Sinne des Stahlstandortes NRW nutzt. Der Ministerpräsident des Industrielandes NRW hat diesen Sitz nicht zur Repräsentation, nicht zur Dekoration, sondern er hat ihn, um diese Möglichkeiten zu nutzen.
Meine Damen und Herren, beim Grobblechwerk stehen 800 Arbeitsplätze akut auf dem Spiel. Land und Bund müssen bis zur letzten Sekunde gemeinsam mit den Beschäftigten und den Gewerkschaften für den Erhalt dieses und auch der weiteren Werke des Konzerns kämpfen. Dazu fordern wir Sie auf. Lippenbekenntnisse reichen nicht aus.
Wir brauchen, um eine Perspektive zu schaffen, den Einstieg des Bundes über den WSF. Um auch bei dieser konkreten Werksschließung Perspektiven für den Konzern zu schaffen, muss eine Landesbürgschaft geprüft werden, damit wir schnell zu Ergebnissen kommen und akut helfen können. Auch hierfür wurde der Rahmen im Zuge der Coronahilfen erweitert. Nutzen Sie bitte auch diese Möglichkeiten.
Meine Damen und Herren, diese Debatten sind immer wieder eine Gelegenheit, um Bilanz zu ziehen. In der wirtschaftspolitischen Debatte ist in der letzten Zeit „Prioritäten“ ein beliebtes Stichwort. Wenn wir uns mal einen Blick auf die Prioritäten und auf die Entwicklung der letzten Jahre erlauben, dann sehen
wir, dass Stellenabbau und Schließungen in der Industrie bereits 2019 auch bei vielen großen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen passiert sind – also schon vor Corona. Wir hatten da offensichtlich eine Entwicklung. Wir hatten Stellenabbau und Schließungen bei Bayer, bei Continental, bei Ford, bei Covestro, bei Siemens, bei Schaeffler, und natürlich ist auch die drohende Abwicklung von Streetscooter auch nicht zu vergessen.
Die Reaktion auf so eine Situation müsste doch sein, dass man sagt: Wir haben da ein Problem. Wir tun etwas, um den Unternehmen und den Beschäftigten zu helfen, und wir tun etwas, um zukünftige Schlüsselindustrien nach Nordrhein-Westfalen zu holen.
Aber was ist passiert? Was waren die Prioritäten? Was sind die Prioritäten dieser Landesregierung? Sie haben von Anfang an die Windenergie kaputtgemacht. Christian Lindner würde jetzt wahrscheinlich sagen: Das ist ein anderes Wort für Sabotage. – Die E-Mobilität haben Sie verschlafen.
Die großen Hersteller sind nicht nach NordrheinWestfalen gegangen. Die Werke für die Autos und Batterien entstehen in anderen Bundesländern. Die NRW-Start-ups werden im Regen stehengelassen.
Die Wasserstoffindustrie entsteht gerade in anderen Regionen, und das Stichwort „neue Industrie“ kommt zum Beispiel auch beim Zukunftsprogramm Rheinisches Revier nur am Rande vor. Selbst die sogenannten energieintensiven Industrieunternehmen warten bis heute auf eine klare Linie, wie es für sie in NRW weitergeht.
Denn mehr als Ankündigungen, mehr als pressewirksame Gipfel und mehr als die Fortschreibung der rotgrünen industriepolitischen Leitlinien sind bisher nicht gekommen.
Wenn man sich die letzten Monate anguckt, hilft auch nicht, was offenbar die oberste Priorität in der Wirtschaftspolitik hat. Oberste Priorität hatten ein schöner Auftritt von Herrn Laschet und Herrn Pinkwart vor der blauen Wand der Bundespressekonferenz und eine Bundesratsentschließung zum Bürokratieabbau, die im Oktober unter Tagesordnungspunkt 44 der Bundesratssitzung beraten wurde und inzwischen in den Ausschüssen versandet ist. Die Zeit, die Sie damit verbracht haben, diesen Presscoup vorzubereiten, hätten Sie auch in die Beschäftigten investieren können.
Was Sie, meine Damen und Herren, da vorgeschlagen haben, hilft den Beschäftigten in der Industrie nicht; sie brauchen konkrete Perspektiven.
Wir brauchen auch konkrete Perspektiven für unseren Stahlstandort, für unseren Industriestandort. Dabei ist ein klimaneutraler Stahl die einzige Innovationsperspektive, weil wir die Antworten von morgen brauchen und nicht die Konzepte von gestern, wie wir sie beim ersten Redebeitrag hier immer wieder aufgegossen bekommen haben. Das war nicht nur Rhetorik von sehr weit gestern, sondern das waren auch Antworten von gestern.
Ach, das ist doch Quatsch! – Wir brauchen eine Perspektive für morgen, und dazu ist klimaneutraler Stahl die einzige Innovationsperspektive, die wir haben.
Wir brauchen mehr Einsatz der Landesregierung, damit es diese Perspektive gibt und damit NRW der Marktführer in diesem Sektor wird.
Herr Rehbaum, es ist schön und gut, dass es eine Versuchsanlage gibt; ich will das gar nicht infrage stellen. Aber zu sagen, dass wir es mit dieser einen Versuchsanlage, mit diesem einem Projekt geschafft haben, uns in die Poleposition dafür zu bringen, dass wir diese Entwicklung auf jeden Fall schaffen werden – na ja, das war vielleicht ein wenig zu viel des Guten. Es ist ein guter Schritt, aber es bedarf noch jeder Menge Einsatz und weiterer Schritte, und dafür brauchen wir einen guten Rahmen.
Wir haben eben viel über den europäischen Rahmen gesprochen. Allerdings brauchen wir akut auch eine staatliche Unterstützung bei thyssenkrupp.
Zum einen bedeutet das natürlich im Konzern den Verzicht auf Boni und eine Dividendenausschüttung. Zum anderen bedeutet es vor allem aber auch einen vertraglich festgelegten Umbaupfad hin zu einer klimaneutralen Stahlherstellung auf der Basis von grünem Wasserstoff, eine verlässlichen Förderung – Verlässlichkeit – und Planungssicherheit. Denn dann können wir es schaffen, den Weg für Investitionen, für eine klimaneutrale Transformation und für das grüne Wirtschaftswunder freizumachen. – Ich danke Ihnen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bolte-Richter, Sie scheinen die eigenen Taten irgendwie sehr glorreich in Erinnerung zu behalten.