Protokoll der Sitzung vom 15.12.2020

(Zuruf von der SPD: Aha!)

So ein Zertifikat kann man nicht nachreichen. Wenn es fehlt, dürfen die Kittel nicht eingesetzt werden. Das wäre ansonsten geradezu kriminell. Schutzkittel für Universitätskliniken müssen stets zertifiziert sein.

Herr Laschet, verfügen alle Schutzkittel, die Sie für sehr viel Geld bei van Laack gekauft haben, über ein Zertifikat für den Einsatz in unseren Kliniken? Jetzt haben Sie die Gelegenheit. Klären Sie das bitte unverzüglich auf, und beantworten Sie diese Frage.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen die Zeit bis zum 10. Januar nicht ausschließlich damit verbringen, Weihnachten zu feiern. Weihnachten zu feiern, ist gut und wünsche ich uns auch im Rahmen des Möglichen; hoffentlich werden die Werte sinken. Wir müssen die Zeit aber auch nutzen, um uns jetzt auf die Zeit nach dem 10. Januar vorzubereiten, damit wir dann nicht wieder Gefahr laufen, im Frühling des

nächsten Jahres möglicherweise in einen dritten Lockdown zu rennen.

Das bedeutet:

Sorgen Sie bitte endlich für eine umfassende Testinfrastruktur in diesem Land. Frau Professor Woopen aus Ihrem Expertenrat mahnt das schon seit Monaten an.

Unterstützen Sie die Krankenhäuser finanziell und personell. In der Aktuellen Stunde werden wir darüber gleich noch debattieren.

Stellen Sie die Weichen in der Schulpolitik neu. Machen Sie den Solinger Weg endlich frei, und geben Sie den Schulen die nötigen Handlungsspielräume, die sie brauchen.

(Beifall von der SPD)

Entwickeln Sie einen Stufenplan mit konkreten Maßnahmen in Abhängigkeit von den Infektionszahlen vor Ort. Zwischen 50 und 200 gibt es auch Werte, die beachtenswert sind und bei denen bestimmte Schritte eingeleitet werden müssen. Insbesondere Hotspot-Kommunen brauchen Ihre Unterstützung.

Wenn Sie das nicht tun, wird auch die dritte Welle höher, als uns allen lieb sein kann. Dann stehen wir wenige Wochen später wieder vor dem nächsten Lockdown. Das ist vermeidbar. Man muss es nur angehen.

Ich habe hier schon mehrfach gesagt, dass wir als SPD-Fraktion auch für weitreichende Maßnahmen jederzeit zur Verfügung stehen. Wir kommen jederzeit auch in dieser Weihnachtspause hierher und arbeiten mit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, alle drei Minuten stirbt in Deutschland ein Mensch an Corona. Da kann man sowieso nicht entspannt unter dem Weihnachtsbaum sitzen. Ich weiß, dass Ihnen allen das genauso geht. Deswegen lassen Sie uns gemeinsam alle Kraftanstrengungen unternehmen, um dieses Virus in den Griff zu bekommen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU hat nun der Fraktionsvorsitzende Löttgen das Wort.

(Christof Rasche [FDP]: Das passt zur Rede von Kutschaty! – Christian Dahm [SPD]: Die war nicht schlecht, oder?)

Sehr geehrter Herr Präsident Werte Kolleginnen und Kollegen! Mit Wirkung vom morgigen Mittwoch an unterliegt das öffentliche Leben in der gesamten Bundesrepublik harten Einschränkungen. In bisher – sprich: den letzten 72

Jahren – nicht gekanntem Ausmaß werden Freiheitsrechte temporär beschränkt oder gar ausgesetzt.

In den sieben Konferenzen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin zwischen dem 17. Juni und dem 13. Dezember sind gemeinschaftlich zunehmend stärkere Einschränkungen unseres Alltags beschlossen worden, die alle einem Ziel dienten: Die Gesundheit und das Leben unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger bestmöglich zu schützen.

Die bisherigen milderen Mittel haben nicht versagt, wie manche fälschlicherweise behaupten. Zwar haben sie den exponentiellen Anstieg zwischen Ende Oktober und dem 4. November für einen Monat gebrochen. Sie waren jedoch nicht ausreichend, um eine erneute exponentielle Ausbreitung des Infektionsgeschehens seit Anfang Dezember wirksam und vor allen Dingen dauerhaft zu verhindern.

Deshalb danke ich dem Ministerpräsidenten Armin Laschet für die Unterrichtung und vor allen Dingen für die Begründung der jetzt folgenden Beschränkungen.

Als Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz hat Berlins Regierender Bürgermeister Müller am Sonntag zwei Fragen gestellt, die sich großer Popularität erfreuen, deren differenzierte Beantwortung aber augenscheinlich in der öffentlichen Diskussion überhaupt keine Rolle mehr spielt: Warum so und nicht anders? Warum heute und nicht schon gestern?

Die lautstarke Antwort von vielen: Auf jeden Fall anders, und am besten vorgestern.

Eine noch lautstärkere Antwort mancher Querköpfe: Die Pandemie ist eine Erfindung. Einschränkungen sind nicht notwendig.

Die Antwort unseres Ministerpräsidenten, seines Kabinetts, der Landesregierung und der sie tragenden Fraktionen von CDU und FDP ist seit Beginn der Pandemie die immer gleiche, und sie ist nach wie vor richtig: Wenn die Zahlen steigen, müssen die Maßnahmen verstärkt werden. Wenn die Zahlen sinken, müssen die Einschränkungen wieder aufgehoben werden.

(Zuruf)

Genau deshalb ist diese Regierung eine Regierung des Rechts.

Auch wenn es die Opposition noch so wurmt und fuchst, auch wenn sie noch so heftig ein angebliches Chaos der Politik kritisiert, auch wenn manche in den Medien und in der Bevölkerung dies als planlos missverstehen: Diese Regierung darf sich zu keinem Zeitpunkt die Meinung einer der beiden vorgenannten Seiten zu eigen machen. Sie muss zu jedem Zeitpunkt begründen, dass die getroffenen Maßnahmen für jeden einzelnen Sachverhalt zu jedem Zeitpunkt in jeder Region unseres Landes der Lage angemes

sen – sprich: verhältnismäßig – waren. Dazu braucht es ein wenig Zeit. Es braucht Nachdenken und eine gewissenhafte Prüfung, um diese Wahrung der Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.

Ja, es mag ein gefühlter Nachteil gegenüber einer Opposition sei, die sich genau diese Prüfung und dieses Nachdenken zugunsten populärer Ansichten ersparen darf und die notwendige Zeit als Zögern deutet. Das ist nicht fair, aber zulässig.

Was mich allerdings wirklich nervt, ist die Oberflächlichkeit der öffentlichen Debatte um diese Grundrechtseinschränkungen. Mit welcher Leichtigkeit selbst gestandene Meinungsmacher der Medien eine zwingend notwendige Güterabwägung von einschneidenden Beschränkungen und die dazu notwendige Zeit unberücksichtigt lassen, ist schon atemberaubend.

Die im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland aufgeführten Grundrechte sind in ihrer Bedeutung gleichgewichtig. Wolfgang Schäuble hat mehrfach darauf hingewiesen. Wegen ihrer Gleichwertigkeit können sie in bestimmten Fällen in Kollision miteinander geraten. Dann müssen die Rechtsgüter in Gegenüberstellung daraufhin untersucht werden, welchem Recht im Einzelfall der Vorrang einzuräumen ist. Hierbei ist die Wertigkeit der in Konflikt geratenen Rechte für den konkreten Fall sowie das Für und Wider der Beschränkungen eines dieser Grundrechte abzuwägen.

Nichts anderes, meine Damen und Herren, macht diese Regierung, macht unser Ministerpräsident Armin Laschet, macht der Gesundheitsminister KarlJosef Laumann, macht dieses Landeskabinett, machen die Fraktionen von CDU und FDP seit Beginn der Pandemie.

Wenn im aktuellen Politbarometer fast 50 % unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger für härtere Maßnahmen sind, 35 % das, was derzeit gilt, für richtig halten und 13 % der Meinung sind, selbst die jetzt geltenden Maßnahmen seien übertrieben, dann darf man sich die Entscheidung, diesem Land erneut einen Lockdown zu verordnen, nicht leicht machen. Im Gegenteil! Sie ist mir und vielen anderen schwergefallen.

Sie hat auch deshalb ein wenig Zeit gebraucht, weil zu einem Punkt – hoffentlich auch hier in diesem Parlament – Konsens bestehen muss: Grundrechtseingriffe dürfen niemals von Mehrheitsmeinungen abhängig sein. Sie bedürfen stets dessen, was in unserem Grundgesetz konstitutiv verankert ist, der sorgfältigen und rechtsstaatskonformen Prüfung und Abwägung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber auch die sorgfältigste Verordnung vermag eines nicht zu ersetzen: die aktive Mitwirkung der Gesellschaft an der Bekämpfung der Pandemie.

Ich bin sicher, dass viele in diesem Hohen Haus mit mir ähnliche Erfahrungen teilen: Nicht gerade wenige derjenigen, die stets für härtere Maßnahmen insbesondere bei anderen plädieren, finden für sich selbst oft genug höchst kreative Begründungen, um Regeln zu durchbrechen.

Aber man muss nicht alles machen, was möglich ist. Eine Pandemie mit exponentieller Entwicklung der Infiziertenzahl und daraus unweigerlich folgendem zeitverzögerten Anstieg der Zahl aus diesem Grund heraus Verstorbener ist der am wenigsten geeignete Zeitpunkt, um Grenzen auszutesten.

Dieser Appell gilt für uns alle. Er mag für die Politik im Besonderen gelten.

Es gab so etwas wie die gute alte Zeit bei Coronadebatten auch in diesem Plenum. Vor nur rund acht Monaten – Ende März/Anfang April dieses Jahres – hat man sich noch gegenseitig und über Parteigrenzen hinweg für gute Vorschläge applaudiert und konstruktiv zusammengearbeitet. Seit einiger Zeit hat sich dies geändert – leider, füge ich hinzu. Aus sachlich begründeter Kritik der Opposition sind persönliche Vorwürfe bis hin zu Rücktrittsforderungen geworden.

(Zuruf von der SPD: Ja, klar!)

Statt den Zielkonflikt „Schutz der Bevölkerung vor Ansteckung versus Aufrechterhaltung der sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stabilität“ zu lösen, eröffnen einige in diesem Haus den Wettbewerb um politische Geländegewinne.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

Die SPD mag da als ein erstes Beispiel dienen. Der SPD-Fraktionsvorsitzende wird in einem „SPIEGEL“Artikel vom 2. Oktober 2020 mit den Worten zitiert, Laschet sei unsicher und zögerlich. Weiter sagt Herr Kutschaty, gutes Krisenmanagement gebe es dagegen in Bayern unter Markus Söder.

(Lachen von Henning Höne [FDP])

Zwei Monate später, am 8. Dezember 2020, twitterte der Konkurrent um den SPD-Parteivorsitz, Sebastian Hartmann:

„Die dauerhafte wie erfolglose Schlusslicht-Position von Bayern bei den Corona-Zahlen und die ständige Medienkampagne zur Ablenkung hiervon von Markus Söder ist der eigentliche Katastrophenfall.“

Meine Damen und Herren, das hat nichts mehr mit sachlicher Kritik an Coronamaßnahmen zu tun, sondern ausschließlich mit der persönlichen Profilierung von Herrn Kutschaty und Herrn Hartmann zulasten Dritter.

(Beifall von der CDU und der FDP – Christian Dahm [SPD]: Das ist ja peinlich!)