Der Neurobiologe Gerald Hüther erklärte im „Deutschlandfunk“, Kinder lernten in den Schulen nicht nur, sondern sie lebten dort auch ihre Bedürfnisse nach Freundschaft und gemeinsamem Spielen aus. Erwachsene hätten oft zu wenig Verständnis dafür, was das Unterdrücken dieser Bedürfnisse auslöse. Um mit den andauernden sozialen Beschränkungen umgehen zu können, würden Bedürfnisse im Gehirn mit hemmenden Verschaltungen überbaut. – Und das ist jetzt das Problem. – Dadurch könne das Kind zwar mit der Beschränkung besser umgehen, aber es könne eben auch das Bedürfnis nicht mehr spüren.
Auch der Direktor der Westfälischen Kinderklinik Dortmund beklagte schwere psychische und körperliche Störungen bei Kindern durch die Coronapandemie. Als Beispiel nannte er depressive Störungen, Essstörungen, Gewichtszunahme oder pathologisches Medienverhalten. In der Klinik würden Kinder behandelt, die kollabiert seien, weil sie nächtelang am Computer gespielt hätten. Bei Kleinkindern wurde vermehrt Aggression und Trotz festgestellt, weil sie nicht mehr den geregelten Alltag haben, den sie kennen, und damit nicht umgehen können.
Bei diesen schweren Schäden – von denen sind auch Kita-Kinder zum Teil betroffen –, die Ihre Maßnahmen den Kindern zugefügt haben, reichen Ihre zahlreichen Beteuerungen von Mitgefühl und Verständnis nicht, Herr Ministerpräsident. Ihre Zusicherungen des Bedauerns ob der angerichteten Schäden an Leib und Seele, an Besitz und Einkommen werden die Misere nicht beseitigen. Sie sind eigentlich nur die Fassade, hinter der Sie Ihre Verantwortung verbergen. Nicht die Pandemie, sondern ausschließlich Sie, die Regierung, sind verantwortlich für das, was Sie hier selbst beklagen, für das Leid und die Qual, welche Jugendliche und ihre Eltern erleben.
Ich bin Ihnen noch die Antwort schuldig, die K. dem Geistlichen zu dessen Aussage gibt, dass man nicht alles für wahr, sondern nur für notwendig halten muss. K. sagt: Trübselige Meinung. Damit wird die Lüge zur Weltordnung gemacht.
Es liegt an uns allen, hier in diesem Hohen Haus mitzuhelfen, die Wahrheit zur Weltordnung zu machen. Öffnen Sie endlich Kitas und Schulen bedingungslos! Erst dann können die Hilfen, die Sie versprochen haben, überhaupt greifen. Es wird dann immer noch einige Zeit ins Land gehen, um das überhaupt aufholen zu können, was versäumt worden ist. Aber mit der völligen Öffnung werden wir das schneller schaffen.
Das ganze Hin und Her, das auch von den Grünen und der SPD gefordert wird, ist ein reinstes Harakiri. Es wird dem Leid nicht gerecht. Der eine oder andere von Ihnen hat Kinder oder Enkel, die jetzt einen Schulwechsel von der Grundschule zur weiterführenden Schule vollziehen. Sie sitzen nun alle mit Masken da und können sich nicht erkennen. Die Kinder kommen in neue Lerngruppen. Sie haben neue Lehrer. Sie sehen aber diese Lehrer nicht. Sie sehen diese Mitschüler nicht. Sagen Sie mal: Wie stellen Sie sich das eigentlich vor?
Ich hoffe, dass Sie irgendeinen Weg finden, aus diesem Gestrüpp, in das Sie sich verlaufen haben, herauszukommen, meinetwegen auch gesichtswahrend – ist mir egal. Ich habe kein persönliches Interesse daran, jetzt irgendwie daraus noch Profit zu schlagen. Mir geht es um die Kinder. Es wäre schön, wenn Sie einen Weg finden, aus dieser elenden Situation – meinetwegen unter Wahrung Ihres Gesichts – herauszukommen. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Seifen. – Als nächste Rednerin spricht die Ministerin für Schule und Bildung, Frau Gebauer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vergangenen eineinhalb Jahre haben die größten Herausforderungen seit Jahrzehnten für alle am Schulleben Beteiligten mit sich gebracht: für unsere Familien, für die Eltern, natürlich im Besonderen für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für unsere Lehrkräfte. Trotzdem: Auch in schwierigen Zeiten muss Schule vor allem im Interesse der Zukunft der Schülerinnen und Schüler gestaltet werden.
Als Mitglied der Landesregierung, als Ministerin für Schule und Bildung, nehme ich diese Aufgabe sehr ernst und wahr. Ich möchte hier und heute die Gelegenheit
nutzen, Erreichtes darzustellen, aber auch Perspektiven und Aufholmöglichkeiten für die kommenden Wochen aufzuzeigen. Unsere Schulen, unsere Schülerinnen und Schüler, aber auch die Lehrkräfte haben trotz der Pandemie viel erreicht. Trotz der besonderen Herausforderungen haben sie auch in diesem Schuljahr ihre schriftlichen Abschlussprüfungen absolviert – zehntausende von Schülerinnen und Schülern.
Die zentralen schriftlichen Abiturprüfungen im Haupttermin sind geschrieben. Viele Schulen befinden sich bereits in der Phase der mündlichen Prüfungen. Unsere Abiturientinnen und Abiturienten werden ein vollwertiges, ein allseits anerkanntes Abitur erhalten, auf das sie stolz sein können.
Genau das zeigt auch: Die Entscheidung der Landesregierung war richtig. Es war richtig, den rot-grünen Forderungen nach einem Durchschnittsabitur, nach Freischüssen und nach einem Ausscheren aus der Ländergemeinschaft nicht zu folgen.
Das Ergebnis: Nun bekommen die Schülerinnen und Schüler auch in Nordrhein-Westfalen ordentliche und anerkannte Abschlüsse. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Aufgrund der besonderen Umstände der Pandemie verdienen unsere Schülerinnen und Schüler nicht nur das, sondern darüber hinaus verdienen sie auch Abschlusszeugnisse mit einem Sternchen für besondere Leistungen in diesen schwierigen Zeiten. Wir sind stolz auf unsere Schülerinnen und Schüler, aber auch auf unsere Lehrkräfte, die unsere Schülerinnen und Schüler auf diesem Weg bestens über Jahre begleitet haben. Herzlichen Dank dafür!
Wir haben rund 79.000 Abiturientinnen und Abiturienten an etwa 900 allgemeinbildenden Gymnasien, an den Gesamtschulen und an den Weiterbildungskollegs. Sie nehmen derzeit oder haben an den Abiturprüfungen mit insgesamt 39 Fächern teilgenommen. An den 234 beruflichen Gymnasien sind es noch einmal gut 10.000 Schülerinnen und Schüler in insgesamt 47 Fächern. Es gab 237.000 Hauptterminklausuren im allgemeinbildenden Abitur, und gerade einmal 4.000 konnten aus unterschiedlichen Gründen nicht geschrieben werden – eine Zahl, die völlig unauffällig und mit den Vorjahreswerten vergleichbar ist.
Faire Unterstützung ermöglichen wir natürlich auch bei den zentralen Prüfungen der zehnten Klassen. Gerade jetzt, heute, findet für 100.000 Schülerinnen und Schüler an ca. 1.300 Schulen die erste zentrale Prüfung im Fach Deutsch statt. Auch vor dem Hintergrund der Pandemie haben wir für diese Prüfungen eine Reihe von Maßnahmen getroffen, mit denen wir faire Bedingungen geschaffen haben.
Auch die Prüfungen für Schülerinnen und Schüler an den nordrhein-westfälischen Berufskollegs haben bereits am 17. Mai begonnen. Ein großer Teil der schriftlichen Prüfungen wird am Ende dieser Woche erfolgt sein.
Eine letzte Zahl: Allein auf die IHK entfallen in diesem Sommer 40.000 Prüfungen. Die mündlichen und praktischen Prüfungen in diesem Bereich erfolgen jetzt kontinuierlich in der Regel bis zu den Sommerferien. Sie erfolgen in Räumlichkeiten der Berufskollegs, aber auch der Unternehmen und der Kammern – und dies wie auch in den anderen Schulen natürlich unter besonderen Infektionsschutzbedingungen.
Deshalb gilt mein besonderer Dank noch einmal den Schulen und den Schulträgern, aber auch allen Beteiligten und den Betrieben und Unternehmen, die hierzu gute Hygienekonzepte erarbeitet haben.
Neben diesen Infektionsschutz- und Hygienekonzepten, die wir als Landesregierung erfolgreich unterstützt haben, gibt es einen weiteren zentralen Baustein für den Gesundheitsschutz. Das ist das Testen. Seit dem Frühjahr testen wir regelmäßig mindestens zweimal wöchentlich alle Schülerinnen und Schüler sowie die Lehrkräfte in Präsenz.
Seit dem 10. Mai kommt an allen Grund- und Förderschulen des Landes das PCR-Pool-Testverfahren zum Einsatz, die sogenannten Lolli-Tests. Mit großer Unterstützung – das sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt – der kommunalen Schulträger ist es uns in wirklich wahrhaft kurzer Zeit gelungen, auf 403 Routen mit 75.000 km sicherzustellen, dass täglich bis zu 35.000 Proben in die Labore transportiert werden können. Man könnte es auch anders ausdrücken: Für die Sicherheit in den Grund- und Förderschulen fahren wir in Nordrhein-Westfalen täglich zweimal um die ganze Welt. Das ist anstrengend, aber richtig und wichtig.
Damit ist es uns als erstem Bundesland gelungen, dieses hochsensitive und gleichzeitig kind- und altersgerechte Verfahren einzuführen. Ich meine, wir können allesamt darauf auch stolz sein. Es freut mich, dass sich erst gestern das Land Bayern hier bei uns in Nordrhein-Westfalen erkundigt hat, wie man ein solches leistungsfähiges Testsystem auch im Süden der Republik einführen könnte. Dort plant
man jetzt wohl eine Machbarkeitsstudie. In Nordrhein-Westfalen rollt das Testverfahren bereits und sichert unsere Grund- und Förderschulen in Zeiten der Pandemie.
Mit dem Beginn der PCR-Testungen beginnt gleichzeitig auch die wissenschaftliche Begleitung durch unsere Partner und Experten. Wir werden das Infektionsgeschehen an unseren Grund- und Förderschulen also im wahrsten Sinne des Wortes genauer unter die Lupe nehmen. So leistet das Land, leistet die Landesregierung mit diesem Projekt über den Tag hinaus einen wichtigen Beitrag zur Gewinnung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse auch für die Zukunft.
Ich möchte gerne zum Programm „Extra-Zeit“ kommen, weil das hier auch schon häufig angesprochen worden ist. Bei allen positiven Entwicklungen sind wir uns darüber im Klaren, dass in den vergangenen fast anderthalb Jahren vielfach pandemiebedingte Lerndefizite entstanden sind. Es sind aber ebenso emotionale, psychische und motorische Beeinträchtigungen entstanden. Das Land hat frühzeitig und intensiv die Aufarbeitung pandemiebedingter Defizite zu unterstützen begonnen. Das Programm unter dem neuen Label „Extra-Zeit“ hat sich inzwischen zu sehr viel mehr als einem reinen außerschulischen Ferienprogramm entwickelt, was es noch im vergangenen Jahr gewesen ist. Wir haben die Fördermöglichkeiten in enger Abstimmung mit verschiedensten Akteuren passgenau angepasst.
Ich möchte gerne an dieser Stelle auch die Hochschulen ansprechen, weil sie nämlich jetzt in Zusammenarbeit auch entsprechende Anträge stellen können.
Darüber hinaus bestehen bereits für ein Konzept „Extra-Zeit für Sport und Bewegung“ Ansätze, die mit dem Landessportbund Nordrhein-Westfalen dann auch entsprechend zur Umsetzung kommen sollen.
Bevor wir mit den Mitteln und dem Programm des Bundes starten können, ist – so dürfen wir sagen – unsere „Extra-Zeit“ bereits erfolgreich. Das belegen auch die aktuellen Mittelabrufe jetzt im März und im April trotz der herausfordernden Zeiten. Für insgesamt 1.620 Gruppen- und Individualmaßnahmen sind bereits über 3,3 Millionen Euro durch die Bezirksregierungen bewilligt worden.
Dass nun auch der Bund hier seinen Beitrag leisten will, das begrüße ich, das begrüßen wir ausdrücklich. Auch diese Mittel werden helfen, bei besonders betroffenen Schülerinnen und Schülern große Lernrückstände abzubauen und die sozialen und psychischen Krisenfolgen für unsere Kinder abzufedern.
Ich darf Ihnen sagen: Die Verhandlungen und letzten Gespräche mit dem Bund finden noch in dieser Woche statt.
Wir verhandeln als Land mit folgenden Zielsetzungen: ein schneller und entschlossener Start des Programms möglichst noch in den Sommerferien – das ist keine Selbstverständlichkeit –, langfristige Programmstrategien nach dem Motto „Der Aufholprozess dauert mindestens ebenso lange wie die Pandemie selbst“, größtmögliche Flexibilität für die Umsetzung des Programmes, keine aufwendigen Antrags- und Bewilligungsverfahren für unsere Schulen oder die Schulträger, stattdessen möglichst systemische und unbürokratische Unterstützung für die Schulen.
Wir wollen, dass viele Akteure aus den Bereichen Schule, Bildung, Sport, Freizeit und Bewegung eingebunden werden. Dazu können Vereine, Stiftungen, Initiativen, auch Nachhilfeanbieter, kommunale und freie Träger einen Beitrag leisten.
Wir werden dieses Programm entschlossen nutzen und weiterhin einen eigenen und zusätzlichen Beitrag leisten und haben deshalb auch vorausschauend und parallel zum Beratungsprozess mit dem Bund die notwendigen Vorbereitungen auf den Weg gebracht.
Zu dem, was Sie jetzt vielleicht erwarten: In wenigen Kommunen erfolgt der Unterricht wegen hoher Inzidenzzahlen gegenwärtig noch im Distanzunterricht. Aktuell aber findet der Schulbetrieb in NordrheinWestfalen ganz überwiegend im Wechselunterricht statt. Inzwischen weist mehr als die Hälfte der nordrhein-westfälischen Kreise und kreisfreien Städte eine stabile Inzidenz unter 100 auf, und die Chancen stehen gut, dass sich diese Zahl bis Ende Mai weiter erhöhen wird und gleichzeitig das Inzidenzgeschehen weiter sinkt.
Nach einer Zeit der besonderen Vorsicht, nachdem Schutzmaßnahmen etabliert und Testsysteme für die Schulen optimiert wurden und auch das Impfen in Nordrhein-Westfalen derzeit mit einem hohen Tempo voranschreitet, schlägt nun – das ist heute schon sehr oft gesagt worden – die Stunde der Kinder und Jugendlichen, die Stunde der Schülerinnen und Schüler, aber natürlich auch die Stunde deren Eltern und Familien.
Inzidenzwerte können wir in Zahlen ausdrücken. RWerte können wir mathematisch berechnen. Herr Lauterbach kennt ganz sicher alle wissenschaftlichen Harvard-Studien hierzu und deren Verfasser persönlich. – Herr Kutschaty nickt.
Aber das Leid der Kinder und Jugendlichen, die Entbehrungen durch geschlossene Schulen und fehlende Begegnungen mit Freundinnen und Freunden