Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Viele der Themen, die heute vielleicht noch nicht als großes Problem und als Frage für viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der Tagesordnung stehen, werden sich aber irgendwann stellen. Ich würde das, was die SPD hier an Fragen gestellt hat, nicht, wie es CDU und FDP tun, einfach ausblenden wollen. An einigen Stellen kann man schauen, was konkret an Forderungen in diesem Antrag enthalten ist.

Wir haben in der Enquete Fragen, gerade die rechtlichen Fragen etwa zur Plattformarbeit, zur Cloudwork, Clickwork, Gigwork besprochen. Marco Schmitz hat hier eben das wunderschöne Schaubild, das wir in unserem Enquetebericht haben, gefühlt vor unser aller Augen ausgebreitet. Es werden in diesem Antrag viele richtige Punkte durchaus benannt.

Man muss dann aber fragen, was das konkret bedeutet, wenn wir sagen, wir wollen die althergebrachten Schutzstandards, die lang erkämpft und in ihrer Schutzwirkung richtig sind, ins digitale Zeitalter übertragen. Was heißt das konkret? Dazu fehlen meines Erachtens in diesem Antrag durchaus einige Konkretisierungen, einige Antworten.

Es sind Dinge enthalten, die richtig sind, wie Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestentgelt, Sicherungen für einen bestimmten Personenkreis. Das haben wir als Grüne in der Enquetekommission unterstützt. Wir haben aber auch gesagt, dass viele Regulierungsfragen enorm voraussetzungsreich und hochkomplex sind und eben auf der Bundesebene stattfinden müssen. Das wäre doch ein schönes Thema für Hubertus Heil in den letzten Jahren oder Monaten gewesen.

Wir haben leider nicht wirklich viel wahrgenommen, dass auf dieser zuständigen Ebene richtig viel passiert wäre. Wir sehen es jetzt nur bei der Ausweitung der Altersvorsorgepflicht, wo Minister Heil jetzt schon gesagt hat, dass er vor der Bundestagswahl daran nichts mehr machen wird. Da, liebe SPD, muss man sagen: Schön und gut, schöne Themen, richtige Themen adressiert, aber die Antworten sind Sie leider schuldig geblieben. Da, wo Sie es hätten machen können, sind Sie auch die Taten schuldig geblieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir dann schauen, wie viele der Themen, die hier adressiert werden, die richtigen Themen sind und – ich möchte es noch einmal betonen – einen Landesbezug haben, dann sollte man sich zum Beispiel noch einmal mit der Frage der Digitalisierung von Betriebsratsarbeit auseinandersetzen. Auch das ist eigentlich eher wieder Bundesrecht. Aber für unsere Personalräte im

öffentlichen Bereich unseres Landes stellen sich ja die gleichen Fragen, besteht der gleiche Anpassungsbedarf. Das ist sinnvoll und sollte eigentlich unumstritten sein, dass wir da aktiv werden müssen. Da würde ich die Landesregierung sehr freundlich bitten, hier zügig und in allen Bereichen aktiv zu werden.

Das gilt auch – und das haben in den letzten Monaten hier sehr, sehr intensiv miteinander besprochen bei der ganzen Frage rund um das Homeoffice – für: In der aktuellen abschwellenden Pandemielage muss man das noch auf die Tagesordnung setzen. Noch heute gilt, dass nicht in allen Landesbehörden Homeoffice so läuft, wie es laufen sollte. Natürlich muss es überall ermöglicht werden, wo es geht, dann aber auch mit der entsprechenden technischen Ausstattung und vor allem auch mit der Kultur, die das ermöglicht. Ebenfalls muss der passende rechtliche Rahmen gewährleistet sein.

Homeoffice und mobiles Arbeiten müssen auch im öffentlichen Bereich so ausgestaltet sein, dass die Beschäftigten wirklich davon profitieren. Es muss freiwillig sein, alternierend als Ergänzung zum festen Arbeitsplatz sein, damit Beschäftigte sozial integriert bleiben, bei der Weiterbildung vorkommen, bei den Aufstiegsmöglichkeiten vorkommen und nicht unsichtbar werden. Natürlich muss weiterhin in der Entgrenzungsproblematik gelten: Home ist Home, und Office ist Office.

Jetzt habe ich hier eine ganze Menge Punkte …

Die Redezeit.

… genauso wie meine Vorredner*innen adressiert.

Ich finde die Diskussion weiterhin sehr spannend. Der Antrag stellt die richtigen Fragen, an einigen Stellen fehlen noch die Antworten, aber das kann ja vielleicht die Debatte im Ausschuss bringen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Bolte-Richter. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Tritschler.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Student, der abends für Lieferando noch Essen ausliefert, um sich sein Studium zu finanzieren, der Familienvater, der am Wochenende für Uber fährt, weil er seiner Familie einen Urlaub gönnen will, oder die Mutter, die neben der Kinderbetreuung noch Übersetzungsarbeiten im Internet anbietet, um die Haushaltskasse aufzubessern. – Lassen Sie uns bitte

zuallererst festhalten, dass das gute Erscheinungen sind.

Es ist gut, wenn unsere Bürger eine Chance haben, sich etwas hinzuzuverdienen. Das müssen sie auch, denn die Politik, also Sie, meine Damen und Herren, machen das Leben Jahr um Jahr teurer. Arbeitnehmer in Deutschland tragen mit die höchste Steuer- und Abgabenlast der Welt. Damit nicht genug: Weil die Deutschen auch noch das Weltklima retten müssen, zahlen sie auch die Rekordenergiepreise, Tendenz steigend. Das sind alles Dinge, die die antragstellende Fraktion der SPD mit oder zumindest hauptverantwortet hat.

Umso weniger passt es Ihnen natürlich, dass sich die Bürger Auswege suchen und dem regulierungswütigen Staat mehr und mehr ausweichen. Das Internet bietet da großartige Möglichkeiten, die man nun „Clickworking“, „Cloudworking“ oder „Plattformarbeit“ nennt.

Die Nöte der Bürger, die auf solche Tätigkeiten angewiesen sind, versteht eine Partei, deren Funktionäre überwiegend aus Verbänden oder Ähnlichem kommen und produktive Arbeit allenfalls noch vom Hörensagen her kennen, natürlich nicht. Um die geht es Ihnen aber auch gar nicht, es geht Ihnen um Ihre Parteifreunde bei den Gewerkschaften, meine Damen und Herren. Die Arbeitnehmer im Land haben nämlich lange, bevor es im Übrigen Plattformarbeit gab, bemerkt, dass kein Mensch mehr die Gewerkschaften in ihrer jetzigen Form braucht, und schon gar kein Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften in Deutschland sind nämlich längst keine Arbeitnehmerinteressenvertretungen mehr, sie sind eine Vorfeldorganisation der SPD, von der die Bürger inzwischen auch gemerkt haben, dass sie sie nicht mehr so wirklich brauchen.

(Lachen von Wolfgang Jörg [SPD])

Die deutschen Gewerkschaften sind zu nichts anderem als zu einem Teil des Genossenversorgungswerks verkommen. Ich vermute mal, Frau Giffey wird demnächst da auch irgendwo unterkommen.

(Wolfgang Jörg [SPD]: Was für eine Unver- schämtheit! Ehrlich!)

Sie vergeben dann gutdotierte Plätzchen in Aufsichtsräten, Rundfunkräten und dergleichen, und Ihre Mitgliedschaft ist längst im Rentenalter angekommen, also bei den Leuten, die nicht mehr arbeiten.

Dem Bedeutungsverlust Ihrer Freunde, meine Damen und Herren von der SPD, möchten Sie nun im Zeitalter der Digitalisierung mit Mitteln aus dem 19. Jahrhundert beikommen. Der Gewerkschaftsfunktionär soll Zugang zu Daten der Clickworker bekommen und deren Interessen vertreten, heißt es.

Das Problem ist nur, dass wir hierzu im Landtag gar keine Regelungskompetenz haben; das gehört zweifellos in den Bundestag. Und da liegt ein solcher Vorschlag auch schon – ich habe mich ein bisschen gewundert, dass mein Vorredner das nicht angesprochen hat –, nämlich von den Grünen, und im Ausschuss für Arbeit und Soziales des Bundestages wurde darüber bereits abgestimmt. Wie hat die SPDFraktion abgestimmt? – Man kann es im Protokoll nachlesen: Sie hat dagegen gestimmt. Hubertus Heil als Arbeitsminister, dessen Vorschlag zum Betriebsrätemodernisierungsgesetz ebenfalls diese Forderung nicht enthielt, gehört nun einmal auch zur SPD.

Meine Damen und Herren Sozialdemokraten, was Sie hier veranstalten, ist nichts anders als Wahlkampfkokolores. Das glauben Ihnen vielleicht noch die Senioren in Ihren Ortsverbänden, die kein Internet haben.

(Lachen von Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales)

Diese Politiksimulation ist jedenfalls der Grund, warum Sie zielstrebig auf die Einstelligkeit zugehen, und das mit Recht, meine Damen und Herren.

Für meine Fraktion kann ich jedenfalls feststellen, dass wir da nicht mitgehen werden. Unsere Arbeitnehmer brauchen Schutz, ja, das ist richtig, und wir haben uns darüber auch ausführlich in der Enquetekommission unterhalten. Wir müssen uns als Gesetzgeber neue Erwerbsformen anschauen und dafür entsprechende Schutzmechanismen entwickeln. Die suchen wir allerdings nicht in Showanträgen und in Geschichtsbüchern, sondern im 21. Jahrhundert. Ihren Antrag werden wir daher im Ausschuss ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Tritschler. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Laumann das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten im Bereich der Digitalwirtschaft sind natürlich ein wichtiges Anliegen der Arbeitsmarktpolitik der Landesregierung.

Ich will vorweg noch auf meine letzte Rede zur Arbeitsmarktpolitik in der letzten Plenarwoche zurückkommen. Da habe ich ausgeführt, dass natürlich in der sozialen Marktwirtschaft auch Konsumenten eine gewisse Verantwortung für die Entwicklung der Arbeitsmärkte haben. Ich glaube schon, dass wir uns überlegen müssen, bei wem wir unser Essen bestellen. Ich glaube schon, wenn wir einen ortgebundenen Einzelhandel haben wollen, dass wir auch mal in der Innenstadt einkaufen müssen und eben nicht nur

bei Versanddiensten. Meine Meinung, dass auch Verbraucher eine Verantwortung tragen, hat mir damals eine Pressemitteilung der SPD eingebracht. Ich kann nur sagen, dass ich mich immer freue, wenn Sie meine Reden zum Anlass nehmen, Pressemitteilungen zu schreiben.

Aber jetzt zum Antrag: Klar ist, dass der Umgang mit Plattformen eine wichtige Zukunftsfrage der Arbeitsmarktpolitik ist. Das Neue bei der Plattformökonomie ist doch, dass die Anbieter von Leistungen mal wie Selbstständige, mal wie abhängig Beschäftigte agieren, und manchmal vereinen sie die Eigenschaften von abhängiger Beschäftigung und Selbstständigkeit. Das wirft natürlich die Instrumente der Absicherung, wie wir sie in der Arbeitswelt haben, völlig durcheinander.

Außerdem ist es so, dass es in diesen Bereichen schon eine rasante Entwicklung gibt. Immer mehr Menschen nutzen Plattformen in ihrem täglichen Leben für Essensbestellungen, für Urlaub oder für Handwerkerleistungen. Man muss schon sagen, dass es hier eine gewisse Dynamik gibt. Deswegen bin ich der Meinung, dass es eine wichtige Frage ist, wie wir wichtige Errungenschaften – wenn ich es mal so sagen darf – der analogen Arbeitswelt, nämlich Mitbestimmung, Tarifverträge, Mindestlohn und Arbeitsschutz, auch in diesen Bereichen haben.

Ich glaube, dass diese Regelungen – vielleicht in angepasster Form – auch in der neuen Arbeitswelt der Plattformen gelten müssen. Um es ganz klar zu sagen: Es geht nicht, dass Plattformen dazu genutzt werden – oder es vielleicht auch gar nicht bewusst tun –, die über Jahrzehnte von der Arbeitnehmerschaft und von den Gewerkschaften erkämpften Regeln des Arbeitsmarktes schlicht und ergreifend zu ignorieren.

(Beifall von der CDU)

Deswegen ist es völlig klar, dass die Landesregierung sich dieser neuen Entwicklung mit Offenheit und Neugier stellt, aber auch Prinzipien hat. Da brauchen wir nichts Neues zu erfinden, sondern müssen die Grundprinzipien der sozialen Marktwirtschaft schlicht auf diesen Bereich anwenden.

Nun zu den Forderungen des Antrages: Ja, wir müssen das Arbeits- und Sozialrecht immer wieder an den digitalen Wandel anpassen. Das ist selbstverständlich. Aber ob eine Beweislastumkehr eine rechtssicherere Einordnung hybrider Arbeitsformen wirklich vereinfacht, ist mir nicht klar. Schließlich ist es immer eine Einzelfallentscheidung. Diese Einzelfallentscheidungen werden zurzeit – das finde ich wirklich – in einem vernünftigen Umfang von der Rentenversicherung getroffen.

Die Altersversorgung für Erwerbstätige ist im Antrag aufgeführt. Ich gehe davon aus, dass hier vor allem die fehlende Absicherung von Solo-Selbstständigen

gemeint ist. Das ist in der Tat ein Problem, aber nicht nur bei Plattformen. Deswegen steht bereits im Koalitionsvertrag der jetzigen Bundesregierung – ich habe das damals für meine Partei mit Andrea Nahles verhandelt – eine Altersvorsorgepflicht für Selbstständige. Sie soll umgesetzt werden. Aber bis jetzt ist eben kein Antrag und auch keine Erarbeitung eines Konzeptes aus dem Bundesarbeitsministerium gekommen, obwohl es klar im Koalitionsvertrag geregelt ist.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU], Marco Schmitz [CDU] und Daniel Sieveke [CDU])

Also hätten Sie einmal mit dem Kollegen Hubertus Heil besprechen sollen, warum das Arbeitsministerium in dieser Frage nicht geliefert hat.

Dann geht es um das digitale Zugangsrecht der Gewerkschaften. Ich finde, dass hier schlicht das gelten muss, was auch in der analogen Welt gilt. Wenn ein Gewerkschaftssekretär zu den Kolleginnen und Kollegen in den Pausenraum kommen darf, muss er auch über digitale Plattformen ins Homeoffice kommen dürfen. Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Wenn Gewerkschaften in den Betrieben Aushänge am Schwarzen Brett machen dürfen, was sie schon immer durften, dann müssen sie natürlich auch Zugang zum betriebsinternen digitalen Intranet haben. Das ist auch eine Selbstverständlichkeit. Das finde ich ganz selbstverständlich, und deswegen gilt es, diese Regelungen bei Bedarf daraufhin anzupassen.

Zum Thema „Mindestentgeltsicherung für SoloSelbstständige“: Ich vermute, dass Sie mit der Mindestentgeltsicherung für Solo-Selbstständige eine Art Mindestlohn für Solo-Selbstständige meinen. Aber das müssen Sie doch konkretisieren. Ich bin da auch skeptisch, weil ich mir nicht vorstellen kann, wie das praktisch aussehen soll.

Da Selbstständige grundsätzlich nach Leistung bezahlt werden, müsste es einen staatlich definierten Katalog geben, in dem jeder Leistung Mindestvergütungen zugeordnet werden. Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen. Aber vielleicht können die Beratungen im Ausschuss genutzt werden, um etwas Klarheit über die Bedeutung dieser Forderungen zu gewinnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Der Minister hat die Redezeit der Landesregierung um 1:14 Minuten überzogen. Wenn es den Wunsch nach weiteren Redebeiträgen aus den Fraktionen gibt, möge man sich jetzt melden. – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache.

Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrages an den Ausschuss für Digitalisierung und Innovation – federführend – und mitberatend an den