Protokoll der Sitzung vom 28.02.2013

Er sitzt jetzt seit dem 25. Februar in der Justizvollzugsanstalt Münster, und ich habe in der letzten Debatte gesagt, er sitzt da zwischen Mördern, Vergewaltigern und Räubern.

Doch noch vielsagender ist eigentlich, mit wem er da nicht sitzt. Er sitzt da nicht mit einem ehemaligen Fußballprofi, der zu Hause Kinderpornos gehortet hat. Der ist weiter auf freiem Fuß. Er sitzt da nicht mit Wjatscheslaw H., der seinen Sohn im Alter zwischen fünf und elf Jahren vergewaltigte und mit einer Bewährungsstrafe davonkam. Er sitzt da nicht mit dem 27-jährigen Pakistani, der in einer Berliner Asylunterkunft ein sechsjähriges Mädchen vergewaltigte. Auch dafür gab es nur Bewährung. Und er sitzt da nicht mit dem Afghanen, der in Dortmund zuerst eine Elfjährige vergewaltigte und sich, kurz nachdem er aus der äußerst kurzen Untersuchungshaft freikam, über eine Dreizehnjährige hermachte. Das alles ist in Deutschland offenbar weniger schlimm, als dem Staatsfunk den Tribut zu verweigern, meine Damen und Herren.

Normale Menschen würden sich für so etwas schämen, nicht so aber meine Kollegen Medienpolitiker von SPD, CDU, Grünen und FDP, die in der letzten Debatte diese Deformation des Rechtsstaats engagiert in Schutz genommen haben. Das verwundert auch nicht, denn alle vier, Herr Keymis, Herr Nückel, Herr Vogt und Herr Schick, sind natürlich auch Profiteure dieses Systems. Sie sind alle Mitglieder des WDR-Rundfunkrats

(Zuruf von Bernd Krückel [CDU])

und bekommen dafür fünfstellige Summen im Jahr überwiesen. Dafür verlesen sie dann hier im Landtag Textbausteine aus der WDR-Zentrale.

Meine Damen und Herren, wenn das nicht Befangenheit ist und den Ruch von Korruption verströmt, was dann? Vielleicht verweigern Sie sich deshalb auch heute der Debatte,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Jetzt wird es schwie- rig!)

Herr Hovenjürgen.

Aber es kommt noch besser: Anders als Mörder, Räuber und Vergewaltiger muss Herr Thiel am Ende

auch noch die Kosten seiner Haft tragen. Da ist die JVA Münster durchaus auf dem Niveau eines FünfSterne-Hotels. Inzwischen sind rund 10.000 Euro Haftkosten aufgelaufen aufgrund einer Gebührenforderung von sage und schreibe 600 Euro und ein paar Zerquetschten. Ja, es ist ein toller Rechtsstaat, den Sie hier betreiben, meine Damen und Herren.

Falls Sie Ihr Gewissen vielleicht ein bisschen erleichtern wollen: Die Unterstützer von Herrn Thiel haben ein Spendenkonto eingerichtet. Schauen Sie einfach mal ins Internet: www.rundfunk-frei.de. Da können Sie spenden, selbstverständlich auch anonym.

Aber es bleibt ein wenig Hoffnung. Die FDP hat am Wochenende entschieden, dass sie jetzt auch ein bisschen gegen die Rundfunkgebühr ist. Das freut uns natürlich, und wir geben Ihnen auch gleich die Gelegenheit, zu zeigen, was an diesem Versprechen dran ist. Wir lassen den Antrag nämlich punktweise abstimmen, und dann können Sie sich bekennen. Ich bin gespannt.

Meine Damen und Herren, finden Sie Ihr Gewissen, hören Sie drauf, und lassen Sie endlich Georg Thiel frei. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Danke, Herr Abgeordneter Tritschler. Herr Abgeordneter Tritschler, da im Vorfeld der Antragsdebatte bereits über die Frage der Nennung von Klarnamen in Anträgen mit Ihnen gesprochen worden ist und der Antrag dementsprechend auch abgeändert wurde, gehe ich jetzt davon aus, da Sie hier zu Beginn einen Klarnamen genannt und ein Foto gezeigt haben, dass Sie zuvor die Zustimmung des Betroffenen eingeholt haben. Ansonsten müssten wir mit Ihnen ins Gespräch kommen.

(Sven Werner Tritschler [AfD] nickt.)

Der nächste Redner ist für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Keymis.

Liebe Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die vier übrigen Fraktionen, Herr Tritschler, haben mich gebeten, als Vorsitzender des Ausschusses für Kultur und Medien für sie zu sprechen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Der Bitte komme ich selbstverständlich gerne nach, denn ich denke, dass der Sache mit den Worten, die ich jetzt für uns dazu sage, auch Genüge getan ist und wir nach einem weiteren Beitrag, den Sie, glaube ich, noch angemeldet haben, zur Abstimmung kommen können – wenn Sie wollen, auch zu einer Punktfür-Punkt-Abstimmung. Das steht Ihnen im Rahmen dessen, was hier im Parlament üblich ist, ja auch zu.

Es geht, liebe Kolleginnen und Kollegen, um 651,35 Euro, und es geht um das schlechte Gewissen eines Mannes, der meint, er müsste diesen Kampf, für den er das hält, kämpfen, indem er sich in das Gefängnis begibt, anstatt diese 651 Euro zu begleichen.

Das kann man so machen. Das ist seine freie Entscheidung, so wie es natürlich seine freie Entscheidung wäre, sich aus dieser Haft sofort wieder zu befreien, indem er auf die Forderung eingeht und damit das Kapitel schon erledigt.

Wir wollen aber hier nicht über die rechtlichen Dinge diskutieren, sondern wir wollen hier kurz über Ihre Forderungen diskutieren.

Wir wollen uns auch nicht darüber streiten, ob wir in einem Rechtsstaat leben oder ob dieses System von Grund auf bekämpft werden muss. Dazu haben Sie Ihre eigenen Vorstellungen.

Das Spannende daran ist ja, dass Sie versuchen, das alles im Rahmen dessen zu tun, was Ihnen an Möglichkeiten gegeben ist. Aber ganz offensichtlich haben Sie noch nicht genügend erkannt, welches enorme Instrument zur Verfügung steht, wenn man sich in diesem Land anständig aufführt und auch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu Wort kommt.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Wenn dann punktuell auch von Ihnen Kolleginnen und Kollegen schon mal zu Wort kommen,

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

dann wird diese Gelegenheit auch weidlich genutzt, was okay ist, was völlig richtig ist. Wir leben in einem freien Land.

Wir leben nicht in einem Beugehaftstaat, wie Sie das darstellen wollen. Es gibt auch keinen „WDRGefangenen“. Ihre gesamte Diktion lässt eigentlich nur den Schluss zu, dass es Ihnen überhaupt nicht auf das Thema ankommt, das Sie hier vorführen, sondern es kommt Ihnen auf ein grundlegendes Thema an, nämlich auf Ihr Thema: Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Das Bedauerliche für Sie ist, dass Sie mit dieser Meinung doch relativ allein sind. Da kann man auch noch so laut schreien und noch so viel vorführen an Betroffenheit und Bestürzung – Sie werden damit bisher jedenfalls von der breiten Mehrheit der Bevölkerung in Nordrhein-Westfalen und in Deutschland insgesamt nicht gehört.

Sogar – das habe ich schon vor einigen Monaten mit Interesse gelesen – in Sachsen-Anhalt ist nach einer repräsentativen Umfrage die Mehrheit der Menschen dort für eine Anpassung des Rundfunkbeitrags gewesen – selbst dort, wo sich ja immerhin das Parlament seinerzeit nicht entschließen konnte, dieser

Beitragsanpassung in Höhe von 86 Cent zuzustimmen.

Insofern ist insgesamt, glaube ich, Ihre Argumentationsbasis, Ihre Faktenbasis relativ brüchig und klein. Dafür ist aber natürlich das Geschrei – wie so oft – umso lauter, und das wird natürlich auch überall gehört. Aber es bleibt ein hohles Geschrei.

So ist auch der Antrag im Grunde. Er ist ein hohler Antrag, in dem ganz viel zusammengemischt ist, nämlich die Lage des von Ihnen so bezeichneten Gefangenen, die Frage nach der Reform des öffentlichrechtlichen Rundfunks und die Frage der Finanzierung.

Am Schluss haben Sie sich noch verschrieben, weil Sie schreiben, Sie fordern eine deutliche Verkleinerung der Anstalten und eine Abschaffung des Rundfunkbeitrages. Ich nehme an, dass Sie es andersherum gemeint haben: Sie fordern eine Verkleinerung des Beitrags und gleich die Abschaffung der Rundfunkanstalten. – Das ist aber aus meiner Sicht auch nicht mehrheitsfähig. Deswegen habe ich den Eindruck, dass Sie mit diesem Antrag einmal mehr ins Leere laufen.

Ich vermute allerdings, dass der Mann, von dem Sie sprechen, Ihnen den Gefallen weiterhin tun wird. Er wird ja gut unterstützt und offenbar – Herr Tritschler, wie Sie es beschreiben – in einem Fünfsternehaus untergebracht. So schlimm kann es also gar nicht sein. Er scheint sich da auch wohl zu fühlen. Und wenn er es wirklich so meint, dann soll er das weiter so machen.

Ich hätte zum Abschluss noch einen Vorschlag. Die 982 Spenderinnen und Spender, die anonym und zum Teil auch namentlich auf der von Ihnen eben zitierten Seite gespendet haben, haben – Stand heute; der Betrag ist mir eben noch mitgeteilt worden; Dank an die SPD-Fraktion; da gibt es auch fleißige Kolleginnen und Kollegen – 31.178,47 Euro gespendet. Das reicht für eine schnelle Befreiung Ihres Delinquenten.

Ansonsten bedaure ich nur, dass diese ganze Aktion unter dem Motto „Rundfunkbeitrag stoppen, die Gebührenfrage anders lösen bzw. auflösen“ läuft. Das Schlimme ist – das ist jedenfalls für uns Grüne bedauerlich –, dass einer der Animatoren dieser Geschichte, der Betreiber dieser Website und der Kontoinhaber, auch noch Olaf Kretschmann heißt.

(Helmut Seifen [AfD]: Ja!)

Es tut mir so leid für den guten alten Kretsch. Dafür kann er nichts. Ich hoffe, dass die beiden weder verwandt noch verschwägert sind.

Herr Tritschler, liebe Kolleginnen und Kollegen der AfD-Fraktion, das ist ein Antrag, der ins Leere läuft. Sie helfen dem Mann überhaupt nicht weiter. Er kann sich weiterhelfen. Ich würde empfehlen: Sie befreien

ihn mit den gespendeten Beträgen der 982 aktiven Unterstützerinnen und Unterstützer.

Ansonsten müssen wir sehen, dass wir dieses System vernünftig auf die Beine stellen. Darüber zu diskutieren, ist aller Ehren wert. In diese Richtung hat sich jetzt auch die FDP geäußert. Es geht nämlich darum, dass man darüber redet, wie man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zukunftsfähig macht.

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

Da finden auf verschiedenen Ebenen viele Gespräche statt. Es gibt im Juni entsprechende Gespräche auf der Ebene der Länder. Im Herbst wird es dann auch schon den ersten Vorschlag in der Ministerpräsidentenkonferenz geben.

Über die Fakten sollten wir diskutieren. Über das, was Sie hier beantragen, ist sehr schwer zu sprechen. Ich habe es versucht; ich hoffe, es ist mir einigermaßen gelungen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN, der CDU, der SPD und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Keymis. – Nun hat für die Landesregierung in Vertretung für Herrn Ministerpräsidenten Laschet Frau Ministerin Scharrenbach das Wort.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es ist offensichtlich, dass es der antragstellenden Fraktion nicht um den Einzelfall des inhaftierten Bürgers geht. Vielmehr wird dieser Fall als aktueller Aufhänger genutzt, um eine grundsätzliche Ablehnung gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk erneut zum Ausdruck zu bringen.

Insofern schließt sich die Landesregierung Nordrhein-Westfalen den Worten des Vorredners, der immerhin für vier Fraktionen gesprochen hat, in aller Ergiebigkeit an. Der hier eingebrachte Antrag ist sowohl aus rechtlichen Gründen als auch in der Sache nicht mitzutragen. Er ist daher aus Sicht der Landesregierung vollständig abzulehnen. – Herzlichen Dank.