Protokoll der Sitzung vom 30.11.2017

Ich glaube, der Unterschied zur FDP und zu Herrn Brockes ist sehr deutlich. Wir haben eine klare Haltung, und wir haben klare Positionen. Wenn es überhaupt zu Gesprächen kommen sollte, sind das Themen, die wir in Deutschland voranbringen wollen.

Wenn ich mich daran erinnere, was die FDP über fünf Wochen lang mit diesem Land gemacht hat, dann stelle ich fest: reines Chaos. Sie geht in die Sondierungsverhandlungen, und was kommt dabei heraus? – Nichts.

Das zeigt sehr deutlich den Unterschied. Wir schreiben einen Brief, an dem ich als Mitglied des NRWLandesvorstands auch beteiligt war, mit einer klaren Position. Sie gehen in Verhandlungen, verkriechen sich anschließend in die Büsche und sagen: Wir wollen keine Verantwortung – lieber keine Verantwortung als Arbeit. – Das war Ihr Motto, das sehr deutlich zu erkennen war.

(Beifall von der SPD)

Auch ein Zweites will ich Ihnen, Kollegen von der FDP, sagen. Das war ebenfalls sehr deutlich, und so etwas ärgert mich sehr.

(Zuruf: Thema!)

Der Bundesvorsitzende der FDP, Herr Lindner, hat es hier in Nordrhein-Westfalen vorgemacht. Er hat im Landtagswahlkampf erklärt, was man nicht alles für dieses Land tun könnte. Anschließend, als er die Möglichkeit hatte, hat er sich verkrochen. Genau dasselbe hat er jetzt auch in Berlin gemacht. Werfen Sie uns also nicht vor, dass wir unsere Positionen nach Berlin bringen.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Jetzt komme ich zum Tagesordnungspunkt. Ja, das müssen Sie mir schon erlauben.

(Vereinzelt Beifall von der CDU – Zurufe von der CDU: Hey!)

Ja, ich weiß auch, das tut weh.

(Christof Rasche [FDP]: Das muss Ihnen weh- tun!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn es den NRW-Integrationsrat nicht gäbe, müsste man ihn erfinden. Das war die Position von Ministerpräsident Laschet vor einem Jahr, als er noch Fraktionsvorsitzender war.

Wie passt es dazu, dass die Mitte-rechts-Koalition in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt hat, die Abschaffung der Integrationsräte zu ermöglichen?

Seitdem, Kolleginnen und Kollegen, herrscht bei den über 100 Integrationsräten in unseren Kommunen eine ziemlich große Verunsicherung. Seit über fünf Monaten werden diejenigen, die vor Ort wertvolle Integrationsarbeit leisten, im Unklaren gelassen.

Bei ihrem Jahrestreffen im Oktober haben die Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer der Integrationsräte auf diese große Verunsicherung in den Kommunen hingewiesen. Sie haben ihre Ablehnung und ihre Sorge artikuliert, dass damit dem Thema „Integration“ vor Ort ein Bärendienst erwiesen wird.

Diese Sorge, Kolleginnen und Kollegen, ist umso mehr berechtigt, wenn man weiß, dass nicht das Integrationsministerium die Pläne der Landesregierung ausarbeitet, sondern Frau Scharrenbach, die

heute nicht hier ist, die aber dieses Thema bearbeiten soll, die wahrscheinlich so viel Ahnung von dem Thema „Integration“ und der Arbeit der Integrationsräte in den Kommunen hat wie die Kuh vom Eislaufen.

(Beifall von der SPD – Unruhe von der CDU und der FDP – Zuruf von der CDU: Eine Un- verschämtheit! – Weitere Zurufe von der CDU)

Wollen Sie ein anderes Beispiel haben? Das gebe ich Ihnen auch sehr gerne: Wahrscheinlich hat diese Ministerin so viel Ahnung davon wie Ministerin Schulze Föcking von der Schweinezucht.

(Erneut Zurufe von der CDU und der FDP)

Also hören Sie auf! Regen Sie sich nicht auf, sondern beginnen Sie mal, das Thema zu bearbeiten.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unglaublich! – Zu- ruf von der CDU: So was Polemisches! – Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Diese Landesregierung hat angekündigt, keinen Alleingang zu wollen, sondern in einen konstruktiven Dialog für ihre Absichten zu treten.

(Fortgesetzt Zurufe von der CDU und der FDP)

Die angebliche Dialogbereitschaft, die Sie wie eine Monstranz vor sich hertragen, ist nach kurzer Zeit krachend gescheitert. Ich will Ihnen das mal aufschlüsseln: Erst verabschieden Sie Ihren Koalitionsvertrag, demzufolge Sie die Einrichtung der Integrationsräte auflösen wollen. Dann beginnt die anhaltende Verunsicherung über die Integrationsräte in den Kommunen und beim Landesintegrationsrat.

Am 21. Oktober nimmt Herr Minister Stamp an der Sitzung des Hauptausschusses des Landesintegrationsrates in Gelsenkirchen teil. Dort stellt er vage Pläne der Landesregierung vor. Das führte zur Verabschiedung einer Resolution, in der die Integrationsräte die Pläne der Mitte-rechts-Koalition als massiven Angriff auf die Partizipationsmöglichkeiten der Migrantinnen und Migranten bezeichnen.

Dann folgt ein Interview von Integrationsstaatssekretärin Güler, in dem sie die Integrationsräte als Kaffeekränzchen bezeichnet, die ihre Zeit damit verbringen würden, Straßenfeste zu organisieren. Wenn man weiß, wie schwer es ist, ein Straßenfest zu organisieren, und welchen Sinn das hat, nämlich die Zusammenführung, die Integration von Menschen, dann weiß man auch, was es zu bedeuten hat, wenn man diejenigen, die das ehrenamtlich machen, so in den Senkel stellt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Hinzu kommt: In demselben Interview greift die Integrationsstaatssekretärin den Vorsitzenden des Landesintegrationsrates, Keltek, an, den Mann, der vor einem Jahr über die Parteigrenzen hinweg als der

Motor, der Vorreiter der Integrationspolitik in Nordrhein-Westfalen bezeichnet wurde. Sie wirft ihm vor, er würde nur eine Egoshow betreiben. Mit Egoshows kennt sich die FDP ja besonders gut aus.

Auf diese öffentliche Diskreditierung der ehrenamtlichen Arbeit durch das Integrationsministerium antwortete der Integrationsrat Köln mit einem offenen Brief, in dem er sich bestürzt und verärgert äußert. Diese nachvollziehbare Reaktion des Integrationsrates auf ihre eigene Polemik nimmt dann die Staatssekretärin zum Anlass, ihre Teilnahme an der Mitgliederversammlung der Integrationsräte am 11. November abzusagen.

Statt dort die Chance zur Positionserklärung wahrzunehmen, in den Austausch, in den doch so gewünschten Dialog einzutreten, wird genau dieser Dialog verweigert. Stattdessen schickt die Staatssekretärin einen über alle Parteigrenzen hinweg anerkannten Mitarbeiter des Integrationsministeriums hin und lässt diesen einen Brief verkünden, so wie sie es uns auch im Integrationsausschuss gesagt hat.

In dem Brief teilt sie mit, dass es ihr nicht sinnvoll erscheine, bei der Versammlung der Integrationsräte aus NRW die Diskussion über die Zukunft der politischen Partizipation in Nordrhein-Westfalen fortzusetzen. Es müsse erst die Bereitschaft bestehen, anzuerkennen, dass die Partizipationsstruktur auf kommunaler Ebene nicht so bleiben wird. Das heißt: Entweder macht ihr das, was ich will, oder ich rede gar nicht mit euch.

(Beifall von der SPD)

Diese Verweigerung der Diskussion hat dazu geführt, dass wir im Integrationsausschuss darum gebeten haben, den Brief, der auf einer öffentlichen Versammlung vorgetragen worden ist, zu bekommen. Als Parlamentarier haben wir das gefragt. Die Antwort des Integrationsministers auf diese Frage war: Nein, kriegt ihr nicht.

Ich frage Sie, Kolleginnen und Kollegen, insbesondere diejenigen, die schon in der letzten Legislaturperiode dabei waren, die es genau wissen, was passiert wäre, wenn sich unsere Landesregierung geweigert hätte, den Abgeordneten einen Brief, den sie hat vortragen lassen, zu geben. Was für einen Tanz hätten dann der damalige integrationspolitische Sprecher Stamp oder auch die CDU veranstaltet?

Ich sage Ihnen: Wenn die Informationsrechte des Parlaments so beschnitten werden, werden wir andere Wege finden. Sie haben bei meinen Ausführungen schon mitbekommen – ich gehe davon aus –, dass wir bereits einen Weg gefunden haben, Teile dieses Briefes zu bekommen. Das ist auf jeden Fall keine Dialogbereitschaft.

Herr Minister, Sie reden immer davon, dass man Zuwanderinnen und Zuwanderer fest an die Hand nehmen müsse. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Nehmen

Sie mal Ihre Staatssekretärin fest an die Hand, damit die Unruhe hier aufhört.

(Beifall von der SPD)

Mit dem heute vorgelegten Entschließungsantrag wird das Kommunikationschaos der Mitte-rechts-Koalition auch noch fortgeführt. Erst heißt es darin, die Landesregierung hätte klargestellt, dass es keine Abschaffung der Integrationsräte geben soll. In der Beschlussfassung aber wird genau diese Abschaffung ermöglicht. Da frage ich mich natürlich schon: Was wollen Sie eigentlich? Was ist Ihre Haltung zur Zukunft der Integrationsräte?

Übrigens haben Sie auch in diesem Antrag nicht die Chance genutzt, mal zu sagen, was Sie eigentlich wollen. Das hat nichts mit Verbindlichkeit zu tun, Herr Minister Stamp, das ist reines Chaos. Man sieht, dass Sie keine Integrationsstrategie haben.

Der Minister hat am 22. November im Integrationsausschuss erklärt, dass die Arbeit der Integrationsräte oft nicht ernst genommen wird oder auch verpufft. Herr Minister Stamp, ich kann Ihnen sagen: Es gibt gut und weniger gut arbeitende Integrationsräte. Aus dem, was Sie ausgeführt haben, ergeben sich für mich zwei Handlungsmöglichkeiten:

Die eine Handlungsmöglichkeit ist, die Integrationsräte abzuschaffen. Das ist anscheinend das, was die Mitte-rechts-Koalition will.

Die andere Möglichkeit ist, die Integrationsräte zu stärken. Ich glaube, es wäre gut, wenn wir dazu kommen würden, unsere Energie darauf zu verwenden, zu überlegen, wie wir die Integrationsräte stärken können, wie wir Partizipation auf Augenhöhe und das Einbringen von eigenen Erfahrungen und Kenntnisse ermöglichen können.

Das Einbringen von eigenen Erfahrungen und Kenntnissen der Integrationsräte haben wir ganz aktuell in der Versorgung und Betreuung der Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, wahrnehmen können. Da haben die Integrationsräte, die dort ehrenamtlich tätig sind, eine wertvolle Arbeit geleistet. Ich glaube, das wird hier auch niemand verneinen können. Unsere Integrationsräte machen Nordrhein-Westfalen zu einem bundesweiten Vorbild für die politische Partizipation von Migrantinnen und Migranten.

Statt diese zu diskeditieren fordern wir – um diese Unruhe bei den ehrenamtlichen Integrationsräten endlich zu beenden – den Landtag auf, die ehrenamtliche Arbeit zu würdigen, die wenigen direkten Partizipationsmöglichkeiten der Zuwandererinnen und Zuwanderer nicht zu beschneiden, den Ehrenamtlichen Planungssicherheit zu geben und das Modell der Integrationsräte gemeinsam mit dem Landesintegrationsrat weiterzuentwickeln, damit es verbindliche Beteiligungsmöglichkeiten gibt.

Herr Minister Stamp war zehn Jahre lang Mitglied eines Integrationsrates

(Dr. Joachim Stamp, Minister für Kinder, Fami- lie, Flüchtlinge und Integration: Ja!)

und weiß somit um die vorhandenen Stärken und Schwächen. Er kennt sie gut – und statt die Arbeit der Integrationsräte fortzuführen, weiterzuentwickeln und zu verbessern, sollen diese jetzt abgeschafft werden.