Ibrahim Yetim

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Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion der AfD unterstellt mit der vorliegenden Großen Anfrage eine enorme finan
zielle Herausforderung. Das alleine steht für die Fraktion der AfD im Vordergrund.
Beim Rückblick auf die Flüchtlingssituation, wie wir sie in den Jahren 2015 und 2016 hatten, ist uns allen – ausgenommen die Rechtsaußenparlamentarier – aber die humanitäre Notsituation der vielen Frauen, Männer und Kinder wohl noch sehr deutlich in Erinnerung.
Fiskalischen Lasten, wie die AfD es nennt, spielen, wenn Menschen in Not sind, für uns als SPD nicht die entscheidende Rolle, und ich glaube, auch für andere Fraktionen nicht.
Grundsätzlich unterscheiden wir in der Integrations- und Innenpolitik zwei Gruppen: Die einen haben ein Aufenthaltsrecht und integrieren sich. Sie sind mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung unseres Landes eine Chance für Deutschland. Dazu hat die frühere Landesregierung schon etliche Projekte und Programme aufgelegt. Einige werden von dieser Landesregierung fortgeführt, andere sind dazugekommen.
Dass sich der Erfolg auch durch Zahlen zeigen lässt, haben verschiedene Institute bereits berechnet. Unter anderem hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsförderung schon 2015 aufgezeigt, dass die Integration von Geflüchteten langfristig eine lohnende Investition ist.
Die Bundesregierung berichtet ganz aktuell, dass jedes vierte Unternehmen in der Bundesrepublik Geflüchtete beschäftigt. Jedes zehnte Unternehmen bildet Geflüchtete aus. Fast 400.000 Menschen, die als Geflüchtete zu uns gekommen sind, sind in Lohn und Brot. Die IHK sagt dazu: Die Potenziale, die Flüchtlinge mitbringen, können Unternehmen in Zeiten des zunehmenden Fachkräftemangels für sich nutzen.
Diejenigen, die kein Aufenthaltsrecht haben oder es verwirken – auch das ist für uns klar –, haben hier keine Perspektive. Für sie wurden bereits unter der rot-grünen Landesregierung freiwillige Rückkehrprogramme entwickelt, und es wurden auch Abschiebungen durchgeführt. Beides wird auch von dieser Landesregierung fortgeführt. An der einen oder anderen Stelle geschieht das sicherlich anders, als wir das gemacht haben oder gemacht hätten.
An die Abgeordneten der AfD-Fraktion: Auch mit dieser Großen Anfrage machen Sie deutlich, worum es Ihnen im Kern ernsthaft geht. Sie sprechen durchgängig von einer ungesteuerten Massenzuwanderung, obwohl es diese schon lange nicht mehr gibt. Sie aber tun so, als ob sich die Asylzahlen überhaupt nicht verändert hätten. Die aktuellen Zahlen kennen Sie: In diesem Jahr sind es ca. 100.000 Geflüchtete.
Diejenigen, die in den Jahren 2015 und 2016 unter anderem nach Europa geflüchtet sind, sind vor Krieg,
vor Terror und vor Diktatoren wie zum Beispiel in Syrien geflohen. Das sind Diktatoren, die Sie auch noch durch Ihre Besuche unterstützt haben. Wenn aus Syrien 6,6 Millionen Flüchtlinge unterwegs sind, sollten Sie sich noch einmal gut überlegen, wen Sie besuchen.
Festzuhalten bleibt, dass die Antwort auf diese Große Anfrage der Landesregierung viel Arbeit gemacht, sie uns aber keine neuen Erkenntnisse gebracht hat.
Abschließend bleibt mir nur – und mehr ist diese Große Anfrage auch nicht wert –, den Mitgliedern der AfD zu wünschen, unter ihrem Weihnachtsbaum Menschlichkeit, Toleranz und Ehrlichkeit zu finden.
Den anderen Kolleginnen und Kollegen wünsche ich ein schönes und besinnliches Weihnachtsfest und hoffe, dass Sie alle gut ins neue Jahr kommen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! 1961 wurde zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei das Anwerbeabkommen unterzeichnet, das sich im nächsten Jahr zum 60. Mal jährt.
Ein solches Jubiläum bietet die Chance, zurückzuschauen und darauf zu blicken, was das Leben der vielen Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter aus der Türkei, aber auch aus vielen anderen Ländern geprägt hat.
Es bietet die Chance, zu schauen, was die Menschen, die hier ihren Lebensabend verbringen, brauchen
und was sich diese erste Generation der Menschen mit Einwanderungsgeschichte für die Zukunft ihrer Kinder, Enkelkinder und Urenkel wünscht.
Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, all das tun Sie in Ihrem Antrag nicht, sondern Sie blicken lediglich zurück. Sie fordern die Würdigung eines Vertrags, eines Papiers. Ich empfinde Ihren Antrag nicht nur als peinlich, sondern sage Ihnen ganz deutlich: Wenn ich darüber noch mit meinen Eltern hätte sprechen können, die beide hier verstorben sind, hätten
sie gesagt: Was Sie an der Stelle tun, ist entwürdigend.
Denn Sie sprechen mit keinem Wort die Lebenserfahrungen und Lebensleistungen der vielen Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter an.
Der Antrag enthält lediglich Ihre Aufforderung, dass der Ministerpräsident im Jahr der Bundestagswahl und im Jahr vor der Landtagswahl – ich bin gespannt, welchen Termin er sich in seinem Kalender rot markiert – Selfies mit Menschen mit Einwanderungsgeschichte machen soll.
Ich habe den Verdacht, dass dieser Antrag lediglich dazu dienen soll, der Landesregierung und dem Ministerpräsidenten die Gelegenheit zu geben, den Boden für eine Roadshow zu bereiten.
Frau Wermer, das ist in einem Land wie NordrheinWestfalen nicht angemessen. Das wird der Geschichte vieler Menschen in diesem Land nicht gerecht,
denn die Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter haben mit körperlich schweren Arbeiten und als billige Arbeitskräfte zum Wohlstand unseres Landes beigetragen. Sie bereichern unsere Gesellschaft.
Die Wertschätzung und den Respekt für diese Menschen auszudrücken, muss im Vordergrund stehen – und nicht die Würdigung eines Abkommens.
Ob aus der Türkei, aus Spanien, Italien, Griechenland, Marokko oder dem ehemaligen Jugoslawien: All diese Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter
wünschten sich eine bessere Zukunft vor allem für ihre Kinder.
Dafür haben sie zum Teil sehr harte körperliche Arbeit in Kauf genommen. Dafür ließen sich die meisten Einwanderer mit gerade einmal 20 Jahren auf ein Leben in einer für sie völlig fremden Kultur ein.
Sie haben oft umgeplant, mehr als zwei Drittel ihres Lebens hier verbracht und mit an der Entwicklung unseres Landes gearbeitet. Eigentlich wollten sie alle nur ein paar Jahre bleiben und dann wieder in die Heimat zurückkehren.
Aus einigen Jahren ist ein ganzes Leben geworden, aus der Fremde wurde die zweite Heimat, und aus der Heimat der Urlaubsort, denn hier leben ihre Nachkommen und auch ihre Freunde.
Deswegen haben sie hier auch einen würdevollen Lebensabend verdient. Um nur einige Punkte zu nennen: Das muss sich zum Beispiel daran festmachen, dass wir eine flächendeckende kultursensible Altenpflege und Altenhilfe sowie Bestattungsmöglichkeiten für Muslime und Menschen anderer Religionen ermöglichen.
Wir brauchen zudem politische Beteiligungschancen. Das kommunale Wahlrecht für Staatsbürger aus Drittstaaten, das Sie gerade angesprochen haben, Herr Lenzen, wäre ein starkes Signal an diejenigen, die hier seit Jahrzehnten leben,
die hier ihre Steuern bezahlen, die Teil unserer Gesellschaft sind, die aber wie auch meine Eltern in den 50 Jahren, die sie hier verbracht haben, nicht ein einziges Mal wenigstens ihren Ratsvertreter oder ihren Bürgermeister bzw. ihre Bürgermeisterin wählen konnten. Das wäre ein starkes Signal im Jubiläumsjahr.
Deswegen fordere ich Sie auf: Lassen Sie uns gemeinsam und parteiübergreifend an einer Initiative für dieses Jubiläumsjahr arbeiten. Wir hätten dabei die Gelegenheit, den Integrationskonsens zwischen den Parteien in Nordrhein-Westfalen zu beleben und ein starkes Signal des Respekts und der Anerkennung an diese Menschen zu senden.
Rassismus und Diskriminierung treibt viele dieser Menschen um, insbesondere in diesen Zeiten, und zwar in allen Lebensbereichen: ob das der Ausbildungsmarkt, der Arbeitsmarkt oder auch der Wohnungsmarkt ist.
Für echte Chancengleichheit einzutreten, würden viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte für richtig halten, denn damit würden wir auch ein Stück Anerkennung zeigen, denn selbst nach teilweise über 50 Jahren, in denen sie hier leben, erleben sie gegen sich, ihre Kinder, ihre Enkel und ihre Urenkel immer noch Diskriminierung und Rassismus,
und zwar unabhängig davon, welchen Bildungsstand sie haben oder welchen sozialen Aufstieg sie geschafft haben.
Wenn wir über echte Chancengleichheit reden, wird es für uns in einigen Jahren hoffentlich selbstverständlich sein, dass Forscherinnen und Forscher, die einen Impfstoff erfinden, Uğur Şahin oder Özlem Türeci heißen. Sie haben sich noch nicht einmal die
Mühe gemacht – das ist auch ein Signal –, die Namen richtig auszusprechen.
Dann wäre es selbstverständlich, alleine die medizinische Kompetenz und nicht ihre Einwanderungsgeschichte in den Vordergrund zu stellen.
Ich komme zum Ende, Herr Präsident. – Unsere Forderungen im Antrag sind nicht neu; wir diskutieren diese Themen schon sehr lange. Ich möchte sie aber noch einmal in Erinnerung gerufen haben und mit einem dringen Appell verbinden: Würdigen Sie nicht die Verträge! Würdigen Sie die Lebensleistung dieser Menschen! Lassen Sie uns das gemeinsam tun!
Stimmen Sie unserem Antrag zu, oder lassen Sie uns Ihren Antrag in den Integrationsausschuss überweisen, sodass wir da vielleicht zu einer gemeinsamen Initiative kommen. Denn damit können wir den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft stärken und die Lebensleistung unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger entsprechend würdigen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Das war wieder einmal eine Rede, die mich an „Deutschland den Deutschen“ erinnert hat. Herr Wagner, ich frage mich: Was haben Lichterketten und Weihnachtsmärkte mit dem Thema zu tun, mit dem wir uns gerade beschäftigen? Dafür ist es viel zu ernst.
Sie haben die Karikaturen erwähnt. Es gibt solche Karikaturen. Ich kann mich sehr gut daran erinnern. Ich weiß gar nicht, wie ich darauf reagiert hätte. An der Stelle muss ich sagen: Das war nicht besser als das andere, was wir an Karikaturen gesehen haben. Auch da sollten Sie sich einmal fragen, ob das wirklich etwas ist, was Sie hier ins Feld führen können, wenn wir über das Thema „Gefährder in Deutschland“ sprechen.
Kolleginnen und Kollegen, wer meinte, dass Hass und Terror in der Coronazeit zum Erliegen gekommen sind, der wurde auf schreckliche Art und Weise auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Die mediale Aufmerksamkeit wurde ja durch Corona bestimmt.
Ich will noch einmal daran erinnern, was alles passiert ist: Im April wurde im bayerischen Waldkraiburg durch einen Anhänger des „Islamischen Staates“ ein Brandanschlag auf ein türkisches Geschäft verübt. Es gab dabei sechs Verletzte. Im August rammte ein Mann auf der Berliner Autobahn mit seinem Wagen Motorräder und Autos. Auch hier gab es sechs teils Schwerverletzte. Der Generalstaatsanwalt geht von einer islamistischen Tat aus. Im Oktober wurden in Dresden zwei Männer mit einem Messer angegriffen. Es gab ein Todesopfer, das andere Opfer überlebte schwerverletzt. Der Tatverdächtige wird als Gefährder geführt.
Wir haben in den vergangenen Wochen, Kolleginnen und Kollegen, weitere Anschläge erleben müssen: Wien, Nizza, Paris. – Die Gefahr des islamistischen Terrors ist nah, und all diese Anschläge sind durch Hass motiviert. All diese Anschläge wollen Angst und Schrecken verbreiten.
Unser Mitgefühl gilt deswegen allen Menschen in Frankreich und in Österreich, es gilt allen Angehörigen der Opfer. Diese Anschläge sind nicht nur Anschläge auf einzelne Menschen, es sind Anschläge gegen uns alle, gegen unsere freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft. Ihr Ziel ist dabei immer die Spaltung unserer Gesellschaft, die Spaltung nach Herkunft, die Spaltung nach Religion oder Lebensweise. Deshalb erinnern sie mich auch so an den Anschlag auf die Synagoge in Halle mit zwei Todesopfern oder an den Anschlag in Hanau mit zehn Opfern.
Ob Rechtsextreme oder Islamisten: Ziel ist immer, das Gesellschaftssystem, so wie wir es kennen, zu stürzen und Angst und Schrecken zu verbreiten.
Die Frage ist berechtigt: Warum schiebt man Gefährder nicht einfach ab, wenn sie als Gefährder eingestuft werden? Ich kann das nachvollziehen. Klar ist für uns als SPD: Wer sein Aufenthaltsrecht, sein Asyl missbraucht, um erhebliche Straftaten zu begehen, der verwirkt sein Recht, hier sein zu dürfen, und muss unser Land verlassen.
Ein Blick auf die Gefährder zeigt jedoch, dass das Problem des islamistischen Terrors nicht alleine auf diesem Weg zu lösen ist. Von den derzeit 600 Gefährdern in Deutschland sind allein 217 deutsche Staatsbürger, und 119 weitere haben die doppelte Staatsbürgerschaft.
Die AfD fordert hier eine Verschärfung des Staatsangehörigkeitsrechts für Terroristen. Das hat die Große Koalition 2019 bereits umgesetzt. Wer im Ausland für eine Terrormiliz kämpft, muss nunmehr mit dem Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft rechnen, wenn er eine weitere Staatsangehörigkeit besitzt. Da ist der Anfang getan.
Bei denjenigen, die abgeschoben werden können – darauf ist der Kollege von der FDP gerade eingegangen –, weigern sich die Herkunftsländer oftmals, Abkommen über die Rücknahme abzuschließen. Hier muss noch mehr Druck auf die Bundesregierung ausgeübt werden. Das ist übrigens seit vielen Jahren gemeinsame Position hier in Nordrhein-Westfalen. Ich hoffe, dass sich die europäischen Innenminister, die sich morgen treffen, nicht nur darauf verständigen, sondern auch Maßnahmen zur Prävention von Radikalisierung und was die Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung betrifft, verabreden.
Kolleginnen und Kollegen, die Eindämmung des islamistischen Terrors werden wir nicht alleine durch Abschiebungen und härtere Strafen oder durch den Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit lösen. Neben den repressiven Maßnahmen sind auch präventive Maßnahmen Voraussetzung für eine Eindämmung der islamistischen Gefahr. Wir müssen verhindern, dass sich junge Männer und Frauen den Islamisten anschließen. Wir müssen die Strategien der Anwerbung bekämpfen. Oftmals ist es so, dass die Islamisten Jugendliche persönlich ansprechen
und ihnen vermeintlich Freundschaft und Unterstützung anbieten. Sie bieten ihnen oft ein Zugehörigkeitsgefühl zu einer Gruppe an. Unsere Aufgabe muss es sein, diese perfiden Strategien zu erkennen und zu verhindern.
Darum ist es gut – es wurde gerade von den Kollegen der CDU angesprochen –, dass die jetzige Landesregierung das von Rot-Grün eingeführte Präventionsprogramm „Wegweiser“ oder auch das Aussteigerprogramm Islamismus genauso wie die Interministerielle Arbeitsgruppe „Salafismusprävention“ als gesamtgesellschaftliche Aufgabe fortführen wird. Das zeigt, dass wir gemeinsam die Bedeutung von Prävention erkannt haben.
Ich bin überzeugt davon, dass wir in der Jugendsozialarbeit die Bedürfnisse, Probleme und Erfahrungen der Jugendlichen viel ernster nehmen und ihnen Wege und auch Perspektiven aufzeigen müssen. Wir müssen dem Auftritt der Islamisten im Netz, mit dem sie viele junge Menschen erreichen, noch mehr entgegensetzen, als wir es tun. Denn hier ist meiner Meinung nach die erste Rekrutierungsquelle der Islamisten.
Auch die Arbeit in Gefängnissen und die Seelsorge sind eng verbunden mit der Ausbildung von Imamen auf der Grundlage unserer Gesellschaftsordnung. Das müssen wir viel stärker fördern. Imame sollten grundsätzlich bei uns ausgebildet sein.
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zum Antrag der AfD machen. „Gefährder abschieben“, so lautet der Titel. Diese einfache Lösungsformel klingt gut und leicht. Damit hetzen Sie aber die Menschen auf, ohne ernsthaft die Probleme aufzuzeigen. Das ist Ihr politischer Stil, das ist Ihre Politik.
Dort, wo es möglich ist, Gefährder abzuschieben, tun es unsere Sicherheitsbehörden im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten. Die Frage, was gegen Extremismus hilft, muss viel stärker in das Zentrum der Debatte rücken. Es beginnt meines Erachtens damit, dass wir uns viel stärker bewusst machen müssen, dass Extremismus eine große Herausforderung für unsere Gesellschaft ist. Extremistische Anschläge dürfen uns nicht nur während der „tagesschau“ beschäftigen, den Hass, der hinter solchen Anschlägen steckt, müssen wir früher erkennen und ihm im Alltag entgegentreten.
Ich will an der Stelle sagen, was Hass und Hetze eigentlich sind, und das sehr an die AfD gerichtet. Ich will nicht die vielen unzähligen Beispiele für Hass und Hetze aufzeigen, die Sie uns in der Gesellschaft und den Menschen schon entgegengebracht haben.
Ich nenne ein aktuelles Beispiel von vor zwei Tagen. Nachdem in Mönchengladbach Janann Safi zum Fraktionsvorsitzenden der SPD gewählt worden ist, postet die AfD ernsthaft: „Der letzte Deutsche wird
von einem Moslem beerdigt.“ Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist Hass und Hetze. So fördern Sie Terror und Gewalt und machen sich zum Stichwortgeber für Rechtsradikale und für Islamisten.
Deswegen, liebe Kolleginnen und Kollegen von den demokratischen Fraktionen, wenn ich das so sagen darf: Bleiben wir gemeinsam stark gegen jede Gefahr, egal von welcher Seite sie kommt. – Herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Präsidentin! Die SPD hat recht; damit das klar ist.
Ich will es noch einmal aufgreifen: Die Coronafälle in Euskirchen, Sankt Augustin und Köln-Bayenthal zeigen ganz deutlich, welche Gefahren für die Bewohnerinnen und Bewohner, aber auch für die Betreuerinnen und Betreuer in den Flüchtlingsunterkünften bestehen.
Die Coronapandemie hat auch sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, dass wir mit unserer damaligen Kritik an den Massenunterkünften, an dem Asylstufenplan, den Frau Wermer gerade wieder hervorgehoben hat, eindeutig recht hatten. Die Massenunterkünfte sind nicht das Richtige, um die Geflüchteten unterzubringen.
Ich kann mich daran erinnern, Frau Wermer, dass in der Ausschusssitzung in der vergangenen Woche Minister Stamp den Versuch gemacht hat, den Eindruck zu erwecken, alles unter Kontrolle zu haben. Deutlich wurde aber, dass die Landesregierung kein überzeugendes Konzept vorlegen kann. Es gipfelte letztlich in der Aussage – das muss man sich einmal vor Augen führen –, dass ohne Maßnahmen der Landesregierung alles noch viel schlimmer wäre.
Jetzt frage ich Sie: Was ist das Ergebnis dieser Maßnahmen? Wir haben viele Hunderte Infizierte: Euskirchen, Bayenthal, Mettmann, Sankt Augustin: über 160 Infizierte. In der Jugendherberge, die gerade erwähnt wurde und in die Sie die Bewohner gebracht haben, gibt es aktuell auch Infizierte; dort wurden jetzt Ausbrüche bekannt.
Bei einem Ausbruch in der Massenunterkunft Mitte April in Ellwangen in Baden-Württemberg ist die Zahl der Infizierten innerhalb von einer Woche von 7 auf 259 hochgeschossen. Da hätte die Landesregierung eigentlich gewarnt sein müssen. Sie hätte das schon damals zum Anlass nehmen müssen, Maßnahmen einzuführen, um die Geflüchteten – die Bewohnerinnen und Bewohner –, die Betreuerinnen und Betreuer und darauf folgend natürlich auch unsere anderen Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Denn darum geht es doch bei einer Pandemie: Es geht darum, eine Kettenreaktion zu verhindern.
All das ist nicht passiert, und wir haben – die Beispiele, wo wir überall Infizierte haben, wurden gerade genannt – mittlerweile ein Coronachaos in unseren Landesunterkünften. Dagegen wird aber nicht vorgegangen.
Was folgt daraus? – Klar ist, dass die Landesregierung in der Verantwortung steht, und – das sehe ich
ganz anders als Sie, Frau Aymaz – jetzt nicht die Zeit ist, die Verantwortung auf die Kommunen abzuschieben. Die Situation, wie wir sie jetzt haben, hat die Landesregierung verbockt.
Die Kommunen in Nordrhein-Westfalen – das haben wir gesehen – haben in den vergangenen Jahren viel gute Arbeit für die Aufnahme, Unterbringung und für die Integration von Geflüchteten geleistet.
Sie würden das jetzt auch wieder tun, wenn sie die Ressourcen hätten.
Dann ist das aber nicht nur das Thema FlüAG, sondern dann ist das auch etwas, weil die Kommunen jetzt gerade … Wenn man die Kommunen kennt – das ist bei den Grünen ja nicht häufig der Fall – und weiß, wie sie gerade arbeiten, wie sie …
Das ist Ihre Meinung. Das ist in Ordnung; das akzeptiere ich auch so.
Aber Sie wissen es nicht. Denn wenn Sie wüssten, dass die Kommunen gerade in dieser Coronazeit ganz andere Dinge zu tun haben, und wenn man weiß, dass in den Kommunen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Beispiel im Homeoffice sind und welchen Belastungen sie dort ausgesetzt sind, dann würden Sie jetzt nicht fordern, dass die Kommunen wieder unverzüglich die Geflüchteten aufzunehmen haben.
Gleichwohl, Frau Aymaz, sind die Herausforderungen in vielen Städten so immens, dass das Land sich zunächst um eine dezentrale Unterbringung kümmern muss, und vulnerable Personen müssen natürlich frühzeitig geschützt werden; das ist keine Frage.
Wir können bis auf den ersten Punkt allen Punkten Ihres Antrags folgen. Ich würde Sie aber herzlich darum bitten, sich zu überlegen, ob wir den Kommunen jetzt sofort schon wieder diese Belastungen übertragen können bzw. ihnen diese Verantwortung geben müssen. Ich glaube, die Kommunen sind noch nicht so weit.
Ich würde Sie deswegen auch bitten, unserem Änderungsantrag zu folgen, der die Situation der Kommunen berücksichtigt. Das ist gerade jetzt wichtig, damit wir das Verständnis bei den Menschen in den
Kommunen, aber auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Verwaltungen an dieser Stelle nicht überstrapazieren. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Kollegen von der AfD, Frau WalgerDemolsky, ich habe gerade nicht verstanden, was dieser Antrag und die Kinder, die wir aus den Flüchtlingslagern herausholen müssen, mit verschobenen Operationen, mit den Kirchenöffnungen oder auch mit Senioreneinrichtungen zu tun haben sollen.
Ich will Ihnen ganz ehrlich sagen: Die, die Sie angesprochen haben, sind diejenigen, die sich kümmern. Denen ist völlig egal, woher jemand kommt. Denen
ist völlig egal, ob das ein Flüchtlingskind oder ein Mensch ohne Migrationshintergrund ist. Sie kümmern sich. Ich glaube, sie würden sich dagegen verwahren, wenn sie heute hier gehört hätten, wie Sie sie als Zeugen für Ihren Antrag nehmen wollen.
Denen ist es genauso wie dem größten Teil dieses Parlaments – Sie ausgenommen – völlig egal, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist. Es ist ein Kind, das Hilfe braucht.
Kolleginnen und Kollegen, wir hatten hier im März noch vor Corona eine Debatte zur Situation der Flüchtlingskinder in Griechenland. An dem Leid der Kinder auf den griechischen Inseln hat sich bis heute nichts geändert. Die Sorgen sind sogar größer geworden.
Dass wir uns jetzt in der Zeit der Coronapandemie, in der wir sehr viele wichtige Themen zu diskutieren haben, hier über einen solchen Antrag austauschen müssen, ist für mich fast unverständlich.
Kolleginnen und Kollegen, die Coronakrise entbindet uns nicht von unserer humanitären Verantwortung. Ich nenne beispielhaft das Lager Moria, das sicher jeder aus den Medien kennt. Dort leben 20.000 Menschen in einem Camp, das für 3.000 Personen ausgelegt ist. Circa 40 % davon sind Kinder. Es gibt dort fast keine ärztliche Versorgung und kaum Wasser, um überhaupt ein kleines bisschen Hygiene für sich in Anspruch nehmen zu können. Das ist dort alles nicht vorhanden.
Deswegen ist das auch völlig richtig. Herr Minister Stamp, wir sind uns ja nicht in allen Fragen einig. Aber in dieser Frage steht die SPD dahinter, dass Sie sich darum kümmern wollen, dass wir unserer Verantwortung als größtes Bundesland hier auch gerecht werden. Dabei haben Sie unsere volle Unterstützung.
Den Städten und Gemeinden aus Nordrhein-Westfalen, die Kinder aufnehmen wollen, müssen wir aber helfen. Das Stichwort ist „Seebrücke“. Herr Minister Stamp, wir müssen auch als Land Nordrhein-Westfalen noch einmal deutlich signalisieren, dass wir sie dabei unterstützen wollen. Herr Hoppe-Biermeyer hat es gerade angesprochen. Wenn jetzt die ersten 47 Kinder verteilt werden, bin ich sicher, dass die Kommunen, die zugesagt haben, Flüchtlingskinder aufnehmen zu wollen, das auch sofort machen, obwohl auch bei ihnen die Situation im Moment sehr angespannt ist und sehr anstrengend ist. Sie werden sich ihrer Verantwortung nicht entziehen, so wie das die AfD tut.
Eines will ich Ihnen auch noch einmal sagen, Kollegen von der AfD: Wir sind den NGOs, aber auch den Kommunen sehr dankbar dafür, dass sie in dieser Situation so deutlich Stellung beziehen und immer wieder aufzeigen, wie die Situation dieser Kinder gerade in Griechenland ist.
Ich kann überhaupt nicht verstehen, wie Sie einen solchen Antrag stellen können,
der so etwas von kalt ist. Gerade, als Sie hier gesprochen haben, Frau Walger-Demolsky, ist das noch einmal sehr deutlich geworden. Der Raum ist kälter geworden. Ich verstehe überhaupt nicht, wie man so herzlos sein kann, wenn man weiß, dass in Griechenland Kinder verrecken. Das interessiert Sie überhaupt nicht.
Wir reden im Moment über 47 Kinder. Das ist für Deutschland nun wirklich keine große Zahl – für Nordrhein-Westfalen sowieso nicht.
In Ihrem Antrag reden Sie davon, was wir dort betreiben, was auch die Landesregierung hier in Nordrhein-Westfalen betreibt, sei Symbolpolitik und eine Beruhigung des eigenen Gewissens.
Ich will Ihnen ganz deutlich sagen: Die SPD, aber auch die anderen Parteien sind Parteien der internationalen Solidarität. Wann, wenn nicht jetzt, ist diese Solidarität angezeigt
und auch sehr deutlich zu machen?
Wenn Sie das nicht können, dann liegt es sicher daran, dass Sie eine Ein-Themen-Partei sind.
Ihnen bricht im Moment Ihr Thema weg. Sie merken ganz deutlich, dass Sie in der politischen Debatte keine Rolle spielen.
Darum geht es Ihnen. Sie versuchen, ein Thema zu setzen, das kein Thema ist. Das wird Ihnen nicht gelingen.
Ich kann Ihnen sagen, Kolleginnen und Kollegen: Was wir in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik, aber auch in Europa brauchen, ist gerade jetzt in dieser sehr schwierigen Zeit Solidarität untereinander. Was wir nicht brauchen, sind Anträge wie dieser Antrag von Ihnen. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Projekte zur Rückkehrberatung und freiwilligen Rückkehr wurden von der damaligen SPD-geführten Landesregierung eingeführt und unterstützt. Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass es der beste Weg ist, Menschen zu beraten und ihnen, wenn sie keinen Grund haben, bei uns zu bleiben, einen Start in ihrer Heimat zu ermöglichen.
Die AfD positioniert sich in ihrem Antrag so, dass sie diese Beratung abschaffen oder, besser gesagt, zentralisieren will. Sie will sie von den Wohlfahrtsverbänden wegholen. Ich halte es für falsch, die soziale Beratung derjenigen, die geflüchtet sind und viel
leicht zurückkehren wollen, von den Wohlfahrtsverbänden als neutralen nichtstaatlichen Akteuren wegzuholen.
Ja, genau. Die AWO und auch andere Wohlfahrtsverbände sind an dieser Stelle genau die richtigen Ansprechpartner hinsichtlich der Beratung von Geflüchteten.
Kern des Problems ist doch, dass die Landesregierung den Kommunen versprochen hat, ihnen nur noch anerkannte Asylbewerber zuzuweisen. Dieses Versprechen ist bis heute noch nicht eingelöst worden. Dadurch entsteht für viele Kommunen das Problem der Abschiebung.
Dass in den letzten Jahren verstärkt darüber geredet wird, wie toll wir in Nordrhein-Westfalen, aber auch in anderen Bundesländern abschieben, fällt doch auf. Herr Hoppe-Biermeyer hat das gerade auch noch einmal getan. Meines Erachtens kann man nicht mit Stolz vor sich hertragen, wie viele Menschen man schon abgeschoben hat.
Ich will Sie darauf hinweisen, dass wir 2016 – nur um die Zahlen noch einmal anzuführen – in NordrheinWestfalen 8.400 freiwillig Zurückgekehrte hatten. Wir haben aus Nordrhein-Westfalen 2.600 Menschen abgeschoben. Haben Sie jemals gehört, dass hier jemand gesagt hat, wir seien stolz darauf, dass wir diese Menschen abgeschoben haben? – Niemals.
Bei jeder Abschiebung müssen wir auch immer daran denken, mit den Menschen, die abgeschoben werden, die ausreisen müssen, auch menschlich umzugehen. Wir sollten auch die Würde des Einzelnen, der abgeschoben wird, betrachten und uns nicht darüber freuen, dass wir schon soundsoviele Tausend Menschen abgeschoben haben.
2016 übrigens – um das an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich zu sagen – war Nordrhein-Westfalen Vorreiter vor allen anderen Bundesländern, was die freiwillige Rückkehr, aber auch die Abschiebungen betraf. Auch das ist kein Grund, sich zu freuen, sondern das zeigt einfach nur, dass wir unsere Arbeit gemacht haben.
Ich glaube auch nicht, dass es der eigentliche Kern der Arbeit der Landesregierung ist, sich darüber zu freuen, dass man Menschen abgeschoben hat. Bei Straftätern bin ich voll an Ihrer Seite, Herr Minister – da ist das auch richtig –, aber jede Abschiebung bedeutet auch einen tiefen menschlichen Einschnitt.
Noch eine grundsätzliche Bemerkung zu dem AfDAntrag. Frau Walger-Demolsky hat gerade das Stichwort „Abschiebeinitiative 2020“ genannt. Jetzt, wo wir feststellen, dass immer weniger Menschen zu uns kommen und bei uns Schutz suchen, bricht der AfD
das Thema „Flucht, Zuwanderung und Integration“ weg.
Die Zahlen der Geflüchteten, die hier bei uns Arbeit aufnehmen, gestalten sich immer positiver. Laut der letzten Statistik sind über 400.000 Menschen, die geflüchtet waren, in Arbeit gekommen.
Die AfD versucht nun, dieses Thema noch einmal anders zu besetzen. Das merkt man auch daran, dass Sie Stichworte wie „Messereinwanderung“ und jetzt das nächste Stichwort „Abschiebeinitiative 2020“ benutzen. Sie versuchen, Menschen zu stigmatisieren, somit die Gesellschaft zu spalten und auch zu radikalisieren.
Das ist das Gefährliche an dem, was Sie tun.
Ich bin sehr froh darüber, dass ich überall dort in der Gesellschaft, wo ich bin, feststelle, dass diese Versuche, die Gesellschaft zu radikalisieren und zu spalten, immer mehr ins Leere laufen.
Ihre Positionen werden von der Mehrheit der Gesellschaft immer weniger akzeptiert. Die Gesellschaft wehrt sich immer mehr gegen die AfD und ihre Positionen, und das ist ein gutes Signal. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Im August hat die Landesregierung die Teilhabe- und Integrationsstrategie 2030 vorgestellt. All diejenigen, die zwei Jahre auf das Papier des Ministers gewartet haben, wurden mit allgemeinen Grundsätzen abgespeist. Es gibt ein paar Ziele, um die sich Minister Stamp kümmern will. Einige davon will ich kurz nennen:
Die Landesregierung will die interkulturelle Öffnung der Verwaltung fördern. Das sagt der Minister, der die anonymisierte Bewerbung abgeschafft und noch immer kein neues Konzept dafür vorgelegt hat.
Die Landesregierung will mehr Einbürgerungen und investiert 2020 70.000 Euro in eine Kampagne. Wer sich mit Kampagnen auskennt, der weiß, dass das für Nordrhein-Westfalen deutlich zu wenig ist. Das führt dazu, dass diese Kampagne mehr Knäppchen ist, dass sie nicht präsent ist.
Die Landesregierung will sich um die Belange von älteren Menschen mit Migrationsgeschichte kümmern. Das nennt der Minister als Ziel in seiner Integrationsstrategie 2030. Es war eine Initiative der SPDLandtagsfraktion. Das haben wir – Sie werden sich erinnern – im September gemeinsam verabschiedet. Wir freuen uns, dass die Landesregierung diesem wichtigen Thema Bedeutung zumisst, denn es ist ein sehr wichtiges Thema.
Die Landesregierung will darüber hinaus für die Integration von Neuzugewanderten das Case-Management einführen. Das hört sich gut an, ist aber die Fortsetzung des Projekts „Einwanderung gestalten“, das durch die damalige rot-grüne Landesregierung auf den Weg gebracht wurde.
Diese Beispiele zeigen sehr deutlich, dass der Minister, der noch im Sommer kritisierte, dass die rotgrüne Landesregierung in der Integrationspolitik nichts getan habe, keine eigenen, keine neuen Ideen hat, sondern gute Ansätze aufgreift und fortführt oder auch umbenennt. Das ist völlig in Ordnung. Damit habe ich kein Problem. Gute Sachen sollte man fortführen. Man muss das Rad nicht neu erfinden.
Zweieinhalb Jahre nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags ist aber klar, dass das Ziel, die Schulpflicht auf 25 Jahre auszuweiten und Geflüchteten die Chance zu geben, einen Bildungsabschluss zu machen, erledigt ist. Minister Stamp war ein großer Verfechter dieser Idee. Die wurde aufgegeben. Ob es an der mangelnden Stärke des Integrationsministers liegt oder ob sich die Landesregierung jetzt an die Initiative „Gemeinsam klappt‘s“ klammert, sei dahingestellt.
Kolleginnen und Kollegen, diese enttäuschende Halbzeitbilanz wird noch verschlimmert, wenn wir einen Blick darauf werfen, was die Landesregierung tut. Die Kommunen bleiben weiterhin auf den Kosten für die Geduldeten sitzen. Lediglich für drei Monate werden die Kosten übernommen. Das ist aus unserer Sicht – aber nicht nur aus unserer Sicht, wir sind mit dieser Meinung nicht alleine – deutlich zu wenig. Ich zitiere aus einer Pressemitteilung des Städte- und Gemeindebundes von heute:
„Das Land Nordrhein-Westfalen muss den Städten und Gemeinden die Kosten der Versorgung von Geflüchteten endlich in vollem Umfang erstatten. … kritisierte … Hauptgeschäftsführer Dr. Bernd Jürgen Schneider heute in Anwesenheit von Minister Dr. Joachim Stamp … Zahlreiche Bürgermeisterinnen und Bürgermeister brachten gegenüber dem Minister ihren Unmut zum Ausdruck. … Das Land finanziert nur die ersten drei Monate, danach lässt es die Kommunen im Regen stehen …“
Dazu muss man sicherlich nichts mehr sagen. Das haben wir schon sehr häufig im Ausschuss, aber auch hier angesprochen.
Die Kommunen, die besonders von den Herausforderungen aufgrund der Zuwanderung aus Südosteuropa betroffen sind, warten ebenfalls auf mehr Unterstützung durch das Land. Die Kommunen in unserem Land fordern, dass die Integrationspauschale, die der Bund zur Verfügung gestellt hat, an die Städte und Gemeinden, die im Kern die Integrationsarbeit leisten, weitergegeben wird.
Verantwortlich dafür ist ein Minister, der mit der KiBiz-Reform – wir haben es gerade gehört – überfordert ist und die Integrationspolitik vernachlässigt. Eigene Ideen sind nicht da. Statt diese zu entwickeln, werden die Kommunen alleingelassen.
Ich erinnere daran: Letztens im Integrationsausschuss wurde von der CDU-Fraktion und der FDPFraktion sehr deutlich hervorgehoben, dass sie starke Partner der Kommunen seien.
Ich glaube, die Zitate von vorhin machen sehr deutlich, dass es nicht so ist. Ich will auch noch einmal aus dieser Pressemitteilung des Städte- und Gemeindebundes zitieren:
Bisher haben wir es in NRW nur mit folgenlosen Gutachten und einem Dreistufenplan zu tun, der nicht zündet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, unsere Änderungsanträge für den Haushalt zur Weiterleitung der Integrationspauschale und zur Kostenerstattung für die Geduldeten liegen vor. Wenn Sie mit Ihren Ratsmitgliedern und Bürgermeistern sprechen, wissen Sie hoffentlich, dass die Kommunen die finanzielle Unterstützung dringend benötigen. Lassen Sie die Kommunen nicht länger im Stich, sondern werden Sie zu wirklichen Partnern.
Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass wir einen weiteren Haushaltsantrag gestellt haben. Wir wollen, dass die Antidiskriminierungsarbeit in Nordrhein-Westfalen gestärkt und ausgebaut wird. Wir sind davon überzeugt, dass es strukturelle Veränderungen mit einer landesweiten Koordinierungsstelle gegen Rassismus und Diskriminierung braucht.
Den guten Absichten der Landesregierung müssen jetzt konkrete Maßnahmen folgen. Der Beitrag der Koalition gegen Diskriminierung ist zwar ein erster Schritt. Er ist aber nur symbolisch. Da muss mehr passieren.
Zum Schluss noch ein Satz zu den Anträgen der AfDFraktion: Ihre Anträge zeugen durchweg von der Absicht, die gelebte Vielfalt in unserem Land zu zerstören. Sie wollen Feindbilder aufbauen und den Migrantinnen und Migranten ihre Chancen nehmen, die sie brauchen. Wir als SPD-Landtagsfraktion haben dazu eine sehr klare Haltung: Das lassen wir nicht zu. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Herr Seifen sprach gerade von der Pflicht des Parlaments. Die einzige Pflicht, die meiner Meinung nach uns als Parlament obliegt, ist die, rechte Demagogen dort hineinzustecken, wo sie hingehören, nämlich in die Mottenkiste, um das ganz deutlich zu sagen.
Dieser Antrag der AfD – auch das will ich ganz deutlich sagen – ist bösartig. Sie bauen hier Feindbilder auf, wahrscheinlich weil Sie keine mehr haben. Seitdem die Flüchtlingsentwicklung so ist, wie sie ist, nämlich rückläufig, versuchen Sie, neue Feindbilder aufzubauen.
Sie sprechen in Ihrem Antrag von einer Islamisierung der Gesellschaft. Sie sprechen von einer „fundamentalistischen muslimischen Community“, die „durch Selbstausgrenzung eine gezielte Provokation gegenüber staatlicher Hoheit ausübt“. Was für ein Quatsch! Was für ein Quatsch! Denn wenn man sich die Zahlen anschaut, dann merkt man, dass es gar keine Zahlen gibt.
Herr Seifen sprach gerade davon, in den Schulen gebe es eine gestiegene Anzahl von kopftuchtragenden Mädchen.
Es gab mehrere Anfragen aus dem Parlament von Kolleginnen und Kollegen der Grünenfraktion, aber auch von uns, von Frau Altenkamp, genau zu dieser Thematik. Aber es existieren überhaupt keine belastbaren Zahlen, wie viele kopftuchtragende Mädchen es gibt. Wir haben keine Zahlen dazu, ob es Probleme an Schulen gibt, an denen Mädchen Kopftuch tragen. Das alles gibt es überhaupt nicht. Deswegen ist es an der Stelle wieder einmal so, Herr Seifen: Sie behaupten etwas, obwohl Sie es nicht belegen können.
Herr Seifen, Sie sagten, wir als Parlament seien dafür verantwortlich, wie die Gesellschaft diskutiere. Ihre Wortwahl spaltet aber diese Gesellschaft. Insofern bitte ich Sie um Mäßigung. Ich glaube allerdings, dass das nicht funktionieren wird.
Das Thema „Kopftuch“ zieht sich wie Kaugummi durch die Jahre. Ich glaube, hier sind einige Kolleginnen und Kollegen unter uns, die schon etwas länger im Parlament sitzen als ich; ich tue dies seit 2010. Schon vor meiner Zeit war dies ein Thema; der eine oder andere wird sich daran erinnern.
Ein Verbot des Kopftuchtragens allein für minderjährige muslimische Mädchen wäre sowieso verfassungswidrig.
Da frage ich mich: Wie kommt es eigentlich zu diesem Antrag?
Die AfD nutzt eine Vorlage der Integrationsstaatssekretärin aus, die diese Scheindebatte letztes Jahr für ein bisschen Aufmerksamkeit in den Medien angezettelt hat. Der Integrationsminister musste das dann einfangen, Sie werden sich erinnern, und hat von einem Prüfauftrag gesprochen, den man vergeben wollte. Das war sozusagen gesichtswahrend. Dieser Plan ist aber leider krachend gescheitert; denn jetzt haben wir diese Debatte hier im Landtag.
Viel wichtiger, als über ein Verbot oder eine „Kopftuchpolizei“ zu sprechen, wäre doch, wenn wir mehr
Lehrerinnen und Lehrer hätten, die sensibel sind, reagieren und sehen, wo ein Mädchen vielleicht unter Druck steht und möglicherweise etwas tut, was es gar nicht tun will, wo zum Beispiel Schulsozialarbeiterinnen Einfluss nehmen können. Darauf kommt es eigentlich an.
Wir müssen die Lehrerinnen und Lehrer sensibilisieren, und dafür brauchen wir genügend Lehrerinnen und Lehrer.
Kollegen von der AfD, mir hat eine kopftuchtragende Frau in einer Debatte darüber mal gesagt: Wir verdecken mit dem Kopftuch unser Haupt und nicht unsere Intelligenz. – Manchmal habe ich den Eindruck, Sie hätten ein Bettlaken über dem Kopf. – Danke.
Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Ich habe gerade überlegt, wo die Demagogen eigentlich sitzen.
Ich glaube, sie sitzen genau gegenüber.
Herr Seifen, ich will es ganz deutlich sagen; auch eben habe ich das gesagt.
Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Ich habe Sie gerade gefragt: Wie sind die Zahlen eigentlich? Sie haben gar keine Zahlen!
Sie schmeißen etwas in den Raum und erhoffen sich dadurch Geländegewinne. Sie behaupten einfach mal, es gäbe eine gestiegene Zahl kopftuchtragender Mädchen.
Sie behaupten einfach, diese Mädchen trügen das Kopftuch, weil sie dazu gezwungen würden. Das behaupten Sie einfach. Sie wissen es nicht; Sie können es nicht belegen.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen an den Schulen – und ich spreche mit Lehrerinnen und Lehrern und mit der GEW – mit kopftuchtragenden Mädchen keinerlei Probleme. Das, was Sie tun, was Sie versuchen, ist, diese Gesellschaft zu spalten. Darum geht es Ihnen. Das ist eigentlich der Kern Ihres Antrags.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Was brauchen älter werdende Menschen? Sie brauchen Zugang zur Pflege und Zugang zur Altenhilfe, aber insbesondere auch Gemeinschaft.
In unserem Land leben viele älter werdende Menschen. Obwohl Migrantinnen und Migranten von der Altersstruktur her insgesamt – das sieht man an der demografischen Entwicklung – deutlich jünger sind, steigt auch bei ihnen der Anteil der älteren Bevölkerungsgruppe. Insbesondere die sogenannte Gastarbeitergeneration kommt in das Alter, in dem die Alten- und Gesundheitspflege von einer sehr wichtigen, sehr großen Bedeutung sein wird.
Zwei Merkmale sind für viele Menschen dieser Bevölkerungsgruppe charakteristisch.
Viele von ihnen haben lange gedacht, dass sie nach einigen Jahren Arbeit wieder nach Griechenland, nach Spanien, nach Italien oder in die Türkei zurückkehren würden. Doch mittlerweile können sie sich keine Rückkehr mehr vorstellen, weil ihre Kinder und Enkelkinder hier leben. Daran sieht man, dass ein Leben sich nicht planen lässt.
Gleichzeitig hat sich bei diesen Migrantinnen und Migranten aber auch die Familienstruktur verändert. Die Kinder sind berufstätig oder leben nicht mehr in derselben Stadt. Die Pflege, die Teilhabe an Gesellschaft muss also neu organisiert werden, muss neu gedacht werden.
Kolleginnen und Kollegen, diejenigen, die aufgrund ihrer persönlichen Lebensumstände im Alter oder im Krankheitsfall Unterstützung brauchen, müssen diese auch bekommen. Alle älteren Menschen brauchen solche Angebote, die für sie passend sind.
Wir machen da auch keinen Unterschied. Wir glauben nur, dass es richtig ist, Ungleiches auch ungleich zu behandeln. Deswegen brauchen wir in unserem Land eine noch stärkere kultursensible Alten- und Gesundheitspflege.
Viele Migrantinnen und Migranten haben zwei Drittel ihrer Lebenszeit in Nordrhein-Westfalen verbracht und hier gearbeitet. Sie hatten den Mut, als gerade erst 20-Jährige ihre Heimat zu verlassen und nach Deutschland zu kommen. Sie waren damals von uns eingeladen. Sie haben Familien gegründet, sind zu einem Teil unserer Gesellschaft geworden und haben mit dazu beigetragen, dass NRW heute so stark ist. Ihnen im Alter mit Respekt zu begegnen, ist, glaube ich, Ausdruck unserer Wertschätzung für ihre Lebensleistung.
Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen daher niedrigschwellige und aufsuchende Angebote, die die Menschen auch dort abholen, wo sie leben. Ältere Menschen müssen verstehen können, welche Angebote es gibt. Es gibt ja auch Angebote. Diese müssen wir verstärken. Aber sie müssen sie auch verstehen
können und müssen wissen, an wen sie sich wenden können.
Darüber hinaus – Frau Gebauer hat das gerade angesprochen – müssen wir auch die interkulturelle Kompetenz in der Pflege weiter vorantreiben. Da gibt es massive Veränderungen. Ich glaube, wir alle erleben diese auch. Deswegen ist es wichtig, dass wir die interkulturelle Kompetenz stärken.
Besonders liegen mir Angebote am Herzen, die der Vereinsamung entgegenwirken. Wir haben viele ältere Migrantinnen und Migranten, die mittlerweile alleine sind. Die Kinder sind weg; die Enkel sind nicht da; der Mann oder die Frau ist verstorben. Deswegen sind diese Angebote sehr wichtig, damit die Menschen nicht in die Situation kommen, dass sie nur noch alleine zu Hause sind.
Ich will an dieser Stelle eines nicht verhehlen. Wir haben den Ursprungsantrag schon im Dezember 2018 eingereicht. Dass es so lange gedauert hat, diesen Entschließungsantrag auf den Weg zu bringen, war für mich ein bisschen verwirrend. Denn ich glaube, dass wir alle miteinander dieses Problem erkannt haben. Einige Gründe dafür, dass es so war, kann ich allerdings verstehen.
Jedenfalls will ich den anderen Fraktionen – auch den Grünen, die ja einen eigenen Entschließungsantrag auf den Weg gebracht haben – ganz herzlich für den sehr konstruktiven Austausch über dieses Thema danken, das Menschen betrifft, die zu Nordrhein-Westfalen gehören. Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass wir diesen Menschen auch die Unterstützung geben müssen, die sie im Alter brauchen.
Ich denke, die Grünen werden es uns verzeihen, dass wir uns zu ihrem Antrag heute enthalten werden. Ich würde mich freuen, wenn auch die Grünen unserem Entschließungsantrag zustimmen würden. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Der Islam gehört zu Nordrhein-Westfalen, und die mehr als 1 Million Menschen muslimischen Glaubens bei uns im Land, die ihre Heimat hier haben, gehören auch zu uns.
Dieses Land ist auch ihr Land und somit auch ihre Heimat. Sie haben Nordrhein-Westfalen mit geprägt, sie tun es Tag für Tag. Sie sind ein Teil unserer Gesellschaft. Das sei vorweggeschickt, um zu verdeutlichen, warum es so wichtig ist, dass wir mit diesen Menschen in einen engen Kontakt kommen.
Frau Wermer hat vorhin gesagt, dass die Landesregierung das Dialogforum Islam aufgekündigt hat. Ja, das war in der öffentlichen Diskussion. Ich finde es auch richtig, dass Sie das aufgekündigt haben. Wir hatten das wegen der Spionagevorwürfe gegen DITIB ausgesetzt.
Sie werden sich daran erinnern, dass wir gesagt haben: Solange nicht geklärt ist, wie wir mit DITIB umgehen, wie DITIB mit uns umgeht und wie DITIB sich aufstellt, können wir nicht mehr mit euch reden. –
Deswegen wurde das Dialogforum Islam von der alten Landesregierung ausgesetzt. Das war ein wichtiger Schritt, um deutlich zu machen, wo wir als Landesregierung stehen.
Bei der Koordinierungsstelle und dem Expertenrat, den Sie jetzt einrichten wollen, haben wir das Problem, dass Sie DITIB wieder mit einbinden. Ich finde, Sie machen hier wieder das Tor für einen Verband auf, der sich immer noch nicht klar positioniert hat, und der immer noch nicht klar zu unserer Gesellschaft und zu unserer Werteordnung steht. Deswegen bin ich sehr gespannt, wie Sie das anstellen wollen.
Wir als SPD-Fraktion begrüßen es, dass Sie einen größeren Teil muslimischer Akteure einbinden wollen. In Nordrhein-Westfalen gibt es viele reformorientierte Gemeinden, aber auch viele andere Organisationen, die für das muslimische Leben stehen. Deswegen ist es gut, dass Sie versuchen, sie alle einzubinden.
Ich habe an der einen oder anderen Stelle schon mal gesagt, dass ich es für wichtig halte, diese kleineren Gemeinden einzubinden und zu berücksichtigen. Damit würde deutlich, dass es eben nicht nur DITIB gibt, nicht nur VIKZ und wie sie alle heißen, die für sich immer in Anspruch nehmen, für die Muslime in NRW zu sprechen. Das stimmt einfach nicht. Das muslimische Leben in NRW ist weitaus vielfältiger, als es dargestellt wird. Deswegen ist es auch gut, dass Sie das so angehen. Dafür an dieser Stelle ein Lob von uns.
Gleichwohl haben wir grundsätzlich immer noch einige Probleme mit diesem Antrag. Es sind ein paar Fragen offengeblieben, und ich will Ihnen sagen, was uns nicht überzeugt.
Sie sehen eine Intensivierung des religiösen Dialogs vor. Dabei ist immer noch nicht klar geworden, welche Rolle religiöse Fragen in der Koordinierungsstelle spielen sollen und wie das Ministerium diese Rolle unter dem Gebot „Trennung von Kirche und Staat“ moderieren will. Für uns ist eines ganz wichtig: Religion und Staat müssen getrennt bleiben. Allerdings sehen wir noch nicht genau, wie Sie das umsetzen wollen.
Sie greifen in Ihrem Antrag den religiösen Extremismus auf. Ja, das ist ein Thema; denn es gibt einzelne Moscheegemeinden – davor darf man die Augen nicht verschließen –, in denen eine Radikalisierung stattfindet. Wenn Sie aber den Dialog mit den Muslimen in Nordrhein-Westfalen gestalten wollen, dann ist eine solche Stigmatisierung erst mal nicht hilfreich.
Wir denken – ich habe auch den Minister in der letzten Ausschusssitzung so verstanden; da sind wir einer Meinung –, dass der Kampf gegen den religiösen
Extremismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist, die nicht nur die religiösen Gemeinden vollziehen müssen.
Den Expertenrat sehen wir an einer Stelle auch etwas kritisch. Gerade in den letzten Wochen wurde noch einmal sehr deutlich: Es kann nicht sein, dass die Staatssekretärin ein Thema in die Welt setzt, zu dem das Ministerium keine Zahlen vorliegen hat. Der Minister ist dann bemüht, diese Debatte wieder einzufangen. Die Landesregierung befragt anschließend den Expertenrat dazu. Das ist ein merkwürdiges Politikverständnis. Wir sind der Meinung, dass genau dafür der Expertenrat eigentlich nicht da sein sollte.
Dieser Antrag ist jetzt nach zwei Jahren Ihrer Regierungszeit ein erstes Signal an die Muslime in Nordrhein-Westfalen. Allerdings ist die Gesellschaft im Allgemeinen, aber auch die Ausgestaltung und Umsetzung der Arbeit der Koordinierungsstelle noch etwas diffus.
Hinzu kommt, dass, wie wir jetzt erfahren haben, Professor El-Mafaalani, der – wie ich finde – Querdenker, derjenige, der das Konzept entwickelt hat, nach einem Jahr im Ministerium nun aufhört. Wir fragen uns: Wie geht es da jetzt eigentlich weiter? Das kam sehr überraschend.
Ich möchte noch kurz den Minister zitieren, der gesagt hatte, dass Professor ElMafaalani, der dieses Konzept entwickelt hat, diese Aufgabe hervorragend angehen werde. – Jetzt ist er von Bord gegangen. Da stellt sich die Frage: Wie geht es weiter?
Wir werden uns enthalten und hoffen, dass diese Koordinierungsstelle ihre Arbeit gut machen wird. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zwei, drei Sätze zu Herrn Franken sagen. Ich habe ihn jetzt so verstanden, dass wir so lange nichts tun, bis wir alles geklärt haben, und so lange lassen wir die Menschen im Mittelmeer ersaufen. Ich finde, Herr Franken, das ist eine Herangehensweise an dieses Problem, die dem absolut nicht gerecht wird.
Ich kann auch nicht nachvollziehen, Herr Franken, was der Asylstufenplan oder was „KOMM-AN NRW“ mit der Thematik zu tun hat, dass auch heute noch Menschen im Mittelmeer elendig ersaufen müssen, dass sie ertrinken und wir machen nichts. Das hat überhaupt nichts miteinander zu tun. Deswegen habe ich Ihre Ausführungen eben nicht verstehen können.
Sie wissen genauso gut wie wir alle, dass auf der Welt 68 Millionen Menschen auf der Flucht sind. Neun von zehn Flüchtlingen befinden sich in Entwicklungsländern, in der Türkei, in Uganda, in Pakistan und wo sie alle leben, aber nicht bei uns. Sie kommen auch gar nicht zu uns. Nur ein ganz geringer Teil davon versucht, nach Europa zu kommen, sucht Schutz in Europa.
Wenn man sich dann überlegt, dass von diesen wenigen Menschen, die versuchen, nach Europa zu
kommen, allein im letzten Jahr offiziell 2.300 Menschen ertrunken sind – ich möchte gar nicht wissen, wie hoch die Dunkelziffer ist –, wird das Problem sehr klar. Ich finde, für eine Gesellschaft wie die unsere gibt es eine humanitäre Verpflichtung, zu helfen.
Ja, wir können nicht alles Elend dieser Welt lösen. Das schaffen wir nicht. Aber ich glaube, wir können einen kleinen Beitrag dazu leisten, dass die gemeinsame Idee von Europa, nämlich die Idee der Aufklärung, die Idee des Humanismus, zum Tragen kommt. Wenn wir dann ein Zeichen setzen, würden wir viele Menschen ermutigen, ebenfalls zu helfen.
Die Appelle von allen möglichen zivilgesellschaftlichen Organisationen, von den Kirchen usw., die an uns appellieren, die auch an uns als Politiker appellieren, hier aktiv zu werden, sollten insbesondere auch bei der CDU angekommen sein. Ich vermisse das.