Protokoll der Sitzung vom 15.06.2018

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle zu unserer 30. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich neun Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Ich rufe auf:

1 Prävention und Repression – Für eine stim

mige Gesamtstrategie gegen Salafismus in Nordrhein-Westfalen

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/2750

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die CDUFraktion dem Kollegen Panske das Wort.

(Unruhe – Glocke)

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Salafismus nimmt zahlenmäßig immer mehr zu. Radikalisierung, Verblendung und Instrumentalisierung werden immer hasserfüllter und leider auch immer jünger. Gefährder werden in ihrer Form immer vielschichtiger und sind damit nur mit wachsendem Aufwand zu beobachten – technisch, personell, aber auch rechtlich. Terrorismus wird in seinen Waffen immer einfacher und damit auch immer erschreckender, unberechenbarer und kaltblütiger.

Ja, die Bedrohungslage in unserem Land hat sich in den letzten Jahren verändert, meine Damen und Herren. Wir müssen, wollen und werden auf diese Veränderungen die richtigen Antworten geben:

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

eine Antwort auf eine komplexe Situation; eine Antwort, die nicht einfach ist und nur in einer Gesamtstrategie erfolgen kann. Stückwerk schafft keine Sicherheit. Wirkung wird nur ein abgestimmtes Paket von Strategie und konkreten Handlungen zeigen.

Damit, genau diese Strategie und genau diese konkreten Handlungsstränge und Maßnahmen zu entwickeln, wollen wir unsere Landesregierung mit dem vorliegenden Antrag ebenso konkret beauftragen. Denn Zielsetzung muss doch sein: Unser Land NRW muss sicher bleiben – sicher auch mit der Vielfalt der

Religionen, sicher auch unter Wahrung aller Rechtsstaatsprinzipien und sicher auch unter Wahrung von echter und gut verstandener Toleranz.

Lassen Sie mich an dieser Stelle zwei Abgrenzungen vornehmen.

Erstens. Sicher machen unser Land nicht die Hasspredigten, die Verunglimpfung und die Hetze, mit denen so mancher dieses Land spalten will. Lassen Sie mich feststellen: Spalten hilft nicht.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Spalten trägt nicht zu mehr Sicherheit bei. Spalten sorgt lediglich für mehr Unsicherheit in diesem Land.

Zweitens. Der Islam ist doch nicht gleich Salafismus. Millionen friedlicher Muslime in unserem Land müssen genauso vor Salafismus, Radikalisierung und Terrorismus geschützt werden wie Christen, Juden, Andersgläubige und Nichtgläubige – oder auch Irrgläubige.

(Heiterkeit und Beifall von der CDU)

Vielmehr müssen wir doch dafür sorgen, dass Salafisten nicht weiter Anhänger in ihre Fänge und Abhängigkeit bekommen. Wir müssen und werden dafür sorgen, dass nicht schon Jugendliche und erst recht nicht Kinder Opfer werden können – Kinder, die schon im Kindergartenalter zu Hass erzogen werden, die schon im Grundschulalter zu Gewaltverherrlichung aufgestachelt werden und die dann im frühen Jugendlichenalter zu echten Gewalttätern werden können. Nein, das wollen und werden wir an dieser Stelle verhindern.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Kopp-Herr?

Ich möchte fortfahren. – Dazu brauchen auch die Schulen, sowohl die Schulleitungen als auch die Lehrerinnen und Lehrer, für ihre Präventionsarbeit eine landesweite Unterstützung und Beratungskompetenz.

Genau an dieser Stelle muss auch Jugendhilfe ansetzen, und zwar aufmerksam, sehr konsequent und im Notfall – das sage ich ganz deutlich – auch gegen den Willen verblendeter Eltern. Die Erziehung zu Hass und Gewalt ist für mich eine hochgradige Kindeswohlgefährdung mit gemeingefährlicher Langzeitwirkung.

Wir brauchen eine stärkere Vernetzung – zum einen innerhalb Nordrhein-Westfalens, zum anderen aber auch mit den anderen Ländern und mit dem Bund.

Wir müssen Radikalisierungsprävention als Daueraufgabe verstehen. Damit meine ich nicht nur die Anstrengungen der Innenbehörden wie der Polizei, der

15.06.2018

Justiz, der Jugendämter, der staatlichen Institutionen und Ebenen. Wir brauchen auch eine konsequente Haltung und die Bereitschaft in der gesamten Gesellschaft, dafür einzustehen.

Wir sind ein tolerantes Land, lassen andere Meinungen und Ansichten zu und respektieren Widerspruch und andere Denkweisen, Empfindungen und Anschauungen. Aber das Ganze hat Grenzen. Radikalisierung, Hass, Gewalt, das Nichtbeachten oder gar Verachten unserer Werte sind die Grenzen. Das sind die roten Linien in unserem Land, die niemand überschreiten darf.

Das fängt schon bei banalen Alltagssituationen an und geht bis zum Missbrauch von Kindern durch Salafisten als künftigen Gotteskriegern weiter. Ja, es beginnt für mich bereits mit den verstörenden Bildern eines Märtyrerspiels kindlicher Soldatendarsteller in einigen türkischen Gemeinden in unserem Land.

Da muss Politik, da muss aber auch Gesellschaft, jeder Einzelne von uns, Stopp sagen und auch im Alltag auf diese roten Linien hinweisen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Und es muss möglich sein, die Gefährderansprache taktisch und rechtlich noch konsequenter anzuwenden. Die Beobachtungen der gefährlichen Szene und von Einzelpersonen muss effektiver in der Handhabung wie auch in der Wirkung für diesen Kreis werden.

Meine Damen und Herren, wir, die NRW-Koalition, werben für mehr Sicherheit, für mehr Prävention und Repression sowie für eine bessere Verzahnung dieser beiden zentralen Elemente einer klugen, wehrhaften und rechtsstaatlichen Sicherheitspolitik. Wir werben für einen klaren Kurs gegen Radikalisierung, Salafismus und Terror.

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Dann macht doch einmal konkrete Vorschläge!)

Wir werben für Schutz gefährdeter Kinder und Jugendlicher sowie für Schutz und Hilfestellung für Frauen, die immer häufiger in die Radikalisierung gedrängt werden.

Wir als NRW-Koalition werben nicht nur dafür, sondern handeln auch: mit diesem Antrag und am Ende mit einer Gesamtstrategie und einem Handlungskonzept durch die Landesregierung.

Unser Land soll sicher bleiben. Dafür sind wir angetreten. Dafür haben die Menschen uns das Vertrauen ausgesprochen. Das setzen wir um. Helfen Sie dabei mit. Die Sicherheit in unserem Land geht uns alle an. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von den GRÜNEN und der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Panske. – Für die FDP hat nun der Kollege Lürbke das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Nordrhein-Westfalen leben mitten unter uns aktuell etwa 3.000 den Sicherheitsbehörden bekannte Salafisten – mehr als in jedem anderen Bundesland. Über 800 von ihnen gelten als gewaltbereit, mehr als 250 sind als Gefährder eingestuft. Schlimmer noch: Die Radikalisierung geschieht immer schneller, und die Attraktivität des extremistischen Salafismus – gerade für junge Menschen – ist weiterhin ungebrochen.

Dem müssen wir entschlossen entgegentreten. Die unmissverständliche Botschaft muss lauten: Für die menschenverachtende Ideologie des extremistischen Salafismus ist in Nordrhein-Westfalen kein Millimeter Platz.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die aktive Verführung gerade junger Menschen zu dieser kruden Gesinnung nehmen wir in NordrheinWestfalen nicht hin. Genau deshalb geht die NRWKoalition aus CDU und FDP mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entschieden gegen diese geistigen Brandstifter, gegen diese Extremisten, die unsere Verfassung und unsere Werte mit Füßen treten, vor.

Meine Damen und Herren, der Kampf gegen den Salafismus ist aber auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Er wird auch in den Schulen, in den Jugendzentren und in den Moscheen geführt. Deshalb brauchen wir ein umfassendes Angebot an Präventions- und Deradikalisierungsmaßnahmen. Wir brauchen gezielte Unterstützung für die Akteure vor Ort, für unsere Jugendämter, für unsere Schulen. Deshalb braucht es auch genau diese Gesamtstrategie aus vielen ineinandergreifenden Rädern und eben nicht viele völlig unabhängige Bausteine. Wir müssen im Idealfall ansetzen, bevor die Radikalisierung überhaupt greift.

Es ist doch klar, dass wir beides brauchen. Wir brauchen Repression, und wir brauchen Prävention; denn es gibt Wölfe, und es gibt Schafe. Um es klar zu sagen: Die Wölfe unter den extremistischen Salafisten kriegen wir nicht mit Kaffeekränzchen, sondern nur, wenn wir clever agieren und auch ein Stück weit unbequem sind. Das ist das Wort: unbequem. Ich möchte, dass Nordrhein-Westfalen für extremistische Salafisten auch unbequem ist.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Nordrhein-Westfalen darf keine Wohlfühlzone für radikale Islamisten sein, sondern muss ein Ort sein, an dem man ihnen tagtäglich konsequent auf den Füßen steht, und zwar mit der ganzen Palette behördlicher Maßnahmen. Deswegen ist der Antrag auch genau richtig.