Protokoll der Sitzung vom 01.03.2018

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer 21. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch den Gästen am Bildschirm und auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich insgesamt zwölf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Da es heute keine Geburtstage zu würdigen gibt, treten wir nunmehr in die Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Gescheitert auch in Brüssel – Belgien hält an

Atomkraft fest!

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/2028

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 26. Februar 2018 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion der SPD Herrn Römer das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! An den Beginn dieser Debatte gehört eine unmissverständliche Feststellung: Die belgischen Atomreaktoren in Tihange und Doel müssen abgeschaltet werden – besser heue als morgen.

(Beifall von der SPD)

Denn sie sind in einem derart schlechten Zustand, dass ihr Betrieb nicht länger zu verantworten ist.

Deshalb war es richtig, dass der Ministerpräsident die Atomkraftwerke zum Thema seiner Konsultationen mit der belgischen Regierung gemacht hat. Er wollte die Regierung in Brüssel dazu bewegen, diese Reaktoren schnell – sofort – stillzulegen. Doch noch am Tag seines Besuchs war klar: Der Ministerpräsident hat nichts und niemanden bewegt. Er ist mit seinem Versuch gescheitert. Die Kraftwerke werden noch mindestens vier bis fünf Jahre weiterlaufen. Auch der Wirtschaftsminister konnte daran nichts mehr ändern, wie wir seit gestern Abend wissen.

Dass diese Verhandlungen, meine Damen und Herren, einfach werden würden, war ebenso wenig zu

erwarten wie schnelle Erfolge. Die Position der belgischen Regierung war ja bekannt, und deshalb wären im Vorfeld leise und umsichtige Sondierungen notwendig gewesen, um Interessen abzuwägen, Kompromissmöglichkeiten auszuloten. Stille Diplomatie übrigens auch in enger Kooperation mit der Bundesregierung wäre die einzig seriöse und im Übrigen auch erfolgversprechende Strategie gewesen.

Stattdessen entschied sich der Ministerpräsident für eine Medienoffensive. Mit der Braunkohle im Gepäck werde er das Problem Tihange jetzt lösen, so lautete seine Botschaft. Als ihm dann zu Ohren gekommen war, dass die Belgier Braunkohlestrom gar nicht wollen, sagte er nur lapidar, dem Strom sehe man doch nicht an, aus welcher Quelle er komme. – Spätestens da, meine Damen und Herren, musste man in Brüssel glauben, für dumm verkauft zu werden.

(Beifall von der SPD)

Herr Ministerpräsident, haben Sie wirklich allen Ernstes geglaubt, Sie könnten diplomatische Verhandlungen über Presseinterviews führen? Haben Sie wirklich geglaubt, Sie könnten über deutsche Medien Einfluss auf die belgische Energiepolitik nehmen? Herr Laschet, das war wirklich amateurhaft, was Sie da geleistet haben.

(Beifall von der SPD)

Und peinlich war es, meine Damen und Herren, wie der Ministerpräsident im Dezember den Eindruck erwecken wollte, er würde mit der belgischen Regierung schon Gespräche führen. Das behaupteten Sie, Herr Laschet, am 16. Dezember im „Kölner Stadt-Anzeiger“. Aber das war schlicht die Unwahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Daran ändert auch die nachgeschobene Ausrede nichts, mit Belgien sei nur der belgische Botschafter gemeint. Sie haben in dem Interview, Herr Laschet, einen anderen Eindruck erweckt, und genau das wollten Sie auch.

Herr Laschet, das war nicht das erste Mal, dass Sie sehr lässig mit der Wahrheit umgegangen sind. Doch, Herr Ministerpräsident, mit solchen Schwindeleien muss jetzt ein für alle Mal Schluss sein. Auf das Wort eines Ministerpräsidenten muss man sich verlassen können, meine Damen und Herren!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ja, der Belgien-Besuch des Ministerpräsidenten war dramatisch schlecht vorbereitet. Er ist mit leeren Händen aus Brüssel zurückgekehrt, weil er mit leeren Händen dorthin gefahren ist. Er hatte keinen Plan, keine Strategie, schon gar keinen Lösungsvorschlag, der für die belgische Seite auch nur diskussionswürdig gewesen wäre.

Eine naheliegende Lösung ist ja tatsächlich die Lieferung von deutschem Strom nach Belgien. Allerdings muss man der belgischen Regierung dann auch überzeugend darlegen können, wie die benötigten Strommengen transportiert werden sollen. Doch genau das, Herr Ministerpräsident, konnten Sie nicht, weil Ihre Regierung es versäumt hat, schlüssige Antworten auf berechtigte Fragen zu entwickeln.

Wir wissen es doch: Die Kapazität der Trasse ALEGrO 1 wird nicht ausreichen, um die benötigte Strommenge zu transportieren, und eine mögliche Trasse ALEGrO 2 gibt es bisher nur auf dem Papier. Das alles weiß doch selbstverständlich auch die belgische Regierung. Deshalb war es ihr ja auch ein Leichtes, die unausgegorenen Ideen ihres unvorbereiteten Gastes vom Tisch zu wischen.

Herr Ministerpräsident, durch Ihren diplomatischen Dilettantismus haben Sie die Verhandlungsposition Deutschlands, die Verhandlungsposition NordrheinWestfalens geschwächt!

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Ihre Reise brachte keine Fortschritte. Im Gegenteil: Es war ein Rückschlag.

Eine schnelle Abschaltung der Reaktoren – und nur das würde ja die berechtigten Sorgen und Nöte der Menschen in der Region beseitigen – ist nach den Verhandlungen dieser Regierung noch unwahrscheinlicher, als sie es vorher war. Dabei gibt es ja durchaus bedenkenswerte Lösungsansätze. Mein Kollege Schultheis wird das nachher noch darstellen.

Meine Damen und Herren, am vergangenen Montag erschien ein Artikel, in dem der Journalist, der ihn geschrieben hat, klagte, ich sei zu seinem Ministerpräsidenten viel zu oft viel zu gemein und solle doch liebenswürdiger auftreten.

(Beifall von der FDP – Ministerpräsident Armin Laschet: Bitte, bleiben Sie so! – Zurufe von der SPD: Oh!)

Der Journalist fand es gemein, dass ich den Ministerpräsidenten „Plaudertasche“ oder „Prahlhans“ genannt habe. Andere sehen das anders; die finden das zutreffend. Aber gut.

Herr Ministerpräsident, ich versuche es mal mit einem freundlichen Rat:

(Zurufe von der CDU und FDP: Oh! – Minister- präsident Armin Laschet: Reden Sie wie bis- her!)

Lieber Herr Ministerpräsident, bisher haben Sie immer nur versucht, die Öffentlichkeit mit vollmundigen Ankündigungen zu beeindrucken, um anschließend kleinlaute Erklärungen hinterherzuschieben, warum es mal wieder nicht geklappt hat. Versuchen Sie es

einmal umgekehrt. Üben Sie sich mal in professioneller Zurückhaltung und beeindrucken Sie die Öffentlichkeit anschließend mit echten Ergebnissen und Erfolgen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Dann hätten Sie mal die Überraschung auf Ihrer Seite, Herr Ministerpräsident, anstatt die Verantwortung für enttäuschte Hoffnungen. Dann würden Sie auch tatsächlich den Beweis liefern, endlich ernsthaft die berechtigten Sorgen und Nöte der Menschen in der Region zu vertreten. Das wünsche ich Ihnen. Also, gehen Sie in sich, machen Sie es mal umgekehrt. Das wird Ihnen helfen. – Vielen Dank fürs Zuhören, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Römer. – Für die CDU erteile ich Herrn Dr. Untrieser das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht nicht um Parteipolitik, sondern um die Menschen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die SPD beweist heute, dass ihr die Instrumentalisierung dieser ernsten Angelegenheit wichtiger ist.

Die Reise von Ministerpräsident Laschet machte deutlich, dass die Sorgen der Bevölkerung ernst genommen werden. Diese Reise war ein wichtiges Signal in diese Richtung.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Und Sie tragen hier Vorwürfe vor, die sich in Luft auflösen oder auf Sie zurückfallen. Lassen Sie uns einmal bei den Fakten bleiben.

Es ist unstreitig, dass die Fraktionen von CDU und FDP in diesem Hause die Abschaltung von Tihange und Doel fordern. Das haben wir in unserem Antrag vom 30. Juni 2017 „Sorgen der Menschen in Nordrhein-Westfalen ernst nehmen – Risikoreaktoren in Tihange und Doel sofort und endgültig vom Netz nehmen“ deutlich gemacht. Die SPD hat sich dazu ebenso wie die Grünen enthalten, auch weil sie einen Antrag eingebracht haben, der in die gleiche Richtung ging.

CDU, FDP und Grüne haben am 11. Oktober 2017 den Antrag „Nordrhein-westfälische Regionen unterstützen und unabdingbare Transparenz gewährleisten – Tihange abschalten!“ angenommen. Die Fraktion der SPD hat sich immerhin enthalten.

Allerdings unterstützte die SPD-Fraktion in dem Entschließungsantrag vom gleichen Tage „Tihange abschalten – grenzüberschreitende Energieversorgung verbessern“ sogar den Ansatz der NRW-Koalition. Sie fordern darin nämlich die Landesregierung auf – Zitat – „sich für einen konstruktiven energiepolitischen Dialog auf Augenhöhe zwischen Belgien und Deutschland und damit auch Nordrhein-Westfalen einzusetzen.“ – Genau das tut die Landesregierung. Vielen Dank für diese Unterstützung!