Frau Kollegin Schäffer, Entschuldigung, dass ich Sie direkt unterbreche. Herr Kollege Lürbke würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.
Vielen Dank, Frau Kollegin, dass Sie Zwischenfrage zulassen. – Ich bin beim Stichwort „Symbolpolitik“ hellhörig geworden, weil das für mich nicht recht zusammenpasst. Wenn es denn so wäre, müssten Sie vielleicht auch einmal ein ernstes Gespräch mit Ihrer von den Grünen geführten Landesregierung in Baden-Württemberg führen, die ja ähnliche Maßnahmen wie die elektronische Fußfessel oder die Quellen-TKÜ längst eingeführt hat.
Vor diesem Hintergrund frage ich Sie: Wie passt das denn zusammen? Ist das dann grüne Doppelmoral? Oder wie habe ich das zu verstehen?
Herr Lübke, vielen Dank für diese Frage. Soweit ich weiß, diskutieren wir heute über die Einbringung des Polizeigesetzes in erster Lesung in Nordrhein-Westfalen. Ich kann Ihnen sehr gerne darstellen, weil Sie es ja offenbar nicht wissen, wo ich hier Symbolpolitik sehe. Das erspart mir noch ein bisschen Redezeit. Insofern bedanke ich mich für die Frage.
nach der letzten Reform die Möglichkeit für die Polizei, präventiv TKÜ- und auch Quellen-TKÜ-Maßnahmen durchzuführen.
Zu nennen ist auch das Thema „Videobeobachtung“. Sie wollen, dass der Ausschluss von Verdrängungseffekten jetzt Gesetz wird. Sie haben gerade argumentiert – das fand ich sehr interessant –, Sie wollten den Terroristen auf den Füßen stehen. – Dann frage ich mich doch allen Ernstes: Wo laufen denn auf dem Ebertplatz oder auf dem Neumarkt oder am Wiener Platz in Köln permanent Terroristen herum, die man jetzt per Videobeobachtung beobachten sollte? Auch das ist für mich Symbolpolitik.
Auch die von Ihnen ebenfalls angesprochene Fußfessel ist Symbolpolitik. Offenbar meinen Sie, dass Sie mit der Fußfessel Anschläge verhindern können. Sie werden mit der Fußfessel aber keinen einzigen Anschlag verhindern. Im Gegenteil: Der furchtbare Anschlag auf die Kirche in Nordfrankreich vor zwei Jahren – wir erinnern uns alle daran – hat das doch gezeigt. Er hat sehr deutlich gemacht – dort hat ja ein Terrorist eine Fußfessel getragen –: Man wird mit der Fußfessel keinen Anschlag verhindern.
Deshalb sage ich, dass Sie hier Symbolpolitik betreiben. Sie verkaufen das groß mit viel Tamtam. Aber es ist letztendlich Symbolpolitik. Sie versprechen den Bürgerinnen und Bürgern mehr Sicherheit, die Sie aber im Endeffekt nicht liefern können. Das ist genau meine Kritik, die ich an diesem Gesetzentwurf habe, Herr Lürbke.
Frau Kollegin Schäffer, darf ich Sie noch einmal unterbrechen? – Herr Kollege Katzidis, Sie hatten sich eben für eine weitere Zwischenfrage eingeloggt und haben sich jetzt wieder ausgeloggt. Soll ich Frau Schäffer fragen, ob sie eine zweite Zwischenfrage beantworten möchte?
Sie haben gerade dargestellt, dass auf der Grundlage von § 100a Strafprozessordnung Telekommunikationsüberwachung möglich sei – präventiv, haben Sie gesagt. Nach Ihrer Rechtsauffassung ist TKÜ dann also ohne Vorliegen einer Straftat möglich. Ist das so korrekt?
Die letzte war, glaube ich, 2005 zum Niedersächsischen Polizeigesetz. Dort hat das Bundesverfassungsgericht noch einmal sehr deutlich gemacht, dass die Anwendungsbereiche für den Landesgesetzgeber – also für uns – im Polizeigesetz sehr, sehr gering sind, weil es diese Möglichkeit im § 100a Strafprozessordnung schon gibt und dieser Paragraf in der Regel auch zuerst anzuwenden ist.
Insofern wird es in Nordrhein-Westfalen aufgrund dieser Rechtsprechung und aufgrund der Strafprozessordnung kaum Anwendungsfälle geben, die nach dem Landespolizeigesetz möglich sind.
Auch deshalb sage ich: Das ist Symbolpolitik. Wir brauchen diese Regelung in diesem Gesetz nicht, weil wir hier den § 100a Strafprozessordnung haben. Ja, das ist unsere Rechtsauffassung, die auch durch das Bundesverfassungsgericht gestärkt wurde. Vielen Dank für die Nachfrage, Herr Katzidis.
Ich glaube, das waren alle Zwischenfragen, die möglich waren. Das ist ein bisschen schade. Ich hätte gern noch mehr entgegengenommen. Aber dann komme ich zurück zu meiner Rede.
Ich hatte mit dem Punkt „Symbolpolitik“ aufgehört. Ich finde, das ist genau das Gefährliche an diesem Gesetzentwurf, Herr Reul: Wenn Sie diese Maßnahmen umsetzen, nehmen Sie damit auch in Kauf, dass Sie gegen die Verfassung verstoßen.
Ich finde, Sie setzen dem Ganzen noch eine Krone auf, indem Sie gegenüber dem WDR erklärt haben, dass es Ihnen egal sei, ob Unschuldige in Gewahrsam sitzen.
Herr Reul, wissen Sie was? Genau weil Sie diese Gefahren auf sich nehmen und wegen dieser Äußerung sind Sie ein Risiko für unsere Freiheit und ein Risiko für unsere verbrieften Rechte.
Das Schlimme ist, Herr Lürbke, dass die FDP all das mitmacht. Die FDP ist keine Bürgerrechtspartei. Was Sie hier vorgelegt haben, ist ein Armutszeugnis für Sie.
Ich möchte nur einige Punkte herausgreifen, weil ich nur noch drei Minuten Zeit habe, und komme auf die Quellen-TKÜ zurück. – Die technischen Voraussetzungen für die Quellen-TKÜ sind derzeit noch gar nicht gegeben. Es stellen sich Fragen wie: Kann der Trojaner tatsächlich nur auf laufende Kommunikation zugreifen, oder liest er gleich das ganze Handy aus? – Wenn das so wäre, wäre das ein massiver Eingriff in das IT-Grundrecht.
Sie sagen, das machen Sie nicht. In der Presseerklärung haben Sie selbst gesagt, dass die technischen Voraussetzungen noch gar nicht geklärt seien. Insofern haben wir hier ein Problem. Auch Experten sagen, dass wir diesen Trojaner so noch gar nicht haben.
Das andere ist: Der Staat macht sich zum Hacker. Der Staat nutzt Sicherheitslücken aus. Deshalb gibt es eben auch scharfe Kritik aus der IT-Branche, zum Beispiel von dem größten Verband Bitkom, der die Quellen-TKÜ sehr scharf kritisiert. Dem schließen wir uns als Grüne an.
Zum Thema „Unterbindungsgewahrsam“: Sie wollen die Dauer des Unterbindungsgewahrsams massiv ausweiten. Das ist ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, weil er in die Freiheit der Personen eingreift.
Auch hier muss ich Ihnen widersprechen, Herr Reul. Sie haben gesagt, Sie hätten sich an das BKA-Urteil angelehnt. Das stimmt aber nicht ganz. Das BKAUrteil besagt, der Staat darf auch im Vorfeld Maßnahmen zur Informationsgewinnung durchführen. Es wurde aber noch nicht geurteilt, ob es auch Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geben darf. Insofern betreten Sie rechtliches Neuland. Wir haben hier ein verfassungsrechtliches Risiko. Ich bin gespannt, wie sich die Rechtsprechung dazu entwickelt.
Auch das ist im Übrigen ein gutes Beispiel für Symbolpolitik. Glauben Sie allen Ernstes, dass ein Gefährder nach einem Monat in einer Ausnüchterungszelle im Polizeipräsidium tatsächlich geläutert ist?
Der dritte Punkt, den ich hier ansprechen will, ist die Identitätsfeststellung. Derzeit ist es so, dass die Polizei jemanden für zwölf Stunden zur Identitätsfeststellung mit auf die Wache nehmen darf. Das wollen Sie auf bis zu sieben Tage ausweiten,
und das, obwohl es keine Straftat ist, sich nicht ausweisen zu können, und es in Deutschland auch nicht die Pflicht gibt, an der Klärung der eigenen Identität mitzuwirken.
Daran ändert auch Ihr Applaus nichts. Wir reden hier von Personen, die keine Straftaten begangen haben