Protokoll der Sitzung vom 21.03.2018

4 Freiheit, Recht und Verantwortung im digita

len Zeitalter sichern – Konsequenzen aus dem Facebook-Datenskandal ziehen!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/2390

Für die Aussprache, die wir jetzt eröffnen, tritt zunächst für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Bolte-Richter ans Pult.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es war uns wichtig, heute diesen Antrag zum Facebook-Datenskandal zu stellen, weil 310.000 Menschen in Deutschland und weltweit über 87 Millionen Menschen betroffen sind. Dabei ist dieser Datenskandal letztlich nur ein Symptom für viel tiefergehende Probleme.

Über viele Jahre wurden Datenschutz und IT-Sicherheit ein zu geringer politischer Stellenwert eingeräumt. Die digitale Zivilgesellschaft wurde geschwächt, anstatt sie zu stärken. Digitale Verbraucherrechte wurden viel zu lange nicht durch Gesetze, sondern durch Kaffeerunden angepackt, und die großen Digitalunternehmen sind ihrer Verantwortung, die sie haben, in der Vergangenheit nicht gerecht geworden. Im Gegenteil: Sie haben das Race to the bottom beim Datenschutz vorangetrieben und aktiv ausgenutzt. Sie haben die Standards lax ausgelegt und über das Legale hinaus überdehnt.

(Beifall von Horst Becker [GRÜNE])

Sie haben Hass und Hetze viel zu lang eine Plattform geboten und sich auch noch darauf zurückgezogen, dass sie ja nur eine Plattform seien und mit alledem nichts zu tun hätten. Deshalb, meine Damen und Herren, offenbart dieser Datenskandal einen Angriff auf das Herz unserer Demokratie.

(Beifall von Monika Düker [GRÜNE] und Horst Becker [GRÜNE])

Denn da, wo Wahlen und Abstimmungen beeinflusst werden, ist es eine Bedrohung für die Demokratie, und da ist dann auch der Gesetzgeber gefordert.

Wir machen Ihnen heute, meine Damen und Herren, konkrete Vorschläge, wie es weitergehen kann, wie wir politisch mit diesem Datenskandal umgehen können. Wir machen Ihnen Vorschläge für viele Einzelmaßnahmen, aber auch für eine Gesamtstrategie.

Hier im Land schlagen wir Ihnen vor, Informationsangebote für die betroffenen Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen aufzulegen. Wir fordern Sie auf, Angebote zur Förderung der Medienkompetenz zu stärken, denn nur kompetente Verbraucherinnen und Verbraucher, nur kompetente Nutzerinnen und Nutzer sind in der Lage, die Chancen, die ohne Frage – und es ist wichtig, dass das gerade beim vorigen Tagesordnungspunkt betont wurde – mit der Digitalisierung einhergehen, dann auch zu nutzen.

Denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, auch wenn wir so oft kritisch mit den Betreibern solcher Plattformen wie den sozialen Netzwerken umgehen – sie bieten doch eine große Chance für Bürgerinnen und Bürger,

sich zu vernetzen, Meinungen auszutauschen, zusammenzukommen und die Zivilgesellschaft zu stärken. Diese Chancen müssen wir wieder in den Mittelpunkt stellen, aber dafür brauchen wir eben einen handlungsfähigen Rechtsrahmen.

Die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union beispielsweise bietet dafür einen Handlungsrahmen, aber auch da sehen wir wieder, wie er in Deutschland auf der Bundesebene, aber auch hier auf der Landesebene, geschwächt wird. Wenn wir uns anschauen, wie dieses Umsetzungsgesetz zur Datenschutz-Grundverordnung aussieht, dann wird Datenschutz drübergeschrieben, aber Datenschutzabbau betrieben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich bin mir sehr sicher, dass gleich eines der Argumente seitens der regierungstragenden Fraktionen sein wird: Na ja, gute Ideen sind irgendwie drin, aber da ist ja doch viel Bundesrecht, und da haben wir nicht so viel mit zu tun. Ich erinnere Sie einfach nur einmal daran, dass es kaum jemanden gab, der hier den angeblich fehlenden Einfluss Nordrhein-Westfalens in Berlin so sehr beklagt hat, wie Herr Laschet das zu seiner Oppositionszeit getan hat. Also machen Sie doch Ihren Einfluss bitte schön in Berlin geltend!

Sie hätten ja sogar Verbündete. Thomas Jarzombek forderte diese Woche exakt das, was wir mit diesem Antrag vorschlagen, was in unserem Antrag steht. Lassen Sie sich doch einmal seinen Artikel aus der „Bild“-Zeitung vom Montag faxen, wir haben ihn auch aus dem Internet für Sie ausgedruckt und können ihn auch direkt weitergeben, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Zuruf von der FDP)

Also, meine Damen und Herren, wir brauchen einen handlungsfähigen, einen stabilen Rechtsrahmen, wir brauchen aber auch auf Bundes- wie auf Landesebene Regierungen, die sich dieser Thematik endlich annehmen, die endlich aktiv werden. Wir brauchen einen Innenminister, der den Datenschutz achtet, statt seine Hackerbrigaden loszuschicken. Wir brauchen eine Schulministerin, die endlich digitale Sicherheit für Lehrerinnen und Lehrer, für Schüler, für Eltern schafft. Wir brauchen eine Verbraucherministerin, die sich um Verbraucherrechte kümmert, die Verbraucherrechte schützt, statt immer nur Gefahrenabwehr in eigener Sache zu betreiben.

Das brauchen wir – und einen handlungsfähigen Rechtsrahmen. – Ich danke Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Bolte-Richter. Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Dr. Geerlings.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Als im März bekannt wurde, dass das Unternehmen Cambridge Analytica die Daten von rund 87 Millionen FacebookNutzerinnen und -Nutzern abgegriffen hat, war die Empörung groß, und das zu Recht. Sie ist es immer noch.

Wer sich bei einem sozialen Netzwerk anmeldet – sei es Facebook, Twitter, Instagram, Snapchat oder welche Anbieter auch immer –, der muss darauf vertrauen können, dass seine Daten nur dort verwendet werden und nicht beliebig – sei es an andere Firmen oder zu anderen Zwecken – weitergegeben werden. Hier aber wurden Millionen von Nutzern getäuscht, Ihr Vertrauen wurde missbraucht.

Es liegt nun am Unternehmen Facebook, dieses verlorengegangene Vertrauen wieder zu gewinnen. Ob die bereits begonnenen Maßnahmen wie Datenschutzhinweise im Netzwerk selbst oder Anzeigen in Medien, wie wir dieser Tage vielfach – und wahrscheinlich sehr teuer bezahlt – sehen konnten, ausreichen, sei einmal dahingestellt.

Bei aller Enttäuschung und Empörung brauchen wir jedoch eines nicht: politischen Aktionismus. Nicht mehr und nicht weniger ist der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, über den wir heute diskutieren. Beim Lesen Ihres Antrags weiß man ja gar nicht, ob er im Landtag oder besser im Bundestag oder im Europaparlament behandelt werden sollte – das haben Sie vorhin schon richtig angedeutet –, so sehr springen Sie zwischen den politischen Ebenen hin und her.

Im Übrigen tun Sie so, als ob Fragen des Datenschutzes politisches Neuland wären und als ob die Politik dieses Thema bislang noch nie behandelt hätte. Wir wissen aber längst, dass Daten die Rohstoffe des 21. Jahrhunderts sind – so hat es unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnet.

(Sven Werner Tritschler [AfD]: Die kennt sich aus!)

Wir wissen auch, dass der Umgang mit Daten zu den Schlüsselkompetenzen unserer Zeit gehört. Wir wissen aus der alltäglichen Arbeit – auch hier im Landtag –, dass Anpassungen der Gesetze an neue Herausforderungen sowie ihre Weiterentwicklung wichtige Aufgaben der Parlamente sind, die wir auch sehr ernst nehmen.

Als NRW-Koalition setzen wir dabei nicht auf Aktionismus, sondern auf sorgfältige Sacharbeit. Lassen Sie mich das an drei Gedanken ausführen.

Erstens. Geltendes Recht muss konsequent angewendet und behutsam weiterentwickelt werden. Derzeit beschäftigen wir uns ganz aktuell mit der EUDatenschutz-Grundverordnung in unserem Landesrecht. Schon in meiner Rede bei der Einbringung des Gesetzentwurfs habe ich gesagt, dass wir nicht über die Vorgaben der Europäischen Union hinausgehen wollen.

Wir benötigen keine Überregulierung. Und eine Gesamtstrategie, wie sie im Antrag gefordert wird, ist nicht nur überflüssig, sondern auch erheblicher Aufwand – erst recht, wenn sie bis zum Ende des Jahres fertig sein soll.

Die von Ihnen angeregte Neuregelung des Wettbewerbs- und Kartellrechts ist im Übrigen Bundes- bzw. Europaangelegenheit. Vielleicht bringen Sie das bei Ihren Kollegen entsprechend ein.

Zweitens. Die Medienkompetenz der Menschen in unserem Land muss gestärkt werden. Hierzu zitiere ich den deutschen Staats- und Verwaltungsrechtler und ersten Bundesbeauftragten für den Datenschutz Hans Peter Bull. Zitat:

„Es ist nicht Aufgabe des Datenschutzrechts und der Datenschutz-Kontrollinstanzen, die Menschen von autonomen Entscheidungen über ,ihre‘ Daten abzuhalten.“

Autonome Entscheidungen erfordern einen Verbraucher, der verständig und souverän mit seinen Daten umgeht. Das ist unsere Baustelle, nicht die maßlose Regulierung.

Auch in diesem Bereich ist unser Land nicht untätig. Akteure wie das Grimme-Institut, die Landesanstalt für Medien oder die Landeszentrale für politische Bildung engagieren sich vielfältig. Auch lokale Verbraucherzentralen, Volkshochschulen und viele andere Einrichtungen tun etwas für die Stärkung der Medienkompetenz und werden es sicherlich auch weiterhin tun.

Drittens. Die NRW-Koalition hat sich zum Ziel gesetzt, in all ihrem Tun Maß und Mitte zu bewahren. Auf der einen Seite steht das natürlich berechtigte Anliegen des Datenschutzes, auf der anderen Seite möchten wir Rahmenbedingungen für Innovationen, insbesondere für neue Geschäftsmodelle und für Forschung schaffen. Wir möchten, dass Daten, die die Rohstoffe unserer Zeit sind, auch zur Wertschöpfung und damit zum Wohlstand in unserem Land beitragen. In dieser Hinsicht ist der Antrag viel zu einseitig und viel zu restriktiv.

Anhand dieser drei Grundsätze werden wir auch in Zukunft arbeiten und Probleme, die neu auftauchen, lösen. Einen unsortierten politischen Rundumschlag brauchen wir aber nicht. Deswegen lehnt die CDUFraktion den Antrag ab. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Geerlings. Nun kommt Frau Dr. Büteführ für die SPD-Fraktion ans Redepult. Auf meinem Sprechzettel steht, dass es Ihre erste Rede ist, Frau Dr. Büteführ.

(Dr. Nadja Büteführ [SPD]: Das ist so!)

Dann wünschen wir Ihnen alle viel Glück dazu. Bitte schön, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, vielen Dank! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es geht hier um einen Antrag, an dem man sich im gegebenen Zeitrahmen überhaupt nicht vollständig inhaltlich abarbeiten kann. Er ist meiner Ansicht nach ein ziemlich grünen-typischer, überaus sendungsbewusster Rundumschlag, der es gut meint und in ganz vielen Punkten auch recht hat, an manchen Stellen aber über das Ziel hinausschießt.

Beginnen wir mal, das Ganze etwas zu ordnen. Auf fünf Seiten geht es darum, Freiheit, Recht und Verantwortung im digitalen Zeitalter zu sichern und Konsequenzen aus dem aktuellen Facebook-Datenskandal zu ziehen. – Wer von uns Demokraten möchte das denn nicht? Wer würde dem nicht zustimmen?

Dass der gültige Rechtsrahmen – das Datenschutzrecht und das Wettbewerbs- und Kartellrecht – mit der immer rasanteren digitalen Entwicklung nur schwer mithalten kann, ist richtig. Das wird uns von den globalen Akteuren in diesem Bereich nur allzu oft und auch aktuell wieder eindringlich vor Augen geführt.

Es geht in Ihrem Antrag um nicht weniger als um informationelle Selbstbestimmung, um die europäische Datenschutz-Grundverordnung, um deren Durchsetzung auf Bundes- und auf Landesebene, um die Kombination von Datensätzen. Es werden konkrete Maßnahmen, klare Rechte und vielfältige Angebote zur Stärkung der Medien- und Datenschutzkompetenz auf allen Ebenen eingefordert. Weitere Stichworte sind: Maßnahmen gegen Hass und Hetze, gezielte Manipulation und einiges mehr. Das sind wichtige Anliegen, die der zügigen Umsetzung bedürfen.

Ihren abschließenden Feststellungen können wir nur in Teilen zustimmen; denn zum jetzigen Zeitpunkt ist manches entbehrlich. Einige Initiativen und Gesetzesänderungen sind doch gerade im Fluss oder soeben erst begonnen – da sollten wir etwas mehr Geduld haben.

Ich meine damit zum Beispiel auf Bundesebene die Änderungen im Kartell- und Wettbewerbsrecht. Beispielsweise das Missbrauchsverfahren gegenüber Facebook läuft aktuell, und das Bundeskartellamt

wird im Frühsommer Ergebnisse und etwaige Konsequenzen präsentieren.