Protokoll der Sitzung vom 24.05.2016

Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Sehr geehrter Herr Mostofizadeh, herzlichen Dank, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. Ich freue mich sehr darüber, in welchem Maße Sie meinem Antrag aus der letzten Legislaturperiode nachtrauern und die vielen Punkte hervorheben, die darin besonders gut waren. Erklären Sie mir aber bitte: Warum hat denn Ihre Fraktion in der letzten Legislaturperiode alle Anträge zur Verbesserung des Impfschutzes abgelehnt?

Das kann ich Ihnen relativ einfach erklären: weil wir bessere Vorschläge beschlossen haben, die die Gesundheitsministerin auch umgesetzt hat.

(Zuruf: Gar nichts haben Sie!)

Dazu gehört unter anderem das, was ich sowieso gerade ausführen wollte, nämlich dass die unterschiedlichen Berufe darauf hingewiesen werden sollten, entsprechend tätig zu werden.

Ich möchte noch einen Punkt nennen, bei dem ich dezidiert anderer Auffassung bin als Sie. Sie haben vorhin das Wort „Impfschmarotzer“ in den Mund genommen. Wenn Sie glauben, die Menschen mit Beschimpfungen dazu zu bringen, eine Entscheidung zu treffen, die aus meiner Sicht richtig wäre, nämlich für einen umfassenden Impfschutz zu sorgen, dann sind Sie aus meiner Sicht auf dem völlig falschen Dampfer.

(Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn wir nicht mit Sachlichkeit an dieses Problem herangehen, werden wir es nicht lösen können. Wir werden auch niemanden in Ketten gelegt dem Richter vorführen und ihn zwangsimpfen lassen.

Liebe Kollegin von der FDP, es ist schon einigermaßen gewöhnungsbedürftig – nicht bei Ihnen persönlich; das habe ich immer wieder erlebt –, dass die FDP solche Thesen in den Landtag hineinträgt. Das finde ich ziemlich merkwürdig.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich komme zu der Konsequenz, die sich aus Ihrem Antrag ergibt: Wir Grünen halten einen umfassenden Impfschutz nicht nur für richtig und notwendig, sondern wir meinen auch, dass wir eine ganze Menge dafür tun müssen, dass er tatsächlich durchgesetzt wird. Wie gesagt, wir hätten uns sehr gerne im Ausschuss an einer solchen Diskussion beteiligt.

Sie haben auch die Menschen angesprochen, die vielleicht nicht oder nicht mehr über ein besonders gutes Immunsystem verfügen. In den Pflegeeinrichtungen, den Schulen und Kindertagesstätten wird sehr wohl nach diesen Dingen gefragt. Wenn wir das systematisieren und für eine höhere Impfbereitschaft werben, wird sich die Situation auch verbessern.

Es führt jedoch zu nichts, liebe Kollegin Schneider, die Menschen zu beschimpfen und sie zum Impfen zwingen zu wollen.

Frau Lück hat vorhin darauf hingewiesen: Das betrifft nicht diejenigen, die besonders dumm oder ignorant sind – zumindest nicht auf den ersten Blick –, sondern es sind hochqualifizierte Menschen, die glauben, dass manche Impfungen für sie nicht sinnvoll seien. Da kann ich nur sagen: Um diese Menschen müssen wir kämpfen! Wir müssen für die Sache werben und gute Argumente ins Feld führen, damit sie sich eben doch einer Impfung unterziehen.

Insbesondere müssen wir dafür sorgen, dass die Kinder umfassend geschützt werden. Sie sind am stärksten betroffen. Hier hat die Forschung eine Menge dafür getan, dass die Sache durch Kombinationsimpfungen und seltener notwendige Impfvorgänge deutlich erleichtert wird. Darauf müssen wir uns in positiver Weise beziehen. Ein Vorgehen nach dem Motto „Wenn du nicht hören willst, musst du fühlen“ ist nicht die Politik, die wir verfolgen. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die AfD-Fraktion spricht Herr Kollege Dr. Vincentz.

Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und

Herren! Manchmal passiert in der Wissenschaft etwas ganz Seltsames: Die Impfungen sind ein Stück weit Opfer ihrer eigenen enormen Wirksamkeit geworden.

Die älteren Semester werden sich vielleicht noch daran erinnern: Früher hatte man gelegentlich das eine oder andere Kind in der Schulklasse, das noch an der Kinderlähmung erkrankt war. Daher ist es den Älteren immer noch ein Begriff, was es im Alltag bedeutet, an Polio erkrankt zu sein, und was das mit den Menschen anstellt. Seitdem wir seit den 1950er-Jahren über den guten Impfschutz verfügen, ist die Kinderlähmung fast vom gesamten Erdball verschwunden und damit ihres Schreckens beraubt.

Ein anderes Beispiel ist der Wundstarrkrampf, das sogenannte Clostridium tetani, ein Keim, der überall in der Erde vorkommt. Wenn man auch nur kleinere Arbeiten im Garten verrichtet und sich vielleicht am Zaun oder an der Wildrose sticht, könnte man potenziell jederzeit an Wundstarrkrampf erkranken. Heute ist es so, dass wir durch die umfangreichen Impfkampagnen in der Vergangenheit in Deutschland weniger als fünf Todesfälle bzw. fünf Erkrankte pro Jahr zu verzeichnen haben. Das ist eine gute Entwicklung.

Heute hat in Deutschland nur noch der kunstgeneigte Mensch einen Eindruck vom Wundstarrkrampf, vor allen Dingen durch die Bildnisse des Anatomen Charles Bell, der um das Leben ringende Soldaten gezeichnet hatte, die mit grimassiertem Gesicht und durchgedrückten Rückenmuskeln das typische Bild des voll ausgeprägten Wundstarrkrampfs illustrierten.

Ein kleiner Piks in den Oberarm, und diese vormals tödlichen Erkrankungen verlieren völlig ihren Schrecken.

Auf der anderen Seite geraten sie – das ist wiederum der Nachteil, den ich eingangs beschrieb – dadurch auch in Vergessenheit. In Vergessenheit gerät der große Schrecken, der mit diesen Krankheitsbildern verbunden war, und es erheben sich dann tatsächlich Zweifel an den Impfungen.

Gewisse Dinge, die mit der Impfung verbunden sind – dieser kleine Piks in den Oberarm, der geschädigte Nerv bei einer falsch gesetzten Spritze oder die Nebenwirkungen bei einem Fall von einer Million Fälle bei einem Lebendimpfstoff –, geraten auf einmal in den Vordergrund gegenüber diesen sehr schlimmen Erkrankungen, die wir damals so erfolgreich bekämpft haben.

So stellt man fest, dass sich sogar einige Impfmythen entwickeln, zum Beispiel, dass es die in dem Antrag angesprochenen Masern gar nicht gebe oder die Erkrankung zumindest nicht in einem Kontext mit dem Masernvirus stünde. Da kann man ab und zu als Arzt tatsächlich nur den Kopf schütteln.

Von daher ist es absolut wichtig und begrüßenswert, an dieser Stelle über das beständig wichtige Thema Impfungen zu sprechen und nicht müde zu werden, für Impfungen zu werben, bis auch die letzte Erkrankung, gegen die wir tatsächlich impfen können, völlig irrelevant ist.

Der Vorstoß der regierungstragenden Parteien für eine landesweite Aufklärungskampagne ist daher nur zu begrüßen und hebt sich in erfreulicher Weise von anderen Bestrebungen auf Bundesebene ab, die de facto eine Impfpflicht implizieren. Es kann nicht Ziel sein, die Menschen dazu zu verpflichten, sich impfen zu lassen.

Da hätte ich von der FDP etwas völlig anderes erwartet; das hat mich gerade etwas verwundert. Ich dachte, das wäre eines der wenigen Dinge, die uns tatsächlich politisch verbinden: die Ansicht, dass wir die Menschen mit Informationen erreichen, sie aufklären und bilden können, indem wir darüber informieren, was Impfungen anstellen, statt sie mit einer Pflicht zu Dingen zu nötigen, die wir auf der anderen Seite als Staat gewährleisten müssen. Es ist zum Beispiel unter anderem das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das wir da als Staat verletzen.

(Beifall von der AfD)

In einer Demokratie – das ist mein Verständnis – muss am Ende immer die freie Wahl stehen, so sehr ich mich auf der anderen Seite für Impfungen starkmache. Wir sind dazu da, dass es eine gute Wahl wird. Wir werden daher hoffentlich noch oft über Impfungen sprechen, aber hoffentlich wenig über die alten Erkrankungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Dr. Vincentz. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Laumann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Erstens. Dass Schutzimpfungen eine wirkungsvolle Maßnahme sind, um Menschen effektiv und kostengünstig zu schützen, ist – das ist das Schöne an der heutigen Debatte – Auffassung aller Landtagsfraktionen. Ich kann mich noch erinnern, dass das früher nicht in vollem Umfang Auffassung aller Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen war.

Zweitens. Was die durch Durchimpfungsraten angeht, nehmen wir einmal das Beispiel Masern. Wir haben uns als Nationalstaat verpflichtet, sie auszurotten. Dafür brauchen wir laut Robert Koch-Institut eine Durchimpfungsrate von 95 %. An diesen 95 % sind wir in Nordrhein-Westfalen mit 94,1 % nahe dran.

Aber jetzt kommt unser Problem: Wir haben Städte, kreisfreie Städte und Landkreise, in denen die Durchimpfungsrate bei 97 % liegt, und wir haben in Nordrhein-Westfalen auch Regionen, in denen sie nur bei 88 % liegt. Deswegen glaube ich, dass wir unsere Kampagnen sehr viel mehr lokaler ausrichten müssen als bislang.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Da, wo wir eine Durchimpfungsrate von 97 % haben, ist die Welt aus Sicht des Impfens in Ordnung. Aber da, wo wir bei 88 % liegen, haben wir ein großes Problem.

Wenn man sich jetzt – das hat unser Haus gemacht – diese Frage genauer ansieht, kann man feststellen, dass die Rate in einem Landkreis oder in Stadtteilen einer kreisfreien Stadt völlig unterschiedlich ist. Manchmal ist die Durchimpfungsquote im Einzugsbereich eines bestimmten Kindergartens sehr hoch. Im Einzugsbereich eines anderen Kindergartens kann die Durchimpfungsquote sehr niedrig sein. Teilweise kann man das auch den Einzugsbereich von Arztpraxen beziehen. Die Durchimpfungsrate kann in Einzugsgebieten von Kinderärzten hoch oder niedrig sein.

Deswegen hat unser Ministerium gemeinsam mit Fachleuten das Konzept ausgearbeitet, dass wir die Impfkampagnen stark auf die Gebiete mit niedrigen Impfraten lokalisieren müssen. Das heißt, da müssen wir konkret auf die Arztpraxen, auf die Kitas und Kindergärten und auf die Bevölkerung zugehen.

Auf der anderen Seite werden wir natürlich weiterhin robust für Impfungen werben, etwa mit Impfmobilen, wie man das in breit angelegten Kampagnen macht.

Fazit: Die Arbeiten meines Ministeriums in den letzten Monaten haben als Ergebnis gebracht, die gesamte Kampagne nicht über das ganze Land zu ziehen, wofür die Mittel wohl auch nicht ausreichen, um eine durchschlagende Wirkung zu erreichen, sondern das Geld, das wir für Impfkampagnen zur Verfügung haben, äußerst differenziert und sehr lokal einzusetzen. Wir brauchen noch ein paar Wochen, um das genau auszuarbeiten.

Ich glaube, dass wir damit eine Lösung finden, die dem Wunsch aller Landtagsfraktionen gerecht wird, in Nordrhein-Westfalen bei der Impfquote das führende Land in Deutschland zu werden. – Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Laumann. – Da keine weiteren Wortmeldungen mehr vorliegen, schließe ich die Aussprache zu Tagesordnungspunkt 2.

Wir kommen zur Abstimmung. Ursprünglich hatte der Ältestenrat, wie Sie wissen, eine Überweisung an die

Fachausschüsse empfohlen. Zwischenzeitlich haben sich aber alle Fraktionen darauf verständigt, über den Antrag heute direkt abzustimmen. Diese direkte Abstimmung führen wir jetzt durch.

Wer dem Antrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, die AfD und die drei fraktionslosen Abgeordneten. Stimmt jemand dagegen? – Das ist nicht der Fall. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Antrag Drucksache 17/2563 einstimmig vom Landtag von Nordrhein-Westfalen angenommen worden.

Ich rufe auf:

3 Landesregierung muss kurzfristig ein Konzept

zur digitalen Ausstattung von Lehrerinnen und Lehrern vorlegen