Protokoll der Sitzung vom 24.05.2016

Eine dauerhafte und umfassende Finanzierung für diese Personen wäre also ein völlig falsches Signal. Vielmehr wollen wir Rückführung erleichtern, Geduldete mit geringer Bleibeperspektive in Landeseinrichtungen unterbringen und gar nicht erst auf die Kommunen verteilen, hingegen bereits längere Zeit Geduldete mit Bleibeperspektive möglichst in einen gesicherten Aufenthaltsstatus überführen.

Frau Präsidentin! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen!

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Über wel- ches Thema reden Sie, Herr Kollege?)

Wenn Flüchtlinge einer Kommune zur Unterbringung zugewiesen werden, ist diese für deren Versorgung zuständig. Das Land erstattet aber über eine monatliche Pro-Kopf-Pauschale einen wesentlichen Teil der entstehenden Kosten. Die gesetzliche Grundlage hierzu finden Sie im Flüchtlingsaufnahmegesetz, dem FlüAG. Dabei werden die Pauschalen für die Dauer des Asylverfahrens gezahlt, bei einer Anerkennung erfolgt dann der Leistungswechsel ins SGB.

Für die hier angesprochene Personengruppe der Geduldeten, deren Asylverfahren negativ endete und die Deutschland nicht freiwillig verlassen oder die nicht zurückgeführt werden können, erstattet das Land die Kosten für bis zu drei Monate über den Abschluss des Asylverfahrens hinaus.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das steht schon im Antrag, Herr Kollege!)

Das ist schon länger als die Regelung des Bundes. Der beteiligt sich über die Länder nur für einen einzigen Monat an den Kosten für die Geduldeten. Die Erstattung für drei Monate beruht auf der gesetzlichen Grundlage der vorherigen rot-grünen Landesregierung. Sie hatten also selbst bis 2017 keinen Anlass gesehen, für einen längeren Zeitraum Kosten für geduldete Personen zu übernehmen. Das gehört zur Wahrheit auch dazu.

Frau Präsidentin, meine verehrten Damen und Herren, liebe Kollegen, die NRW-Koalition hat sich eine Entlastung der Kommunen zum Ziel gesetzt. Dazu werden wir die Finanzierung – ich glaube, das hat unser Minister, Dr. Stamp, schon mehrfach im Integrationsausschuss ausgeführt – der flüchtlingsbedingten Aufwendungen der Kommunen neu regeln.

Im Jahr 2017 haben wir das ganze Jahr hinweg die tatsächlichen Kosten erhoben, auch mit entsprechender Unterstützung der Uni Leipzig. Der Minister

hat schon zugesagt, dass das wissenschaftliche Gutachten in den nächsten Monaten mit den entsprechenden Ergebnissen vorliegen wird. Wenn wir die haben, dann werden wir auf dieser Grundlage schauen, wie wir über die künftige Unterstützungsleistung des Landes für die Kommunen entscheiden und das FlüAG entsprechend anpassen.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Dazu hat zwar Ihre Kollegin mehrfach nachgefragt; wir haben es im Ausschuss aber immer wieder betont. Ich vermute, dass dabei auch die monatlichen Pauschalen erhöht werden.

Wir brauchen aber – das ist ganz wichtig – ein Gesamtpaket und keine isolierte Lösung nur für die Personengruppe der Geduldeten.

Darüber hinaus – das hat zwar der Kollege HoppeBiermeyer erwähnt, aber ich denke, man darf es ruhig noch einmal sagen – unterstützen die NRWKoalition wie auch die jetzige schwarz-gelbe Landesregierung sehr wohl die Kommunen bei der Integrationsarbeit. So haben wir zum Beispiel bei der Finanzierung der Kommunalen Integrationszentren für eine Absicherung bis 2022 gesorgt.

(Ibrahim Yetim [SPD]: Oooh!)

Ich weiß, das wollen Sie wahrscheinlich nicht hören. Aber als Schaltstellen für die Integration vor Ort haben wir sie abgesichert. Genauso – das haben wir schon von unserem Kollegen von der CDU gehört – haben wir auch die zusätzlichen Spielräume bei der Haushaltsaufstellung genutzt, um 100 Millionen € aus der Integrationspauschaule an die Kommunen für entsprechende Maßnahmen für die Integration von Asylsuchenden, anerkannten Schutzberechtigten und Geduldeten auszuzahlen.

Minister Stamp hat vor kurzer Zeit klar zum Ausdruck gebracht, mit welchem Stufenplan die Landesregierung die Kommunen gerade hinsichtlich der Verteilung und Unterbringung von Flüchtlingen weiter entlasten möchte. So – das haben gerade die Grünen vehement kritisiert – werden wir die Aufenthaltszeiten in Landeseinrichtungen für Asylsuchende mit geringer Bleibeperspektive verlängern und diese Menschen eben nicht auf die Kommunen verteilen. Das haben Sie doch vonseiten der Grünen heftigst kritisiert. Aber es gehört mit dazu, zu erwähnen, dass das auch eine ganz klare Maßnahme ist, um die Kommunen zu entlasten.

Wir werden auch die Rückführungen direkt aus den Landeseinrichtungen intensivieren. Damit werden wir die Zahl der Geduldeten ohne Perspektive deutlich reduzieren, die von den Kommunen dann nicht mehr versorgt werden müssen.

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Verlängerung der Finanzierung für Geduldete könnte allerdings auch zu Fehlanreizen führen, zum

Beispiel, wenn es darum geht: Wie intensiv möchte ich Rückführung betreiben? Aber auch wir sehen den Bund in der Verantwortung für die Beseitigung von Rückführungshindernissen, die nicht in der Person des abgelehnten Asylbewerbers liegen. Ein großer Teil der geduldeten Menschen kommt aus Herkunftsländern, in die faktisch nicht zurückgeführt werden kann. Hier sollte sich der Bund länger als nur einen Monat an den Kosten beteiligen.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Ja!)

Wir brauchen auch endlich eine Regelung für diejenigen Menschen, die schon lange mit einer Duldung hier leben und sich gut integriert haben. Deshalb kann ich unsere Forderung nur wieder erneuern – unser Minister Dr. Stamp sagt es zu Recht immer wieder –, dass wir ein Einwanderungsgesetz fordern, in dem klar unterschieden wird zwischen Asyl, Flüchtlingsschutz, dem vorübergehenden humanitären Schutz sowie einer qualifizierten Einwanderung von Fachkräften, das aber auch Geflüchteten den Spurwechsel ermöglicht. Wer über eine Arbeitsstelle verfügt oder sich selbstständig gemacht hat, dem wollen wir einen gesicherten Aufenthaltsstatus mit einer langfristigen Perspektive bieten.

Mit dieser klar strukturierten Politik werden wir am Ende auch die Kommunen bei den Aufwendungen für Geduldete entlasten. Ihre einfache Lösung, hier einfach nur länger Geld zu zahlen, ist hingegen der falsche Weg. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Lenzen. – Für die Fraktion der AfD hat Frau Walger-Demolsky das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Vorsitzende! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn man die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion zugrunde legt, hat man sogar neuere Zahlen als die dem Antrag der Grünen zugrunde liegenden.

Demnach lebten am 31.12. nicht mehr 52.365, sondern nur noch 52.071 Geduldete in Nordrhein-Westfalen. Hätten wir nun auch noch Zahlen aus 2018, könnte man vielleicht sogar eine Tendenz erkennen.

0,5 % weniger ist natürlich kein bemerkenswerter Rückgang. 67 % der Geduldeten sind bislang zwischen einem und drei Jahren in Deutschland, aber über 10 % sind schon über zehn Jahre in Deutschland. Das wird ein Problem werden.

Worauf Sie in Ihrem Antrag natürlich nicht hinweisen, ist, dass es sich dabei aktuell um einen Anteil von 31 % aller im Bundesgebiet lebenden Geduldeten handelt. Hätte also NRW in der Vergangenheit ähnli

che Anstrengungen bei der Rückführung unternommen wie andere Bundesländer, lebten nach dem Königsteiner Schlüssel wahrscheinlich so um die 32.000 Geduldete in NRW und nicht 52.000.

Bei diesen Versäumnissen insbesondere der alten Landesregierung, aber natürlich auch vieler kommunaler Behörden jetzt nach Umfinanzierung zu rufen, ist billig, meine Damen und Herren.

(Beifall von der AfD)

Das Konnexitätsprinzip besagt, dass Aufgaben- und Finanzverantwortung jeweils zusammengehören. Dass also die Kosten ab dem dritten Monat zu 100 % alleine von den Kommunen getragen werden, ist durchaus falsch. Denn die Frage muss doch zunächst einmal lauten: Wer ist jeweils verantwortlich?

Auch hier hilft ein Blick in die Antwort auf die Kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion. Die Zahlen für Nordrhein-Westfalen: Für 1.239 Menschen gibt es einen Abschiebestopp, den die Bundesregierung erlassen hat. 17.270 haben keine Reisedokumente.

Auch hier kann man also eindeutig von einem Verschulden der Bundesregierung ausgehen, meine Damen und Herren, denn ohne die immer noch gültige mündliche Anordnung, von einer Einreiseverweigerung für Menschen ohne Ausweisdokumente abzusehen, sowie den Verzicht auf regelmäßige Grenzkontrollen wären diese Menschen gar nicht erst illegal eingereist.

(Beifall von der AfD)

Die weitaus größere Gruppe sind aber die Geduldeten ohne nähere Angaben und aus sonstigen Gründen Geduldete sowie deren Angehörige. Das waren am 31. Dezember 2017 in NRW immerhin fast 30.000 Menschen.

An den Entscheidungen, die auch nicht näher erklärt sind, sind die unterschiedlichsten Behörden beteiligt, insbesondere natürlich die Ausländerbehörden der Kommunen, die Abschiebungen nur ungern in Betracht ziehen, unter anderem, weil Druck aus Verbänden, Kirchen und Parteien kommt.

(Beifall von der AfD)

Dennoch entlässt sie das nicht aus ihrer Verantwortung.

Wir unterstützen ausdrücklich die erste Forderung nach regelmäßiger Information, würden uns aber noch sehr viel mehr regelmäßige Informationen wünschen, zum Beispiel zu folgenden Fragen: Wie lange ist die Aufenthaltsdauer bislang? Aus welchen Ländern kommen die Geduldeten? In welchen Kommunen leben wie viele geduldete Menschen?

Die Punkte 2 und 3 sehen wir sehr viel differenzierter als die Antragsteller, die ja vor allem über das bisherige Versagen bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber, also ausreisepflichtiger Ausländer, die

noch zu einem großen Teil auf Kosten der Haushalte leben, hinwegtäuschen wollen.

Und, Herr Körfges: Weiter so mit dem SPD-Projekt „Kleiner 10 %“. – Glück auf!

(Beifall von der AfD)

Das war Frau Abgeordnete Walger-Demolsky. – Jetzt hat für die Landesregierung Herr Minister Dr. Stamp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, was der Kollege Körfges eben angesprochen hat: dass wir uns grundsätzlich darüber unterhalten müssen, wie wir mit der Frage von Geduldeten im Bund insgesamt umgehen.

Ich glaube, dass es nach dem, was 2015/2016 gewesen ist, was wir erlebt haben an Menschen, die zu uns gekommen sind, heute die große Herausforderung gibt, wie wir mit denen umgehen, die im Land sind, und dass wir vor allem nach wie vor keine wirklich strukturierte Einwanderung nach Deutschland haben, weder bei denjenigen, die aus Gründen der Arbeit kommen wollen, noch bei denjenigen, die aus Gründen der Verfolgung kommen.

Deswegen kann ich nur wiederholen: Ich fordere vom Bundesinnenminister endlich einen Migrationsgipfel von Bund, Ländern und Kommunen, bei dem die Dinge, die eigentlich klar sind, zu denen es Verabredungen im Vertrag der Großen Koalition gegeben hat, die auch klar waren bei den Jamaika-Verhandlungen und zu denen es im Grunde genommen einen Konsens von CSU bis zu Grünen, Freien Demokraten und Sozialdemokraten gibt, endlich auf die Schiene gebracht werden, statt mit immer neuen Parolen den bayerischen Landtagswahlkampf anzuheizen. Das ist hochgradig unseriös. Wir wollen handeln und nicht dummes Gequatsche.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich bin der Opposition aber auch dankbar dafür, dass sie heute diesen Antrag gestellt hat, denn es geht natürlich auch um die Verantwortung des Landes. Ich bin Ihnen insofern dankbar, als Sie uns noch einmal die Gelegenheit geben, klarzustellen, wie viel besser die Kommunen durch die NRW-Koalition finanziell ausgestattet werden als unter der abgewählten Landesregierung von Rot-Grün.