Protokoll der Sitzung vom 10.10.2018

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen.

Im Moment höre ich über die Lautsprecher kaum etwas. Wir müssen die Technik nachsteuern.

(Präsident André Kuper wird ein Mikrofon ge- reicht.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Nachdem diese kleine Tonpanne behoben ist, darf ich Sie alle zu unserer 36. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen heißen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien sowie den Zuschauerinnen und Zuschauern an den Bildschirmen.

Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung darf ich noch einmal darauf hinweisen, dass der ursprünglich für heute angesetzte Tagesordnungspunkt 22 entfällt.

Damit treten wir in die Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Planungen der Landesregierung zu aktuellen

energie- und klimapolitischen Herausforderungen

Unterrichtung der Landesregierung

In Verbindung mit:

Gericht verhängt Rodungsstopp im Hambacher Wald – Landesregierung muss sich jetzt der politischen Verantwortung für das Rheinische Revier stellen!

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/3849

In Verbindung mit:

Gesellschaftlichen Konsens zum Kohleausstieg ernst nehmen: Rodungsmoratorium und neue Leitentscheidung jetzt!

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/3791

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 8. Oktober mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag zu Planungen der Landesregierung zu aktuellen energie- und klimapolitischen Herausforderungen zu unterrichten.

Zudem hat die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit Schreiben vom 8. Oktober gemäß § 95 Abs. 1 unserer Geschäftsordnung eine Aussprache zu einer aktuellen Frage der Landespolitik beantragt, welche uns als Drucksache 17/3849 vorliegt.

Diese beiden Punkte sollen gemeinsam beraten werden. Ebenfalls in die Debatte mit einbezogen wird der Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache 17/3791.

Die Unterrichtung der Landesregierung erfolgt durch den Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie, Professor Dr. Pinkwart. Ich erteile Herrn Minister Pinkwart nun das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten …

(Präsident André Kuper reicht Minister Prof. Dr. Andreas Pinkwart das Mikrofon.)

Funktioniert es nicht? Das ist mal eine neue Form der Kommunikation.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Ich darf noch einmal neu beginnen. Dann läuft aber auch die Zeit neu.

(Heiterkeit – Am Redepult wird ein neues Mik- rofon angebracht.)

Das ist ja toll; wunderbar. Ich sehe, es liegt nicht an der Energieversorgung.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und der AfD)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die NRW-Koalition ist angetreten, Gegensätze zu überwinden und Ökonomie und Ökologie miteinander in Einklang zu bringen. Unser Ziel ist es, Nordrhein-Westfalen bis spätestens 2030 zum innovativsten, leistungsstärksten und klimafreundlichsten Industrieland weltweit zu machen.

Die NRW-Koalition hat sich in ihrer Koalitionsvereinbarung klar zum Klimaschutzabkommen von Paris und dem Ziel bekannt, dass die Welt in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts weitgehend treibhausgasneutral wirtschaften soll. Das im Klimaschutzgesetz Nordrhein-Westfalen für 2020 vorgegebene Minderungsziel für Treibhausgasemissionen in Höhe von 25 % gegenüber 1990 werden wir nicht nur einhalten, sondern Nordrhein-Westfalen wird es übererfüllen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zur Erreichung der Klimaziele bedarf es auch, aber nicht nur einer Wende in der Energieerzeugung. Die Energiesysteme der Zukunft sind dabei so zu gestalten, dass sie die Faktoren Bezahlbarkeit, Versorgungssicherheit und Klimaverträglichkeit gleichrangig berücksichtigen und langfristig in Einklang bringen.

Dies ist angesichts der komplexen energiewirtschaftlichen Wirkungszusammenhänge eine anspruchsvolle Aufgabe. Diese Aufgabe kann und wird gelingen, wenn wir sie offensiv, aber auch sachlich und mit klarem Verstand und Weitsicht angehen. Die Gestaltung der Energiesysteme der Zukunft erfordert Entscheidungen mit strukturellen und langfristigen Auswirkungen – nicht nur für die Energiewirtschaft, sondern auch für die energieintensive Industrie und ihre Beschäftigen sowie auch für unsere Gesellschaft insgesamt.

Diese Aufgabe ist deshalb nicht geeignet für politische Kurzsätze nach dem Motto: Raus aus der Kohle, rein in die Erneuerbaren; es wird schon irgendwie klappen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Mit solchen pauschalen und unterkomplexen Aussagen mag man kurzfristig politischen Zuspruch bekommen, der Sache selbst helfen sie wenig.

Wir wollen auch vor dem Hintergrund der Arbeit der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ für ein Gelingen der Energiewende sorgen, die die Belange der nordrhein-westfälischen Wirtschaft, ihrer Beschäftigten und der Bürgerinnen und Bürger in berücksichtigt. Wir brauchen eine verlässliche Perspektive für alle Beteiligten hier in unserem Land und in Deutschland.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Energiewirtschaft selbst und die mit ihr direkt und indirekt verbundenen Zuliefererbranchen sind ein wichtiger Wirtschafts- und Beschäftigungsfaktor. Das ist jedoch nicht alles. Eine zuverlässige und stabile Energieversorgung ist auch für Nordrhein-Westfalen insgesamt von existenzieller Bedeutung.

Unsere heimische Wirtschaft ist auf eine sichere und bezahlbare Energieversorgung angewiesen wie kaum ein anderes Bundesland. Nur so kann sich Nordrhein-Westfalen als Industriestandort weiterentwickeln und Wertschöpfung und Hunderttausende hochwertige Arbeitsplätze erhalten.

Allein die Unternehmen in den weitgehend energieintensiven Branchen Papier, Glas, Chemie, Kunststoff, Mineralöl und Metallerzeugung beschäftigen in Nordrhein-Westfalen mehr als eine Viertelmillion Arbeitnehmer. Das sind sehr gute Arbeitsplätze mit ordentlichen Tarifverträgen und Einkommen für die Menschen in unserem Land.

Hinzu kommen zahlreiche Arbeitsplätze bei Zulieferern, im Investitionsgüterbereich wie dem Maschinenbau und bei unternehmensnahen Dienstleistern wie Güterverkehr, IT, Leasing oder Forschung und Entwicklung, die auch in Nordrhein-Westfalen vielfach ohne die energieintensive Industrie überhaupt nicht denkbar wären.

Um diese wirtschaftliche Kraft zu erhalten, benötigen wir auch in Zukunft eine leistungsstarke, eine hoch innovative Energieerzeugung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wie lange die Kohleverstromung noch als Brücke benötigt wird, darüber berät derzeit die Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Diese Ergebnisse wollen wir abwarten. Die Landesregierung steht in diesem Prozess dafür ein, die Klimaziele nicht gegen die Wirtschaft auszuspielen. Wir können und wollen die Klimaziele nur zusammen mit einer starken und modernen Wirtschaft erreichen und nicht auf Kosten einer Deindustrialisierung unseres Landes.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vor welche immensen Herausforderungen uns die Energiewende stellt, zeigt unter anderem ein Blick in die Quartalsberichte zu Netz- und Sicherungsmaßnahmen der Bundesnetzagentur. Im Jahr 2012 waren Redispatch-Maßnahmen im deutschen Übertragungsnetz in einem Umfang von rund 5.000 GWh erforderlich, um die Netzstabilität zu gewährleisten. Im Jahr 2017 waren bereits Redispatch-Maßnahmen in Höhe von 20.500 GWh nötig. Dies bedeutet eine Vervierfachung des Eingriffsvolumens innerhalb von nur fünf Jahren.

Die dabei anfallenden Kosten sind allein von 2016 mit 880 Millionen Euro auf 1,4 Milliarden Euro in 2017 gestiegen, und man geht davon aus, dass sich die Kosten in 2025, wenn die Kernkraftwerke abgeschaltet worden sind, auf über 4 Milliarden Euro pro Jahr belaufen könnten.

Meine Damen und Herren, die Zunahme netzstabilisierender Maßnahmen verdeutlicht, dass die Zuverlässigkeit unseres Energiesystems zunehmend auf die Probe gestellt wird. Veränderungen im Verhältnis von erneuerbaren zu konventionellen Energieerzeugungskapazitäten führen dazu, dass sich auch das Verhältnis volatiler Kapazitäten aus erneuerbaren Energien auf der einen Seite und grundlastfähiger Kapazitäten aus konventioneller Erzeugung auf der anderen Seite verändert.

Da weder der Netzausbau noch die Entwicklung leistungsfähiger Speichertechnologien mit dieser Entwicklung Schritt halten, hat diese Verschiebung massive Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit. Verschärfen wird sich die Situation in den kommenden Jahren durch den beschlossenen Kernenergieausstieg, mit dem bis Ende 2022 weitere rund 10 GW