Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 39. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die Fraktion der AfD und die Fraktion der SPD haben jeweils mit Schreiben vom 12. November 2018 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu den oben genannten drei aktuellen Fragen der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner Herrn Abgeordneten Klocke für die Grünen das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir beschäftigen uns zum wiederholten Male hier im Plenum mit diesem Thema. Wir haben im letzten Herbst, im Frühjahr und im Sommer schon ausführlich debattiert, und heute ist das Ganze erneut Thema.
Im letzten Herbst war hier in der Debatte der Tenor sehr klar: Um Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen zu verhindern, braucht es eine wirksame Hardwarenachrüstung, es braucht eine blaue Plakette, und es muss weitere Maßnahmen zur Verkehrswende geben, die der Bund finanzieren sollte.
Es gab bereits 2015 einen einstimmigen Beschluss der Umweltministerkonferenz, unter anderem aus NRW initiiert, der ein solches Maßnahmenpaket gefordert hat, aber die Bundesregierung hat es nicht durchgesetzt.
Im letzten Jahr – ich erinnere mich an meine Rede und will mich jetzt nicht selber zitieren – haben wir gesagt: Wenn diese Maßnahmen – konsequente Hardwarenachrüstung, blaue Plakette, wirksame Nachrüstungsmaßnahmen –, wie sie auch viele Oberbürgermeister in Nordrhein-Westfalen gefordert haben – so der Oberbürgermeister von Bonn, die Oberbürgermeisterin von Köln und der Oberbürgermeister von Düsseldorf –, nicht umgesetzt werden, wird es möglicherweise oder mit großer Wahrscheinlichkeit zu Fahrverboten kommen.
Das haben damals die Landesregierung und die regierungstragenden Fraktionen weit von sich gewiesen. Die These lautete in etwa, die Deutsche Umwelthilfe wäre gekauft und all die Klagen wären nicht rechtmäßig zustande gekommen.
Dann kam es im Februar dieses Jahres zu dem Grundsatzbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig. Dieses Urteil sagt ganz klar: Fahrverbote sind grundsätzlich als Maßnahme möglich, wenn auch nur unter bestimmten Bedingungen und als Ultima Ratio.
Statt dann zu handeln, hat der heute leider nicht anwesende Ministerpräsident in einer Pressekonferenz für seine Verhältnisse ungewöhnlich hemdsärmelig erklärt, dieses Urteil aus Leipzig sei nicht nur falsch, sondern Fahrverbote seien unverhältnismäßig, überdies er halte Fahrverbote in Nordrhein-Westfalen für rechtswidrig.
Meine Damen und Herren, zum Begriff „rechtswidrig“: Nun haben wir seit vielen Jahrzehnten zum Glück die Situation, in einer Demokratie zu leben – in Deutschland seit 100 Jahren, wenn auch mit einem traurigen Intermezzo. Eine Verbindung zwischen Exekutive und Judikative existiert nicht. Darüber, ob Fahrverbote rechtswidrig sind, entscheiden in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik immer noch Gerichte und kein Ministerpräsident.
So kam es, wie es kommen musste: zunächst das Verwaltungsgericht in der Heimatstadt des Ministerpräsidenten, in Aachen, mit einem klaren Urteil, und in der letzten Woche das Verwaltungsgericht in Köln mit einem glasklaren Urteil. In dieser Woche urteilt noch das Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen. Wir werden sehen, wie der Richterspruch dort ausfällt.
Ich würde mich wundern, wenn er deutlich von dem abwiche, was bisher in zehn deutschen Städten – darunter drei nordrhein-westfälische Metropolen – geurteilt worden ist. Insgesamt sind 14 Klagen von der Deutschen Umwelthilfe gegen Städte in NordrheinWestfalen anhängig.
Wir Grüne haben heute diese Aktuelle Stunde beantragt, weil wir von der Landesregierung wissen wollen: Was unternimmt die Landesregierung, um die Städte, für die es jetzt schon ein Urteil gibt, dabei zu unterstützen, diese Fahrverbote noch zu verhindern?
Denn darüber bestand politische Einigkeit in diesem Haus: Fahrverbote sind kein guter Weg, um eine Verkehrswende voranzubringen und für saubere Luft zu sorgen.
Liebe Frau Umweltministerin Heinen-Esser, es ist nicht fünf vor zwölf, sondern es sind dreißig Sekunden vor zwölf, wenn man Fahrverbote noch verhindern will. Deswegen interessiert uns sehr, was Sie in den kommenden Monaten unternehmen wollen, damit es zum Stichtag 01.04.2019 möglicherweise doch nicht zu Fahrverboten in Köln kommt.
Ich bin nicht unbedingt dafür bekannt, der FDP nahezustehen und sie zu loben. Ich habe mich aber durchaus gefreut und fand es richtig, dass sowohl der Fraktionsvorsitzende als auch der verkehrspolitische Sprecher hier in mehreren Parlamentsreden deutlich gemacht haben, dass die FDP ganz klar für eine herstellerfinanzierte Hardwarenachrüstung eintritt.
Ich frage mich nur, warum die FDP sich in der Landesregierung damit nicht durchsetzen konnte. Warum macht die Landesregierung des größten Bundeslandes mit Ministerpräsident Laschet – dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden der CDU – an der Spitze in Berlin keinen konsequenten Druck, damit dies auch zur Position der Bundesregierung wird?
Stattdessen irrlichtert Herr Scheuer herum. Wer letzte Woche das „Vergnügen“ – das kann man nur in Anführungsstrichen setzen – hatte, das Interview mit Frau Slomka zu sehen, konnte feststellen: Dort hat er in einer Kaskade von Fake News Sachen behauptet, die in keiner Hinsicht stimmen.
Er hat behauptet, dass die millionenfach manipulierten Diesel in keinster Weise dazu beitrügen, dass die Schadstoffbelastung in den Innenstädten hoch sei
und es zu Fahrverboten komme. Er hat auch behauptet, dass es keine einsatzfähigen Nachrüstsätze gäbe. Zudem lasse er im Keller seines Ministeriums keine Nachrüstsätze zusammenschrauben. – Das ist wirklich Quark!
Es gibt alleine in Nordrhein-Westfalen zwei Hersteller, HJS und Twintec, die über solche HardwareNachrüstsätze verfügen und nur darauf warten, dass das Kraftfahrtbundesamt die notwendige Genehmigung erteilt und diese Nachrüstsätze in die betroffenen Pkw eingebaut werden können.
Warum hat Herr Scheuer in diesem Bereich so viel Spielraum in der Bundesregierung? Warum gibt es bei dieser Frage keinen Widerspruch aus dem größten Bundesland? Das sind Fragen, die Sie zu beantworten haben.
Ein weiteres Argument von Herrn Scheuer in aller Kürze: Er behauptet, Hardwarenachrüstungen würden dazu führen, dass es zu einem erhöhten Verbrauch und zu einem erhöhten Schadstoffausstoß kommt. Dazu gibt es eine bemerkenswerte ADACLangzeitstudie, die genau diese Zahlen widerlegt.
Stattdessen setzt die Bundesregierung auf Flottenerneuerung, also auf den Neukauf von Pkw. Dazu – ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten – sagt Herr Frank Mund, Präsident des Kraftfahrzeuggewerbes in Nordrhein-Westfalen: Das ist eine kalte Enteignung. Auf den Wertverlusten bleiben die Käufer, aber auch die Händler hängen. – So die Aussagen von Herrn Mund in der „WAZ“ vom 3. November 2018. Deswegen wollen wir von der Landesregierung wissen: Warum setzen Sie sich nicht für die konsequente Hardwarenachrüstung ein?
Zum Schluss noch ein Wort zur Umweltministerin Frau Heinen-Esser: Sie sind hier mit vielen Vorschusslorbeeren ins Amt gestartet. Es wurde gesagt: Eine schwarz-grüne Ministerin; der Umweltschutz hat eine neue Stimme im Land. – In Ihrer Reaktion auf das Urteil haben Sie jedoch nirgendwo Luftreinhaltung, Gesundheitsschutz, Umweltschutz etc. erwähnt.
Sie haben stattdessen nur darauf hingewiesen – dies noch als schneller letzter Satz; ich sehe, meine Zeit ist um –,
dass es sich um einen massiven Eingriff in die Verkehrsstruktur der Stadt Köln mit ganz erheblichen Auswirkungen für Anwohner, Pendler und den gesamten Wirtschaftsstandort Köln handele. Das Gericht habe die Frage der Verhältnismäßigkeit nicht dargelegt; aus diesem Grund würden Sie selbstverständlich in Berufung gehen.
Frau Heinen-Esser, solche Aussagen sind einer Umweltministerin, die ihr Amt ernst nimmt und der es um
Sie sind eindeutig unter der von Ihnen gelegten Latte hindurchgesprungen, und ich bin sehr gespannt, wie Sie gleich die Fragen der grünen Fraktion zum weiteren Vorgehen beantworten. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.