Protokoll der Sitzung vom 12.07.2017

(Beifall von der SPD)

Interessant ist auch – dazu sage ich aber nur einen Satz –: Heute hat die AfD wieder bewiesen, dass sie in Wahrheit auch eine marktradikale Partei ist. Damit unterscheidet sie sich durchaus, wie wir alle wissen, von anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa. Aber darauf will ich nicht weiter eingehen.

(Christian Lindner [FDP]: War das jetzt eine Frage?)

Zurück zur CDU: Dort sitzt – übrigens guten Tag, Herr Mathies – der neue Staatssekretär im Bereich Innen. Ich möchte hier eindeutig sagen: Jeder, der sich mit dem Wohnungsaufsichtsgesetz nur eine Minute am Beispiel der Ruhrgebietsstädte auseinandergesetzt hat, weiß: Für das Thema „innere Sicherheit“ ist das Wohnungsaufsichtsgesetz ein sehr wertvolles Instrument, um nicht nur der Unterdrückung von Menschen in heruntergekommenen Häusern zu begegnen, sondern auch denen das Handwerk zu legen, die ihre Wohnungen und Häuser verkommen lassen – zulasten der Menschen in unserem Land.

(Beifall von der SPD)

Auch wenn Sie das immer wegdrücken: In einer Enquetekommission – das sage ich dem Kollegen der FDP-Fraktion, Herrn Paul – haben wir uns intensiv mit dem Thema beschäftigt. Immerhin hat die FDPFraktion nicht dagegen gestimmt.

Die CDU-Fraktion hat gesagt, dass nur 1 % in Nordrhein-Westfalen betroffen ist. Es stimmt, dass es nicht so viele sind. Aber 1 % bedeutet: Da wohnen Hunderte, Tausende von Menschen.

Ich bitte Sie sehr darum, lieber Herr Mathies, lieber Herr Reul, dass sich die „Innenpartie“ in diese Debatte einmischt. Denn wenn Sie sich einmal vor Ort damit auseinandersetzen, dann sehen Sie, welche Hilfestellung das ist. Die Polizei hat selber gesagt hat: Gut, dass es die „Wohnungspolizei“ und die Wohnungsaufsicht gibt. Das hilft uns, um kriminelle Machenschaften zu stoppen. Ich bitte um Ihren Einsatz, das zu unterstützen.

(Beifall von der SPD)

Zum Thema „Großstadt“: Ja, ich befürchte in der Tat, dass jetzt ein Schwenk hin zu einer Politik rein für den ländlichen Raum kommt. Deshalb möchte ich als Großstädter hier eines deutlich machen:

Sie müssen sich schon auch mit der Frage von Gentrifizierung, von Verdrängung und Gettobildung auseinandersetzen. Sie müssen sich auch mit den entsprechenden wissenschaftlichen Studien auseinandersetzen. Dazu gehört unter anderem eine Studie, die besagt – was ziemlich klar ist –: Je mehr Eigentumsumwandlung in Quartieren stattfindet, desto problematischer wird am Ende die Situation.

Selbstverständlich ist Eigentumsbildung richtig. Eigentumsbildung ist am Beginn von Gentrifizierungsprozessen notwendig.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Herr Lindner, sie ist notwendig, damit es Entwicklung gibt. Wenn aber Quartiere komplett umgefallen sind, weil es dort nur noch Eigentum gibt, dann werden wir keine Mischung haben. Sie können sich in Frankreich, unter anderem in Paris, ansehen, was passiert, wenn man diese einseitige Politik macht.

(Beifall von der SPD – Christian Lindner [FDP]: Das ist absurd!)

Herr Kollege Ott.

Ich möchte nur sagen: Es ist gut, dass wir viele Wissenschaftler in diesem Land haben, die genau solche Hinweise geben. Wir brauchen die Schutzinstrumente, damit in den Städten eine flexible Stadtentwicklungspolitik stattfinden kann. Wir haben Ermöglichungspolitik betrieben.

Herr Kollege Ott.

Da, wo Gentrifizierung kein Thema ist, muss man auch keine zusätzlichen Verordnungen erlassen.

Herr Paul, ich lade Sie herzlich ein in die Kölner Innenstadt, insbesondere in die Bereiche, wo die Mieten so gestiegen sind, damit Sie sich aus erster Hand informieren und ein Bild machen können, wie die Lage vor Ort ist.

Herr Kollege Ott.

Ich komme zum Ende.

Nein, ich wollte Sie unterbrechen, weil es den Wunsch nach einer Zwischenfrage gibt.

Ja, bitte.

Diese kommt von Herrn Beckamp von der AfD.

Vielen Dank. – Herr Ott, Sie haben gerade die interessante Aussage getroffen, dass der Wechsel des Eigentümers einer Wohnung oder mehrerer Wohnungen der Anfang einer problematischen Kette im Rahmen der Gentrifizierung sei. Könnten Sie das kurz aufklären?

Wieso ist, wenn der SPD-Landtagsabgeordnete mehrere Wohnungen besitzt, die von einem Abgeordneten der Grünen gekauft werden – der Eigentümer zieht ja dann nicht ein –, der Eigentumswechsel ein Problem?

Ich weiß, dass das vielleicht etwas schwer zu verstehen ist, aber ich versuche es einmal am Beispiel von Herrn Prof. Dr. Friedrichs von der Universität Köln, der eine sehr interessante Studie zur Frage der Gentrifizierung in dieser großen Stadt durchgeführt hat. Er hat sich bestimmte Quartiere herausgenommen – darüber ist auch groß in den Medien berichtet worden, das haben Sie vielleicht wahrgenommen – und beschrieben: Was sind die Effekte und was die Entwicklungen im Bereich der Gentrifizierung?

Er stellt fest: Zur Aufwertung und zur Entwicklung von problematischeren Stadtteilen kann die Umwandlung in Eigentumswohnungen ein sehr wichtiges Instrument sein – neben Städtebauförderung, neben Entwicklung, neben Modernisierung der kommunalen, der öffentlichen Gebäude –, weil die Eigentümer mit

dafür sorgen und dazu beitragen, dass sich dieses Quartier entwickelt.

(Roger Beckamp [AfD]: Das ist gut!)

Das ist gut. Das habe ich auch gesagt.

Dann beschreibt er den Prozess: Was passiert, wenn das immer so weitergeht? Wir können das heute insbesondere in Teilen Südamerikas, in Teilen von Paris, in Teilen von Nordamerika sehen: Wenn das ganze Quartier in Eigentum umgewandelt ist, dann ist eine Situation entstanden, die auch nicht mehr gesund ist. Es gibt dann keine lebendige Mischung mehr, weil das Quartier in die andere Richtung umgefallen ist.

Eine kluge Stadtentwicklungspolitik sorgt dafür, dass die nötige Mischung erhalten bleibt. Denn wenn auf der einen Seite ein Getto entsteht, entsteht es eben auch auf der anderen Seite. Deshalb ist verantwortliche Quartierspolitik nicht nur aus dem Blickfeld des ländlichen Raums zu betrachten, sondern wir müssen die Großstädte ganz besonders anschauen. Denn wir haben, wie Sie selber in den letzten Monaten gesagt haben, in manchen Stadtteilen natürlich Schwierigkeiten. Das müssen wir in den Griff bekommen und für Lösungen sorgen.

Insofern habe ich vielleicht dazu beigetragen, den Sachverhalt auch den CDU-Kollegen noch einmal zu erläutern.

(Beifall von der SPD)

Meine Bitte ist – und darauf wird es ankommen –, dass Sie sich, Herr Laschet, nicht jagen lassen von einer neoliberalen Strategie, die am Ende nur zu einem führt, nämlich zu einer weiteren Problematisierung in den Städten unseres Landes zulasten der meisten Mieterinnen und Mieter, die sich schon heute die Wohnungen an vielen Stellen nicht mehr leisten können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Christian Lindner [FDP]: Barbara Hendricks macht das Wohnen teurer, als die Neoliberalen das tun! – Zurufe von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Ott. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit kann ich die Aussprache zum Tagesordnungspunkt 8 schließen.

(Zurufe von der FDP – Unruhe)

Die FDP-Fraktion hätte noch 19 Sekunden Redezeit. – Okay.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Die Debatte ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung erstens über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Drucksache

17/69. Die antragstellende Fraktion hat eine direkte Abstimmung beantragt. Wer also dem Inhalt des Antrages mit der Drucksachennummer 17/69 zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfDFraktion. Gibt es Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist der Antrag Drucksache 17/69 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Wir kommen zur zweiten Abstimmung, der über den Antrag der SPD-Fraktion Drucksache 17/81. Auch hier ist direkte Abstimmung beantragt worden. Wer also diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Wer stimmt dagegen? – CDU, FDP und die AfD-Fraktion. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist auch der Antrag Drucksache 17/81 mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich schließe Tagesordnungspunkt 8 und rufe auf:

9 Gesetz zur Änderung des Landesbeamtenge

setzes Nordrhein-Westfalen und weiterer landesrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 17/78

erste Lesung