Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In genau vier Monaten wird Großbritannien die Europäische Union verlassen. Wir verlieren damit nicht nur einen unserer wichtigsten Handelspartner, sondern auch einen engen Verbündeten innerhalb der Europäischen Union.
Der Europaminister ließ mitteilen, er habe jetzt eine ministerielle Arbeitsgruppe zum EU-Austritt Großbritanniens eingesetzt. – Respekt, Herr HolthoffPförtner!
Der Wirtschaftsminister freut sich auf die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Folgenabschätzung, die im nächsten Frühjahr vorgelegt werden soll. – Alle Achtung, Herr Professor Pinkwart!
Während sich diese Landesregierung also allergrößte Mühe gibt, voreilige Entscheidungen zu vermeiden, sind mittlerweile der Brexit und die Folgen schon mitten in Nordrhein-Westfalen angekommen, zum Beispiel bei Ford in Köln – einer unserer letzten großen Pkw-Hersteller hier in Nordrhein-Westfalen mit rund 20.000 Beschäftigten.
Ich habe vor Kurzem das Werk besucht und mit dem Betriebsrat gesprochen. Die haben mir gesagt: Mittlerweile ist die Fiesta-Produktion um 30 % eingebrochen. Sie schaffen es aufgrund der Wechselkursänderungen nicht mehr, in Großbritannien auch nur einen Fiesta zu verkaufen. Das ist alles schon eine Vorstufe der Brexit-Auswirkungen. Die Menschen, die Beschäftigten dort sind in großer Sorge.
Ich glaube: Sie sind zu Recht in großer Sorge, denn die Lage kann sich noch verschlimmern, wenn Großbritannien die EU ohne Übergangsabkommen verlässt. Die politische Dynamik ist im Augenblick sehr groß. Wir alle wissen nicht, wie sich das britische Parlament in den nächsten Tagen dazu verhalten wird.
Lassen Sie mich vorab auch sagen: Keine Landesregierung allein könnte die Schockwellen abfangen, die ein harter Brexit auslösen würde– ganz gleich, wie man sich auf den 29. März vorbereitet.
Das Problem dieser Landesregierung ist allerdings: Sie tut nur so, als ob sie sich auf den Brexit vorbereiten würde.
Brexit-Gesetz, Brexit-Beauftragter, Brexit-Büro in London – alles nur Luftnummern, die für diese Regierung Laschet geradezu stilbildend sind, meine Damen und Herren:
Regieren als Politiksimulation und nur als PR-Event. Wenn der Inhalt stimmt, wäre mir die Verpackung egal. Aber wenn nicht einmal die Verpackung stimmt, ist Ihre gesamte Brexit-Politik nichts anderes als eine Mogelpackung.
Fangen wir an mit dem Brexit-Beauftragten. Die Bestellung des Brexit-Beauftragten sorgte für viele Sendeminuten im Fernsehen und viele Schlagzeilen in den Medien. Ich glaube, das war der alleinige Zweck der Berufung von Herrn Merz.
Nach Ihrer Einschätzung, Herr Laschet, hat Herr Merz an seinem ersten Arbeitstag schon alles erledigt, was Sie von ihm erwartet haben. Eine große PR-Nummer, mehr steckt, glaube ich, nicht dahinter.
Was Herr Merz als Brexit-Beauftragter eigentlich genau macht, weiß bis heute niemand so richtig. Wir haben mehrfach in den Ausschüssen nachgefragt. Ich habe auch nicht die Vorstellung, dass Sie genau wissen, was Herr Merz alles so machen soll.
Die nächste Luftnummer war das Londoner NRWBüro, das wieder mit viel PR-Klimbim vermarktet wurde. Nach einer WDR-Recherche stellt sich heraus: Es gibt kein NRW-Büro in London. Auch das war ein Schwindel. Es gibt nur einen Dienstleistungsvertrag mit einer Public-Affairs-Agentur, die ihren Sitz in Tonbridge hat, einem 40.000-Einwohner-Städtchen. Dieses Städtchen hat übrigens damals sogar mit 55 % für den Brexit gestimmt.
Ich frage Sie, Herr Laschet: Warum dieser Schwindel auch hier? Ich kann Ihnen die Antwort geben: Weil diese Landesregierung schon wieder besser erscheinen will, als sie es in Wahrheit ist.
Herr Laschet, ich muss es in aller Deutlichkeit sagen: Die Menschen in diesem Land merken – Ihnen und Ihrer Regierung ist nicht zu trauen. Es ist nicht das erste Mal, dass Sie hier in Nordrhein-Westfalen beim Schwindeln erwischt worden sind.
Lassen Sie mich noch ein Wort zum Brexit-Gesetz der Landesregierung selbst sagen. Da wird eine Austrittsvereinbarung geregelt, die in nationales Recht überführt werden muss; eine Formalie, das muss man machen – geschenkt.
Aber wo haben Sie Ihre Strategie für die zukünftigen Beziehungen zu Nordrhein-Westfalen? Welche konkreten Maßnahmen, Projekte, Schritte brauchen wir jetzt, um trotz des EU-Austritts ein enger Partner Großbritanniens zu sein – übrigens nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch und kulturell?
Unsere jungen Menschen wollen wissen: Kann ich den Schüleraustausch, kann ich mein Studium demnächst in Großbritannien noch so durchführen, wie man das bislang gewohnt war? – Fehlanzeige bei dieser Landesregierung, keine Sicherheit für diese Menschen!
Gewiss, wir können auf Landesebene nicht alles reparieren, was auf der europäischen Ebene zerbrochen ist. Aber wir können doch weitaus mehr tun, als nur blutleere und unpolitische Rechtsvorschriften zu beglaubigen.
Erinnern wir uns: Vor einem Monat sind rund 700.000 Engländer, Schotten und Waliser auf die Straßen Londons gegangen, um gegen den Brexit zu demonstrieren. Ihre Forderungen sollten doch unsere Hoffnung sein.
Auch wenn ihre Hoffnung vielleicht vergebens ist, sollten wir diesen jungen Menschen in Großbritannien eine unüberhörbare Botschaft senden: Für uns bleibt ihr europäische Mitbürgerinnen und Mitbürger. Ihr seid in Nordrhein-Westfalen immer willkommen – sei es, um hier zu arbeiten, einen Beruf zu erlernen oder um hier zu studieren.
Formal mögt ihr vielleicht demnächst Nicht-EUAusländer sein. Aber wo immer es uns möglich ist, werden wir euch nicht so behandeln wie Nicht-EUAusländer. Wir wollen eure Bildungs- und Berufsabschlüsse anerkennen, und wir werden von euch auch keine Studiengebühren verlangen, nur weil ihr jetzt Nicht-EU-Ausländer seid.
Vielleicht ist das auch eine Gelegenheit, Herr Ministerpräsident, noch einmal generell über den Quatsch der Studiengebühren für Nicht-EU-Ausländer nachzudenken.
Aber es gibt weitere Beispiele, wo die Landesregierung aktiv werden könnte. Den wirtschaftlichen Bereich hat mein Kollege Klocke gerade schon angesprochen.
Was ist mit der Vertiefung von Städtepartnerschaften, Austauschprogrammen für Schulen, für Regelschulen, für Berufsschulen, für Schülerinnen, Schüler, Lehrerinnen und Lehrer? All das könnte man machen.
Nicht zuletzt geht es um Vereinbarungen mit Universitäten, Kooperationen mit Kulturinstituten, mit Sicherheitsbehörden. All das muss zukünftig noch geregelt werden.
Meine Damen und Herren, die Landespolitik kann nicht europäische Geschichte umschreiben. Aber sie könnte weit mehr tun, als sich diese Landesregierung zutraut. Hören Sie auf, Politik zu simulieren. Fangen Sie endlich an, Politik zu gestalten, Herr Laschet. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das sehr bedauerliche Referendum in Großbritannien zum Brexit hat am 23. Juni 2016 stattgefunden. Damals regierte hier noch eine rot-grüne Landesregierung.
Bis zum Regierungswechsel im Juni 2017 hat das Land exakt nichts getan, um sich auf die Folgen dieser historischen Fehlentscheidung vorzubereiten.
(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von der SPD: Ist das langweilig! – Michael Hübner [SPD]: Da war Herr Tritschler besser! – Wei- tere Zurufe von der SPD)
Nordrhein-Westfalen hatte von 2010 bis 2017 auch keine Europapolitik, jedenfalls hat sie niemand wahrgenommen. Nordrhein-Westfalen hatte eine Regierung, über die vor allem unter dem Begriff der Selbstverzwergung berichtet wurde.
Anders seit dem Sommer 2017: Wir wissen, dass Nordrhein-Westfalen nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kulturell, sozial und politisch mit seinen Nachbarn – dazu zählt auch Großbritannien – sehr eng verbunden ist.
Das alles wird deutlich in einer ganz klar erkennbaren Politik. Ich sage nur: NRW/Benelux, der Ministerpräsident ist deutsch-französischer Kulturbeauftragter, der Europaminister hat den Vorsitz in der Europaministerkonferenz.
Wir machen wirtschaftliche Kooperationen mit allen Ländern, in denen es schwerpunktmäßig – von Polen bis anderswo – um unsere Interessen, um die Interessen unserer Wirtschaft, um Arbeitsplätze, um Zukunft geht.