Protokoll der Sitzung vom 30.10.2018

Die Frauenhäuser sind schon seit Jahren überlastet. Allein in Köln mussten die Frauenhäuser im letzten Jahr 700 Frauen abweisen. Und wir wissen ja: Nur die wenigsten wenden sich überhaupt an ein Frauenhaus.

Ja, Ministerin Giffey hat sich jetzt der Problematik angenommen. Sie will das Schweigen brechen. Dann sollten wir an dieser Stelle auch über ein anderes Tabu sprechen: die Frage nach Gewalt gegen Frauen und Mädchen durch Täter, die eben nicht aus Deutschland stammen.

(Zurufe von der SPD: Ah! Jetzt kommt es!)

Genau. – Es ist richtig: Statistisch betrachtet, haben zwei Drittel aller identifizierten Täter die deutsche Staatsbürgerschaft. Lediglich ein Drittel der Täter sind keine Deutschen. Allerdings haben lediglich knapp 12 % aller in Deutschland Gemeldeten keinen deutschen Pass. Somit ist das schon eine überproportional große Gruppe.

Natürlich gäbe es auch ohne Zuwanderung Gewalt gegen Frauen. Wenn aber ein Mörder und Vergewaltiger wie Hussein K. seine Taten vor dem Gericht ganz selbstverständlich mit den Worten begründet: „Es war doch nur eine Frau“, fühlen wir uns schon um Jahrzehnte zurückgesetzt.

Oder schauen wir zurück auf die Kölner Silvesternacht. Mir geht es an dieser Stelle nicht so sehr um ein bisher zweifelsohne noch nicht da gewesenes Phänomen, nämlich die sexuelle Demütigung und Vergewaltigung zahlreicher Frauen mitten in der Öffentlichkeit in Gruppen, verbunden mit Diebstählen etc., so eine Art perverses, patriarchales Happening.

Sehr bedenklich und bedauerlich war vor allem, dass angesichts dieses unglaublichen Ereignisses die Frauen nicht Hand in Hand gegen die Gewalt gegen Frauen und patriarchale Ideologien auf die Straße gingen, sondern, wie Alice Schwarzer richtig erkannte, der Sexismus wieder als Nebenwiderspruch einem anderen Problem weichen musste, nämlich dem Rassismus als Hauptwiderspruch.

Kompromisslos und mit riesigem Tamtam wurden im Rahmen der MeToo-Debatte teils läppische Grenzüberschreitungen, die Jahrzehnte vergangen sind, geahndet und mit schwarzem Rollkragenpullover auf der Berlinale Zeichen gesetzt. Andererseits können manche Täter die unglaublichsten Taten begehen und genießen bei den antirassistischen Feministinnen mildernde Umstände.

Während die einen vor lauter Wut über die Täter, die eigentlich nicht hier sein dürften, übersehen, dass Gewalt gegen Frauen sehr wohl auch von deutschen Männern begangen wird, verraten die Feministinnen ihre eigenen Ansprüche an die Freiheit der Frau und finden absurdeste Rechtfertigungen für gewalttätiges Verhalten von Machos, Paschas und Patriarchen, das wir beim weißen Mann niemals tolerieren würden.

(Beifall von der AfD)

Wie so häufig verlieren bei dieser Polarisierung wir Frauen und die Opfer. Wir schwächen das Gemeinsame, den guten Kern, nämlich den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen und Mädchen.

Diese Konflikte haben auch von der allseits akzeptierten und bekannten Frauenrechtsorganisation TERRE DES FEMMES nicht haltgemacht. TERRE DES FEMMES setzt sich gegen Gewalt an Frauen weltweit ein und lehnt unter anderem eine Vollverschleierung der Frau sowie ein Kopftuch für Mädchen ab. Vor diesem Hintergrund musste sich TERRE DES FEMMES allen Ernstes vorwerfen lassen, sie würden rassistische Ressentiments reproduzieren.

TERRE DES FEMMES, „EMMA“ und Co scheinen aktuell von den bekannten Frauenrechtlerinnen die einzigen Schwestern im Geiste zu sein, die nicht bereit sind, die Freiheit der Frau, die über Jahrzehnte erkämpft wurde, einem falsch verstandenen Antirassismus zu opfern.

Brechen wir das Schweigen, und seien wir aufmerksam, offen und hilfsbereit. Es geht nicht nur um Frauenhäuser, sondern jeder Einzelne von uns ist gefragt; denn vermutlich kennt jeder von uns eine Frau, die zu Hause geschlagen wird und die nicht darüber spricht. – Vielen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Scharrenbach.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Rita Süssmuth hat einmal gesagt: „Gewalt ist Analphabetentum der Seele.“ Ich glaube, genau das ist es, worüber wir hier heute sprechen.

In der Tat bin auch ich dankbar für diese Aktuelle Stunde, weil sie den Fokus auf etwas lenkt, das in Nordrhein-Westfalen, aber auch bundesweit nach wie vor ein Thema ist.

Ein besonderes Tabuthema ist die häusliche Gewalt. Die häusliche Gewalt ist in der gesamten Bundesrepublik das Tabuthema Nummer eins. Das Dunkelfeld ist groß. Viele Frauen – Frau Abgeordnete Paul hat darauf hingewiesen – bringen die Übergriffe nicht zur Anzeige, ducken sich verschämt weg und wissen nicht, wie sie damit klarkommen sollen, dass der eigene Ehemann, der eigene Lebenspartner oder die eigene Lebenspartnerin übergriffig geworden ist.

Wir haben als Landesregierung Nordrhein-Westfalen eine Fülle von Maßnahmen dazu auf den Weg gebracht oder fortgesetzt. Ich bin vonseiten der Sozialdemokraten aufgefordert worden, konkrete Verbesserungen zu benennen. Das tue ich, offen gesagt, sehr gerne.

Der Justizminister hat am 1. Dezember 2017 erstmals eine unabhängige Beauftragte für den Opferschutz in Nordrhein-Westfalen berufen. Sie ist die zentrale Ansprechpartnerin für Opfer von Gewalt.

Die Arbeiten in der interdisziplinären Expertengruppe Opferschutz werden fortgesetzt.

Im Bereich Innen/Polizei erfahren wir durch das Polizeigesetz eine Stärkung der Rechte von Opfern. Das folgt dem Grundprinzip einer bürgerlich-liberalen Landesregierung. Es müssen nämlich die Opfer und nicht die Täter geschützt werden. Das ist besonderer Ausdruck unseres Verständnisses.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Im April 2018 gab es auch in Nordrhein-Westfalen eine bundesweite Razzia gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution. Wir haben als Landesregierung mehr als deutlich gemacht, dass wir uns diesem Thema im Besonderen widmen, weil der Menschenhandel im Jahr 2018 immer noch nicht der Vergangenheit angehört.

Es werden nicht nur, wie man häufig glaubt, Frauen mit ausländischem Bezug Opfer von Menschenhandel. Vielmehr gibt es auch deutsche Frauen, die Opfer von Menschenhandel werden. Das ist vor dem Hintergrund der Tatsache, wie offen und frei wir in

dieser Gesellschaft miteinander umgehen, für uns umso unverständlicher. Trotzdem kommt es vor.

Daher werden wir als Landesregierung im Rahmen der kommenden Gleichstellungsministerkonferenz initiativ werden, um dieses Thema noch einmal sehr deutlich und prominent zu fokussieren.

Wir widmen uns – damit komme ich jetzt auf das zu sprechen, was wir in meinem Hause tun – den Frauenhäusern. Wir haben als erste Landesregierung seit vielen Jahren ein Bekenntnis dazu abgegeben, dass es wieder mehr Frauenhausplätze in NordrheinWestfalen geben wird, und vereinbart, dass es mindestens 50 sein sollen. Sie haben dieses Bekenntnis zwar auch abgegeben; in über sieben Jahren haben Sie aber keine Frauenhausplätze geschaffen.

(Lachen von der SPD – Sarah Philipp [SPD]: Beeindruckend!)

Nur fünf Wochen, nachdem wir diese Vereinbarung getroffen haben, gibt es die Zusage für zehn zusätzliche Plätze bis Anfang 2019. Weitere Voranfragen liegen vor. Wir schaffen Frauenhausplätze, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Diese Landesregierung baut zudem Frauenhäuser, und zwar mit Mitteln aus der öffentlichen Wohnraumförderung. Wir unterstützen diejenigen, die Frauenhäuser schaffen wollen. Auch das haben Sie in Ihrer Regierungszeit bedauerlicherweise nicht realisiert.

Wir haben die Frauenhäuser mit mehr Geld ausgestattet, weil wir der festen Überzeugung sind, dass die Frauenhilfeinfrastruktur eine mittel- bis langfristige Finanzierungsperspektive braucht.

Das sind nicht nur Lippenbekenntnisse dieser Landesregierung. Wir haben die entsprechenden Mittel auch in die Haushalte eingestellt. Schon kurz nach Amtsantritt haben wir im vergangenen Sommer 2,5 % mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Zum 1. Januar 2018 haben wir die Sachmittel flexibilisiert. Mitte dieses Jahres haben wir 500.000 Euro mehr in die Frauenhäuser gegeben. Im Jahr 2019 werden wir 400.000 Euro mehr zur Verfügung stellen.

Wir stocken die Gelder für die allgemeinen Frauenberatungsstellen auf. Wir stärken die Frauenhilfeinfrastruktur in der Fläche.

Selbst dabei vergessen wir die Männer nicht. Diese Landesregierung ist die erste Landesregierung, die auch Gewalt gegen Jungen und Männer mehr als in den Blick nimmt und ein klares Bekenntnis zum Aufbau von Schutzinfrastruktur auch für Jungen und Männer abgegeben hat.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Im Frauenausschuss haben wir schon deutlich gemacht, dass wir eine landesweite Bedarfsanalyse

durchführen wollen, um Antworten auf folgende Fragen zu finden: Ist das System in Nordrhein-Westfalen auskömmlich? Reicht es auch in der Fläche? Brauchen wir mehr ambulante Beratungsstellen? Brauchen wir mehr stationäre Beratungsstellen? – Diese Bedarfsanalyse wird im Januar 2019 vergeben werden. Damit wird offenkundig, ob und, wenn ja, wo Versorgungslücken bestehen.

Wir wollen – auch darauf ist hingewiesen worden; das war eine unserer Lehren aus dem Untersuchungsausschuss zur Kölner Silvesternacht – das Dunkelfeld im Bereich der Gewalt gegen Frauen erhellen. Wir müssen dazu beitragen, dass mehr Delikte tatsächlich zur Anzeige kommen. Dieses Thema darf kein Tabuthema mehr sein.

Deswegen werden das Innenministerium, mein Haus und das Landeskriminalamt eine Dunkelfeldstudie in Auftrag geben. Auch dies geschieht erstmals für das Land Nordrhein-Westfalen. Sie haben das damals unter Rot-Grün abgelehnt. Die Anfrage des Landeskriminalamts Niedersachsen, ob Sie teilnehmen wollten, haben Sie erstaunlicherweise abgelehnt.

Wir sind darüber hinaus bundesweit die erste Landesregierung, die in dieser Dunkelfeldstudie auch Gewalt gegen Jungen und Männer mit abfragen wird.

In der Tat sind wir genauso gespannt auf die Ergebnisse wie Sie als Abgeordnete. Denn sobald sie vorliegen, können wir die entsprechenden Maßnahmen umsetzen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Liebe Frau Butschkau, ich habe mich gestern bei der Haushaltsberatung über den Gleichstellungshaushalt schon gewundert. Deshalb hatte ich Sie auch gefragt, ob Sie die Unterlagen für das falsche Haushaltsjahr gelesen hätten. Denn über 2019 haben Sie am gestrigen Tage offenkundig nicht gesprochen.

(Sarah Philipp [SPD]: Das war gestern schon ein Punkt!)

In diesem Zusammenhang, liebe Frau Kollegin Butschkau, zitiere ich Marie de Rabutin-Chantal Marquise de Sévigné:

„Die Tatsache, dass die Menschen mit zwei Augen und zwei Ohren, aber nur mit einem Mund geboren werden, lässt darauf schließen, dass sie zweimal so viel sehen und hören als reden sollten.“

(Beifall von der CDU und der FDP – Sarah Philipp [SPD]: Ist das niveauvoll! Sehr be- zeichnend! – Andreas Kossiski [SPD]: Was maßen Sie sich eigentlich an?)

Denn das, was Sie in Bezug auf die Arbeit der Landesregierung im Bereich Gewalt gegen Mädchen und Frauen, aber auch im Bereich Gewalt gegen