Protokoll der Sitzung vom 24.01.2019

Frau Kollegin Kampmann, Sie sagten: Alle Angriffe, die durchgeführt worden sind, sind keine Kavaliersdelikte. – Da gebe ich Ihnen uneingeschränkt recht.

In dem Zusammenhang gebe ich im Übrigen auch Herrn Bolte-Richter recht, der die Verantwortlichkeit der SPD in der Bundesregierung angesprochen hat. Ihre Bundesjustizministerin ist es, die eine Strafverschärfung in dem Bereich ablehnt. Warum? Das verstehe ich nicht.

Das Strafgesetzbuch weist in dem Bereich Strafbarkeitslücken auf. Das wissen Sie hoffentlich. Das heißt, es gibt bestimmte Tatbestände, die überhaupt nicht unter Strafe gestellt sind. In den meisten Fällen

sind gerade Computerdelikte Antragsdelikte – keine Offizialdelikte –, bei denen der Staat noch nicht mal von Amts wegen ein Interesse an der Strafverfolgung hat.

Da könnte Ihre Bundesjustizministerin einiges tun. Sie könnte die Initiativen, die seit 2016 zum Beispiel aus Hessen gekommen sind – Verschärfung und Schließung von Gesetzeslücken –, aufgreifen und genau das verändern. Aber das will Ihre Bundesjustizministerin leider nicht. Insofern liegt da die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für den Bereich und nicht bei uns.

In dem Antrag fordern Sie außerdem, die Verbraucherzentralen in Nordrhein-Westfalen organisatorisch, strukturell und finanziell zu stärken. Zum Finanziellen kann ich sagen: Es hat gerade wieder eine Erhöhung um 520.000 Euro gegeben.

Was die organisatorischen und strukturellen Maßnahmen und die Aufstellung der Verbraucherzentralen angeht – wir haben verschiedene im ganzen Land –: An 21 Standorten der Verbraucherzentralen in NRW wird Beratung gerade zum digitalen Bereich angeboten. Das ist schon sehr viel.

(Zuruf)

Dann gucken Sie auf die Homepage der Verbraucherzentralen. Da steht etwas anderes. Aber das können wir gerne bilateral klären.

Darüber hinaus gibt es aber auch viele andere Angebote, was die Informationslage und die Prävention angeht, um entsprechend aufzuklären:

Es gibt im LKA die Abteilung 4, das CybercrimeKompetenzzentrum.

Das BSI ist eben schon angesprochen worden.

Das Deutsche Forum für Kriminalprävention ist zwar in vielen Teilen noch in der realen Welt und beim Einbruchsschutz unterwegs, macht aber auch schon einzelne Angebote.

Es gibt also schon eine Vielzahl von Angeboten. In Schulen wird auch schon sehr viel digitale Aufklärung betrieben, unter anderem durch Workshops und Projekte für die Schülerinnen und Schüler.

Das Thema ist sicherlich nicht allein eine Sache der Verbraucherzentralen.

Sie haben in besonderem Maße die Sicherheitsbehörden angesprochen. Ich würde unterschreiben, dass die Sicherheitsbehörden da auch in der Verantwortung sind. Es gibt ja die Kriminalkommissariate Vorbeugung in den 47 Kreispolizeibehörden, die entsprechende Angebote machen könnten. Darüber muss man sicherlich auch reden. Insofern wird in dem Bereich schon sehr viel gemacht.

Vor dem Hintergrund erschließt sich uns Ihr Antrag nicht. Deshalb haben wir einen Entschließungsantrag formuliert, um noch einmal deutlich zu machen, dass das, was von der Landesregierung im Einzelnen im Bereich der Sicherheitsbehörden schon durchgeführt wird, weiter zu stärken und auszubauen ist.

Wir setzen uns im Übrigen genauso wie unsere CDU/CSU-Bundestagsfraktion für eine Schließung der Gesetzeslücken auf Bundesebene ein und hoffen, dass Ihre Bundesjustizministerin das nicht verhindern wird.

Wir sehen aber keine Notwendigkeit, Ihrem Antrag zuzustimmen. Demzufolge werden wir unserem Entschließungsantrag zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Katzidis. – Für die Fraktion der SPD hat Frau Abgeordnete Blask das Wort. Bitte schön, Frau Kollegin.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, der Punkt der klaren Verantwortlichkeit und der besseren Koordination stand natürlich schon in unserem Antrag, und darauf hat Frau Kampmann Bezug genommen.

Herr Braun und Herr Hafke, Sie haben das Thema „Datenarmut“ angesprochen. Dieses Wort gibt es in unserem Antrag gar nicht, sondern es geht um das Thema „Datensparsamkeit“. Herr Hafke, auch Sie haben die Datensparsamkeit in Ihrem Vortrag herausgestellt. Ich denke, dass wir an der Stelle doch eine Gemeinsamkeit haben, dass das Thema „Datensparsamkeit“ sehr wichtig für Verbraucherinnen und Verbraucher ist.

(Florian Braun [CDU]: Nein, Sie haben mir nicht zugehört!)

Das Schlagwort der Prävention findet sich in so vielen Debatten und Politikfeldern wieder, dass man den Eindruck bekommt, es handelt sich dabei mittlerweile um ein bloßes Füllwort. Dass dem nicht so ist, hat der Hackerangriff Anfang des Jahres mit Nachdruck offengelegt. Wenn selbst Menschen unserer Berufsgruppe, die eigentlich Profis im Umgang mit digitalen Medien und damit mit dem Schutz der eigenen Privatsphäre sein sollten, einfach Opfer eines Angriffs werden können, ist das nicht mehr als ein Fingerzeig?

Wir als Bürger und als Internetnutzer legen zu wenig Wert auf Datensicherheit und Privatsphäre im Netz. Warum ist das so? Ich glaube, niemand lässt sich gerne und freiwillig ausspähen. Vielmehr scheint es

uns am richtigen Rüstzeug und am nötigen Wissen zu mangeln, das wir bräuchten, um uns besser zu schützen.

Ein häufiges Argument, das angeführt wird, um die Problematik abzuschwächen, ist das der Generationenfrage. Wir sind älter. Wir sind nicht damit aufgewachsen, sodass wir Probleme haben, uns im grenzenlosen Internet zurechtzufinden. Vor allem die sogenannten Digital Natives – die kommende Generation – hingegen seien im wahrsten Sinne des Wortes geborene Internetcracks, durch jahrelange Sozialisation und durch tägliche Nutzung geschult und in der Lage, ihr digitales Ich auch zu kontrollieren.

Dieses Argument halte ich aus zwei Gründen für fadenscheinig:

Erstens. Diese Generation ist in den 90er- und 2000er-Jahren geboren und wohl kaum diejenige, die zum jetzigen Zeitpunkt große Kaufkraft hat. Da möchte man eher die Babyboomer, die Best Ager, ansprechen.

Zweitens habe ich nicht den Eindruck, dass bei der eben genannten Personengruppe ein besonders ausgeprägtes Bewusstsein für Privatsphäre und Datenschutz herrscht.

Vielmehr scheint der selbstverständliche Umgang im Netz dazu zu führen, dass man sehr bereitwillig etwas von sich preisgibt wie Essgewohnheiten, Reisebilder bei Instagram, die politischen Positionen bei Facebook oder gar intimste Details bei Snapchat.

Ein ganz aktuelles und meines Erachtens sehr eindrucksvolles Beispiel für diese Gedankenlosigkeit ist die sogenannte 10-Years-Challenge. In fast allen sozialen Medien haben in den letzten Tagen und Wochen zig Millionen User weltweit Bilder von sich vor zehn Jahren und heute geteilt.

Erst nachdem die Challenge relativ lange Zeit ihre Kreise gezogen hatte, fragte eine Journalistin in den USA kritisch nach, ob eine solche Challenge nicht ein ideales Tool darstelle, um Maschinen und Algorithmen eine große Menge an Daten für eine funktionierende Gesichtserkennungssoftware zu liefern.

Facebook, das die 10-Years-Challenge initiiert hatte, war natürlich schnell dabei, irgendwelche kommerziellen Intentionen abzustreiten, und behauptete gar, die Idee komme von den Usern selbst und sei von selbst viral gegangen.

Wie dem auch sei: Die Daten sind im Umlauf, und natürlich werden Konzerne wie Facebook und Co. von diesen Daten profitieren.

Ich finde, diese Episode zeigt einmal mehr, dass die Geschichte vom autonomen, heranwachsenden, mündigen digitalen Verbraucher eine Mär ist.

Sie bestärkt mich darin, dass wir eine Verbraucheraufklärung brauchen und dass wir vor allem dem digitalen Verbraucher – egal welcher Generation und mit welchem Hintergrund – endlich ein Rüstzeug und einen Partner an die Seite stellen müssen, um den Möglichkeiten der Konzerne zumindest annähernd ebenbürtig zu sein.

Dieser Partner muss nach Ansicht der Sozialdemokraten der Staat sein. Das Rüstzeug müssen Gesetze und Regelungen sein, die modernen digitalen Infrastrukturen und Möglichkeiten gerecht werden.

Meine Damen und Herren, die EU ist da schon ein ganzes Stück weiter als wir in Deutschland, wo Angela Merkel im Angesicht der NSA-Anhörung noch 2013 den ikonischen Satz abließ: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“

Die Datenschutz-Grundverordnung und die E-Privacy-Verordnung setzen einen Rahmen, in dem man mittels Privacy by Default und Privacy by Design zumindest zwei Angriffspunkte hat, auf deren Umsetzung man setzen sollte.

Dennoch sollten wir uns nicht darauf ausruhen, die Richtlinie aus Brüssel umzusetzen, und es damit für gut zu befinden. Wenn wir wirklich die digitale Souveränität unserer Bürgerinnen und Bürger erreichen wollen – anscheinend will die FDP hier das nicht –, müssen wir uns dem Thema aus verschiedenen Blickwinkeln nähern.

Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen hat dazu drei zentrale Handlungsfelder definiert: erstens die technologischen Rahmenbedingungen für datenintensive Dienstleistungen und Produkte, zweitens die Regulierung der Nutzung personenbezogener Daten zur Stärkung der Verbraucherrechte sowie drittens die Bildung, die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten für den Umgang mit Informationen, Quellen und Daten zu vermitteln.

Ich stimme dem Expertengremium vollumfänglich zu. Nur wenn man diese drei Perspektiven berücksichtigt, kann man wirklich so etwas wie digitale Souveränität – oder anders gesagt: Wahlfreiheit, Selbstbestimmung, Selbstkontrolle und Sicherheit im Internet – gewährleisten.

Meine Damen und Herren, wir denken, dass die Arbeit der Verbraucherzentralen an der Stelle weiterhelfen kann. Wir sollten die Bildung auf die Agenda setzen, Verbraucher zu informieren, und nicht glauben, dass junge Leute ein besseres Verständnis von glaubwürdigen und vertrauenswürdigen Inhalten haben.

Es gilt, aus der digitalen Bildung ein lebenslanges Lernen zu machen. Das bedeutet, dass wir bei den Curricula der Schulen und der Lehrerausbildung genauso ansetzen müssen wie bei Qualifizierungsangeboten für Arbeitnehmer und beim Einsatz von Lotsen und Verbraucherscouts.

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, unserem Antrag zuzustimmen; denn ich glaube, dass wir an der Stelle, wie Herr Hafke sagte, gar nicht weit auseinander sind. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Blask. – Als nächster Redner hat für die Fraktion der FDP Herr Abgeordneter Haupt das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in einem Zeitalter, in dem es für die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes selbstverständlich ist, von zu Hause aus Mails zu bearbeiten, Einkäufe zu tätigen, Urlaubsbilder zu verschicken und per WhatsApp, Instagram und Twitter unsere Außenwelt über all das zu informieren, was wir in unserem Alltag erleben, was wir gerne mit anderen teilen wollen.