Protokoll der Sitzung vom 22.02.2019

Kollege Neumann hat gesagt: Warum denn kein Gesetzentwurf, sondern nur ein Entschließungsantrag? Wo sind die eigenen Ideen? – Sie stehen doch ganz konkret im Entschließungsantrag drin.

Ich gehe auf zwei konkrete Regelungen ein, und zwar zum einen auf das Thema „wöchentliche Höchstarbeitszeit statt täglich festgeschriebener Arbeitszeit“ und zum anderen auf das Thema „Verkürzung der Ruhezeit“. Dort besteht erstens ein Tarifvorbehalt, und zweitens soll es nur mit gleichwertigen Ausgleichsruhezeiten zulässig sein.

Deswegen kurz zusammengefasst: Wir wollen mit diesen Vorschlägen die Chance der Digitalisierung besser nutzen, gleichzeitig aber auch den Beschäftigten mehr Freiheit bei der Gestaltung ihrer Arbeitszeit ermöglichen. Sie können gerne weiter in der Vergangenheit leben. Wir richten den Blick nach vorn. – Danke schön.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Vielen Dank. – Für die AfD spricht nun der Abgeordnete Herr Dr. Vincentz.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Meines Erachtens muss man sich diesem Thema in mehreren Schritten nähern.

Auf der einen Seite ist es immer wieder erschreckend, was für ein Bild bei der SPD vorherrscht, wenn es um die Betrachtung von Arbeitgebern geht. Da hat man stets den Eindruck, dass – so stellen Sie es in dieser Angstmacherei ja dar – das Großkapital die Arbeitnehmer frisst.

Sie sind in diesem Bereich sehr unauffällig. Aber Ihre europäischen Kollegen der Arbeiterparteien verquicken das dann auch gerne mal mit einem sekundären Antisemitismus. Zum Beispiel driftet Kollege Corbyn hin und wieder in ganz gefährliche Gewässer ab, wenn er über Großkapital spricht.

(Josef Neumann [SPD]: Warum sagen Sie das dann?)

Wie gesagt, möchte ich Ihnen das jetzt nicht anlasten. Das mache ich mir an dieser Stelle nicht zu eigen.

Es ist aber ein sehr gefährliches Fahrwasser, in das Sie sich begeben,

(Karl Schultheis [SPD]: Kennen Sie sich damit nicht besser aus?)

wenn Sie diese Zerrbilder entstehen lassen und wenn Sie in dieser Art und Weise auf einmal die Menschen aufhetzen und gegen die Arbeitgeber in Stellung bringen.

(Beifall von der AfD – Zurufe)

Da oben geht schon wieder die Muppet Show los.

Das ist einer der Punkte. Sie müssen leider akzeptieren, dass es auch auf der linken Seite einen Antisemitismus gibt.

(Michael Hübner [SPD]: Was soll das denn jetzt? Was Sie hier machen, ist ja völlig über- flüssig!)

Auch Sie sind in der Verantwortung, sich dagegen zu stemmen.

(Beifall von der AfD)

Schauen wir uns einmal an, wie das Arbeitsrecht heute aussieht. Tatsache ist doch: Im Jahr 2017 wurden 2,1 Milliarden Überstunden geleistet. 1 Milliarde davon wurden überbezahlt. Im Dunkelfeld steht noch eine ganze Reihe weiterer Überstunden an, die gar nicht so aufgefasst werden. Da funktionieren doch Arbeitsrecht, so wie Sie sich das vorstellen, und Arbeitsschutz, so wie Sie sich das immer noch aus Sicht der Menschen an den Hochöfen vorstellen, schon heute nicht mehr.

Was bringt den Menschen denn das verbriefte Recht auf diesen Arbeitsschutz, das Sie festschreiben wollen, wenn überhaupt keine Kontrolle stattfindet und gar keine Sanktion erfolgt? Was haben die Menschen davon, dass Sie jetzt wieder ein verbrieftes Recht dafür festschreiben wollen, wenn Sie das gar nicht durchsetzen können, weil dafür gar nicht die Möglichkeiten da sind?

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Guter Auftritt!)

Passen Sie doch endlich das Arbeitsrecht so an, wie es jetzt gefordert ist. Das wäre tatsächlich zeitgemäß.

(Beifall von der AfD)

Herr Mostofizadeh, Sie haben es gerade selber beschrieben. Die Zustände sind doch so. Die Menschen gehen dann bis spätabends arbeiten und müssen aufgrund des Fachkräftemangels morgens wieder zur Arbeit erscheinen. Das ist bei Ihnen in der Pflege so. Das ist bei uns Ärzten genauso. Bei 24Stunden-Schichten ist es nun einmal so. Wer operiert dann nachts die Menschen? Das findet doch längst statt. Sie wollen festschreiben, dass das weiterhin im Dunkelfeld stattfindet.

Geben Sie doch wenigstens den jungen Leuten die entsprechenden Möglichkeiten. Geben Sie den Fachkräften die Möglichkeit, das von vornherein auch so auszuhandeln, wenn die entsprechenden Möglichkeiten im Rahmen des europäischen Arbeitsrechts bestehen.

Das ist doch keine – wie Sie das darstellen – Orbánisierung des deutschen Arbeitsrechts. Wir bleiben doch bei Wochenhöchstarbeitsstunden.

Aber geben Sie den jungen Leuten die Möglichkeiten, das wenigstens von vornherein auch zu auszuhandeln. Die Situationen sind doch längst schon so, dass diese Arbeitsschutzmaßnahmen gar nicht mehr eingehalten werden.

(Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Geben Sie doch den Leuten die Möglichkeit, das von vornherein im Arbeitsvertrag so festzuhalten und es an die Realität anzupassen.

(Zurufe von Frank Müller [SPD] und Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Die Bundesrepublik ist nicht mit den Möglichkeiten – so wie Sie das wieder darzustellen versuchen – des Amtsflurs gleichzusetzen. Gucken Sie sich die jungen Leute in den digitalisierten Unternehmen an. Sie arbeiten in Programmier-Runs teilweise 24 Stunden am Stück. Das geschieht aktuell alles im Dunkelfeld. Es ist derzeit so, dass da keiner genau hinschaut.

Geben Sie doch bitte aufgrund der europäischen Möglichkeiten den Leuten das Recht, das von vornherein arbeitsvertraglich so festzuhalten. Schieben

Sie es nicht in die Illegalität ab. Geben Sie den Leuten die Möglichkeit, genau das von vornherein auszuverhandeln. Das trägt dann gerade der Situation von jungen Leuten Rechnung.

Ich bitte Sie: Glauben Sie doch einmal ein bisschen an den Markt. Pflegekräfte bekommen heute Kopfpauschalen schon allein dafür, dass sie die Probearbeitszeit überstehen. Vertrauen Sie doch einmal ein bisschen darauf, dass der Markt das dann regelt.

Wenn Sie eine Pflegekraft einstellen wollen und die Pflegekraft dann die Möglichkeit hat, das von vornherein auszuhandeln: Warum denn nicht? Dann gibt es eben die entsprechenden Möglichkeiten.

Mit dem, was Sie da machen, richten Sie den Blick in die Vergangenheit. Das, was Sie da machen, findet so überhaupt nicht mehr statt. Hallo! Wir sind im Jahre 2019 und nicht mehr im Jahr 1880. Es ist unfassbar, was Sie da machen.

(Beifall von der AfD)

Herr Dr. Vincentz, Sie haben sich im ersten Teil Ihrer Rede gegenüber den Kolleginnen und Kollegen der SPD unparlamentarisch geäußert. Ich muss Sie diesbezüglich ermahnen.

(Andreas Keith [AfD]: Das kann gar nicht sein!)

Meine Damen und Herren, nun darf ich für die Landesregierung Herrn Minister Laumann das Wort erteilen.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Debatte ist vor allen Dingen von SPD und Grünen viel gesagt worden, was man mit unserem Antrag gar nicht verbinden kann.

Erstens ist nach diesem Antrag völlig klar, dass das deutsche Arbeitszeitgesetz, wie es heute besteht, Realität und Grundlage ist.

In diesem Zusammenhang will ich darauf hinweisen, dass das heutige Arbeitszeitgesetz in Deutschland 25 Jahre alt ist.

(Zuruf von der SPD: Kein schlechtes Alter! – Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD]: Es scheint sich ja bewährt zu haben!)

Ich kann mich deswegen gut daran erinnern, weil es das erste Gesetz war, bei dem ich damals als junger Abgeordneter Berichterstatter meiner Fraktion im Deutschen Bundestag war. Das ist ein Vierteljahrhundert her.

Wir haben damals ein Arbeitszeitgesetz bezogen auf die damalige Situation der Wirtschaft gemacht. Es war im Übrigen auch damals stark umstritten. Jetzt sind wir 25 Jahre weiter. Es wird doch wohl niemand

allen Ernstes sagen können, dass die Arbeitswelt in Deutschland heute noch so ist wie vor 25 Jahren.

(Zuruf von der AfD: Die SPD macht das!)

Jetzt sage ich Ihnen auch ganz ruhig, dass dieses Arbeitszeitgesetz, das damals richtig war, für die allermeisten Branchen in Deutschland auch heute noch eine Grundlage ist, mit der sie gut zurechtkommen.

(Nadja Lüders [SPD]: Es geht nicht um die Branchen, sondern um die Arbeitnehmer!)