Protokoll der Sitzung vom 20.03.2019

Rekordumsatz von 1,4 Milliarden Euro – 100 Millionen Euro mehr, als beim Bund vorgesehen war. Dieses Niveau zu halten, ist keine Kleinigkeit. Die Quick Wins sind eingesammelt. Das über die Jahre fortzusetzen und weiter zu erhöhen, ist schon eine Riesenherausforderung für das operative Geschäft bei Straßen.NRW.

Es wird alles nicht funktionieren, es wird alles nicht gelingen, wenn wir die zweite große Herausforderung nicht in den Griff bekommen, nämlich den demografischen Wandel mit seinem Fachkräftemangel. In den nächsten fünf Jahren gehen 77 % mehr Kolleginnen und Kollegen bei Straßen.NRW in Ruhestand als in den letzten fünf Jahren. Während früher der Staat – Straßen.NRW, viele Kolleginnen und Kollegen kommen auch von den Landschaftsverbänden – eine sichere Bank war, war die Bauwirtschaft, war das Baugewerbe unsicher und zyklisch. In Anbetracht der Rekordsummen, die alle Ebenen investieren, ist heute auch ein Job im Ingenieurbüro im Baugewerbe, in der Bauwirtschaft und Bauindustrie sicher und im Übrigen deutlich besser bezahlt. Selbst die Kommunen zahlen besser als wir.

Der neue Tarifabschluss ist schön, aber er wird die im Prinzip vorhandene Unwucht zu unseren Lasten nicht beseitigen können. Deswegen ist der Wettbewerb schon unter den bisherigen Rahmenbedingungen keine Kleinigkeit.

Jetzt kommt der Bund mit seiner Autobahngesellschaft noch obendrauf. Der Bund – ich habe das auch an anderer Stelle schon mal gesagt – ist ja zum Erfolg verdammt. Wenn er den Ländern sozusagen die Auftragsverwaltung kündigt, dann muss er zeigen, dass er es besser kann.

Ich wäre froh, wir hätten heute schon einen Tarifvertrag. Ja, es gibt insofern Fragezeichen bei den Mitarbeitern, weil der Bund noch keinen Tarifvertrag abgeschlossen hat. Es wird sicherlich ein auskömmlicher

Tarifvertrag sein. Damit wird ein neuer, noch stärkerer, aggressiverer Wettbewerber auf den Arbeitsmarkt treten. Die Herausforderung wird also nicht kleiner, sondern größer.

Die dritte Herausforderung ist die Übertragung der Autobahnen selbst. Gesetzesbeschlüsse sind

schnell gemacht. Es war ja Ihre Regierung, die dem zugestimmt hat. Jetzt kommt die Umsetzung, und das bei Aufrechterhaltung des Anspruchs „Bauhochlauf“. Das ist in der Tat ein Thema, dem man sich in aller Ruhe mit einem weiteren Direktor widmen kann und widmen muss.

Es ist ein enormer Transformationsprozess. Wir haben hier in der letzten Debatte darüber gesprochen, dass wir bei der Standortauswahl ganz gut weggekommen sind und attraktive Standorte in der Nähe sind. Das ist auch gut für die Mitarbeiter. Dass sie keine „Kinderlandverschickung“ zu bewältigen haben, ist schon Teil der Beschlüsse.

Dieser ganze Wechsel muss administriert werden, das alles muss gelebt werden, gemeinsam mit den Personalräten und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das alles muss on top zum Tagesgeschäft erfolgen, bei dem unsere Erwartungen auch höher geworden sind.

Jetzt sagen Sie, das soll doch bitte alles eine Person erledigen: die Organisation des weiteren Bauhochlaufs, die strukturelle Veränderung und den Kampf um die besten Köpfe. Das ist das, was Sie hier heute in den Raum stellen. Es soll bitte alles so bleiben und alles Weitere immer obendrauf, immer obendrauf. Ich vermute, Sie wären die Ersten, die das kritisieren würden, wenn es schiefginge.

Darum geben wir eine andere Antwort. Wir heben die B3-Stelle des bisherigen Abteilungsdirektors auf B6. In meinem früheren Leben wusste ich auch nicht, was das heißt, deswegen will ich es gerne erläutern: Die Hebung von B3 auf B6 bedeutet zwischen 1.400 und 1.500 Euro mehr im Monat. Darüber kann man eine Aktuelle Stunde machen. Es liegt nicht an mir, das zu kritisieren, aber das ist im Kern das, worüber wir heute sprechen.

Wir finden es klug, einen zweiten Direktor zu implementieren, der sich mit diesen großen Herausforderungen beschäftigt, damit sich die bisherige Direktorin Frau Sauerwein-Braksiek, die einen prima Job macht, auch in Zukunft auf das Kerngeschäft konzentrieren kann und er ihr den Rücken freihält. Sie wird im Übrigen, auch das ist vor einem Jahr kommuniziert worden, Sprecherin des Direktoriums und bekommt damit wieder eine herausgehobene Position.

Wir sind überzeugt, dass wir so die Schlagkraft von Straßen.NRW erhöhen. Sie werden das kritisch begleiten. Ich freue mich auf die Debatten. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die SPD hat nun der Abgeordnete Herr Ott das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zunächst einmal ist die Kritik am Präsidenten wegen der Aktuellen Stunde nicht nachzuvollziehen. Der Präsident hat ja erklärt, dass das Thema in der letzten Woche noch einmal sehr stark in den Medien vertreten war. Dann kann man hier auch darüber diskutieren.

Vorab möchte ich zwei, drei Punkte benennen, die man grundsätzlich im Vorfeld erläutern sollte:

Erstens. Ich bin mir sehr sicher, dass Herr Seehofer, der in den letzten Jahren stark auf Gunther Adler gesetzt hat, nun bestätigen kann, dass mit ihm endlich jemand in den Kontext des Verkehrsministeriums kommt, der die Entwicklung der neuen Bundesgesellschaft nach vorne bringen und auch das Miteinander von DEGES und der neuen Gesellschaft organisieren kann. Insofern sind wir vielleicht einen Schritt weiter. Dabei muss die CDU auf Bundesebene allerdings ordentlich mithelfen.

Positiv zu betrachten ist das von allen geäußerte Lob an die Geschäftsführung. Das haben wir auch im Rahmen unserer Beantragung dieser Aktuellen Stunde sehr deutlich gemacht. Es ist ja klar geworden, dass es in der Vergangenheit nicht gut funktioniert hat und mehrere Geschäftsführer gleichzeitig nicht zu einem guten Ergebnis geführt haben. Wenn jetzt alle anerkennen, dass diese Frau an der Spitze des Betriebs einen guten Job gemacht hat, dann ist das auch eine wichtige Botschaft.

Schwierig sind allerdings die Themen, die Herr Middeldorf, aber auch der Minister genannt haben: Fachkräftesicherung, höchste Wertschätzung, Vertrauenskultur. Ist denn nun der Personalrat angehört worden, oder ist der Personalrat nicht angehört worden? Haben die Menschen im Betrieb das Vertrauen auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Ministerium, oder haben sie die nicht? Gibt es ein Organigramm, oder gibt es so etwas wie eine Aufgabenbeschreibung? Ist die eigentlich mitbestimmt und besprochen? Ja oder nein?

Ich will daran erinnern, dass es mindestens drei Gewerkschaften gibt, die im Betrieb unterwegs sind. Von zweien hören wir massive Kritik. Es gebe eben keine Vertrauenskultur, keine Zusammenarbeit und keine Beteiligung an der Geschäftspolitik. – Das darf so nicht sein, meine verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD und Arndt Klocke [GRÜNE])

Ich will gar nicht die sonstige schamlose Personalpolitik im Verkehrsministerium beschreiben.

(Lachen von Josef Hovenjürgen [CDU] – Matthias Kerkhoff [CDU]: Das müssen Sie ge- rade sagen!)

Da werden Fachleute sinnlos umgesetzt, und Fachexpertise spielt keine Rolle mehr. Aber gut, das ist heute nicht das Thema.

Sehr wohl ein Thema ist allerdings: Wenn wir uns darüber einig sind, dass der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur von besonderer Bedeutung ist, dann darf man einen solchen Betrieb nicht sauer fahren, indem man die Beschäftigten verunsichert. Wenn die bisherigen Rahmenbedingungen schon schwierig sind, dann ist es erst recht notwendig, mit dem Personal gut umzugehen, damit man es für die Zukunft hält.

Dazu möchte ich noch auf das Thema „Fachkräftesicherung“ eingehen. Welches Konzept haben Sie eigentlich, um den Übergang vernünftig zu organisieren? Wir verlieren, wenn man so will, die Hälfte der Beschäftigten an den Bund, wissen aber jetzt schon, dass zum Beispiel in Bayern ein Großteil der Beschäftigten der Straßenbauverwaltung eben nicht nach Berlin wechselt, sondern sich einen Job in der Kommune sucht. Das heißt, es wird extrem schwierig, dieses Know-how für die öffentliche Hand überhaupt zu halten.

Zweitens. Was passiert eigentlich im Zusammenspiel – ich hatte es zu Beginn bereits angesprochen – zwischen der DEGES und der neuen Bundesgesellschaft? Sind das dann zwei in einem? Laufen die nebeneinander? Welches Konzept gibt es da? Welche Position hat das Land gegenüber dem Bund?

Drittens. Innerhalb des Landes haben Sie – das ist durchaus nachvollziehbar, weil wir eine beschleunigte Planung gefordert haben – die eine oder andere Planung an Kommunen übertragen. Ein Beispiel ist Hamm. In der letzten Woche ist öffentlich die Planungsvereinbarung über die B 63n, die an Hamm übertragen wurde, vorgestellt worden. Jetzt passiert Folgendes: Die Stadt Hamm schreibt Stellen für Bauingenieure aus. In der Ausschreibung kann man unter anderem lesen – das ist besonders schön –:

„Wir bieten Ihnen

Bei Jobantritt geschenkt: ein Ticket für die härteste Kreuzfahrt Europas – Full Metal Cruise powered bei Wacken Open Air. Weitere Informationen finden Sie …“

Das ist total innovativ. Um Menschen zu gewinnen, bietet man ihnen eine Kreuzfahrt an. So sorgt man dafür, dass sie alles tun, um dorthin zu wechseln. Das an sich kann man ja noch verstehen.

Aber welches Signal soll denn jetzt an die Beschäftigten von Straßen.NRW gehen? Ist es das Signal: „Die eine Hälfte soll sehen, dass sie nach Berlin geht, und die andere Hälfte soll dann diese Angebote in

den Kommunen annehmen“? Das ist doch kein Konzept für Straßen.NRW und die Zukunft dieses Landesbetriebs, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Noch mal: Dass die Stadt Hamm das so macht, ist aus deren Sicht klug und auch schlau, weil sie diese Straße dann beschleunigt geplant bekommt. Aber daran wird deutlich, dass es für die Beschäftigten vollkommen unerklärlich ist, in welche Richtung sich dieser Betrieb entwickelt. An allen Seiten wird gefranst. Ein Konzept gibt es nicht. Anstatt ein Konzept zu erstellen, werden erst einmal neue Posten geschaffen. Das ist nicht die Lösung des Problems bei einer solchen Umstellung.

(Zuruf von Michael Hübner [SPD])

Deshalb kann ich nur sagen: Sie sprechen hier davon, dass alles reibungslos laufen und es keine Probleme geben soll. Wenn Sie es nicht schaffen, die Beschäftigten dieses hervorragend arbeitenden Betriebes am Ende auf den Weg, der vor uns liegt, mitzunehmen – eine Halbierung der Anzahl der Beschäftigten, eine Neuorganisation –, dann wird Ihnen das nicht gelingen.

Die Vorgehensweise sowohl bei der Jobbeschreibung als auch bei der Einführung des Jobs ist nicht zielführend. Sie schadet dem Land, sie schadet Straßen.NRW. Damit schadet sie den Bürgerinnen und Bürgern, weil die Beschleunigung des Ausbaus der Verkehrsinfrastruktur so nicht vernünftig gelingen kann.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion erteile ich dem Abgeordneten Lehne das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der mäßige Applaus bei Herrn Ott hat gezeigt, wie qualitativ hochwertig die Rede war.

(Beifall von der CDU)

Herr Ott, es ist schön, dass Sie offensichtlich jetzt den Begriff „Konzept“ das erste Mal in diesem Landtag entdeckt haben.

(Heike Gebhard [SPD]: Tosender Beifall auf Ihrer Seite!)

Ja, immerhin. Das ist Neid, aber egal. – Wir machen inhaltlich weiter. Es wird vielleicht helfen.

(Marc Herter [SPD]: Neid der Besitzlosen!)

Das kann auch mal schön sein, aber egal.

Kommen wir zur Sache. Zunächst auf Herrn Ott geantwortet: Die Konzeptlosigkeit der vergangenen Jahrzehnte, in denen Sie regiert haben, hat dazu geführt, dass die Staus im Jahr 2016 im Vergleich zu 2012 auf 388.000 km gestiegen sind.

Von Juli 2005 bis 2010 wurden unter CDU- und FDPRegierung 88 Planfeststellungsverfahren zu Bundesfernstraßen- und Landesstraßenprojekten zu Ende gebracht. Im deutlich längeren Zeitraum von 2010 bis 2016 erfolgten unter rot-grüner Regierungsverantwortung lediglich 49 Planfeststellungsbeschlüsse.