Protokoll der Sitzung vom 21.03.2019

Auch resultieren aus dem gewachsenen Onlinehandel neue Herausforderungen für die Paketboten, besonders in Bezug auf die Schnelligkeit, denn wir sind es gewohnt, heute Sachen zu bestellen und sie binnen 24 Stunden, teilweise noch am selben Tag, zu erhalten.

Dabei dürfen wir aber nicht aus den Augen verlieren, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Paketbranche zum Teil wirklich katastrophalen Arbeitsbedingungen und schlechter Bezahlung unterliegen.

Dass die Landesregierung diese Problematik frühzeitig erkannt hat, zeigt sich auch in der in der Vorweihnachtszeit durchgeführten Aktion „Fairer Versandhandel“. Hier wurden mithilfe der Behörden viele schwarze Schafe unter den Subunternehmern identifiziert, die sich auf dem Rücken der Beschäftigten unrechtmäßige Wettbewerbsvorteile gegenüber den Firmen verschafft haben, die sich zuverlässig an Recht und Gesetz halten.

Für einen fairen Wettbewerb und faire Arbeitsbedingungen wäre daher die Einführung einer Nachunternehmerhaftung ein erster entscheidender Schritt als Reaktion auf diese Entwicklung.

Auch brauchen wir regelmäßigere Kontrollen der Unternehmen. Schwarzarbeit in der Branche muss genauso unterbunden werden wie eine Festanstellung ohne die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen bzw. Scheinselbstständigkeit.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere aus der SPD-Fraktion: Wir sind uns, glaube ich, grundsätzlich in diesem Hause darüber einig, dass es momentan unfaire Arbeitsbedingungen und Rechtswidrigkeiten bei einzelnen Paketdienstleistern gibt. Es ist für jedermann ersichtlich, dass sich etwas ändern muss, dass bessere Arbeitsbedingungen unabdingbar sind. Hier kann eine gesetzliche Regelung auch hilfreich sein.

Aber das Problem bei Ihrem Antrag ist wie so oft, dass er zur völlig falschen Zeit kommt. Es ist richtig, dass das Thema auf Initiative des Landes Niedersachsen jetzt im Bundesrat behandelt wird. Der Antrag weist auf aktuelle Missstände hin und beinhaltet konkrete Lösungsvorschläge.

Gemeinsam wurde am 15. März – am vergangenen Freitag – im Bundesrat entschieden, den Antrag im Ausschuss zu diskutieren und ihn nach Abschluss der Beratungen wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Es ist daher völlig unverständlich, wieso Sie heute mit dem Antrag um die Ecke kommen, obwohl Sie doch wissen, dass in der gemeinsamen Abstimmung und in der Beratung im Ausschuss noch Änderungen und Ergänzungen vorgenommen werden können.

Statt heute Ihrem Antrag zuzustimmen, sollten sich die Vertreter unseres Landes aktiv in die Beratungen im Ausschuss einbringen.

Ihnen ging es heute doch vielmehr darum, Unstimmigkeiten innerhalb der NRW-Koalition hervorzurufen. Das werden Sie mit Ihrem Antrag aber nicht schaffen.

(Zuruf von der SPD: Peinlich! – Weitere Zurufe von der SPD)

Wäre Ihnen der Schutz der Paketboten wirklich wichtig gewesen, hätten Sie diesen Antrag heute nicht zur direkten Abstimmung gestellt,

(Jochen Ott [SPD]: Zur Sache!)

sondern hätten ihn auch hier an den Ausschuss überweisen lassen, sodass wir diese Problematik hätten behandeln können.

(Beifall von der CDU – Zurufe von der SPD)

Das laufende Verfahren im Bundesrat wollen wir nicht aufmischen. Wir warten ab, was die Beratungen bringen. Wir werden daher Ihren Antrag heute ablehnen. – Danke sehr.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die FDP-Fraktion spricht nun der Abgeordnete Lenzen.

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Der Onlineversandhandel boomt. Immer mehr Menschen nutzen die Freiheit, Waren im Internet schnell, bequem und günstig bestellen zu können.

Wir wollen ihnen diese Möglichkeiten auch nicht einschränken, sondern sollten vielmehr die Auswirkungen des zunehmenden Versandhandels differenziert betrachten.

Wichtig ist auch: Die bestellten Waren müssen ihre Kunden erreichen. Der Markt für Paketdienste – das haben wir auch schon von den Vorrednern gehört; zumindest vom Kollegen Schmitz habe ich das vernommen – ist auch in Zeiten der Digitalisierung ein Wachstumsmarkt, der natürlich in einem intensiven Wettbewerb steht. Aber – das sollten wir auch noch einmal herausstellen – er bietet gerade Geringqualifizierten besondere Chancen.

(Beifall von der FDP)

Das geht bei den SPD-Anträgen oder den Debattenbeiträgen der SPD immer ein bisschen unter: Wir wissen, es wird schnell nach Regulierung geschrien, und es werden gesetzliche Verschärfungen gefordert, aber die Chancen gerade in Zeiten der Digitalisierung werden komplett ausgeblendet.

(Zuruf von der SPD: Kommen Sie mal zur Ent- fesselung! – Weitere Zurufe von der SPD)

Beruhigen Sie sich.

Ich konnte dem SPD-Beitrag gar nicht entnehmen, dass unter den fünf großen Logistikunternehmen zwei überwiegend eigene Zusteller beschäftigen, darunter auch der Marktführer. Bei den anderen dreien wird die Paketzustellung vornehmlich durch Subunternehmen abgewickelt.

Herr Kollege, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage.

Gern später.

(Unruhe von der SPD)

Dies zeigt, dass die Logistikdienste unterschiedliche Strategien verfolgen. Es zeigt aber auch, dass es auch die Möglichkeit gibt, einen entsprechenden Erfolg zu verzeichnen, wenn man auf eigene Zusteller setzt.

Deswegen ist es wichtig, es erst einmal den Unternehmen zu überlassen, welche strategische Ent

scheidung sie treffen möchten. Ich sehe nicht zuallererst die Politik in der Pflicht, diesen Unternehmen das vorzuschreiben.

(Beifall von der FDP)

Ich möchte Folgendes an dieser Stelle für die Freien Demokraten klar und deutlich sagen: Zu einem fairen Wettbewerb gehören auch der Schutz der Arbeitnehmerrechte und die Einhaltung gesetzlicher Mindeststandards für Arbeitsbedingungen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Denn – das dürfte Sie eigentlich nicht überraschen – der Dumping-Wettbewerb geht nicht nur zulasten der Beschäftigten, sondern auch zulasten der Betriebe, die sich an die Regeln halten.

(Beifall von der FDP – Lachen von der SPD)

Es ist auch nicht im Sinne der Freien Demokraten, wenn Sozialversicherungsbeiträge nicht korrekt abgeführt werden, dass die Sozialleistungen zulasten der Allgemeinheit gehen.

(Zurufe von der SPD: Hört! Hört! – Unruhe von der SPD)

Das mögen Sie nicht hören wollen.

Für uns Freie Demokraten gilt immer noch das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Aber das wollen Sie nicht hören: Bei Ihnen kommt immer gleich die Planwirtschaft raus.

(Unruhe von der SPD – Glocke – Jochen Ott [SPD]: Zahlen Sie mal Ihre Beiträge!)

Wir unterscheiden uns von den Sozialdemokraten deutlich darin, dass wir der Meinung sind, wir brauchen wirksamere Kontrollen statt weiterer Regulierungen und gesetzlicher Verschärfungen. Das heißt, das, was gilt, muss kontrolliert werden. Das ist der Ansatz der Freien Demokraten.

(Beifall von der FDP)

Das ist aus unserer Sicht der richtige Ansatz. Der Ansatz der SPD geht weit über das Ziel hinaus.

Hinweise aus der betrieblichen Praxis nehmen wir ernst. Gerade wenn wir beim Thema „Einführung des Mindestlohns“ sind, ist daran zu erinnern, wie sehr vor der Einführung der Nachunternehmerhaftung gewarnt wurde. Die Probleme dieser kaskadenartigen Kettenhaftung wurden doch thematisiert.

Wir können auch die Augen nicht vor Problemen verschließen. Wenn in einer Branche Fehlentwicklungen entstehen, muss man schauen, wie man diesen begegnen und sie eindämmen will.

(Gordan Dudas [SPD]: Wie lange schauen Sie denn noch zu?)

Die Nachunternehmerhaftung wird immer als so einfach dargestellt. Schauen wir einmal auf den Haupt

unternehmer. Was hat er denn für eingeschränkte Möglichkeiten? Wie soll er die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen eigentlich prüfen?