Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Dann ist es später seine eigene Steuerfahndung gewesen, die ihm gesagt hat: Ja, für die Verdachtsmomente – was man in Marktkreisen gehört hat, was die FDP-Landtagsfraktion immer wieder vorgetragen hat – scheint es Anhaltspunkte zu geben, dass das auch bei der WestLB in öffentlicher Verantwortung stattfindet. – Das ist so. Dann sind die Belege gefunden worden. In den Bilanzen sind Rückstellungen für die Strafforderungen, die dort kommen, gebildet worden.

Dann können Sie uns ja wohl zugestehen, dass wir für uns in Anspruch nehmen, die Sachverhalte mit großer Ernsthaftigkeit aufzuklären, und unsere Einschätzung aufrechterhalten, dass der frühere Finanzminister nicht nur über andere hätte reden können, sondern dort, wo er selber in der Verantwortung stand, auch konsequenter etwas hätte tun können.

(Beifall von der FDP)

Sehr geehrter Herr Witzel, Sie haben sich immerhin gerade selbst widersprochen. In Ihrem ersten Redebeitrag haben Sie hier erklärt, Finanzminister Norbert Walter-Borjans hätte in Sachen WestLB nichts getan. Gerade haben Sie einen Teil dessen aufgezählt, was Sie erfahren haben. Damit haben Sie schon einmal zugegeben, dass Ihr erster Beitrag hier nicht der Wahrheit entsprochen hat. – Erster Punkt.

(Beifall von der SPD)

Zweiter Punkt: Genau, es waren die Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen. Herr Witzel, wenn Sie es wirklich ernst meinen, dann hören Sie doch auch zu. Die Steuerfahnder hatten zumindest noch die Kapazitäten, um sich darum zu kümmern. Norbert WalterBorjans hat immer sehr deutlich erklärt, dass er es richtig fände, es unterstütze und den Steuerfahndern bei ihrer Arbeit die Rückendeckung gebe, die sie brauchen, auch ein landeseigenes Unternehmen zu untersuchen.

Uns ist es egal, ob es die WestLB ist oder welche Bank auch immer. Das ist nicht hinzunehmen. CumEx muss bekämpft werden. Sie haben sich immer nur

mit Cum-Ex bei einer öffentlichen Bank beschäftigt, bei einer privaten war es Ihnen augenscheinlich egal. Ihre Politik zeigt eindeutig, dass es Ihnen eben nicht darum ging, wirklich etwas gegen diesen Steuerbetrug zu unternehmen, sondern dass es Ihnen nur darum ging, eine öffentliche Bank anzugreifen und private Banken, die das Gleiche getan haben, in Ruhe zu lassen.

(Ralf Witzel [FDP]: Blödsinn!)

Das ist Ihre Politik, und diese Politik werden wir nicht mitmachen.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der FDP)

Deswegen bleibe ich bei meinem Vorwurf: Das, was Sie tun, Herr Witzel, ist politische Beihilfe zur Steuerhinterziehung.

(Beifall von der SPD – Ralf Witzel [FDP]: Un- verschämtheit! – Weitere Zurufe von der FDP)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich schließe damit die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Die antragstellende Fraktion der SPD hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 17/5626. Wer möchte diesem Antrag zustimmen? – Das sind SPD und Grüne. Wer ist dagegen? – Das sind CDU, FDP, AfD und der fraktionslose Abgeordnete Neppe. Gibt es Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag Drucksache 17/5626, wie gerade festgestellt, abgelehnt.

Ich rufe auf:

9 Seenotrettung als humanitäre Verpflichtung –

solidarischen Kommunen die Aufnahme von Geflüchteten ermöglichen

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/5615

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die antragstellende Fraktion der Grünen Frau Aymaz das Wort.

(Unruhe – Glocke)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sie alle können sich sicherlich noch an das Bild des kleinen Jungen mit dem roten T-Shirt und der blauen Hose erinnern, das vor über drei Jahren um die Welt ging – das Bild des zweijährigen Aylan Kurdi, dessen Leichnam im Mittelmeer an die türkische Küste nahe des Touristenortes Bodrum gespült wurde.

Die Familie floh vor dem Bürgerkrieg in Syrien und hoffte auf Schutz in Europa. Dafür blieb ihnen nur die gefährliche Route auf einem Schlepperboot über das Mittelmeer, die für Aylan, seinen fünfjährigen Bruder Galip und seine Mutter Rehan tödlich endete. Nur der Vater überlebte.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist kein Einzelschicksal. Laut UNHCR ertranken allein im Jahr 2018 mindestens 2.275 Menschen während ihrer Flucht. Das sind durchschnittlich sechs Menschen pro Tag, und die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein.

Das Versagen der Europäischen Union, der es bislang nicht gelungen ist, sich auf eine menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik zu verständigen, ist verantwortlich für diese humanitäre Katastrophe, die sich tagtäglich vor den Toren Europas ereignet. Stattdessen kooperiert die EU mit Libyen, einem instabilen Land, in dem Krieg, Mord, Folter und Vergewaltigung an der Tagesordnung sind. Das ist eine moralische Bankrotterklärung, die nicht nur Menschenleben kostet, sondern auch das Vertrauen der Menschen in den Rechtsraum und die Handlungsfähigkeit der EU nachhaltig beschädigt. Das wollen wir nicht hinnehmen.

(Beifall von der SPD)

Diese Abschottungs- und Abschreckungspolitik muss beendet werden. Dafür sind in den letzten Monaten 10.000 Menschen auch in NRW auf die Straße gegangen, getragen von einem breiten Bündnis aus Flüchtlings- und Menschenrechtsorganisationen,

Wohlfahrtsverbänden, Gewerkschaften und – ich betone, liebe Kolleginnen und Kollegen vor allen Dingen von der CDU – großartig getragen von den Kirchen.

Im Sommer letzten Jahres schlossen sich die Oberbürgermeisterin von Köln und die Oberbürgermeister der Städte Bonn und Düsseldorf zusammen und forderten von Bundeskanzlerin Merkel, die Seenotrettung im Mittelmeer zu ermöglichen und die Aufnahme von geretteten Geflüchteten durch die Kommunen zu sichern, bis eine europäische Lösung gefunden sei.

Inzwischen haben sich über 20 weitere Städte und Gemeinden aus NRW ebenso mit Ratsbeschlüssen und Resolutionen für die Aufnahme von Geretteten aus der Seenotrettung ausgesprochen. Mit ihrer Haltung verkörpern diese Kommunen die europäischen Grundwerte. Unsere Kommunen in NRW machen damit deutlich, dass ihr Verständnis von Europa ein gänzlich anderes ist als das der Salvinis und Orbans, und das ist auch gut so!

(Beifall von den GRÜNEN)

Es ist jetzt Ihre Aufgabe, Herr Minister Stamp, diesen solidarischen Kommunen auch zur Seite zu stehen. Werden Sie endlich aktiv! Schalten Sie sich auf Bun

desebene ein! Schaffen Sie die Möglichkeit für unsere Kommunen, aus Seenot gerettete Geflüchtete aufzunehmen, und ergreifen Sie die Initiative für ein humanitäres Landesaufnahmeprogramm!

(Beifall von den GRÜNEN)

Wie drängend diese Frage ist, erleben wir ganz aktuell. Das einzig noch verbliebene zivile Seenotrettungsschiff, übrigens benannt nach dem ertrunkenen Aylan Kurdi, muss seit einer Woche mit 64 geretteten Menschen an Bord auf offener See ausharren, weil die verantwortlichen Länder ihnen keinen sicheren Hafen gewähren. Die Lage auf der „Aylan Kurdi“ spitzt sich in diesem Moment wegen schlechter Wetterverhältnisse dramatisch zu. Die Nahrungsmittel- und Wasservorräte werden knapp.

Erst im März habe ich die Crew der „Aylan Kurdi“ von der deutschen Hilfsorganisation Sea-Eye in Palma getroffen. Es hat mich zutiefst beeindruckt, was diese Menschen auf den Rettungsschiffen ehrenamtlich leisten. Sie springen da ein, wo die EU ihrer Pflicht nicht nachkommt. Ich finde, dafür gebührt ihnen unser aller Respekt.

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dass diese zivilen Helferinnen und Helfer dafür jetzt auch noch kriminalisiert werden, ist schlichtweg erbärmlich. Denn die Pflicht zur Seenotrettung ist Völkerrecht und somit auch europäisches Recht, und das Recht auf Leben ist nicht verhandelbar. Stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin. – Für die CDU spricht nur der Abgeordnete Franken.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder, die wir regelmäßig aus der Mittelmeerregion in den Medien sehen, schockieren uns sicher fast alle hier im Saal. Der weitere Gedanke daran, dass es Menschen gibt, die aus der Not von Mitmenschen großen Profit schlagen und bewusst Menschenleben gefährden, schockiert mindestens genauso.

Am Antrag der Grünen und an der Haltung der CDU erkennt man sehr deutlich eine unterschiedliche Herangehensweise an die Problematik. Die Grünen picken sich einen einzelnen Punkt aus einem komplexen Zusammenhang heraus, um moralische Überlegenheit darzustellen. Was Sie dabei inhaltlich nicht erkennen, liebe Fraktion der Grünen, ist, dass Sie damit an Symptomen herumdoktern, statt das Übel an der Wurzel zu packen.

Solange es Schleuser gibt, die sich gewissenslos bereichern, mit Lügen locken, den Tod von Tausenden von Menschen billigend in Kauf nehmen, so lange wird das Problem rund um die Seenotrettung auch morgen noch bestehen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Mit Ihrem Antrag drehen Sie nur weiter an der Spirale. Sie treten in einen Kampf, den Sie nicht gewinnen können. Erst wenn wir den Verbrechern langfristig das Handwerk legen, würdigere Lebensumstände in den Flüchtlingscamps und in den Heimatländern schaffen, werden wir diesen Knoten durchschlagen können. Nur dadurch können wir künftige Generationen vor dem Seetod bewahren.

(Beifall von der CDU)

Der CDU greift der Antrag der Grünen zu kurz. Zum Beispiel fordern Sie von der Bundesregierung, auf die Probleme rund um die Seenotrettung hinzuweisen. Dieser Aufruf ist völlig überflüssig; denn die Bundesregierung bekräftigt regelmäßig – und auch die NRW-CDU hat immer wieder deutlich gemacht –, dass wir die Herausforderungen nur mit vereinten Kräften auf europäischer Ebene meistern können. Gerade unsere Bundeskanzlerin an der Spitze steht wie sonst niemand für die gemeinsame europäische Lösung.

Sie fordern weiterhin, die Kommunen aktiv dabei zu unterstützen, aus Seenot gerettete Menschen aufzunehmen. Auch diesen Punkt lösen wir anders. Die NRW-Koalition unterstützt die Kommunen nicht nur bei Flüchtlingen, die in Seenot geraten sind, sondern wir unterstützen die Kommunen bei allen legalen Flüchtlingen, egal aus welcher Not sie kommen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Dabei bekennen wir uns natürlich zu den sich aus dem Völkerrecht ableitenden humanitären Verpflichtungen gegenüber Flüchtlingen. Wir schauen im Wesentlichen auf das, was wir in Nordrhein-Westfalen tatsächlich dazu beitragen können, zum Beispiel mit dem Asylstufenplan, der unsere Kommunen entlastet und Struktur und Ordnung schafft, der Fortführung und Absicherung von „KOMM-AN Nordrhein-Westfalen“, der Reform des Abschiebehaftvollzugsgesetzes und der Ausschöpfung der gesetzlichen Möglichkeiten nach § 47 Asylgesetz.

Wir haben nicht vergessen, welches herausragende Engagement die kommunalen Verwaltungen und die vielen Ehrenamtler vor Ort während der Flüchtlingskrise und auch bis heute geleistet haben. Deshalb erhalten die Kommunen die volle Integrationspauschale des Bundes weitergeleitet als Ausgleich für die Kosten bei der Integration der Flüchtlinge. Das ist ein deutlicher Kurswechsel. Denn unter Rot-Grün hat es das so nie gegeben.