Protokoll der Sitzung vom 10.04.2019

Würden wir nun, wie manche Parteien und Verbände fordern, alle Lehrkräfte in die gleiche Besoldungsgruppe heben, dann wäre die Besoldung nach Kompetenz und Verantwortung aufgehoben. Wir hätten dann eine Besoldung nach der Ideologie, alle Menschen seien gleich und alle sollten das gleiche Geld erhalten. Glücklicherweise ist aber jeder Mensch verschieden – so, wie auch jede Schulform unterschiedlich ist.

Die Abschaffung der Lehrerbesoldungsvielfalt hätte durch die strukturellen Mehrausgaben für zukünftige Haushalte in Nordrhein-Westfalen möglicherweise verheerende Folgen. Etwa 600 Millionen Euro jährlich – also ungefähr 1 % der NRW-Steuereinahmen – würde es kosten, wenn wir die Besoldungsgerechtigkeit in Nordrhein-Westfalen aufhöben. Diese strukturellen Kosten würden von Jahr zu Jahr wachsen. Von der Gleichmacherei wären in NordrheinWestfalen über 50.000 Planstellen betroffen.

Ja, die finanzielle Lage in Nordrhein-Westfalen ist aktuell im grünen Bereich. Aber wir müssen heute an morgen denken. Auch bei guter Kassenlage sollte man einen kühlen Kopf bewahren – auch dafür steht unser Antrag.

Mit der Forderung nach dem Erhalt der Vielfalt der Lehrerbesoldung sind wir von der AfD in guter Gesellschaft. So warnt der Bund der Steuerzahler NRW ebenfalls vor der Belastung künftiger NRW

Haushalte, wenn alle Lehrkräfte die gleiche Besoldung erhielten. Eine vielfältige Lehrerbesoldung ist also nicht nur gerecht, sondern aufgrund der Schuldenbremse ab dem kommenden Jahr auch der einzig richtige Weg, von dem wir in Zukunft nicht abweichen sollten.

Es muss nicht die Besoldung, sondern es müssen die Lehrerausbildung und die Bedingungen an den Schulen in Nordrhein-Westfalen angepasst werden. Unser Appell und Motto lautet: vielfältige Ausbildung für einen vielfältigen Beruf. – Danke.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege Strotebeck. – Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Sträßer.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Strotebeck, mich überrascht schon sehr, dass Sie in den Mittelpunkt der Debatte zu diesem Antrag das Thema „Lehrerbesoldung“ stellen.

Ich bin eigentlich davon ausgegangen – obwohl es wirklich schwer war, den Antrag überhaupt ordentlich einzuordnen –, dass es Ihnen eher um die Qualität der Lehrkräfteausbildung geht. So ist es aber offensichtlich nicht der Fall bei dem Antrag, dessen Titel und Forderungen überhaupt nicht übereinstimmen. Insofern macht es das einem am Ende wirklich schwer, inhaltlich Stellung dazu zu nehmen.

Ein qualifiziertes Hochschulsystem lebt von einer kontinuierlichen Entwicklung. Der aktuelle Antrag der AfD-Fraktion wirft zum wiederholten Mal die Forderung auf, vom erfolgreichen Bachelor-Master-System insbesondere in Bezug auf die Lehrkräfteausbildung Abstand zu nehmen und somit den BolognaProzess rückgängig zu machen.

Im Rahmen einer Anhörung im Wissenschaftsausschuss wurde zu diesem Thema schon von allen Experten unisono betont,

(Helmut Seifen [AfD]: Das waren doch keine Experten!)

dass sich Bologna diesbezüglich bewährt hat und ein Zurückdrehen bar jeden Bezugs zur Realität wäre. Diese Aufforderung ist deshalb mittlerweile auch ein alter Hut.

Dass bei der Umstellung nicht von Beginn an alles fehlerfrei funktioniert, ist doch immer wieder zugestanden worden; das liegt meines Erachtens auch in der Natur der Sache. Es kommt aber dann darauf an, Handlungsbedarfe zu erkennen und Prozesse nach vorne anzupassen.

Die Antragsteller ziehen definitiv die falschen Schlüsse, indem sie lediglich rückwärtsgewandt argumentieren und nicht mit dem Blick nach vorn die Herausforderungen der Zukunft für die Ausbildung bzw. das Studium unserer Lehrkräfte formulieren.

Wir haben Gelegenheit, dazu im Ausschuss ausführlicher Stellung zu nehmen, deshalb nur drei Stichworte.

Zur Kompetenzorientierung: Der Antrag lässt vermuten, dass die AfD das Prinzip der Kompetenzorientierung nicht korrekt verwendet oder gar nicht verstanden hat.

(Helmut Seifen [AfD]: Doch! – Rainer Schmelt- zer [SPD]: Letzteres!)

Die im Antrag beschriebene Reduzierung der Bedeutung von Kompetenzen verkennt nämlich das Offensichtliche: Kompetenzorientierung geht einer reinen Wissensvermittlung voran.

Zur Fachlichkeit: Hier sehen wir als NRW-Koalition durchaus Handlungsbedarf und haben uns deshalb auch im Koalitionsvertrag das Ziel gesetzt – Zitat– „durch die Stärkung der Fachlichkeit an den Schulen die Lehrpraxis wissenschaftlicher zu machen“ – Zitatende.

Für die Bereiche der Sekundarstufe I und der Primarstufe gilt aber auch, dass schon im Rahmen der verlängerten Studiendauer der Anteil des fachwissenschaftlichen Bereichs deutlich erhöht wurde. Insofern ist der Antrag teilweise überflüssig bzw. greift zu kurz.

Abschließend noch etwas zum Bologna-Prozess: Eine Abkehr vom Bologna-Prozess ist völlig irrational. Die Prozesse sollten vielmehr angepasst und verbessert werden. Hier zeigt sich in Bezug auf das LABG – wie bereits erwähnt – ein deutlicher Qualitätsanstieg der Lehrkräfteausbildung im Bereich Sekundarstufe I und Primarstufe, den man hier einfach mal anerkennen muss.

Im Bereich der Sekundarstufe II sind Prozesse durchaus noch verbesserungswürdig. Hier werden wir zu gegebener Zeit Maßnahmen besprechen bzw. können das sicherlich auch bei der weiteren Beratung des Antrags diskutieren.

Kurzum: Der Antrag ist inhaltlich zu dünn, um das wichtige Thema „Lehrkräfteausbildung“ wirklich ordentlich zu behandeln, aber die Überweisung in die Ausschüsse bietet uns die Chance, dem Thema besser gerecht zu werden. Deshalb – und nur deshalb – stimmen wir der Überweisung zu. – Danke schön.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Sträßer. – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Bell.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Ich will mich auf zwei Aspekte in diesem Antrag beschränken: zunächst auf die Behandlung des Bologna-Prozesses. Wir hatten im Wissenschaftsausschuss am

18.04.2018 eine ausführliche Anhörung, die übrigens von Ihnen beantragt worden ist.

(Helmut Seifen [AfD]: Das stimmt!)

Diese Anhörung war für Sie schlichtweg verheerend.

(Helmut Seifen [AfD]: Der Herr Müller!)

Nein, es war nicht nur Herr Müller.

Jetzt wiederholen Sie diese Thesen in diesem Antrag, Herr Seifen. Man könnte das als Altersstarrsinn bezeichnen.

(Heiterkeit von Helmut Seifen [AfD])

Ich nenne das „mangelndes Interesse an Fakten“.

(Beifall von der SPD und Sigrid Beer [GRÜNE])

Die Verbreitung von Vorurteilen ist Ihnen offensichtlich wichtiger, als die Realität an den Hochschulen des Landes wahrzunehmen.

Mich hat allerdings nachhaltig verärgert – und wobei ich mich wirklich frage, wie Sie dazu kommen –, dass Sie offensichtlich versuchen, den Vorsitzenden der Landesrektorenkonferenz per Zitat zum Zeugen Ihrer kruden Thesen in diesem Antrag zu machen. Ich zitiere aus dem Antrag:

„Da aber Bildungsreformen mit tiefgreifenden Gesellschaftstransformationen einhergehen, bedarf es bei der Umsetzung dieser eigentlich eines breit angelegten wissenschaftlichen Diskurses mit weitreichenden Partizipationsmöglichkeiten. So warnte Jahre nach den eingeleiteten Bildungsreformen der Rektor der Bergischen Universität Wuppertal eindringlich vor einer Vereinnahmung der Universitäten durch die Politik und vor der Missachtung der ˏepistemischen[n] Eigengesetzlichkeit von Wissenschaftˋ.“

(Helmut Seifen [AfD]: Zitat!)

Sie kennen das Zitat offensichtlich nicht, weil Sie sich auf einen namentlich gekennzeichneten Artikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ berufen, der dieses Zitat von Herrn Professor Koch ebenfalls schon in einer recht missbräuchlichen Art und Weise benutzt.

Fünf Minuten Recherche, Herr Seifen, hätten genügt, um Ihnen klarzumachen, dass das Zitat aus einem Artikel in „Forschung und Lehre“ vom Dezember 2015 stammt.

Dieser Artikel setzt sich in großer Breite und Ausgewogenheit mit dem Spannungsverhältnis zwischen

gesellschaftspolitisch notwendigem Dialog und Freiräumen für die Hochschulen auseinander. Die Stichworte, die dafür prägend sind, sind „transformative Wissenschaft“ und „Third Mission“. Es hat weder etwas mit Inklusion noch etwas mit dem Bologna-Prozess zu tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Sigrid Beer [GRÜNE]: Ja, so ist das!)

Sie versuchen hier, den Sprecher der Landesrektorenkonferenz für Ihre Thesen einzuspannen. Ich hatte das große Vergnügen, Herrn Professor Koch gestern Ihren Antrag zuzusenden. Ich darf Ihnen ausrichten, dass er wenig amüsiert ist und diese Klarstellung ausdrücklich wünscht.

Ich sage Ihnen als Vorsitzendem des Wissenschaftsausschusses ganz deutlich: Mit diesem Verhalten beschädigen Sie das Verhältnis zwischen Landesrektorenkonferenz und Landtag Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ich erwarte von Ihnen, dass Sie das auch gegenüber Lambert Koch klarstellen. So schlampig und mangelhaft, wie Sie hier Ihrer Arbeit nachgehen, funktioniert Wissenschaftspolitik in diesem Land – Gott sei Dank – noch nicht, und dafür werden wir weiter Sorge tragen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)