„Ein häufig vorgebrachter Einwand gegen das Wahlrecht mit 16 Jahren ist, dass Jüngere nicht genug an Politik interessiert sind, um kompetent wählen zu können. Doch wer wählen darf, beschäftigt sich mehr mit und informiert sich intensiver über Politik als nicht Wahlberechtigte. Bei einem Vergleich der gerade 16 Jahre alten Jugendlichen mit noch 15 Jahre alten zeigt sich, dass die Wahlberechtigten auch politisch interessierter sind: die bereits 16 Jahre alten interessieren sich stärker für den Wahlkampf, verfügen über ein größeres politisches Wissen und nutzen häufiger Angebote wie den Wahl-O-Mat.“
Weiterhin weist die Bundeszentrale nach, dass sich das politische Interesse nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt entwickelt, sondern durch Beteiligungsmöglichkeiten entfacht und gesteigert wird.
Wenn es noch eines Belegs bedürft hätte, so zeigten und zeigen die zahlreichen Demonstrationen der Schülerinnen und Schüler, dass ihnen Politik und ihre Zukunft, die zukünftige Entwicklung unserer Umwelt, des Klimas und damit des Planeten, der Erde, nicht egal sind. Für sie heißt die Bedrohung: vor uns die Sintflut. – Genau diese Perspektive hat sie motiviert, auf die Straße zu gehen.
Die Standardargumente lauten zum Beispiel: „Das Wahlalter ist zu Recht erst mit der Volljährigkeit erreicht“ oder – pauschaler -“Die jungen Menschen sind noch nicht entscheidungsfähig“. Es ist ein Unterschied, ob ich die Volljährigkeit und damit die volle Geschäftsfähigkeit habe, oder ob ich an der politischen Willensbildung teilhaben darf.
Für die politische Willensbildung, die durch die Partizipation am Entscheidungsprozess in eine Teilnahme übergeht, ist gerade ein frühes und sukzessives Einbinden wichtig.
Die Österreicher haben dies bereits verwirklicht. Sie haben schon 2007 als erstes Land in Europa beschlossen, dass 16-Jährige an der Europa-, Bundes-, Landes- und Kommunalwahl teilnehmen dürfen. Wie erste Studien zeigen, haben die Österreicher damit nur gute Erfahrungen gemacht. Auch in der Bundesrepublik geben Brandenburg, Schleswig-Holstein und Bremen den jungen Menschen schon mit 16 Jahren die Möglichkeit zur Teilnahme an Landtagswahlen.
Auch die nordrhein-westfälische FDP scheint hier auf einem guten Weg zu sein. Bei ihrem Landesparteitag 2018 hat sie die Absenkung des Wahlalters beschlossen. Kollege Körner von der FDP war zum Beispiel vehementer Fürsprecher, der in einer Pressemitteilung der Jungen Liberalen im Nachgang zum Parteitag mit nachfolgenden Sätzen zitiert wird:
„Durch die Forderung nach einem Wahlrecht ab 16 stärken wir nicht nur die Interessen der jüngeren Generation, sondern langfristig auch die politische Partizipation und bekämpfen Politikverdrossenheit.“
Stimmen Sie nun auch im Landtag für eine Absenkung des Wahlalters! Das wäre konsequent. Ich freue mich auf die Beratung im Ausschuss.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin immer wieder begeistert, wenn ich Gelegenheit habe, mit Kindern und Jugendlichen über Politik zu diskutieren. Viele junge Menschen sind zugegebenermaßen gut informiert, setzen sich mit politischen Themen auseinander und äußern auch schon ihre Meinung. Das gilt aber freilich nicht für alle Jugendlichen. Das ist auch völlig in Ordnung. Manche sind ja bekanntlich Spätzünder.
Das Deutsche Kinderhilfswerk kam vor Jahren einmal zu dem Schluss, dass das Interesse an politischer Mitbestimmung bis zum Alter von 15 Jahren steigt, dann aber das Interesse deutlich nachlässt. Das Interesse an Politik und die Entscheidungsfähigkeit wachsen nach und nach. In dieser Zeit müssen die Verantwortlichen Kinder und Jugendliche vor Populismus und Polarisierung schützen und vor allem ihre Kritikfähigkeit fördern. Dafür schafft der Gesetzgeber den Rahmen.
Dafür muss der Gesetzgeber den Rahmen schaffen. Er schützt die Jugendlichen durch eine Werteentscheidung: Wahlrecht ab 18, koppelt es damit an die Volljährigkeit und regelt dies im Grundgesetz. Es ist auch in einigen Verfassungen der Bundesländer so geregelt.
Das kann nur mit einer Zweidrittelmehrheit geändert werden. Damit schützt der Gesetzgeber das Wahlrecht vor parteipolitischer Beliebigkeit, leider aber nicht vor einfachgesetzlichen Regelungen einiger Bundesländer, die in der Frage des Wahlalters in Deutschland dabei sind, einen Flickenteppich zu schaffen und damit die grundgesetzliche Regelung in Frage zu stellen.
Warum soll ein 16-Jähriger an einer Landtagswahl teilnehmen dürfen und kurz darauf an der Bundestagswahl nicht?
Kann es das Ziel sein, unterschiedliche Altersgrenzen in den Bundesländern für verschiedene Wahlen festzulegen – egal, ob das durch einfachgesetzliche Regelungen oder durch die Verfassung geregelt ist?
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, sich zu informieren, durch Politikunterricht, auch mit Politikern, Besucherprogrammen des Landtags NRW, den Jugend-Landtag, Praktika oder Jugendräte in den Kommunen. Da erhalten junge Menschen Einblick in die Politik und die parlamentarische Arbeit, auch in die Komplexität politischer Entscheidungen.
Es wäre aber unverantwortlich, wenn wir zuließen, dass Parteien aller Couleur während ihrer Wahlkämpfe um die Stimmen der Jugendlichen in den Schulen buhlen. Jugendliche sind keine Mehrheitsbeschaffer.
Die Abkopplung des Wahlalters von der Volljährigkeit ist falsch. Die Grenze der Volljährigkeit wurde durch den Gesetzgeber als grundsätzliche Werteentscheidung bei 18 Jahren angesetzt, weil dann die Persönlichkeitsentwicklung weitestgehend abgeschlossen ist. Deshalb werden junge Menschen unter 18 aus guten Gründen zum Beispiel bei Rechtsgeschäften geschützt. Im Strafrecht haben Jugendliche ab 18 zunächst den Status als Heranwachsende. Es wird beurteilt, ob die Tat als erwachsenentypisch oder mangels Reife als jugendtypisch zu beurteilen ist.
Mit der Volljährigkeit erhält der junge Mensch sowohl Bürgerrechte als auch Bürgerpflichten. Bei einer Absenkung des Wahlalters würde das Wahlrecht nicht mehr mit den entsprechenden Pflichten korrespondieren. Mit einem Wahlalter von 16 Jahren würde die Rechts- und Lebenswirklichkeit der Jugendlichen vom Wahlrecht abgekoppelt werden.
Es wäre auch problematisch, wenn durch eine Absenkung des Wahlalters für Jugendliche ein Wahlrecht zweiter Klasse entstehen würde, weil aktives und passives Wahlrecht auseinanderfallen würden. Diese Bedenken haben wir im Übrigen bereits in den Debatten um die Reform der Landesverfassung in der vergangenen Wahlperiode deutlich gemacht.
Dass Jugendliche das Wahlrecht mit 16 selber mehrheitlich ablehnen, ergeben unterschiedliche Studien und Umfragen.
Dies zeigt eine Differenz zwischen der Selbsteinschätzung von Jugendlichen und dem Willen der Erwachsenen.
Die Frage des Wahlalters darf schließlich auch keine parteitaktische Frage sein. Unser Anspruch muss es sein, die Kinder und Jugendlichen von heute dabei zu unterstützen, die mündigen und politischen Menschen von morgen zu werden.
Der Überweisung in die Fachausschüsse stimmen wir selbstverständlich zu. – Ich danke für die Aufmerksamkeit, soweit vorhanden.
Vielen Dank, Herr Kollege Preuß. – Sie haben es sicherlich gesehen. Es gibt eine angemeldete Kurzintervention von Herrn Kollegen Hübner. Das Mikro ist frei.
Danke schön, Frau Präsidentin, für die Worterteilung. – Herr Kollege Preuß, ich bin hinlänglich schockiert über die Einschätzung,
die Sie hier gerade abgegeben haben. Ich sage das ausdrücklich auch als Mitglied der Verfassungskommission in der letzten Wahlperiode, weil wir uns sehr eingängig, sehr lange, sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt haben.
Ich will das an den Punkten, die Sie aufgeführt haben, festmachen. Sie haben gesagt, das Wahlrecht dürfe nicht parteipolitischer Beliebigkeit entsprechen. Da muss ich wirklich sagen: Nach dem heutigen Tag hat die parteipolitische Beliebigkeit den Einstieg schon gefunden. Das Kommunalwahlrecht sieht übrigens vor – das sei an dieser Stelle eingeflochten –, dass man mit 16 wählen kann. Das bedeutet aber nicht, dass jeder 16-Jährige die Chance zur Wahl bekommt. Die Spanne ist immer von 16 bis 21 Jahren.
Das macht auch das deutlich, was wir in der Verfassungskommission diskutiert haben. Das würde auch in dem Falle gelten, wenn Sie das Landeswahlrecht auf 16 Jahre herabsetzen würden, dass das, weil wir fünfjährige Wahlzeiten haben, immer für junge Menschen von 16 bis 21 gilt, die dann das Wahlrecht zum ersten Mal ausüben.
Das hat übrigens – das ist in der Verfassungskommission ausgiebig diskutiert worden, ich kann mich an die Mehrheiten sehr genau erinnern – in keiner Weise damit zu tun, dass man das Wahlrecht an die Geschäftsfähigkeit oder gar die Strafmündigkeit binden sollte. Die vollständige Strafmündigkeit ist in der Regel übrigens mit dem 21. Lebensjahr erreicht. Dann müssten Sie jetzt folgerichtig darauf kommen, das zusammenzuführen,
Lieber Herr Preuß, ich will das mit einem letzten Satz sagen: Ihr Vortrag erinnert mich sehr daran, wie man auch ein Klassenwahlrecht argumentativ darstellen kann. Das lehnen wir als Sozialdemokraten entschieden ab.