Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Demokratie in unserem Land ist heute ein besonderer Tag. Es ist ein Tag, der gleichermaßen zu einem dankbaren Rückblick wie auch zu einem hoffnungsfrohen Ausblick Anlass gibt.
Heute vor 70 Jahren verkündete der Parlamentarische Rat in feierlicher Sitzung das Grundgesetz. Drei Tage zuvor hatte der Landtag von Nordrhein-Westfalen den Entwurf ratifiziert. Daher ist der 23. Mai ein Tag in unserem Kalender, der Grund zur Dankbarkeit gibt, weil dies ein Meilenstein für den Weg unseres Landes zurück in die Völkergemeinschaft war.
Wir erinnern uns: Es gab noch keinen Bundestag. Es gab noch keine Bundesrepublik. Aus den Ländern wurden die Mitglieder in den Parlamentarischen Rat entsandt. Das Grundgesetz ist eine Verfassung der Landtage.
Unterschätzen wir deswegen nicht die Bedeutung der Landesparlamente für unsere Demokratie. Zu leicht gehen wir heute über dieses Prinzip unserer Verfassung hinweg. Zu leicht wurde manches Mal der Einfluss der Landesparlamente verkauft. Ich sage das bewusst mit Blick nach Berlin.
Während Deutschland in Trümmern lag, während sich viele ehemalige Soldaten noch in Kriegsgefangenschaft befanden, während die Folgen von Flucht und Vertreibung überall spürbar waren, während die Sorge um Nahrung und um Heizmaterial allgegenwärtig war, während das Vertrauen der Welt in uns Deutsche auf dem Boden lag – während all dessen fügte der Parlamentarische Rat die Steine nie da gewesener Rechtsstaatlichkeit zu einem so nie da gewesenen Artikelwerk zusammen, das nicht weniger als unseres Glückes Unterpfand werden sollte: dem Grundgesetz.
Unser Land Nordrhein-Westfalen stellte mit 17 der 65 Räte dieses Gremiums die größte Anzahl der Mitglieder. Sein Vorsitzender Konrad Adenauer und drei der insgesamt vier Frauen des Parlamentarischen Rates kamen aus Nordrhein-Westfalen. Der Tagungsort lag ebenfalls in unserem Land: in Bonn. Und – hier verlasse ich zwar Nordrhein-Westfalen, aber für mich kommt es nahezu einem Wunder gleich – sogar Mitglieder jüdischer Herkunft gehörten dem Rat an.
Jede und jeder von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist im Herzen von dem mit der Verabschiedung unserer Verfassung einhergehenden Auftrag erfüllt. Zwar streiten und debattieren wir über die Wege, wie wir diesen Auftrag am besten erfüllen können, aber wir sind uns darin einig, dass wir ihn zu erfüllen haben. Freiheit, europäische Einigung und Menschenrechte, meine Damen und Herren, liebe
Der Auftrag, der im Lied der Deutschen lautet, dieses Land zum Blühen zu bringen, ist und bleibt unser gemeinsamer unabänderlicher Auftrag. Ihm stellen wir uns. Ihn geben wir weiter an unsere Kinder. An ihm werden wir gemessen. An ihm werden wir uns messen lassen – im Inland wie im Ausland, als Zugewanderte wie auch als Einheimische, als Christen, als Juden, als Muslime und als Zivilgesellschaft. Mit ihm können wir uns sehen lassen. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, zeigt der Weg der Bundesrepublik durch die Zeiten.
In dieser Dankbarkeit liegt zugleich die große Verpflichtung, unseren Rechtsstaat, die Trias von Einigkeit und Recht und Freiheit, die Gewaltenteilung und die Grundrechte unbedingt und bedingungslos an diejenigen weiterzugeben, die nach uns kommen werden.
Unser Grundgesetz ist die Grundlage, aber nicht die Garantie für unsere Demokratie. Es ist fast ein Denkmal für unser Land, das aber keineswegs starr ist und beileibe nicht unter Denkmalschutz steht. Es ist nur so lange wirksam, wie wir es gemeinsam in Politik, Gesellschaft und Familie auf unser Denken und Handeln beziehen und es auch im Alltag mit Leben füllen.
Unser Grundgesetz wurde heute vor 70 Jahren in einer feierlichen Sitzung des Parlamentarischen Rates ausgefertigt und verkündet. Es ist das größte Angebot unseres Landes an unsere Freiheit und Solidarität.
Und – das sage ich ganz bewusst auch mit Blick auf die Europawahl am kommenden Sonntag – Europa schmälert dieses Angebot nicht, sondern vertieft und verbreitet es im Geiste des Friedens und der Freiheit. Wir dürfen für unser Grundgesetz dankbar sein. – Ich danke Ihnen.
Meine Damen und Herren, damit heiße ich Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 58. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt wie immer auch den Gästen oben auf der Zuschauertribüne und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich sieben Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung: Alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, den heute ursprünglich vorgesehenen Tagesordnungspunkt 18 bereits als Tagesordnungspunkt 8 – neu – zu behandeln. Gibt es dagegen Widerspruch? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Wir kommen nun zur Verpflichtung eines Abgeordneten gemäß § 2 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung. Der Landeswahlleiter des Landes NordrheinWestfalen hat mir mit Schreiben vom 10. Mai 2019 mitgeteilt, dass mit Wirkung vom 10. Mai 2019 Herr Ernst-Wilhelm Rahe von der SPD als Nachfolger für den Abgeordneten Herrn Guido van den Berg von der SPD Mitglied des Landtags geworden ist.
Ich darf nun Herrn Rahe zu mir bitten, damit ich die nach § 2 unserer Geschäftsordnung vorgesehene Verpflichtung vornehmen kann. Alle anderen Anwesenden bitte ich, soweit es ihnen möglich ist, sich für die Verpflichtung von ihren Plätzen zu erheben.
Herr Kollege Rahe, ich bitte Sie, die nachfolgenden Worte der Verpflichtungserklärung anzuhören und anschließend durch Handschlag zu bekräftigen:
Die Mitglieder des Landtags von Nordrhein-Westfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohle des Landes Nordrhein-Westfalen widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.
Sehr geehrter Herr Kollege, ich heiße Sie herzlich willkommen als neuen Abgeordneten in der 17. Wahlperiode und wünsche Ihnen viel Glück bei der Arbeit hier im Landtag zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen Kollegen! Wir treten damit in die heutige Tagesordnung ein.
Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 22. Mai 2019 mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, den Landtag zum Thema „Klima-Konsens 1:1 umsetzen – neue Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven für die Kohlereviere“ zu unterrich
ten. Die Unterrichtung erfolgt durch den Ministerpräsidenten Armin Laschet. Ich erteile Herrn Ministerpräsidenten Laschet das Wort. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es sind angespannte Tage, in denen wir uns derzeit befinden. Es geht in diesen Tagen um den Zusammenhalt in der Europäischen Union, um neue Unklarheiten beim Brexit, um drohende Handelskonflikte mit den USA, um wirtschaftliche und technologische Herausforderungen durch China, um dramatische Veränderungen durch Globalisierung und Digitalisierung und um eine Menschheitsfrage: die Bekämpfung des von Menschen verursachten Klimawandels.
Viele dieser Fragen kumulieren bei uns in NordrheinWestfalen. Wir sehen die Sorgen der Arbeitnehmer und drohenden Arbeitsplatzabbau bei thyssenkrupp. Wir sehen die Sorgen, die sich Menschen im Zusammenhang mit Bayer und dem dortigen Abbau von Arbeitsplätzen machen. Wir sehen die Sorgen der Mitarbeiter bei Ford und bei vielen Zulieferern der deutschen Autoindustrie in Westfalen.
Dies alles wäre schon Herausforderung genug für eine Generation. Dennoch zwingt uns die Veränderung des Weltklimas gleichzeitig zu einem völligen Umbau unserer Energiewirtschaft, der für unsere Zukunft als Industrieland entscheidend ist.
Nach dem Ende der Steinkohleförderung 2018, die auch eine große Herausforderung war, und nach dem Ende der Kernenergie im Jahr 2022, die noch vor uns liegt, haben wir jetzt das Jahrhundertprojekt „Ausstieg aus der Braunkohleverstromung“ vor uns.
Vor ziemlich genau drei Monaten habe ich an dieser Stelle im Zusammenhang mit den Empfehlungen der Expertenkommission „Wachstum, Struktur und Beschäftigung“ aus Vertretern der Wissenschaft, der Wirtschaft, der Umweltverbände, der Gewerkschaften und der betroffenen Regionen gesagt, dass der dort von den Experten erreichte Konsens ein großer Kraftakt für diese Gruppe gewesen ist, der uns in der Umsetzung vieles abverlangen wird.
Heute – drei Monate später und knapp vier Monate, nachdem die Kommission ihre Empfehlungen vorgelegt hat – sind wir einen bedeutenden Schritt weiter. Das Bundeskabinett hat gestern die Eckpunkte für ein „Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen“ zur Umsetzung der strukturpolitischen Empfehlungen der Kommission beschlossen.
„Eckpunkte“ nennt man das, und Eckpunktepapiere haben normalerweise drei, vier, fünf Seiten Umfang. Es ist ein 40 Seiten langes, substanzielles Dokument geworden, das die Bundesregierung gestern beschlossen hat.
dem Chef des Bundeskanzleramtes, dass es in relativ kurzer Zeit nach dem Ergebnis der Kohlekommission gelungen ist, Handlungsfähigkeit zu beweisen und ein solch substanzielles Dokument vorzulegen.
Diese Entscheidung stellt einen wichtigen Meilenstein bei der Eins-zu-eins-Umsetzung des Klimakonsenses dar. Dafür hat sich die Landesregierung von Beginn an stark gemacht.
Die Eckpunkte sind ein Signal der Chancen und der Zuversicht. Sie signalisieren den Menschen in den Regionen: Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist eine nationale Aufgabe. Die Bundesregierung und die Landesregierungen lassen die Braunkohlereviere und die Regionen mit Steinkohlekraftwerken mit dieser Aufgabe nicht allein.
Von einem, der dafür immer sehr gekämpft hat, die Sorgen der Arbeitnehmer und der Region miteinander zu verbinden, haben wir uns gestern verabschiedet: Das war der Kollege Guido van den Berg.
Als Ausgangslage dienen die Empfehlungen der Kommission. Der Konsens ist ein Gesamtpaket, das man nicht voneinander loslösen kann. Drei Ziele sind für die Landesregierung wichtig:
Erstens. Wir wollen die Klimaziele erreichen mit einer schrittweisen Reduzierung und Beendigung der Kohleverstromung, und zwar deutlich früher als bislang vorgesehen und 2016 in einer Leitentscheidung hier festgelegt worden war. Wir müssen schneller sein. Ich sage das nicht als Schuldzuweisung: Die Ereignisse haben uns überholt. Unsere Ziele müssen heute ambitionierter sein.
Zweitens. Wir wollen Versorgungssicherheit, Preisstabilität und internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie erhalten. Gerade die Unternehmer in Westfalen – in Südwestfalen, in Ostwestfalen, im Münsterland – sagen uns: Denkt daran, unsere Produktion hängt auch davon ab. Unsere Wettbewerbsfähigkeit – wir kämpfen oft um Centbeträge auf den Weltmärkten – hängt davon ab, dass wir zu jeder Sekunde bezahlbaren und verfügbaren Strom haben.
Es ist auch ein Beitrag zum globalen Klimaschutz, wenn in Neuss Aluminium und in Duisburg Stahl, der auch in Zukunft gebraucht wird, hergestellt wird. Das ist ein Beitrag zum Weltklima; denn wenn die Unternehmen dort weggingen, den Stahl woanders produzierten,
wäre das für die weltweite CO2-Bilanz eine Katastrophe. Deshalb müssen wir auch dies mit im Blick haben.