Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 9. Juni ist unser geschätzter Abgeordnetenkollege Holger Müller nach kurzer, schwerer Krankheit im Alter von 71 Jahren verstorben.
Tieftraurig und bewegt müssen wir Abschied nehmen von einem lieben Menschen, von dessen Krebserkrankung viele von uns zwar wussten, dessen plötzlicher Tod uns aber doch völlig überrascht und umso mehr erschüttert hat.
Als ich zuletzt am 21. Mai mit ihm gesprochen habe, war er sich seiner ernsten Situation bewusst, hoffte gleichwohl, dass ihm noch Zeit bliebe – Aber es ist anders gekommen. Er war vorbereitet.
Holger Müller ist in jungen Jahren – wie viele von uns – kommunalpolitisch tätig geworden und geblieben: 24 Jahre Mitglied des Rates seiner Heimatstadt Rösrath, davon zehn Jahre als erster stellvertretender Bürgermeister, sowie von 1979 bis 2017, also 38 Jahre lang, Kreistagsmitglied im Rheinisch-Bergischen Kreis, davon 17 Jahre als Fraktionsvorsitzender – ein Kommunalpolitiker durch und durch.
Durch sein Engagement vor Ort war er nah bei den Menschen, deren Sorgen und Nöte er kannte. Er hatte die besondere Gabe, Menschen mitzureißen und zu begeistern. Straßenwahlkampf liebte er über alles, wie er einmal bekannte.
Mitglied des Landtags wurde Holger Müller mit Beginn der 14. Wahlperiode im Mai 2005, und er zog auch bei der Landtagswahl 2017 wieder in den Landtag ein. Die parlamentarische Arbeit des Juristen war geprägt von großem Engagement, politischem Gespür, aber auch der Fähigkeit zum Kompromiss.
Einer seiner Schwerpunkte lag in der Arbeit des Ausschusses für Europa und Internationales. Aber Dreh- und Angelpunkt im Landtag war für Holger Müller der Sportausschuss, dem er von Beginn an angehörte, in dem er als Sprecher der CDU-Fraktion agierte und den er zuletzt als Vorsitzender leitete. Mit dem Ausschussvorsitz ging, wie er selber mehrfach sagte, für ihn ein Traum in Erfüllung.
Holger Müller, der frühere Fußballjugendtrainer und leidenschaftliche FC-Köln-Fan, ließ kaum ein Wochenende aus, bei dem er nicht bei Sportfesten und Veranstaltungen oder Meisterschaften präsent war.
Holger Müller war auch ein Politiker deutlicher Worte – Klartext-Müller, wie er sich selber bezeichnete. Dabei liebte er es, sich in der Debatte am politischen Gegner zu reiben. Aber es war sein unerschütterlicher rheinischer Humor, mit dem er scheinbar festgefahrene Situationen immer wieder lösen konnte. Holger Müller war – Zitat – mit Mutterwitz und Frohsinn gesegnet – Zitatende –, wie es ein Journalist ausgeführt hat. Niemand konnte ihm wirklich böse sein.
Von Beginn an ist Holger Müller offen mit seiner Erkrankung umgegangen und war optimistisch, sie besiegen zu können. Umso betroffener sind wir nun über seinen plötzlichen Tod. Wir alle verlieren einen geschätzten Kollegen, aber viele von uns auch einen guten persönlichen Freund.
Holger Müller hat seine letzte Reise angetreten, so hat es sein Sohn Benedikt in der Todesanzeige formuliert. Die sollte ihn eigentlich in die Südsee führen, so sein Wunschtraum. Er hat die Zeit, seine Zeit, intensiv genutzt. Er hat im Land und in Kommunen viel bewegt. Er wird uns fehlen. Der Landtag NordrheinWestfalen gedenkt Holger Müller mit Respekt und Dankbarkeit.
Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich darf Sie damit von hier vorne zu unserer 60. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen heißen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung: Bevor wir in die heutige Tagesordnung eintreten, befassen wir uns mit einem Antrag zur Änderung der Tagesordnung gemäß § 20 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung.
Die Fraktionen von CDU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom gestrigen Tag beantragt, unter dem heutigen Tagesordnungspunkt 2 den Antrag der Abgeordneten der Fraktion der SPD und der Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drucksache 17/6588 – sowie den Antrag der Abgeordneten der Fraktion der CDU und der Abgeordneten der FDP in der Drucksache 17/6594 – beide gerichtet auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen – von der Tagesordnung abzusetzen.
Stattdessen soll der gemeinsame Antrag von 65 Abgeordneten der Fraktion der CDU, der Abgeordneten der Fraktion der SPD, von 26 Abgeordneten der Fraktion der FDP und der Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 17/6660 „Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gemäß Art. 41 der Landesverfassung Nordrhein-Westfalen zum Vorgehen der nordrheinwestfälischen Landesregierung und der Ermittlungsbehörden sowie der Jugendämter im Fall des Verdachts des vielfachen sexualisierten Kindesmissbrauchs auf einen Campingplatz in Lügde und ggf. an anderen Orten“ – Kurzformel „PUA Kindesmissbrauch“ – auf der Tagesordnung ergänzt und unter Tagesordnungspunkt 2 beraten sowie direkt abgestimmt werden.
Nicht betroffen von dem Antrag auf Änderung der Tagesordnung ist der Antrag der Abgeordneten der Fraktion der AfD Drucksache 17/6582, der ebenfalls unter Tagesordnungspunkt 2 beraten und direkt abgestimmt wird.
Ergänzend weise ich noch auf Folgendes hin: Die Drucksache 17/6660 wurde erst gestern ausgegeben. Gemäß § 72 unserer Geschäftsordnung sollen Beratungen grundsätzlich frühestens am zweiten Tag nach Verteilung der Drucksache beginnen. Wird Einspruch gegen die Beratungen erhoben, weil die Frist nicht eingehalten wurde, entscheidet der Landtag mit einfacher Mehrheit über den Beginn der Beratung, wenn dies nicht von einer Fraktion oder von fünf vom Hundert der Mitglieder des Landtags beantragt wird.
Ich frage daher: Wird Einspruch gegen die heutige Beratung erhoben? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Damit komme ich zur Befassung des Antrags auf Änderung der Tagesordnung. Wird hierzu noch das Wort gewünscht? – Ich sehe, das ist nicht der Fall.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Ergänzung und Änderung der Tagesordnung. Wer dem zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer ist dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der Antrag einstimmig angenommen und die Tagesordnung entsprechend ergänzt worden.
Demokratie und Rechtsstaat schützen: Kampf gegen rechtsextremistischen Terror und Bedrohungen intensivieren
Die Fraktionen von CDU und FDP haben mit Schreiben vom 24. Juni 2019 gem. § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 24. Juni 2019 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zur genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Am 2. Juni 2019 wurde Regierungspräsident Dr. Walter Lübcke grausam ermordet. Wir können uns nicht vorstellen, wie unfassbar das für seine Familie sein muss, wie furchtbar dies für seinen Sohn ist, der den Vater schwer verletzt auf der Terrasse des Hauses fand.
Der Mord erschüttert aber auch deshalb unsere Gesellschaft, weil es sich um eine rechtsterroristische Tat handelt – im Übrigen nur wenige Tage nach dem 70. Jahrestag unseres Grundgesetzes. Für die Verfassung und die Werte dieser freiheitlichen und rechtsstaatlichen Demokratie stand auch Walter Lübcke. Deshalb ist der Mord an Walter Lübcke ein direkter Angriff auf diese Demokratie und auf diese Gesellschaft.
Dass die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und der Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein nach der Tat Morddrohungen erhielten, ist zutiefst erschreckend, zumal beide bereits von Rechtsextremen attackiert worden waren. Das zeigt, dass wir nicht von Einzelfällen sprechen können.
Die Angriffe auf Henriette Reker 2015 und Andreas Hollstein im Jahr 2017, den rechtsterroristischen Anschlag in der letzten Silvesternacht im Ruhrgebiet, aber auch über 200 politisch rechts motivierte Gewaltdelikte alleine im vergangenen Jahr in NordrheinWestfalen zeigen, dass wir hier schon lange nicht mehr über Einzelfälle reden.
Wir reden über ein strukturelles Problem mit Rechtsextremismus und – ich finde, das man muss auch sagen – mit Rechtsterrorismus in diesem Land. Das muss man erkennen, um wirksam dagegen vorgehen zu können.
Der Anschlag auf Walter Lübcke ist auch deshalb so besorgniserregend und furchtbar, weil er sehr deutliche Parallelen zu den NSU-Morden aufweist: der grausame Mord aus nächster Nähe, der einer Hinrichtung gleichkommt, und das fehlende Bekennerschreiben; denn wir wissen, dass auch der NSU keine Bekennerschreiben brauchte, weil im Rechtsextremismus die Tat schon die Botschaft ist.
Eine weitere Parallele ist der Einschüchterungsversuch. Auch der NSU hat versucht, in den migrantischen Communitys Angst zu schüren. Der Mord an Walter Lübcke soll offenbar auch ein Einschüchterungsversuch sein, um Angst bei demokratischen Politikerinnen und Politikern zu erzeugen.
Auch der Tatort und die Neonazistrukturen sind von hoher Relevanz. Es bestehen engste Verbindungen der rechtsextremen Szenen in Dortmund und Kassel, die über die Neonazi-Band „Oidoxie“ und offenbar auch über „Combat 18“ zusammenlaufen.