Protokoll der Sitzung vom 11.07.2019

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer 63. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung hat sich kein Abgeordneter entschuldigt.

Geburtstag feiern heute die Abgeordnetenkollegin Christina Kampmann von der Fraktion der SPD und Herr Minister Karl-Josef Laumann. Im Namen der Kolleginnen und Kollegen herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Vor Eintritt in die Tagesordnung: Im Nachgang zur gestrigen Sitzung muss ich zu Tagesordnungspunkt 10 noch eine nichtförmliche Rüge aussprechen. Diese betrifft den Abgeordneten Loose von der Fraktion der AfD; er hat sich in seiner Rede zu TOP 10 unparlamentarisch verhalten.

Meine Damen und Herren, damit treten wir in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1 Bundesumweltministerin Svenja Schulze legt

Plan für sozialverträgliche Ausgestaltung einer CO2-Bepreisung vor – Landesregierung muss beim Klimaschutz Farbe bekennen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 17/6821

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 8. Juli 2019 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die SPD-Fraktion Herrn Stinka das Wort

(Unruhe)

und bitte Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Unterhaltung etwas zu dämpfen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen zu sein, müssen wir als Menschen über uns hinauswachsen. Eine zukunftsorientierte Politik für die Menschen – das ist nicht einfach, und das sollten wir uns in dieser Debatte auch eingestehen.

Wir sitzen hier gemeinsam und haben den Auftrag, die Zukunft der Schülerinnen und Schüler, der Menschen zu gestalten. Gestern hatte ich Besuch aus meinem Wahlkreis, und mir ist noch einmal deutlich geworden, dass die Schülerinnen und Schüler große Erwartungen in uns setzen und auf uns vertrauen. Dieses Vertrauen dürfen wir nicht verspielen.

Als ich in den 90er-Jahren anfing, als Umweltpolitiker in meiner Heimatstadt Politik zu machen, wurde ich allzu häufig belächelt. Heute ist klar: Klimaschutz ist mitnichten ein Nischenthema. Klimaschutz ist von epochaler Bedeutung und hat eine übergeordnete Zukunftsfrage zu organisieren. Klimaschutz ist die Herausforderung unserer Zeit.

Vor Jahrzehnten haben wir bereits über Umweltfragen diskutiert. Ich erinnere an den Brundtland-Bericht, an die Fragen 1972 und die Endlichkeit der Ressourcen. Die Reduktion der CO2-Emmissionen ist ein konkreter Aspekt in dieser Debatte.

Seit rund 14 Jahren existiert nun der europäische Emissionshandel. Nach jahrelang niedrigen Zertifikatspreisen steigert sich endlich der Preis für CO2.

Der Ausstoß der Treibhausgase hat sich in Deutschland von 1990 bis 2018 um 31 % verringert. International und national haben wir uns allerdings verpflichtet, 40 % CO2-Emissionen gegenüber 1990 einzusparen. Dieses Ziel werden wir verfehlen. Auch das Ziel der Reduktion der Temperatur um 1,5 Grad wird nicht erreicht werden. Wir werden neue Wege beschreiten müssen.

Eines ist ganz klar: Es wird großer Anstrengungen bedürfen, Lösungen mit Blick auf den Klimawandel herbeizuführen. Ich weiß – das habe ich gerade schon einmal deutlich gemacht –: Wir haben nur diese eine Welt, und wir leben in planetaren Grenzen. Diese können wir nicht überschreiten. Wer sich den Astronauten Gerst anhört, der weiß, dass er die Verletzlichkeit dieser Hülle sieht. Wir haben unser Handeln danach auszurichten.

(Beifall von der SPD)

Das bedeutet letztendlich, dass wir Generationengerechtigkeit leisten müssen; denn die Entscheidungen, die wir heute fällen, betreffen unsere Kinder und Enkelkinder. Es ist wichtig, dass wir unsere Lebensgrundlage erhalten; denn nichts ist sozialer, als dies zu tun.

Ich bin als Sozialdemokrat stolz darauf, dass Johannes Rau im Jahre 1991 das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie ins Leben gerufen hat. Warum sage ich das? Johannes Rau ist damals belächelt worden, weil er dieses Initiative ergriffen hat. Aber wir alle kennen den ehemaligen Ministerpräsidenten unter dem Motto: Versöhnen statt spalten.

Gerade nach dem gestrigen Tag will ich noch einmal deutlich machen: Wenn wir Veränderungen in der

Gesellschaft erkennen, dann müssen wir diese Veränderungen gemeinsam angehen und dürfen nicht die Menschen gegeneinander aufhetzen und Zukunftsfragen verspielen.

(Beifall von der SPD und Josef Hovenjürgen [CDU])

Deswegen, glaube ich, können wir zwei Lehren aus dieser Gründung im Jahre 1991 ziehen: einmal mutig sein, mutig voranzugehen und zum anderen deutlich zu machen, dass man die Gesellschaft mitnehmen muss, um gerade ein Industrieland wie NordrheinWestfalen umzugestalten.

Die bisherigen Bemühungen zur Reduktion des CO2Ausstoßes gehen aus unserer Sicht, aus Sicht der Sozialdemokratie, nicht weit genug. Wenn die Einführung eines CO2-Preises hierzu ein Teil der Debatte sein kann, dann sollten wir diese Möglichkeit in Erwägung ziehen. Ein CO2-Preis ist kein Allheilmittel und wird alleine nicht dazu führen, die Klimaziele zu erreichen. Es wäre aber eine Maßnahme, die im Zusammenspiel mit weiteren Instrumenten eine deutliche Lenkungswirkung hat, die sie entfalten kann.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze hat drei Gutachten von Instituten einholen lassen, um die Lenkungs- und Verteilungswirkung von CO2-Bepreisungsmodellen zu untersuchen. Einige Ihrer Parteikollegen – jetzt blicke ich besonders in Richtung CDU –, gerade der Bundeswirtschaftsminister, haben es noch nicht einmal gelesen und lehnen das ab.

Kolleginnen und Kollegen, so kann man mit Vorschlägen nicht umgehen. Ich habe gerade davon gesprochen, dass wir hier gemeinsam diskutieren müssen, weil wir eine gemeinsame Verantwortung haben. Er ist der Bundeswirtschaftsminister. Er ist gefordert, die Energiezukunft in Deutschland zu gestalten, und er muss sich dieser Debatte stellen. Daran führt kein Weg vorbei.

(Beifall von der SPD)

Wir hatten am 22. Mai 2019 hier in diesem Hause schon eine Debatte, die in eine ähnliche Richtung ging. Herr Untrieser hat für die CDU in Anspruch genommen, dass sie im Grunde die Klimaschutzpartei schlechthin ist. Reden Sie vielleicht mal mit Herrn Altmaier; dann könnten Sie eines Besseren belehrt werden. Und kommen Sie mit konkreten Vorschlägen – hoffentlich schon gleich in der Debatte –, damit wir uns auf diesen Weg machen.

Wir müssen – das ist unsere demokratische Verantwortung – uns ehrlich machen. Klimaschutz kostet Geld. Das dürfen wir nicht verschweigen. Aber das Schlimmste ist – das haben wir beim Strukturwandel erlebt, und das haben wir anhand der Ausführungen von Johannes Rau erlebt –, dass man der Gesellschaft nicht klarmacht, auf welchem Weg man geht, dass man die Gesellschaft nicht mitnimmt und stattdessen die Menschen gegeneinander aufhetzt und

so keine Zukunft hier im Land organisiert. Das ist unsere deutliche Auffassung.

(Beifall von der SPD)

Die High-Level Commission on Carbon Prices hat deutlich gemacht, dass wir in den nächsten Jahren einen Preis von 35 Euro bis 70 Euro pro Tonne gestalten müssen. Wir müssen auch am Beispiel eines Zugtickets von Düsseldorf nach Berlin klarmachen, dass das Zugticket nicht teurer sein kann als das entsprechende Flugticket.

Hier werden falsche Anreize gesetzt – das verstehen auch die Menschen vor Ort nicht –, und hier werden Kosten in die falsche Richtung gelenkt. Hier ist Lenkungswirkung erforderlich, und wir müssen zügig handeln, damit den Menschen klar wird, dass alles, was den Treibhausgaseffekt antreibt, auch Geld kosten muss.

Es geht gar nicht anders. Sie können keinem Menschen klarmachen, dass das Zugticket wesentlich teurer ist. Damit ist auch die soziale Frage nicht geklärt. Denn auf wessen Rücken wird am Flughafen schlechte Arbeit gemacht? – Auf dem Rücken des Sicherheitspersonals und auch auf dem Rücken der Fluggesellschaften.

Für uns Sozialdemokraten ist klar, dass wir den CO2Preis sozial gestalten müssen. Diejenigen, die zum Beispiel beim Pendeln keine Alternativen haben, und diejenigen, die in schlecht isolierten Wohnungen leben, müssen in dieser Debatte mitgenommen werden.

Deshalb der Appell: Wir müssen diesen Weg gemeinsam gehen und für das Land Nordrhein-Westfalen gemeinsam organisieren. Die Kollegen Herter und Sundermann haben gestern in der Debatte um die Kohlekommission angeregt, dass dies nicht nur eine Frage der Landesregierung sein darf. Wir müssen als Energieland Nordrhein-Westfalen hier gemeinsam vorangehen und diese Zukunftsfragen gemeinsam stellen.

Wir erwarten von der Landesregierung mehr als weiße Salbe. Wir erwarten klare Zielvorgaben, die wir gestern schmerzlich vermisst haben. Heute besteht noch einmal die Chance, sich einzureihen in die Debatte um die CO2-Bepreisung. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die CDU-Fraktion hat nun der Abgeordnete Hovenjürgen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! CO2-Reduktion ist eine gesellschaftliche Aufgabe. Wir haben hier – lieber Herr

Stinka, da bin ich bei Ihnen – eine gemeinsame Verantwortung für unser Land, aber auch für unseren Globus. Dieser Verantwortung müssen wir gerecht werden.

Wir haben gestern erlebt, wie es endet, wenn Menschen instrumentalisiert werden, wie es ist, wenn Ängste geschürt werden, und wie man eine solche Diskussion nutzt, um Menschen gegeneinander in Stellung zu bringen. Das darf und kann nicht Ziel sein. Wir haben im demokratischen Bereich in diesem Haus eine gemeinsame Verantwortung.

(Beifall von der CDU und der SPD – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Diese Problemstellung ist vielschichtig. Wir müssen insbesondere unseren jungen Menschen, die sich intensiv in die Debatte einmischen, deutlich machen, dass wir einen Weg suchen müssen, der auch Kompromisse beinhaltet. Eine fundamentale Haltung wird am Ende nicht konsensual und nicht durchsetzbar sein. Deswegen gehören auch Zusammenarbeit und der Wille des Miteinanders dazu.

Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Wertschöpfungsketten auf diesem Weg nicht verlieren; vielmehr müssen wir unsere Wirtschaftskraft erhalten. Wir müssen aufpassen, dass wir den Menschen Arbeitsplätze erhalten, damit sie aufgrund der neuen Wege, die wir gehen wollen, nicht in Existenzängsten versinken und von anderen in diesen Ängsten missbraucht werden können. Diese Haltung sollten wir uns gemeinsam erarbeiten.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD und der FDP)

Ich meine, dass die Landesregierung gestern schon einen guten Schritt gegangen ist. Mit der aufgelegten Energiestrategie haben wir Wege aufgezeigt, bei denen wir uns zusammenfinden können. Wir können uns gemeinsam auf den Weg begeben, den Menschen deutlich zu machen, dass CO2 nicht die Braunkohle oder die Landwirtschaft bedeutet.