Protokoll der Sitzung vom 20.09.2019

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 67. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch den Gästen auf der Zuschauertribüne und den anwesenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; die Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Damit treten wir in die heutige Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1 Die Landesregierung verstrickt sich in immer

größere Widersprüche und muss dem Parlament gegenüber Aufklärung leisten

Aktuelle Stunde der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 17/7445

Die Fraktion der SPD und die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen haben am 18. September gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 der Geschäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die Fraktion der SPD Herrn Abgeordneten Kutschaty das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Diese Aktuelle Stunde ist heute leider notwendig geworden, weil es die Landesregierung versäumt hat, in der Fragestunde vorgestern für Klarheit zu sorgen –

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Marc Lürbke [FDP]: Zuhören! – Zuruf von Diet- mar Brockes [FDP])

Klarheit über eine der zentralen Fragen, die die Öffentlichkeit im Augenblick beschäftigt: Was waren die Gründe für die Räumung des Hambacher Forstes? Diese Antwort erwarten wir heute von Ihnen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)

Noch am Mittwoch haben wir im Rahmen der Debatte um unseren Eilantrag und in der Fragestunde die Version der Bauministerin, Frau Scharrenbach, gehört.

Frau Scharrenbach hat in der Fragestunde noch einmal betont, der Brandschutz sei das wahre Motiv für die Räumung des Hambacher Forstes gewesen. Auch sie allein sei es gewesen, die das entschieden habe.

Auch sie allein sei es gewesen, die im Januar dieses Jahres entschieden habe, im Jahr 2019 keine Baumhäuser mehr zu räumen, da sich die Lage verändert habe: Die Baumhäuser seien höher, sie seien tiefer drin im Wald und hätten jetzt auch eine Doppelverglasung. Das mache die Sache anders.

(Beifall von der SPD)

Das war Ihre Einlassung, Frau Scharrenbach.

Herr Reul ist da schon einen Schritt weiter. Er räumte letzte Woche im Innenausschuss ja sogar schon ein, dass es vielleicht falsch gewesen sein könnte, das Baurecht und den Brandschutz zu strapazieren, um die Baumhäuser und den Hambacher Forst zu räumen.

(Dietmar Brockes [FDP]: Das hat er nicht ge- sagt! – Herbert Reul, Minister des Innern: Sie waren doch gar nicht dabei!)

Dann saßen beide am Mittwoch in der Fragestunde vertraut nebeneinander und meinten, alles sei in Ordnung; man könne schon eine unterschiedliche Sichtweise auf die Dinge haben.

Nein, meine Damen und Herren, nichts ist in Ordnung. Sie haben die Öffentlichkeit über die wahren Motive getäuscht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe vor einer Woche das Angebot angenommen und Akteneinsicht genommen. Danach besteht für mich überhaupt kein Zweifel mehr, dass der Brandschutz allein Mittel zum Zweck war, nämlich für die Räumung zur Rodung. Das sagt auch schon die Zielbeschreibung des Gutachtens.

Vor dem Räumungsantrag von RWE hat die Landesregierung keinerlei Interesse am Brandschutz oder an Diskussionen über bauliche Anlagen gehabt. Erst nachdem der Antrag auf Räumung von RWE eingeht, entwickelt Frau Scharrenbach angeblich mütterliche Beschützergefühle für die sogenannten Baumbesetzer und will deren Leben vor dem drohenden Flammentod retten.

Das Innenministerium bietet Amtshilfe bei der Räumung an, obwohl die betroffenen Kommunen gar nicht bereit sind zu räumen.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU] – Gegen- ruf Christian Dahm [SPD]: Warte mal ab! Wird noch besser!)

Was ist die Folge? – Das Bauministerium weist die Kommunen an, jetzt auch räumen zu wollen. So ist der Vorgang gewesen, meine Damen und Herren.

Ich mache an dieser Stelle auch deutlich: Es geht in dieser Debatte und in dieser Situation nicht um Braunkohle, und es geht auch nicht darum, ob die Landesregierung das Recht hatte, die Baumbesetzer aus dem Wald zu holen oder gar illegal errichtete Baumhäuser zu beseitigen.

Es geht in dieser Debatte einzig darum, ob die Landesregierung den Menschen bei einer derartig wichtigen Frage die ganze Wahrheit gesagt hat. Es geht um Wahrhaftigkeit, es geht um Ihre Glaubwürdigkeit, Herr Ministerpräsident –

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

und das bei einer Frage, die die gesamte Gesellschaft bewegt. Ihre Entscheidung, aufgrund des vermeintlichen Brandschutzes zu räumen, hat die Lage im Hambacher Forst ja nicht gerade beruhigt. Die Entscheidung hat die Lage verschlechtert. Heute gibt es mehr Baumhäuser als vor der Räumung.

(Marc Lürbke [FDP]: Eher weniger!)

Heute sind die Fronten zwischen Gegnern und Befürwortern der Braunkohle härter als vor der Räumung.

(Zuruf von Herbert Reul, Minister des Innern)

Diese Entscheidung hat die Gesellschaft, sogar teilweise Familien, gespalten. Genau deswegen haben die Menschen einen Anspruch darauf, genau zu wissen, warum ihre Landesregierung etwas tut.

Man kann das jeweilige Regierungshandeln als gut oder schlecht empfinden; man muss sich aber darauf verlassen können, dass die Regierung ihre Bevölkerung nicht beschwindelt. Das ist entscheidend.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Die Diskussion um die Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der Landesregierung hat in den letzten zwei Tagen in den sozialen Netzwerken einen neuen Höhepunkt erreicht. Ich will es bewusst sehr vorsichtig formulieren, weil auch ich Filmberichte sehr kritisch bewerten möchte.

Es gibt aber Medienberichte in den sozialen Netzwerken, die die Behauptung aufstellen, dass der Ministerpräsident in einem Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern eingeräumt habe, dass der Brandschutz – so angeblich wörtlich – ein Vorwand gewesen sein soll.

(Bodo Löttgen [CDU]: Völliger Quatsch!)

Herr Ministerpräsident, ich fordere Sie dringend auf, zu diesen Gerüchten, deren Wahrheitsgehalt ich nicht beurteilen kann,

(Zurufe von der CDU und der FDP: Ah!)

Stellung zu nehmen. Haben Sie das so gesagt, oder haben Sie das nicht so gesagt?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Hen- ning Höne [FDP]: Irgendetwas wird schon hängen bleiben! – Weitere Zurufe von der CDU und der FDP)

Ich stelle ausdrücklich klar: Ich vertraue noch dem Wort eines Ministerpräsidenten, aber ich erwarte, dass Sie das heute hier verbindlich erklären.

(Unruhe – Glocke)

Haben Sie so etwas gesagt, oder haben Sie so etwas nicht gesagt, Herr Laschet?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Weiter wurde durch Medienberichte in den sozialen Netzwerken verbreitet, der Ministerpräsident soll in diesem Gespräch auch gesagt haben: Ich wollte den Wald räumen. Ich wollte den Wald räumen. – Auch dazu kann ich leider nichts sagen, ob das so stimmt oder nicht.