Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Ritter, bei uns Sozialdemokraten hieß es früher immer: Stadt und Land Hand in Hand. Ich glaube, dagegen ist nichts einzuwenden. Wir haben hier aber von Ihnen wieder
eine Rede gehört, die mehr defensiv war, anstatt sich den Fragen des Antrags auch einmal zu stellen.
Wir debattieren heute hier bereits zum zweiten Mal über das Thema „Klimapolitik“ und merken ganz klar, dass sich die Prioritäten, die Überlegungen, wie wir auf die Klimafolgenanpassung, auf den Klimawandel eigentlich eingehen wollen, geändert haben. Die Herausforderungen des Klimawandels sind unausweichlich und stellen uns vor große Fragen. Diesen Fragen müssen wir uns stellen.
Bei Ihnen höre ich dann aber immer „Freiwilligkeit“ und „Die machen doch schon.“ – Ja, die Kommunen machen das gut.
Sie sind aber eine Landesregierung, die das vielleicht einmal bündeln sollte und die stolz darauf sein sollte, dass es so viele Initiativen gibt, die man dann aber gemeinsam mit Ihnen organisiert.
Wenn Sie über die Finanzierung von Kommunen reden, will ich noch einmal deutlich machen, dass wir in unserer Regierungszeit das Thema „Altschulden“ und das Thema „Stärkungspakt“ aufgelegt haben, damit die Kommunen handeln können, Herr Ritter. Da sollte doch mehr Offensive drin sein.
Wir konnten erst in dieser Woche auf dem Waldkongress der Umweltministerin erleben, wie Professor Schellnhuber auf die Gefahren des Klimawandels eindringlich hingewiesen hat, Kolleginnen und Kollegen, und ein schnelleres Handeln auch von der Landesregierung eingefordert hat. Es sind ja Ihre Veranstaltungen, über die wir hier berichten.
Damit wir unsere Klimaziele erreichen, sind die Kommune zentrale Akteure und Partner. Sie entwickeln schon heute Klimaschutzkonzepte und setzen diese gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern mit vielen Maßnahmen um. Im Mittelpunkt stehen hier die Förderung von erneuerbaren Energien, die Steigerung der Energieeffizienz – sie kommt meiner Einschätzung nach häufig zu kurz, auch in Ihrer Betrachtungsweise – durch energetische Gebäudesanierungen und, was heute gezielt wichtig ist, die Stadt- und Quartiersentwicklung.
Im Bereich des Klimaschutzes fördern Städte, Gemeinden und Kreise eine nachhaltige Flächennutzung – ich erinnere nur an Ihre Entscheidung zum LEP –, eine umweltverträgliche Wasserversorgung und Abwasserbehandlung und eine effiziente Abfall- und Ressourcenwirtschaft.
Große Punkte werden in den nächsten Jahren auch eine klimafreundliche Mobilität und eine nachhaltige Beschaffung sein. Hierdurch wird die regionale Wertschöpfung, die Sie immer wieder gerne auf den Lippen führen, und damit die Schaffung von Arbeitsplätzen gerade in Richtung Mittelstand und Handwerk gestärkt.
In Zukunft werden die Aufgaben der Anpassung an die Folgen des Klimawandels in den Kommunen aber eine immer größere Rolle spielen. Bei Extremwetterereignissen – dazu gab es eine Veranstaltung in Münster – wie Starkregen, Hochwasser und Stürmen ebenso wie Hitze- und Dürreperioden ergibt sich eine Aufgabe für die Kommunen, Herr Ritter, bei der das Land gemeinsam – und da rede ich nicht nur immer über Geld – mit den Kommunen überdenken muss, wie hier gearbeitet werden soll.
Die mit Hitze und Extremwetterereignissen verbundenen Risiken sind für die Lebens-, Umwelt- und Wirtschaftsbereiche Risikofaktoren vor Ort. Wenn – wie in meiner Heimatstadt zweimal – eine Überschwemmung passiert, leiden auch mittelständische Betriebe darunter. Das kann das Land nicht einfach wegschieben. Maßnahmen zum Umgang mit diesen Risiken und zur Vermeidung der Verwundbarkeit gegenüber den Auswirkungen des Klimawandels sind deshalb auf lokaler Ebene umzusetzen, aber mit der Landesregierung gemeinsam zu bearbeiten.
Als konkrete Beispiele nenne ich für die SPDFraktion den Hitzestress und Hitzeinseln; dazu haben wir schon eine Debatte geführt. Die Durchschnittstemperatur ist im Regierungsbezirk Detmold im Zeitraum von 1981 bis zum Jahr 2010 von 8,5 Grad auf 9,3 Grad Celsius angestiegen. Das wird unter anderem dadurch sichtbar, dass eine steigende Zahl von Sommertagen mit einer Temperatur von über 25 Grad Celsius feststellbar ist. Dies erzeugt Hitzestress, und die Belastungen werden im Regierungsbezirk Detmold von ungefähr 270.000 Menschen zu erleiden sein.
Wenn wir über Lebensqualität und darüber sprechen, wie Menschen langfristig in ihren Wohnquartieren eine lebenswerte Zukunft haben, haben Land und Kommune gemeinsam Strategien zu entwickeln, die den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Sie haben sich auch Gedanken darüber zu machen – wir hatten eine Anhörung dazu –, wie man diesen Extremwettereignissen begegnen kann.
Das kann die Kommune mit dem Land organisieren, und dabei muss sich die Kommune auf das Land verlassen können. Sie haben doch auch Veranstaltungen dazu durchgeführt. Ich weiß gar nicht, warum Sie sich da immer wegstehlen.
Diese Belastungen konzentrieren sich dabei auf die größeren Städte. In Bielefeld wären etwa 65.000 Menschen betroffen, in Minden 30.000 und in Gütersloh 25.000. Durch den fortschreitenden Klimawandel wird sich die Anzahl der betroffenen Menschen bis Mitte des Jahrhunderts verdreifachen.
Die Kommunen stehen aktuell vor der Herausforderung, neben der Umsetzung der Klimaschutzziele auch konkrete Strategien zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels zu entwickeln. Dabei wird das
Klimaschutzpaket der Bundesregierung die Aktivitäten und die Handlungsmöglichkeiten maßgeblich bestimmen und beeinflussen. Die Beschlüsse der Bundesregierung sehen erstmalig gesetzliche, verbindliche Klimaziele für die Sektoren Verkehr, Energie, Industrie und Gebäude vor.
Auch hier sind die Kommunen handelnde Akteure, die aber – und das macht die Bundesregierung deutlich – nicht allein gelassen werden können, weshalb klare Hilfen für die Kommunen notwendig werden – Freiwilligkeit hin oder her.
Diese Ziele werden in einem Klimaschutzgesetz und in einem jährlich sinkenden Treibhausgasbudget festgeschrieben. Der Druck auf alle Akteure wird also steigen. Alle in diesem Bereich sind von kommunaler Bedeutung. Die vorgegebenen Ziele, beispielsweise die Reduktion von CO2 um 60 % im Verkehrsbereich, haben zwangsläufig Auswirkungen auf das Leben in den Kommunen. Dies lässt sich kaum allein durch Erweiterungen von Fußgängerzonen erreichen, sondern setzt eine Verkehrswende voraus.
Diese Verkehrswende muss gemeinsam mit einem großen Bundesland wie Nordrhein-Westfalen erarbeitet werden, weil der kommunale Blick allein nicht reicht, Herr Ritter. Deswegen sollten wir uns darüber unterhalten, wie das Land gemeinsam mit den Kommunen arbeiten soll.
Die deutliche Reduktion von CO2 im Wärmebereich hat ähnliche Konsequenzen. Die Gebäudesanierung, eine andere Gebäudeausstattung sowie die Raumplanung sind ganz entscheidende Punkte. Heute Morgen haben Sie in der Debatte deutlich gemacht, dass Sie vorhaben, die Klimaziele höherzuschrauben bzw. sich an die Bundesregierung anzupassen.
Das setzt doch zwangsläufig voraus, dass Sie mit den Kommunen in einen Dialog treten müssen und mit ihnen darüber reden müssen, wie man diese Ziele verfolgt. Schließlich sind Sie Player in diesem Spiel.
Das Modellprojekt InnovationCity, das von der rotgrünen Landesregierung initiiert worden ist, zeigt eindrucksvoll, dass Politik und Verwaltung gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern Veränderungen und Fortschritte im Hinblick auf die Klimawende herbeiführen können. Wir haben dieses Projekt initiiert, um die Kommunen eben nicht allein zu lassen und deutlich zu machen, dass Innovation und Beratungstätigkeiten durchaus im Interesse des Landes sind. Das ist übrigens auch der Hintergrund für meine Kritik an Ihrem Umgang mit InnovationCity heute Morgen.
Anpassungsaspekte des Klimawandels sollten und müssen verstärkt in die kommunalen Planungs- und Entscheidungsprozesse integriert werden. Klimaanpassung muss fester Bestandteil kommunaler Planungs- und Investitionsentscheidungen werden.
Diese systematische Integration erfordert ein koordiniertes strategisches Vorgehen. Ich erwähne das, weil Sie diejenigen sind, die diese Ziele benennen wollen. In vielen Kommunen gibt es diese Klimaanpassungskonzepte bereits.
Wenn wir aber von einem strategischen Vorgehen sprechen wollen, ist es langfristig unbedingt notwendig, nicht nur sektoral zu arbeiten – das habe ich gerade ausgeführt –, sondern regionale Strategien bzw. ein regional koordiniertes Vorgehen anzustreben. Es bedarf daher einer koordinierten Maßnahmensetzung auch des Landes.
Es muss unser Ziel sein, die Kommunen in die Lage zu versetzen, komplexe Klimaanpassungsmaßnahmen fachbereichs- und städteübergreifend zu planen, zu organisieren und umzusetzen. Hierfür müssen wir auf Landesebene eine Grundlage schaffen, um den Kommunen mit Blick auf adäquate Personalressourcen und geeignete Organisationsformen in den Kommunen und in den Regionen ausreichend Finanzmittel zur Verfügung zu stellen.
Guten Tag! Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen, sehr geehrte Herren! Der vorliegende Antrag erwähnt es nicht mit einem Wort, aber er fordert die Einführung eines gesetzlichen Klimavorbehalts. Diesmal ist diese Forderung heimlich verpackt in einem Antrag zur Förderung des Klimaschutzes in den Kommunen.
Sie fordern nicht nur, die Kommunen zur Einführung eigener Klimaschutzkonzepte zu verpflichten, sondern Sie verlangen auch, dass die Kommunen dort verbindliche CO2-Einsparziele festsetzen. Sie machen dort aber nicht halt, sondern verlangen faktisch, geradezu sämtliche Fördermaßnahmen des Landes und der Kommunen unter einen Klimavorbehalt zu stellen.
Damit das klar ist: In der Sache sind wir uns einig. Erfolgreiche Maßnahmen für Klimaschutz und Klimafolgenanpassung sind angesichts des Klimawandels dringend nötig.
Wir sind allerdings der Auffassung, dass Ihr Ansatz wirklich effektiven Klimaschutz und Klimafolgenanpassung an vielen Punkten eher hemmt. Eine Politik, die auf Quoten und starre Vorgaben setzt, ist Ausdruck des Misstrauens gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, den Städten und Gemeinden und auch
Wir stehen zu einer strengen Deckelung des jährlichen CO2-Ausstoßes zur Erfüllung der Pariser Klimaschutzziele. Wie das Einsparziel am besten erreicht wird, sollen Bürger und Unternehmen bestimmen und es soll unter der Überschrift von Freiheit und Innovation stehen.
Klimaschutz ist das Ziel, Innovation ist der Weg. Dies braucht Rahmenbedingungen für Investitionen und Entfaltungsmöglichkeiten für Forschung und Entwicklung, gerade auch in den Kommunen, um zu kreativen Lösungen zu kommen.
Deshalb gilt: Statt den Handlungs- und Entscheidungsspielraum von Kommunen durch starre Vorgaben einzuschränken und ihnen Vorschriften zu machen, sollten wir unseren Städten und Gemeinden zutrauen, selbstständig zu entscheiden, welche Instrumente auf kommunaler Ebene jeweils geeignet sind, um ihren Beitrag zum Klima- und Umweltschutz zu leisten. Das kann nämlich durchaus unterschiedlich sein, je nachdem, wie die Situation vor Ort ist.
Wir sollten den kommunalen Entscheidern trauen. Wir wollen doch das kommunale Ehrenamt stärken. Trauen wir den kommunalen Entscheidern mehr zu, trauen wir der Selbstverwaltung mehr zu. Lassen Sie den Kämmerern, die Sie angesprochen haben, ihre Entscheidungsbefugnis.
Ganz abgesehen davon – das ist hier überhaupt noch nicht thematisiert worden, soweit ich den Reden aufmerksam gefolgt bin – wird das, was Sie in Ihrem Antrag fordern, natürlich für das Land auch unmittelbare Konnexitätswirkungen haben, wenn wir das so konsequent durchhalten. Das sind Forderungen, die an der Stelle wirklich nicht der richtige Weg sind.
Oft sind die Dinge nicht so einfach, wie sie vielleicht auf den ersten Blick erscheinen. Schon die Sperrung einzelner Straßen für den Autoverkehr – das erleben wir ja – führt nicht zwangsläufig zu weniger, sondern unter Umständen sogar zu mehr Verkehr, zu mehr Emissionen, weil Umwege gefahren werden, weil Autos länger im Stau stehen.
(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Sagen Sie doch mal, was geht und was nicht geht! – Ge- genruf von Ralf Witzel [FDP])
Kommunaler Klimaschutz sollte deswegen nicht aus purem Aktionismus redundant zu bestehenden Klimaschutzinstrumenten des Bundes oder gar der Europäischen Union sein, sondern stets mit Blick für Wechselwirkungen mit der bestehenden Klima
schutzpolitik in Angriff genommen werden. Sonst besteht die Gefahr von Wirkungsverlusten und von Ressourcenverschwendung.
Beispiele hierfür sind kommunale Maßnahmen zur Dekarbonisierung der Stromversorgung oder kommunale Förderprogramme zur Erhöhung der
Stromeffizienz, die über die Anreizwirkung des Zertifikatshandels im Rahmen des EU-Emissionshandels hinausgehen. Diese Maßnahmen verursachen zwar für die Kommunen oder möglicherweise für das Land über eine Konnexität hohe Kosten, aber sie haben de facto keinen zusätzlichen Klimaschutzeffekt. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.