Protokoll der Sitzung vom 28.11.2019

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Walger-Demolsky?

Jetzt? Gern. Ich habe zwar noch gar nicht viel erzählt. Aber wenn das schon dazu führt …

Gern. – Dann bitte, Frau Walger-Demolsky.

(Josefine Paul [GRÜNE]: Das ist eine Ver- ständnisfrage!)

Herr Lenzen, einen Antrag haben wir zurückgezogen, weil er tatsächlich einen sachlichen Fehler enthalten hat.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Das ist dann nicht der eine oder andere. Können Sie mir da recht geben? Also, einer ist nicht der eine oder andere, einer ist einer, und zwar von vielen.

Ich glaube, ich habe allein in unserem Ausschuss 14 Anträge gestellt, und davon hatte ein Antrag einen Fehler, einen sachlichen Fehler. Können Sie das nachvollziehen? Einer und nicht der eine oder andere?

(Gordan Dudas [SPD]: In meinem Ausschuss wird auch mal zurückgezogen!)

Vielen Dank für die Zwischenfrage. Ich sitze einmal als Obmann im Ausschuss für Integration und Flüchtlinge. Dann bin ich Sprecher für Arbeit und Soziales, und ich bin auch im Kommunalausschuss. Ich glaube, zur Halbzeit kann man schon einen ersten Eindruck gewinnen. Der lässt sich im

Nachgang gern verifizieren. Da können wir die Statistik zusammenstellen; die habe ich jetzt natürlich nicht präsent.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Aber ich glaube, irgendwann ist es nicht mehr ein einzelner Eindruck. Was habe ich so erlebt in den Ausschüssen? Entweder Sie sind nicht da,

(Gabriele Walger-Demolsky [AfD]: Wann?)

oder, wenn Sie da sind, bringen Sie sich nicht ein, oder ziehen Sie Anträge zurück, oder finden Sie keine Sachverständigen. Das heißt, irgendwann haben Sie es auch aufgegeben, Anhörungen zu beantragen. Dann gehen Sie in eine schriftliche Anhörung. Das haben wir alles schon erlebt. Sie haben schon Anträge vertagt, dann haben Sie die Anträge einfach wieder einkassiert.

Wenn ich allein in den drei Ausschüssen, in denen ich bin, nach zweieinhalb Jahren das Engagement der AfD-Fraktion sehe, dann muss ich den Spruch nennen: ohne Fleiß kein Preis. Deswegen gewinnen Sie auch keinen.

(Beifall von Gordan Dudas [SPD] – Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])

Schön, dass ich jetzt wieder zum Antrag sprechen darf. Das haben Sie ja eingefordert. Aber das setzt voraus, dass Sie mir jetzt zuhören, wenn ich mich mit Ihrem Antrag auseinandersetze.

(Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])

Wie Sie wissen sollten, gibt es eine Studie des UNEntwicklungsprogramms, UNDP. Demnach kommen vor allem Menschen zu uns, die in ihren Heimatländern im Vergleich zur dortigen Durchschnittsbevölkerung besser verdient haben und auch über ein höheres Bildungsniveau verfügen, was insbesondere für Migrantinnen gilt. Das zeigt schon, dass die Grundannahme Ihres Antrags schlicht falsch ist.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Ich habe die Debatte verfolgt. Die beiden dahinten beteiligen sich immer sehr engagiert und wortreich. Spätestens da ist, glaube ich, der Punkt erreicht. Wenn die AfD es irgendwann mal ernst nehmen sollte, zu sagen: „Wir dulden keine Nazis in unseren Reihen“, dann sollten Sie damit anfangen, die beiden auszuschließen. Aber ich glaube, dazu fehlt Ihnen der Mut.

(Beifall von der FDP und Gordan Dudas [SPD])

Bleiben wir doch bei den Fakten. Wenn Sie allein bei der Höhe des bar ausgezahlten Taschengelds von einem Pull-Faktor sprechen und dass dafür – das haben meine Vorredner schon klargestellt – der gefährliche und oft tödliche Weg nach Europa und nach

Deutschland auf sich genommen wird – allein in diesem Jahr über 1.000 Tote, die im Mittelmeer ertrunken sind –, wenn Sie das als großen Anreiz bezeichnen, dann muss ich sagen: Sie sind völlig weltfremd.

(Heike Gebhard [SPD]: Zynisch!)

Ich darf Ihnen noch ein paar Fakten mit auf den Weg geben:

Erstens. Ich glaube, es ist unbestritten, dass Deutschland eines der wohlhabendsten und wirtschaftlich erfolgreichsten Länder Europas ist. Das gilt natürlich auch – das schlägt sich dann in höheren Kosten nieder – im Bereich der Dienstleistungen. Folglich sind unsere Sozialleistungen höher als in Süd- und Osteuropa.

Deswegen hinkt Ihr Vergleich von eben mit dem einen oder anderen Land, wenn Sie den Vergleich nach entsprechendem Einkommensniveau, wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ziehen würden.

(Markus Wagner [AfD]:... Dänemark, Frank- reich! Was reden Sie eigentlich für einen Un- sinn?)

Sie können schreien, Herr Wagner. Sie wollen anscheinend nicht, dass man sich damit sachlich auseinandersetzt.

Zweitens. Die Leistungen für Asylbewerber europaweit zu vergleichen, ist deshalb schon schwierig, weil es unterschiedliche Systeme sind. Sie vergleichen eben Äpfel mit Birnen.

(Markus Wagner [AfD]: Sie können es nicht!)

Drittens. Wie Menschen mit den ihnen zustehende Sozialleistungen umgehen, liegt zuallererst – wir haben die Summen gehört – in ihrer eigenen Verantwortung. Das gilt für uns alle, ob für den deutschen Hartz-IV-Empfänger oder den Asylbewerber.

Sie bringen bewusst Beispiele, die sich eben nicht auf die Allgemeinheit ausbreiten lassen. Es gibt Menschen, die einen Teil ihren Familien in der Heimat zur Verfügung stellen. Es hat – das können Sie gern negieren – trotz allem positive Aspekte, wenn das Geld da eingesetzt wird, wo es von den Menschen gebraucht wird, ob es für einen Arztbesuch, für Lebensmittel, für Medikamente oder auch für Kleidung ist. Dem haben Sie vehement widersprochen.

Viertens. Auch die Stiftung Wissenschaft und Politik sieht das als eine sinnvolle Ergänzung der staatlichen Entwicklungshilfe an. Das wollen Sie nicht wahrhaben. Aber wenn man damit Existenzen von Familien zu Hause sichern kann, sie auch bei kurzfristigen Wirtschaftseinbrüchen schützen kann, dann sollte es eigentlich im Sinne des Antragstellers sein, wenn dadurch weniger Menschen vor Armut fliehen müssen.

Fünftens. Angesichts der Höhe des Barbetrags und des wöchentlichen Auszahlungsrhythmus für die

Flüchtlinge in Landeseinrichtungen dürfte es wohl kaum eine große Rolle spielen, in welcher Form ich Überweisungen in die Heimat tätige.

Sechstens. Eine Umstellung der Geldleistungen haben Sie komplett außer Acht gelassen in Ihrem Antrag und in der Begründung. Die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen ist natürlich mit einem erheblichen administrativen Mehraufwand verbunden. Ich stelle mir vor, diese Leistungen in den Bereichen Freizeit, Kommunikation und Verkehr sollte jetzt die Verwaltung über Sachleistungen sicherstellen.

(Zuruf von Markus Wagner [AfD])

Wie das mit der Menschenwürde vereinbar ist oder wie man da individuell kulturelle Bedürfnisse berücksichtigt, also wie man das im kleinsten Bereich auch noch kontrollieren und staatlich über ein entsprechendes Bezugssystem regeln möchte, das haben Sie, glaube ich, nicht durchgerechnet.

Siebtens – bleiben wir bei den Fakten –: Die im Antrag angesprochene Sachleistungskarte wurde erst kürzlich in Bayern in einem Ankerzentrum im Rahmen eines Pilotversuchs eingeführt. Diese flächendeckende Umsetzung wäre ein komplexes ressourcen- und kostenintensives Vorhaben. Deswegen sollte man erst mal die Erfahrungen aus diesem einen Pilotversuch abwarten, bevor man über weitergehende Maßnahmen überhaupt diskutiert.

(Zuruf von Gabriele Walger-Demolsky [AfD])

Herr Präsident, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, ich erspare mir, an dieser Stelle noch auf Ihre diversen falschen Angaben, ob zum Dublin-System, zu deutschen Außengrenzen, zum Thema „Zurückweisung an der Grenze“, einzugehen. Ich nehme mir gern im Ausschuss die Zeit, Ihnen das noch mal zu erklären.

Aber ich habe eingangs schon gesagt: Das setzt voraus, dass Sie Ihren Antrag nicht zurücknehmen, schieben oder keine Anhörung beantragen,

(Zuruf von Sven Werner Tritschler [AfD])

weil Sie keinen Sachverständigen finden.

Ich glaube, jetzt haben wir uns wirklich sehr sachlich mit dem Antrag auseinandergesetzt,

(Zuruf von der AfD: Das glaube ich nicht!)

vielleicht auch schon eine Minute zu viel.

(Zuruf: Ja, das stimmt auch!)