Protokoll der Sitzung vom 29.11.2019

Aber das reicht auch nicht als Entschuldigung dafür, dass Sie bei der Bekämpfung von Clankriminalität jahrelang untätig geblieben sind.

(Beifall von der FDP und der CDU – Michael Hübner [SPD]: Wer ist denn der Oberbürger- meister von Essen? Thomas Kufen, Ihr ehe- maliger Kollege!)

Sie können ruhig sagen, dass das peinlich ist, aber es ist die Wahrheit. Ich kann verstehen, dass das wehtut, und ich erzähle es Ihnen auch nicht zum ersten Mal. Wir haben Ihnen jahrelang Vorschläge gemacht.

(Gordan Dudas [SPD]: Sie schützen doch die Steuerkriminellen! – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Ich habe noch einmal nachgeschaut: In Vorlage 16/3428 aus dem November 2015 wird gefordert: „Innenminister Jäger muss endlich landesweites Lagebild zu kriminellen Familienclans darstellen“. Das wurde natürlich abgelehnt. Ein Antrag im Januar 2017 – das ist noch keine Lichtjahre her – forderte auf, die Landesregierung müsse endlich entschlossen gegen kriminelle Familienclans in NordrheinWestfalen vorgehen.

Ich zitiere mal aus den Plenarprotokollen; da ging es um die Frage des Lagebildes. Ich zitiere Frau Kollegin Düker – sie ist jetzt auch nicht im Raum, aber von den Grünen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Gucken Sie mal auf Ihre Regierungsbank! – Mehrdad Mosto- fizadeh [GRÜNE]: Das ist eine Frechheit!)

Hören Sie mal gut zu! Frau Düker sagte damals:

„Selbstverständlich verbietet es sich aus polizeilicher Sicht, zu den kriminellen Familienclans, die Sie immer wieder als Kriterium für ein Lagebild einfordern, ein eigenes Lagebild zu erstellen.“

(Ralf Witzel [FDP]: Aha!)

Das Zitat reicht alleine schon aus, um Ihre Sturheit und Ihre Beratungsresistenz in diesem Bereich völlig zu offenbaren.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Schäffer, dann spreche ich Sie an: Es verbietet sich nicht aus polizeilicher Sicht, so ein Lagebild zu erstellen. Denn das LKA hat mittlerweile auch ein Lagebild erstellt. Aber es verbietet sich offenbar aus grüner Sicht, so ein Lagebild zu erstellen.

(Beifall von der FDP)

Es verbietet es sich offenbar aus grüner Sicht, den Realitäten ins Auge zu schauen,

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Oh, ist das billig! Billiger Populismus, den Sie da betreiben!)

und es verbietet es sich offenbar aus grüner Sicht, den Kampf gegen kriminelle Familienclans aufzunehmen.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Dann machen Sie doch was! – Heike Gebhard [SPD]: Das ist eine richtige Ausrede!)

Ich sage es Ihnen noch einmal, aber Sie sehen es im Grunde auch selbst: Es macht einen Unterschied, wer in Nordrhein-Westfalen regiert. Und Fakt ist: Einen Innenminister Jäger musste man an rot-grüner Kette zum Jagen tragen. Schwarz-Gelb handelt.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Denn was ist alles seit Mai 2017 passiert? – Es wurde das bundesweit erste Lagebild erstellt. Wir haben eine Taskforce mit dem Innen-, Justiz- und Finanzministerium gebildet, um auch Geldwäsche und illegales Vermögen aufzudecken. Die Hawala-Razzien waren jüngst ein großer Erfolg. Es gibt endlich eine gemeinsame Strategie. Es gibt endlich eine Vernetzung der Behörden – nicht nur der Polizei, sondern unter Einbindung von Zoll, Gewerbeaufsicht und Jobcentern.

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Das ist Selbstsuggestion, Herr Kollege!)

Das waren vorher Ideen, aber die sind nicht umgesetzt worden. Die gab es nur auf dem Papier. Der Unterschied ist, dass es das jetzt auch in der Realität gibt; dass jetzt der Kampf gegen Clankriminelle tatsächlich geführt wird, meine Damen und Herren.

Wir haben spezielle Staatsanwälte vor Ort, es gibt konsequente Razzien, und es gibt erste Rückmeldungen aus der Szene, dass der höhere Kontrolldruck nun zu wirken beginnt. Das ist ein Marathon, und das ist auch nicht in zweieinhalb Jahren zu lösen – das wissen wir alle im Raum –, aber wichtig ist doch, dass es endlich angepackt wird und dass wir konsequent daran weiterarbeiten.

Dazu gehört aber auch, dass wir nicht nur ahnden und Straftaten verfolgen, sondern Menschen, die in diese Strukturen geraten oder zu geraten drohen, aufklären und ihnen Auswege zeigen. Gerade jungen Menschen müssen wir zeigen, dass man in Nordrhein-Westfalen noch richtig was werden kann, ohne auf die schiefe Bahn zu geraten. Wir müssen Ihnen vermitteln, dass man auch außerhalb ihrer Clans Anerkennung, Respekt oder persönlichen und finanziellen Erfolg haben kann, und ihnen auch dabei helfen, aus den abgeschotteten Strukturen auszubrechen. Das ist ein Teil der gesamten Strategie, die wir verfolgen.

Meine Damen und Herren, unter Schwarz-Gelb geht Nordrhein-Westfalen voran, agiert mit einem klaren Plan gegen das Phänomen der Clankriminalität, zeigt unseren Bürgern, dass für Sicherheit gesorgt wird, und steht den Kriminellen auf den Füßen. Andere Bundesländer oder auch der Bund selbst können sich daran ein Vorbild nehmen. Wir wünschen uns – und das wäre in diesem schwierigen Kampf auch ein Signal der Rückendeckung für unsere Polizei –, dass

das Thema nun auch bundesweit offensiv und entschlossen, und zwar unbedingt gemeinsam und vernetzt, angegangen wird. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP, der CDU und Roger Beckamp [AfD] – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Damit ist der zufrieden!)

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Ganzke.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in einer Aktuellen Stunde. Als Westfale bringe ich es kurz auf den Punkt: wichtiges Thema, kein aktueller Bezug, nichts Neues, viel heiße Luft von den Vorrednern.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich freue mich gleich auf den Wortbeitrag der Kollegin Erwin, denn der Vertreter der Werteunion

(Gregor Golland [CDU]: Ach, jetzt reicht’s doch! – Andreas Kossiski [SPD]: Das tut weh!)

und der Vertreter der FDP haben bereits gesprochen, und ich bin gespannt, was die CDU zu diesem Thema sagt, Frau Kollegin Erwin.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Wenn man sich diesen Antrag auf die Aktuelle Stunde durchliest – ich habe ihn mir durchgelesen; er war in diesem Bereich sehr dünn –, dann fällt auf, dass darin sehr viele große Zahlen stehen: über 10.000 Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, über 26.000 Personen kontrolliert. – Ganz wichtig sind ganz große Zahlen. Allerdings wundere ich mich ein bisschen, denn wir haben das Thema „Clankriminalität“ in diesem Monat bereits zweimal im Rechtsausschuss behandelt. Gestatten Sie mir, Frau Präsidentin, dass ich an dieser Stelle das Ministerium aus der letzten Rechtsausschusssitzung vom 6. November zitiere.

(Andreas Kossiski [SPD]: Die waren fleißig!)

Auf meine Frage nach konkreten Zahlen in dem Bereich der Clankriminalität sagte die Expertin aus dem Justizministerium: Wenn Sie flächendeckende Zahlen zur Clankriminalität haben wollen, dann können wir diese nicht liefern, weil wir erst einmal definieren müssen: Was ist eigentlich Clankriminalität.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Das ist doch mal eine Aussage: Die Landesregierung hat keine abgestimmte Definition, was Clankriminalität überhaupt ist.

(Zuruf von Gordan Dudas [SPD])

Das weiß bei der Justiz keiner, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, kein Mensch weiß das bei denen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Nadja Lüders [SPD]: Aber wir können ja schon einmal darüber reden!)

Damit haben wir es nicht bewenden lassen, sondern ich habe ganz konkret nachgefragt, wie es denn sein kann, dass in der Presse

(Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Steht im Strafgesetzbuch! – Michael Hübner [SPD]: Oder ein Telefonat mit Biesenbach, aber der erinnert sich ja nicht!)

und darauf bezieht sich ja der Antrag auf diese Aktuelle Stunde – ständig Erfolgsmeldungen stehen, und ob diese Erfolgsmeldungen stimmten. Die Antwort lautete – das ist kein Spaß; ich zitiere wiederum mit Erlaubnis der Frau Präsidentin –: Wenn wir die Zahlen hätten, würden wir die Ihnen doch auf den Tisch legen.

(Zurufe von der SPD: Aha!)

Aber auch da war es noch nicht zu Ende. Sehr skeptisch habe ich noch einmal nachgefragt, und zwar den Minister der Justiz selbst.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Der ist nicht da! – Michael Hübner [SPD]: Wo ist denn der Jus- tizminister?)

Ich habe eine Meldung aus Februar dieses Jahres zur bisherigen Bilanz der beiden Sonderstaatsanwälte in Duisburg zitiert. Dort ist von rund 260 eingeleiteten Verfahren die Rede. Ich zitiere den Minister der Justiz aus dem Rechtsausschuss vom 6. November:

Die Zahlen, die ich seinerzeit sagte – 260 –, waren nicht Zahlen zur Clankriminalität, sondern Verfahren, die von den beiden Staatsanwälten eingeleitet wurden. Das ist aber nicht alles Clankriminalität, sondern da ist eine Menge Beifang bei, den wir einfach mit abräumen.