Protokoll der Sitzung vom 18.12.2019

Wenn Frau Schäffer also davon spricht, dass Schwarz-Gelb im Polizeigesetz unverhältnismäßige Befugnisse für die Polizei geschaffen habe, und in der Plenardebatte am 29.11. Clankriminalität als „politischen Kampfbegriff“ von CDU und FDP bezeichnet,

(Verena Schäffer [GRÜNE]: Ja, richtig!)

dann zeigt sich eine zutiefst unterschiedliche Auffassung in der Analyse der Realität, dann zeigt sich ein grünes Verständnis des Rechtsstaates, das meilenweit von Ihrem Wunschdenken nach neuer Bürgerlichkeit entfernt ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Frau Schäffer, die von Ihnen als völlig unverhältnismäßig titulierten Befugnisse der Polizei erweisen sich bereits nach einem Jahr bei näherer Betrachtung als nützliche und wirksame Instrumente zur Abwehr terroristischer Gefahren,

(Zuruf von Verena Schäffer [GRÜNE])

aber auch zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt und zum Schutz der Allgemeinheit vor schweren Gewaltverbrechen. Die nordrhein-westfälische Polizei – auch das ist nachzulesen – setzt die ihr zur Verfügung gestellten zusätzlichen Instrumente äußerst maßvoll ein.

Und was Ihre Bemerkungen zur Clankriminalität angeht: Rechtsfreie Räume existieren nicht in Nordrhein-Westfalen. – An diesem Satz Ihres ehemaligen Innenministers Ralf Jäger scheinen Sie auch heute

noch zu glauben. Aber an vielen Orten unseres Landes holt Sie gnadenlos die Realität ein: Machogehabe, Protzen mit dicken Schlitten, mangelnder Respekt vor der Ordnungsmacht, gepaart mit archaischen Wertbegriffen …

(Ralf Jäger [SPD]: Habe ich nie gemacht!)

Herr Jäger, dass Sie als ehemaliger Innenminister heute die Chuzpe besitzen, über Ihre Politik auch noch zu lachen,

(Beifall von der CDU und der FDP – Stefan Kämmerling [SPD]: Nein, wir lachen über Sie und Ihre Rede! – Unruhe)

ist ein Schlag ins Gesicht aller Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, aller Opfer von Straftaten, von Clankriminalität, die Sie geleugnet haben, die Sie nicht angegangen sind, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das Lagebild Clankriminalität, das der ehemalige Innenminister Jäger niemals machen wollte, beschreibt in erschreckender Klarheit – ich zitiere –:

Durch aggressives Auftreten, Ordnungsstörungen und Straftaten wird die Bevölkerung eingeschüchtert. Einsatzkräfte berichten von offener Feindseligkeit, einer hohen und unmittelbar geäußerten Aggressivität, Respektlosigkeit und Gewalteskalationen, die das Ziel verfolgen, behördliche Maßnahmen zu beeinflussen oder zu unterbinden.

Meine Damen und Herren, ich bin froh – ich glaube, es geht vielen im Lande so –, dass es heute in Nordrhein-Westfalen mit Herbert Reul wieder einen Innenminister gibt, der hinschaut,

(Beifall von der CDU und der FDP – Zurufe von der SPD)

der mit Polizei und Ordnungskräften gegen diese Strukturen angeht. Ich sage heute allen Einsatzkräften, die unser Land mit der Durchsetzung der Nulltoleranzstrategie Stück für Stück sicherer machen, einen herzlichen Dank für ihre tägliche Arbeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dieser Dank soll sich heute besonders an diejenigen richten, die sich in Ämtern, bei der Polizei, bei Staatsanwaltschaften und Gerichten dem Kampf gegen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie verschrieben haben.

Die NRW-Koalition wird mit zwei Änderungsanträgen in dieser dritten Lesung diese Arbeit wertschätzen, vor allem aber, wenn möglich, erleichtern. Wir stellen noch einmal 500.000 Euro für zusätzliche Lizenzen zum Erwerb von Software zur Verfügung, die eine Auswertung der ungeheuren Datenmengen erleichtert.

Darüber hinaus stellen wir 125.000 Euro für Videoübertragungstechnik in einem sogenannten Childhood-Haus in den Haushalt ein. In Anlehnung an das skandinavische Barnahus-Modell schaffen wir so eine Einrichtung, in der unter einem Dach Hilfen durch interdisziplinäre Kooperationen aller beteiligten Berufsgruppen im Fall von sexuellem Missbrauch in kinderfreundlicher Weise angeboten werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir streiten heute in diesem Landtag. Wir stellen unterschiedliche politische Konzepte zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen unseres Landes gegenüber – eine Auseinandersetzung in der Sache, ein gutes und notwendiges Mittel der Demokratie, um Positionen zu verdeutlichen.

Bei mindestens einem Thema – auch das hat Herr Kutschaty bereits angesprochen – gibt es jedoch große Einigkeit unter den vier demokratischen Fraktionen dieses Landtags. In unserem Land ist kein Platz für Antidemokraten, kein Platz für rechte oder linke Extremisten, kein Platz für Antisemiten.

(Beifall von der CDU, der SPD, der FDP und den GRÜNEN)

Am Schluss seiner Regierungserklärung vom 21. September 1950 beschäftigte sich Ministerpräsident Karl Arnold mit dem Verhältnis von Regierung und Opposition. Unter anderem sagte er:

Angesichts der geistig-politischen Situation erscheint mir eine geschlossene Abwehr der politisch positiven Kräfte gegen alle Elemente, die den demokratischen Staat, seine Ordnung und Autorität ablehnen, die die persönlichen Freiheiten des Staatsbürgers verneinen und einen neuen Totalitarismus anstreben, weit wichtiger und entscheidender zu sein als eine fruchtlose Auseinandersetzung von Parteien und Regierung, denen die demokratische Staatsordnung doch ein gemeinsames und ernstes Interesse sein soll.

Er fasste diese seine Gedanken in dem bemerkenswerten Satz zusammen:

Man kann den demokratischen Staat nicht verteidigen, wenn Demokraten untereinander Krieg führen.

Fast 70 Jahre nach diesen Worten muss man sich wohl zwangsläufig die Frage stellen, wie dies unter den geänderten Bedingungen einer sich immer schneller drehenden Spirale aus gegenseitigen Abhängigkeiten von Politik, Medien – ganz gleich, ob angeblich sozial oder konventionell – und allgegenwärtigen Meinungsumfragen gelingen kann.

Ich meine, es ist möglich, wenn wir unseren demokratischen Institutionen und ihren Repräsentanten den Rücken stärken. Deshalb war es den Fraktionen der NRW-Koalition wichtig, den Kampf gegen Rechtsextremismus mit zusätzlich noch einmal 1 Million Euro auszustatten. Dabei sind 500.000 Euro für zusätzliches Personal bei der Polizei unter anderem

für ein Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum vorgesehen und weitere 500.000 Euro, um die technischen Möglichkeiten des Verfassungsschutzes zur Erhebung von Informationen aus verschiedenen virtuellen Datenquellen zu verbessern.

Ein besonderes Anliegen der NRW-Koalition findet ebenfalls seinen Ausdruck in den Haushaltsanträgen der dritten Lesung: Judenhass darf in unserer offenen Gesellschaft keinen Platz haben – nicht heute, nicht morgen. „Der Kampf gegen Antisemitismus und Rassismus eint alle demokratischen Kräfte in Nordrhein-Westfalen.“ – So lautete die gemeinsame Erklärung der Parteivorsitzenden von CDU, SPD, FDP und Grünen vor der Düsseldorfer Synagoge, um nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle ein Zeichen zu setzen.

CDU und FDP erhöhen daher heute mit Unterstützung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Sachmittel für die Antisemitismusbeauftragte der Landesregierung um 150.000 Euro und schaffen mit 130.000 Euro zwei zusätzliche Stellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist ein deutliches Signal, dass wir Übergriffe auf Juden nicht hinnehmen werden.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist ein deutliches Signal, dass in unserem Land zu jeder Tages- und Nachtzeit Platz für die Kippa und ihre Träger ist.

Die NRW-Koalition legt mit diesem Haushalt einen weiteren soliden Grundstein, um Freiheit und Sicherheit, Ökonomie und Ökologie, städtische Räume und ländliche Regionen wieder miteinander ins Gleichgewicht zu bringen. Die NRW-Koalition hält unser Land am Laufen und sorgt für Bewegung. Wir führen unser Land mit Entscheidungen von Maß und Mitte in die Zukunft, und wir halten das Land zusammen.

Mein Dank gilt dem Finanzminister Lutz Lienenkämper und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die Erarbeitung dieses Gestaltungshaushaltes 2020. Ich danke dem Ministerpräsidenten, den Ministerinnen und Ministern sowie ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die konstruktive und vertrauensvolle Begleitung in den Beratungsprozessen. Mein abschließender Dank gilt unserem Koalitionspartner: Stellvertretend für alle Abgeordneten und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter danke ich meinem Kollegen Christof Rasche für die immer konstruktive,

(Michael Hübner [SPD]: Einer von beiden hört auf! – Zuruf von der SPD: Wir danken Ihrem Redenschreiber!)

vor allem aber gemeinsame Arbeit an diesem Landeshaushalt.

Die CDU stimmt dem Haushaltsentwurf 2020 zu. – Ich danke Ihnen für das Interesse.

(Langanhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Löttgen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht jetzt Frau Kollegin Düker.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Vor zweieinhalb Jahren ist die Regierung Laschet geradezu mit einem Überbietungswettbewerb an Superlativen gestartet. Was konnten wir da nicht alles hören? – Weltbeste Bildung, Entfesselung des Wirtschaftsriesens, schnelles Internet, Gigabit-Masterpläne und vor allem ein großes Versprechen – Kollege Löttgen hat es gerade noch mal wiederholt –, das große Versprechen, Ökologie und Ökonomie zu versöhnen und ins Gleichgewicht zu bringen.

Ich kann heute, zweieinhalb Jahre nach Start dieser Regierung, nur bilanzieren: Nach der Hälfte der Legislaturperiode ist die Regierung Laschet vor allen Dingen an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert.

(Beifall von den GRÜNEN und Eva-Maria Voigt-Küppers [SPD])

Fragt man die Menschen im Land, stellt man fest, dass sie diesem permanenten Eigenlob, vor allen Dingen des Ministerpräsidenten, so gar nicht folgen können. Laut Umfrage des WDR vom 3. November ging die Zufriedenheit mit der Landesregierung im Laufe des Jahres auf gerade einmal 44 % zurück – das sind minus 7 % gegenüber Februar.

Das heißt, dass mehr als die Hälfte der Befragten mit der Arbeit der Landesregierung immer unzufriedener ist. Im Ländervergleich liegt diese Regierung damit im unteren Drittel. Herr Ministerpräsident, ich frage Sie heute: Sind Sie mit dieser Rückmeldung der Menschen in NRW wirklich zufrieden?

(Beifall von den GRÜNEN)