Protokoll der Sitzung vom 23.01.2020

Damit haben Sie ja auch überhaupt nichts zu tun; das hat es Ihnen ja alles die Bundesregierung diktiert. – Nein, Sie wollen sich hier bewusst aus der Verantwortung stehlen: Lasst das mal den Bund machen; dann muss ich nicht die Entscheidungen erklären und belegen, warum das notwendig ist.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Fazit:

Das, was die Landesregierung uns heute angekündigt hat, ist kein Paket der Vernunft.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Pfui!)

Das, was Sie uns hier vorlegen, ist ein Paket der Unmenschlichkeit.

(Beifall von den GRÜNEN – Zurufe von der CDU: Och! – Josef Hovenjürgen [CDU]: Uner- träglich! Scheinheilig bis zum Gehtnichtmehr!)

Sie gefährden ohne Not den durch den Kommissionsbericht mühsam erreichten gesellschaftlichen Frieden.

(Henning Rehbaum [CDU]: Das ist Doppelmo- ral!)

Unklar bleibt auch – entgegen den Äußerungen des Ministerpräsidenten –, wie es am Tagebau Hambach weitergeht. In der Vereinbarung heißt es, dass der Hambacher Forst gemäß der WSB-Kommission entgegen der bisherigen Genehmigung nicht für den Tagebau in Anspruch genommen wird. Was machen wir denn jetzt mit diesem Satz?

Offenbar in ganz naiver Vorstellung ist der Bürgermeister von Merzenich, Ihr Parteikollege Herr Gelhausen, letzten Donnerstag davon ausgegangen, dass mit dieser Entscheidung sein Ortsteil Morschenich nicht abgebaggert wird und er seine Zukunftsplanungen für den Ort fortsetzen kann. Das war Donnerstagmorgen.

Donnerstagnachmittag musste er dann erfahren, dass Rolf Martin Schmitz Journalisten mal eben erklärt, dass sowohl Manheim als auch Morschenich für Abraum abgebaggert werden sollen

(Zuruf von Armin Laschet, Ministerpräsident)

und der Wald eine Insel werden soll.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Herr Schmitz hat unrecht!)

Und jetzt zur Landesregierung: Von der Landesregierung hörten wir von Donnerstag bis Montag, vier Tage lang, genau nichts.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das ist unwahr! Bleiben Sie bei der Wahrheit! Das ist erbärm- lich! – Weitere Zurufe – Glocke)

Wir kennen den Herrn Ministerpräsident ja als eifrigen Twitterer. Aber als Rolf Martin Schmitz erklärte, Manheim und Morschenich müssten weichen, und sich alle darüber aufregten …

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Unsäglich! – Zuruf von Dietmar Brockes [FDP])

Sie empören sich über junge Frauen, die in ICEs keinen Sitzplatz bekommen. Sie empören sich über Lieder beim WDR.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Was ist das denn?)

Aber an dieser Stelle haben Sie vier Tage lang geschwiegen. Nach vier Tagen kam dann etwas.

(Armin Laschet, Ministerpräsident: Wir haben es gelöst! – Henning Höne [FDP]: Die eigene Leitentscheidung mal grob ignoriert!)

Die Pressesprecher von RWE twitterten: Der Chef hat sich irgendwie vertan; Morschenich soll doch bleiben.

Den Bürgermeister freut es. Aber damit ist doch noch lange nicht geklärt, wie es mit dem Hambacher Wald weitergeht. Denn wenn Sie Manheim und im Osten weiter abbaggern, schneiden Sie den Wald von wertvollen FFH-Gebieten ab. Ökologisch ist das überhaupt nicht zu rechtfertigen.

(Bodo Löttgen [CDU]: Och! – Josef Hovenjür- gen [CDU]: Es reicht Ihnen nicht! Immer noch einen drauf!)

Und dass man ein Dorf abgebaggert, um Abraum zu gewinnen, ist rational nicht zu erklären.

(Beifall von den GRÜNEN)

Was haben Sie eigentlich ein Jahr lang gemacht? Wir wissen doch seit einem Jahr, dass dieser Wald erhalten bleibt. Da hätte man auch mal mit RWE besprechen können, wie man das umsetzt.

Dieses Stück aus dem Tollhaus, das Sie hier abgeliefert haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist an Absurdität nicht zu überbieten.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Ihre Rede ist an Absurdität nicht zu überbieten!)

Ich fordere die Landesregierung auf: Übernehmen Sie endlich Verantwortung.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Gerade Sie reden von Verantwortung?)

Überlassen Sie die Entscheidung nicht wieder den Gerichten. Es wird doch weitergehen mit den Klageverfahren. Die Stadt Erkelenz kündigt an, zu klagen. Die Bewohnerinnen und Bewohner …

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Die haben nichts getan!)

Ich habe es so in der Zeitung gelesen. Das können Sie ja gleich dementieren. – Die Anwohnerinnen und Anwohner in den Garzweiler-Dörfern werden klagen. Der BUND wird ein Klageverfahren wegen Enteignung einer Wiese am Hambacher Wald anstreben. Wir haben in Datteln vier anhängige Klagen, die noch nicht entschieden sind.

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Das möchten Sie doch! Das ist doch Ihr Wunsch!)

Übernehmen Sie politische Verantwortung. Überlassen Sie die Entscheidung nicht den Gerichten, und lösen Sie Ihr Versprechen ein, einen gesellschaftlichen Frieden in dieser für uns so wichtigen Frage herzustellen.

(Beifall von den GRÜNEN – Josef Hovenjür- gen [CDU]: Sie versuchen, der Region den Saft abzudrehen! Unsäglich!)

Mein Fazit: Aus unserer Sicht, aus meiner Sicht wurde der Kompromiss nicht eins zu eins umgesetzt. Der gesellschaftliche Konsens wurde einseitig aufgekündigt. Die Klimaschutzziele sind in weite Ferne gerückt. Hier wurde viel Vertrauen von betroffenen Menschen verspielt.

Wir fordern Sie heute auf: Setzen Sie sich für Nachbesserungen im Gesetzgebungsverfahren ein, damit der Klimaschutz und die Menschen bei diesem aus unserer Sicht unfairen Deal nicht auf der Strecke bleiben.

(Anhaltender Beifall von den GRÜNEN – Hen- ning Höne [FDP]: Alle, die klatschen, haben die Leitentscheidung mitgetragen! – Christof Rasche [FDP]: Regierungsunfähig!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die CDU-Fraktion hat jetzt Herr Kollege Löttgen das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, gestatten Sie mir einen Hinweis, bevor ich in die Rede einsteige. Wenn ich richtig informiert bin, ist unser Präsident André Kuper soeben zum ersten Mal Opa geworden. Vielleicht können wir ihm auf diesem Weg unsere Glückwünsche ausrichten lassen. Herzlichen Glückwunsch, André Kuper!

(Beifall von der CDU, der FDP und der AfD – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! In der 79. Plenarsitzung unseres Landesparlaments beschäftigen wir uns zum 16. Mal intensiv mit der Frage des Ausstiegs aus der Kohleverstromung in unserem Land. Mehr als jeder fünfte Sitzungstag war demnach von den drei wichtigen Fragen „Wann?“, „Wie viel?“ und „Wo?“ geprägt.

Das zeigt die herausragende Bedeutung, die viele der Beantwortung dieser Fragen für eine gute Zukunft Nordrhein-Westfalens und für eine gelingende Energiewende in Deutschland zumessen. Es ist eine hochkomplexe Herausforderung, der wir uns aus einem einzigen Grund stellen müssen: Wenn Deutschland es nicht schafft, wie soll die Welt es schaffen?

(Lachen von Andreas Keith [AfD] und Helmut Seifen [AfD])

Die Politik – richtiger: die Entscheidungen politisch verantwortlicher Gremien – bewegt sich ständig und ausschließlich in eine Richtung, nämlich auf diejenigen zu, die fordern, man möge doch nun endlich handeln, und für die Ergebnisse dieser Politik bedauerlicherweise nur zwei Begriffe kennen: „zu wenig“ und „zu langsam“.

Die beiden entscheidenden Vereinbarungen, die Grundlage unserer heutigen Diskussion sind, sind das Ergebnis der Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung – kurz WSB genannt – und die Bund-Länder-Einigung zum Kohleausstieg. Beides sind Kompromisse; beides sind Ergebnisse eines gesellschaftlichen Austarierens von Chancen und Risiken.

Deutschland hat damit gezeigt: Wir nehmen die uns zugemessene Verantwortung ernst.

Wir in Nordrhein-Westfalen werden einen erheblichen Teil dazu beitragen, diese gewaltige energiepolitische Transformation mit den geringstmöglichen negativen Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft ins Werk zu setzen.