Protokoll der Sitzung vom 11.03.2020

Dann hat am Sonntag der Bundesgesundheitsminister auch in Absprache mit uns generell für Deutschland entschieden: 1.000 ist die Maßordnung, die wir jetzt zum Verlangsamen des Prozesses einsetzen sollten. – Uns hat das eingeleuchtet. Wir haben uns am Sonntag verständigt und beschlossen: Wir werden das für Nordrhein-Westfalen umsetzen.

Am gestrigen Tag gab es drei deutsche Länder, die in dieser Klarheit entschieden haben. Das ist ja nicht nur populär, ein Derby abzusagen. Ich weiß, was ein Derby ist, und es gibt gleich zwei bedeutende Derbys am nächsten Wochenende.

Bayern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen haben als Erste gestern gesagt: Wir machen den Erlass. Wir helfen den Kommunen aus ihrer Bredouille; denn die örtlichen Ämter wissen ja auch nicht genau, wie sie jetzt entscheiden sollen. Deshalb ist Führung durch Politik, klar zu sagen: Das ist unser Vorschlag. Hier ist die Maßgabe. Das Ermessen ist eingeschränkt. Wir handeln verantwortlich für 18 Millionen Menschen in diesem Land. – Das ist das, was am gestrigen Tag passiert ist.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Dann muss das mit den Bezirksregierungen und mit den örtlichen Ämtern kommuniziert werden. Karl-Josef Laumann hat ja berichtet; er hat die Vertreter der Gesundheitsämter im Bereich der Fußballvereine getroffen, die am Samstag von der Maßnahme betroffen sind. Da gibt es übrigens im Umfeld immer noch eine Menge zu organisieren. Denn natürlich gehen die Leute jetzt in Kneipen und gucken das Spiel, oder die Fans gehen bis zum Stadion und stehen plötzlich davor. Das ist eine Frage, die mit dem Innenminister erörtert ist, wie wir denn die Sicherheit

herstellen. Man muss also drei, vier Schritte weiterdenken, wenn man solche Entscheidungen fällt.

Herr Kutschaty, um auf eine Anregung von Ihnen einzugehen, was die Gesamtschule in Köln angeht, an der das Toilettenpapier fehlt: Nennen Sie mir nachher den Namen. Ich kümmere mich persönlich darum, dass die ihr Papier kriegen, verdammt noch mal!

(Heiterkeit und Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist doch der Lage nicht angemessen!

(Zuruf von der SPD: Ihre Bemerkung doch auch nicht! – Weiterer Zuruf von der SPD)

Geben Sie mir den Namen, Herr Kutschaty. Ich nehme Ihnen Ihre größte Sorge und besorge das Papier. Aber ich möchte jetzt über die Schulen reden, die betroffen sind; denn das andere ist doch unangemessen!

(Michael Hübner [SPD]: Das ist unverschämt und lachhaft! – Zahlreiche weitere Zurufe – Unruhe)

Passen Sie auf: Hier haben vier Fraktionen sachlich gesprochen. Es gab einen Beitrag über Regionalzüge und dazu, wer wann wem was aus einem Regionalzug erzählt hat. Da gibt es ein konkretes Problem, das hier vorgetragen worden ist. Das lösen wir, und dafür ist der Fall für mich erledigt.

So, und jetzt rede ich über die Schulen. Die Schulministerin hat genau für diese Fälle: „Was ist in der Schule zu machen? Wie bereitet sich die Schule vor?“ in mehreren Runderlassen Klarstellungen veröffentlicht. Sie will heute noch einmal weitere Informationen in Bezug auf das geben, was die Schulen nachfragen. Die Schulen wissen auch, an wen sie ihre Nachfragen über welchen Weg richten können. Dafür stehen auch Berater in den Bezirksregierungen und in anderen Institutionen bereit.

Natürlich fragen Eltern: Wieso geht denn mein Kind in die Schule? Wieso beginnt jetzt das Semester mit 1.000 Leuten in einem Hörsaal, aber wieso wird ein Fußballspiel abgesagt?

Das Argument ist: Kitas, Schulen und Wissenschaft sind Einrichtungen, die erforderlich sind – Stand: heute. Was in vier oder acht oder zehn Wochen ist, wie sich das entwickelt, kann heute niemand sagen. Sie können dann im Protokoll nachlesen, was Laschet am 11. März gesagt hat.

Wir reagieren heute und tun alles, damit es nicht zu Zuständen wie in Italien kommt. Wenn es dazu kommen sollte, was wir nicht wissen, werden wir dann entsprechend reagieren. Aber heute ist es nicht erforderlich, Kitas, Schulen und Universitäten zu schließen.

Die Universitäten selbst überlegen aber schon, was sie machen können. Mir hat gestern der Rektor der RWTH erzählt, was sie freiwillig im Moment in Hörsälen machen, nämlich dass jeder zweite Platz frei ist, dass man Reihen freihält. Sie sagen den Festakt „150 Jahre RWTH“ mit der Bundeskanzlerin in Berlin symbolisch ab mit dem Argument, dass es nicht angemessen ist, jetzt Feiern durchzuführen, auch wenn nur 170 Leute anwesend sind.

Es geht jetzt darum, in dieser Krise besonnen zu vermitteln. Wir haben den Ernst der Lage erkannt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Wenn Sie die Kitas und die Schulen schließen, dann sind plötzlich die Pflegerinnen, die vielleicht alleinerziehend sind und ihr Kind betreuen lassen, nicht mehr in der Lage, ihren Dienst zu leisten. Man muss doch mal eine Sekunde weiterdenken, was was bedeutet.

(Beifall von der CDU und der FDP – Christian Dahm [SPD]: Das hat doch keiner gesagt!)

Deshalb glaube ich, dass es vertretbar ist, mal auf ein Fußballspiel, so schön es auch wäre, zu verzichten, mal einen Clubbesuch zu unterlassen, mal vielleicht nicht in die Disko oder auf eine Großveranstaltung zu gehen, aber trotzdem gleichzeitig den öffentlichen Nahverkehr und den Schulbetrieb aufrechtzuerhalten.

Dann sind Sie, Herr Mostofizadeh, auf die Frage des Föderalismus eingegangen. – Das ist in der Tat eine Frage, die manche so diskutieren: Jetzt siehst du mal, das funktioniert ja alles nicht. Der Bund müsste verbieten können, und dann wäre das Problem gelöst.

Ich habe in den Tagen erlebt, insbesondere auch im Krisenstab in Heinsberg, den ich besucht habe, wie gut es ist, dass es nicht zentralistisch gelöst ist. In Berlin wüsste keiner, was ein Landrat in einem Kreis zu tun hat. Da sitzen die Akteure zusammen, die Polizei, die Feuerwehr, Vertreter von Schulen und Kitas. Man kennt sich untereinander. Man weiß, wie viel Krankenhäuser man hat. Dieser Krisenstab in Heinsberg, auch dieser Landrat haben angesichts der Lage – mit Anfragen von der gesamten Weltpresse, die plötzlich in Heinsberg auftauchen –, auf die man als Landratsamt in Heinsberg gar nicht eingerichtet war, sehr besonnen und sehr präzise gearbeitet, exzellent!

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Ich habe meine Zweifel, ob das, wenn irgendjemand in Berlin angewiesen hätte, was im Kreis Heinsberg zu passieren hat, so sachgerecht erfolgt wäre, wie es in diesem Fall erfolgen konnte.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Wir werden nach der Krise sehen müssen, wo wir unsere Regeln präzisieren müssen. Wo gibt es Lücken zwischen Bund und Ländern? Bei der Frage, dass der Landesgesundheitsminister so gut wie nichts anweisen kann, außer eine generelle Ansage wie gestern zu machen, muss man vielleicht noch mal nacharbeiten.

Die Anregung von dem Redner vor mir ist auch eine bedenkenswerte: Sind wir, nur um ein paar Cent zu sparen, in unserer pharmakologischen Produktion und in der Produktion von Kitteln und Mundstücken nicht zu sehr abhängig von Ländern irgendwo auf der Welt,

(Karl-Josef Laumann, Minister für Arbeit, Ge- sundheit und Soziales: So ist es!)

in denen produziert wird? Sollte uns die Gesundheitsvorsorge in Zukunft nicht eine eigene europäische Produktion wert sein?

(Beifall von allen Fraktionen)

Das ist eine Frage, die man nach der Krise einmal in Ruhe erörtern kann: Was ist für öffentliche Daseinsvorsorge eigentlich erforderlich, und wie viel Geld wollen wir dafür bereitstellen?

Nun kommt der dritte und letzte Punkt. Da Herr Professor Pinkwart, der heute eigentlich zu den wirtschaftlichen Auswirkungen sprechen wollte, selbst erkrankt ist, will ich in Vertretung für ihn einige Bemerkungen dazu machen.

Auch das hat Herr Mostofizadeh hier angesprochen: Ja, wir müssen jetzt – wie bei der Finanzkrise – alles dafür tun, dass nicht Menschen entlassen werden, weil ein Unternehmen im Moment in Liquiditätsproblemen steckt.

Da hat am letzten Sonntag die Große Koalition wichtige Beschlüsse zum Kurzarbeitergeld gefällt, um es unbürokratisch bereitzustellen, was ermöglicht, wie 2008/2009 im Betrieb zu bleiben.

(Christian Dahm [SPD]: So ist es!)

Es gibt natürlich Hotels, Messebauer, Gastronomen und viele andere, die heute schon fast vor der Insolvenz stehen. Dafür stehen die Förderbank des Landes NRW und die Bürgschaftsbank NRW bereit. Das Wirtschaftsministerium ist in ständigem, engem Kontakt mit jeder Kammer und allen, die diesen Unternehmen Rat geben.

Ich habe gehört, dass es aus dem Kreis Heinsberg natürlich besonders viele gibt, die im Moment unter dieser Krise leiden. Das müssen wir bündeln und dafür auch jegliches Geld bereitstellen. Wir haben einen Rettungsschirm im Haushalt, der jetzt aktiviert werden muss, damit es in der kurzen Zeit der nächsten Wochen nicht zu Insolvenzen in Nordrhein-Westfalen kommt.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das steht bereit. Darüber hinaus war Professor Pinkwart trotz seiner Erkrankung in Berlin. – Er war schon zuvor krank, gestern war er in Berlin, und jetzt hat es ihn wieder erwischt. – Es war wichtig, in Berlin sicherzustellen, dass der Beihilferahmen der Europäischen Union erweitert wird, sodass wir auch da, wo Steuerzahlungen oder ähnliche Dinge zu Problemen führen könnten, flexibel reagieren können.

Die Breite der Landesregierung hat sich vorgenommen, dieses Thema zu bearbeiten. Wir haben das in den letzten zwei Wochen im Kabinett schon getan. Wir haben seit gestern als regelmäßigen ersten Punkt der Beratungen diese Coronakrise auf der Tagesordnung. Der Gesundheitsminister berichtet, und jedes Ressort berichtet aus seiner Verantwortlichkeit, was dort derzeit erörtert wird.

Ich denke, wenn wir es mit den Informationen an den Landtag so machen, dass Sie zu jeder Zeit wissen, was eigentlich geplant ist, dann ist es eine Botschaft, die der gesamte Landtag an die Öffentlichkeit in Nordrhein-Westfalen senden kann, dass wir in dieser Frage – soweit es möglich ist – über Parteigrenzen hinweg diese Krise bestanden haben. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Neumann.

Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Eine Unterrichtung ist keine parlamentarische Jubelveranstaltung.

(Beifall von der SPD)

Eine Unterrichtung – und so verstehe ich Parlamentarismus – soll dazu dienen, dass wir unterschiedliche Argumente und unterschiedliche Positionen in diesem Hohen Hause austragen. Und ich sage deutlich: Das gilt auch in Krisenzeiten. Auch in Krisenzeiten ist der Parlamentarismus nicht außer Kraft gesetzt.

(Beifall von der SPD)

Eine Krise erfordert, die bisherige Arbeit und das bisherige Denken infrage zu stellen, und sie fordert uns heraus, eine neue Strategie zur Krisenbewältigung und zum Krisenmanagement einzuleiten. Die Menschen erwarten in einer Krise Wahrheit, Klarheit, Transparenz, ein nachvollziehbares, einheitliches Handeln sowie Entscheidungen. Die Menschen brauchen Orientierungen.