Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Zum Gesetzentwurf einige Anmerkungen. Wir haben in Nordrhein-Westfalen seit dem Jahr 2002 ein im Grundsatz bewährtes Informationsfreiheitsgesetz, das die öffentlichen Stellen zur Auskunft auf Antrag, aber auch zu einzelnen Veröffentlichungen verpflichtet. Mit dem neuen Informationszugangsgesetz beabsichtigen Sie die Schaffung eines zweiten allgemeinen Gesetzes zur Gewährung von Transparenz.
Meine erste Aussage dazu lautet: Die Bürgerinnen und Bürger des Landes brauchen keine zwei Vorschriften, um ihr Recht auf Zugang zu amtlichen Informationen in Anspruch nehmen zu können. Die Verwirrung durch eine solche von Ihnen verursachte Rechtslage würde umso größer, weil sich dann künftig die einzelnen Voraussetzungen und Regelungen für die Erfüllung eines Auskunftsbegehrens in den jeweiligen Vorschriften des Informationszugangsgesetzes und des Informationsfreiheitsgesetzes unterscheiden würden. Ich nenne hier beispielhaft den zulässigen Antragsteller, den Umfang der Veröffentlichungspflichten, das Antragsverfahren, die Kostenregelungen und die Befugnisse der Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Natürlich kann man über den Umfang von zu gewährender Transparenz von öffentlichen Stellen diskutieren. Es sollte aber auch Konsens sein, dass entsprechende Rechtsvorschriften unter Berücksichtigung der Situation eines jeweiligen Landes zu beurteilen sind.
Zum Beispiel lassen sich die Strukturen eines Stadtstaates wie Hamburg nicht ohne Weiteres auf ein großes Flächenland übertagen. NRW besteht nämlich nicht nur aus einer großen Stadt. Es besteht vielmehr aus einer weitverzweigten, mehrstufigen Landesverwaltung mit einer Vielzahl von Gemeinden und Gemeindeverbänden.
Ich bin darüber hinaus davon überzeugt, dass schon mit dem geltenden Informationsfreiheitsgesetz und den vielen freiwilligen Veröffentlichungen im Internet
ein hoher Standard von Transparenz in der öffentlichen Verwaltung gewährt wird. Einen Vergleich mit anderen Flächenländern braucht Nordrhein-Westfalen insofern nicht zu scheuen.
Abschließend möchte ich auf den Kernpunkt Ihrer Gesetzesinitiative zu sprechen kommen: die Veröffentlichungspflicht aller öffentlichen Stellen einschließlich der Gemeinden und Gemeindeverbände. Es sollte doch klar sein, dass bei einer Veröffentlichungspflicht erhebliche Kosten und Aufwand nicht nur für die Einrichtung eines solchen Verfahrens, sondern auch für den dauerhaften Betrieb entstehen, und genau diese wichtige Frage – darauf haben Kollegen schon hingewiesen – behandeln Sie in Ihrem Gesetzentwurf nur unzureichend.
Man hat den Eindruck, dass Sie dieser Fragestellung bewusst aus dem Weg gehen. Schließlich beschränken Sie sich bei der Kostenschätzung auf die Aussage, dass sich die Kosten nicht beziffern ließen. Mit einer seriösen Schätzung der voraussichtlichen Kosten und damit der Auswirkungen Ihres Vorhabens hat das nichts zu tun.
Die unterschiedslose Anwendung der von Ihnen beabsichtigten Verpflichtungen auf die Gemeinden würde eine erhebliche Belastung darstellen. Es ändert an der dauerhaften Belastung auch nichts, dass Sie für diese Verwaltungsebene einen vorübergehenden Aufschub von drei Jahren vorgesehen haben.
Durch die von Ihnen beabsichtigte verpflichtende Inanspruchnahme der Kommunen durch ein Landesgesetz wirft dieser Gesetzentwurf zwangsläufig Fragen der Konnexität auf. Es ist nicht ausgeschlossen, dass durch eine solche Regelung das Land zu Ausgleichszahlungen gegenüber den Gemeinden verpflichtet wird. Genau dieser Aspekt stellt einen wichtigen Grund dar, warum die Flächenländer bei der Veröffentlichungspflicht aller öffentlichen Stellen zurückhaltend sind. Ich halte es für bedenklich, dass Ihr Gesetzentwurf mit keinem Wort zu dieser Problematik Stellung bezieht.
Zusammenfassend bleibt bei mir der Eindruck, dass Sie mit Ihrer Gesetzesinitiative kein Neuland betreten sondern vielmehr alten Wein in neue Schläuche gießen. Ich darf daran erinnern, dass schon im Jahre 2013 eine ähnliche Gesetzesinitiative der damaligen Piratenfraktion von diesem Landtag nach ausführlicher Beratung abgelehnt worden ist.
Es dürfte Ihnen im Übrigen noch gegenwärtig sein, dass die damalige rot-grüne Landesregierung trotz Vereinbarung im Koalitionsvertrag nach intensiver Prüfung letztendlich von einer Weiterentwicklung des IFG zu einem Transparenzgesetz nach Hamburger Vorbild Abstand genommen hat. Insofern gehe ich davon aus, dass die Diskussion über diesen Gesetzentwurf altbekannte Fragestellungen berühren wird. Ich wünsche uns allen fröhliche Beratungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 17/8722 – Neudruck – an den Innenausschuss – federführend –, an den Ausschuss für Heimat, Kommunales, Bauen und Wohnen, an den Rechtsausschuss sowie an den Ausschuss für Digitalisierung und Innovation. Wer stimmt der Überweisung zu? – Gibt es Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Das ist beides nicht der Fall. Damit haben wir den Gesetzentwurf einstimmig überwiesen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir befassen uns heute in zweiter Lesung mit einem Gesetzentwurf der AfD, die damit mehr direkte Demokratie einfordert. Bereits zur ersten Lesung im Juni 2019 habe ich die Meinung der CDU dazu deutlich gemacht:
Wir lassen nicht zu, dass die AfD hier die direkte und indirekte Demokratie gegeneinander ausspielt. Wir als Christlich Demokratische Union stehen zu unserer repräsentativen parlamentarischen Demokratie. An dieser grundsätzlichen Einstellung hat sich nichts geändert.
Der zuständige Hauptausschuss hat sich mit dem Gesetzentwurf befasst und in einer Anhörung externen Sachverstand zurate gezogen. Professor Dr. Frank Decker vom Institut für Politische Wissenschaft und Soziologie an der Rheinischen FriedrichWilhelms-Universität in Bonn hat sich in einer sechsseitigen Stellungnahme intensiv mit den Vorstellungen aus dem Gesetzentwurf befasst und diese bewertet.
Demokratie gemacht wurden, sind aus Sicht des Gutachters nur drei überhaupt diskutabel. Die Befürworter der direkten Demokratie behelfen sich häufig mit den angeblich positiven Erfahrungen aus der Schweiz. Dabei übersehen sie geflissentlich, dass die direkte Demokratie dort historisch tief verwurzelt und sowohl in der politischen Kultur als auch in den Institutionen des Regierungssystems fest verankert ist. Diese Kontextbedingungen sind nicht ohne Weiteres auf die Bundesrepublik übertragbar.
Die meisten Forderungen aus dem Gesetzentwurf sind mit unserem parlamentarischen Regierungssystem nicht vereinbar. Im Falle der Volksgesetzgebung könnte sich eine Konkordanzdemokratie Schweizer Art entwickeln. Eine Auflösung des Parteienwettbewerbs und eine Präsidentialisierung des politischen Systems wären die Folge, wenn die Restriktionen für Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheide auf der Landesebene gelockert würden oder Volksgesetzgebung auf Bundesebene eingeführt würde.
Von obligatorischen Referenden geht diese Gefahr nicht aus. Sie bringen allerdings einen Abstimmungskonservatismus mit sich, der sich negativ auf die Reformfähigkeit auswirken könnte.
Fakultative Referenden oder Volksbefragungen können hingegen von Parlamentariern oder Regierungen missbraucht werden, um unliebsame politische Entscheidungen an das Volk zurückzuverweisen und sich aus der Verantwortung zu stehlen. Da Volksrechte neben dem parlamentarischen einen zweiten Legitimationsstrang aufbauen, durchbrechen sie die festgelegte Rollenverteilung zwischen Regierung und Opposition, die das zentrale Funktionsprinzip des parlamentarischen Systems darstellt.
Vielleicht ist den Abgeordneten der AfD in diesem Parlament auch entgangen, dass bereits im Jahr 2018 die Enquetekommission III mit dem Titel „Subsidiarität und Partizipation. Zur Stärkung der (parla- mentarischen) Demokratie im föderalen System aus nordrhein-westfälischer Perspektive“ eingesetzt
wurde. Auch weil dort eine fokussierte Diskussion geführt wird, macht es keinen Sinn, dass einzelne Parteien jetzt eigene Vorschläge präsentieren, auch wenn das im Rahmen ihrer Oppositionsfunktion natürlich legitim ist.
Die Herausforderung der direktdemokratischen Verfassungsgebung besteht heute zum einen darin, diese in das vorhandene parlamentarische repräsentative System so einzubetten, dass dysfunktionale Wirkungen ausbleiben und sie tunlichst einen demokratischen Mehrwert erzeugen.
Hier gibt es in Nordrhein-Westfalen durchaus noch Optimierungsbedarf. Zum anderen sollen sie mit weiteren, nicht verbindlichen, sogenannten deliberativen Verfahren der Bürgerbeteiligung verknüpft werden, in deren Rahmen sich die Bürger mit den zu entscheidenden Materien vertraut machen können. Auch zu
diesem Komplex, der politisch und verfassungsrechtlich bisher noch weitgehend Neuland ist, wird die Enquetekommission III Handlungsempfehlungen erarbeiten.
Doch nun zurück zu unserem Thema hier im Plenum, dem vorliegenden Gesetzentwurf in der zweiten Lesung. Der Rechtsausschuss stimmte in einer Sitzung am 15. Januar 2020 darüber ab und empfahl dem Hauptausschuss eine Ablehnung. Dieser Empfehlung ist der Hauptausschuss in seiner Sitzung am 6. Februar mit den Stimmen der Fraktionen der CDU, der SPD, der FDP und Bündnis 90/Die Grünen gefolgt. Dieses Votum werden wir heute bekräftigen. Die CDU-Landtagsfraktion wird gegen den Gesetzentwurf stimmen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Gesetzentwurf der AfD – wir haben es gerade schon gehört – hat der Hauptausschuss eine Anhörung durchgeführt, die streckenweise zu einer Lehrstunde der politischen Bildung wurde. Das war auch gut so, handelt es sich doch bei politischer Bildung aus meiner Sicht um das wichtigste Mittel zur Bekämpfung von Rechtspopulismus.
Die Anhörung hat die wesentlichen Bedenken gegen den Gesetzentwurf – mein Kollege Hagemeier hat gerade schon darauf hingewiesen – bestätigt. Zunächst komme ich zu den allgemeinen Punkten.
Man kann sicherlich darüber diskutieren, ob es sich bei direktdemokratischen Verfahren eher um „Fremdkörper“, so der Sachverständige Professor Decker, oder um eine sinnvolle Ergänzung der parlamentarischen Demokratie handelt, so die Position von Mehr Demokratie e.V.
Die AfD vertritt jedoch eine ganz andere Position: Sie strebt mit der radikalen Ausweitung der direkten Demokratie einen Systemwechsel an. Zugleich wird das gestörte Verhältnis zur parlamentarischen Demokratie erkennbar, das wir auch schon in anderen Bundesländern zur Kenntnis nehmen mussten.
In der Anhörung ist deutlich geworden, dass das von der AfD propagierte Schweizer Modell nicht auf die Bundesrepublik bzw. Nordrhein-Westfalen übertragen werden kann. In der Schweizer Konkordanzdemokratie mit Allparteienregierungen liegt die Oppositionsrolle bei der Bevölkerung und wird durch
direktdemokratische Verfahren ausgeübt. In unserer Konkurrenzdemokratie werden Regierungsrolle und Oppositionsrolle im Parlament abgebildet. Die Bürger haben die Möglichkeit, die Regierung abzuwählen.
Davon haben sie in Nordrhein-Westfalen in den letzten Jahren auch reichlich Gebrauch gemacht. Die Bürgerinnen und Bürger sind in Sachen „Opposition“ nicht allein auf direktdemokratische Verfahren angewiesen.
Ich komme nun zu den konkreten Vorschlägen im Gesetzentwurf der AfD. Die meisten Punkte wurden – wir haben es gerade schon gehört – von den Sachverständigen abgelehnt, einzelne mögen diskutabel erscheinen, gehen aber zu weit. Die Zusammenlegung von Volksentscheiden und Wahlen würde eine höhere direktdemokratische Beteiligung künstlich erzwingen und die Quoren zum Schutz vor aktivistischen Minderheiten aushebeln.
In diesem Zusammenhang ist die von der AfD geforderte Beseitigung von Beteiligungs- und Zustimmungsquoren besonders problematisch.
Anstelle dieser extremen Lösungen plädierte Professor Decker in seiner Stellungnahme für das sogenannte Kieler Modell, das eine niedrige Hürde in der Eingangsphase und ein moderates Beteiligungsquorum wie in Nordrhein-Westfalen vorsieht.
Die Aufhebung des Verbots von Volksbegehren in Finanzfragen, bei Abgabengesetzen und Besoldungsordnungen wirft verfassungsrechtliche Fragen auf, da sie das Budgetrecht als Königsrecht des Parlaments verletzt. Obligatorische Volksentscheide bei Verfassungsänderungen sind entbehrlich.
Schließlich wird von der AfD noch die Möglichkeit zur Auflösung des Landtags per Volksentscheid gefordert. Dazu Professor Decker – ich zitiere –:
„Es wäre sinnvoller, dieses Instrument aus allen Verfassungen zu streichen, als es in einigen neu einzuführen, …“