Protokoll der Sitzung vom 12.03.2020

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! So wahnsinnig viel muss man dazu gar nicht mehr sagen, deswegen mache ich es kurz und knapp.

Erstens. Die Nordrhein-Westfalen-Koalition und diese Landesregierung schrecken vor sicherheitspolitischen Herausforderungen jedweder Art nicht zurück. Kriminalitätsphänomene, egal welcher Art, werden nicht kleingeredet, sie werden nicht ignoriert. Dazu zählt selbstverständlich auch der Kampf gegen Kriminalität auf besonders betroffenen Straßen und Plätzen in Nordrhein-Westfalen.

Zweitens. Sogenannte gefährliche Orte definiert man rechtlich gerade nicht, um sie in Verruf zu bringen oder aufgrund einer besonderen Gefährlichkeit für die Bevölkerung. Vielmehr geht es um die rechtliche Klassifizierung nach dem Polizeigesetz, um dort nach Einschätzung der lokalen Kreispolizeibehörde besondere Kontrollen oder Ermittlungen zu ermöglichen. Darum geht es.

Drittens. Genau dieses Konzept – Prävention und Präsenz seitens der Sicherheits- und Ordnungsbehörden, mehr Entdeckungsrisiko durch Kontrolldruck sowie Abschreckung durch konsequente Ahndung – ist die Leitlinie der NRW-Koalition. Das ist auch richtig, meine Damen und Herren.

Weil diese Landesregierung – wie ich gerade sagte – Herausforderungen im Bereich der inneren Sicherheit mit maximaler Offenheit und offensiv angeht, werden natürlich auch Große Anfragen offen und umfangreich beantwortet. Ich habe mich ein bisschen über den einen oder anderen Beitrag hier gewundert. Ich meine, es sind 485 Seiten; dem einen oder anderen sind das aber immer noch nicht genug Informationen.

Kollege Ganzke, Sie haben eben gemutmaßt, was wir mit den Antworten gemacht hätten. Ich habe mir die Antworten auf die Anfrage des Kollegen Biesenbach auch angeschaut. Das war ein bisschen weniger als das, was jetzt in dieser Antwort auf die Anfrage aufgeführt ist.

Die AfD hat ja nun diese detaillierten Informationen, auch über genaue Örtlichkeiten, im Sinne des § 12 Polizeigesetz erhalten. Das ist auch zu respektieren. Das machen wir dann auch.

Das ändert aber nichts – das will ich deutlich sagen – an unserem entschiedenen Kampf gegen die dortige Kriminalität. Es ändert auch nichts daran, dass es von Ihnen, meine Damen und Herren von der AfD, unverantwortlich wäre, wenn Sie diese konkreten Informationen für einen populistischen Wahlkampf nutzen und womöglich mit Legendenbildung dazu beitragen würden, dass in diesen betroffenen Gebieten künftig eventuell dubiose Bürgerwehren oder ähnlicher Unfug sprießten. Das darf nicht der Fall sein.

Die NRW-Koalition verfolgt unbeirrt diesen klaren Kurs der Nulltoleranzstrategie. Mit Hochdruck verstärken wir unsere Sicherheitsbehörden mit mehr Personal, moderner Ausstattung und dem passenden rechtlichen Handlungsrahmen. Wir haben das Polizeigesetz novelliert. Das greift dann auch genau an diesen als gefährlich klassifizierten Orten und stärkt somit die Sicherheit dort sowie die Sicherheit in ganz Nordrhein-Westfalen. Diesen Kurs werden wir weiter fortsetzen. – Ich danke Ihnen sehr für die Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen noch einen schönen Abend. Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Lürbke. – Nun spricht für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Schäffer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich finde den Erkenntnisgewinn dieser Großen Anfrage – sagen wir mal – überschaubar.

Ich habe mich gefragt: Was ist eigentlich das Ziel dieser Großen Anfrage? Ich glaube, das Ziel – das wird auch an den Fragen deutlich – ist die Stigmatisierung bestimmter öffentlicher Räume und – das wird auch deutlich, wenn man die Fragestellungen noch einmal aufmerksam liest – die Verknüpfung von Kriminalität und Migration. Es wundert mich bei dieser fragestellenden Fraktion auch nicht, dass das offenbar die Ziele dieser Großen Anfrage sind.

Mir gefällt aber die Antwort der Landesregierung – es kommt ja auch nicht so oft vor, dass ich die Landesregierung lobe – sehr gut.

Ich will noch einen etwas anderen Akzent in Bezug auf die Sicherheit auf öffentlichen Plätzen und in öffentlichen Räumen setzen. Die Landesregierung beschreibt ja in der Antwort, dass es darum geht, mit verschiedenen Akteuren vor Ort zusammenzuarbeiten, dass es auch darum geht, Präventionsmaßnahmen an diesen Orten, an diesen Örtlichkeiten durchzuführen, und dass es auch um Präsenzkonzepte geht.

Ich finde, das ist doch eigentlich eine sehr gute Werbung für unsere Anhörung, die wir nächsten Donnerstag im Innenausschuss durchführen werden. Wir Grüne haben einen Antrag zur sozialraumorientierten Polizeiarbeit eingebracht. Dieser Begriff ist ein bisschen sperrig. Es geht um den klassischen Bezirksbeamten oder die Bezirksbeamtin. Es geht darum, dass wir vor Ort Präsenz zeigen wollen. Bezirksbeamte zeichnen sich dadurch aus, dass sie mit verschiedenen Akteuren vor Ort in Kontakt treten, mit den Geschäftstreibenden, mit Sozialarbeit, mit den verschiedenen städtischen Stellen, Ordnungsamt, Jugendamt, also mit allen Akteuren, die an einem Platz eine Rolle spielen und auch eingebunden werden müssen.

Wir wissen, dass diese Bezirksbeamten es schaffen, die Kriminalität effektiv zu senken, wenn sie vor Ort präsent und ansprechbar sind. Sie können eine andere Ansprechbarkeit erzeugen, als zum Beispiel die Hundertschaften es können, weil es sich immer um dieselben Leute handelt und sie vor Ort bekannt sind.

Es gibt wissenschaftliche Untersuchungen aus Köln. In den 2000er-Jahren hat das Polizeipräsidium Köln ganz bewusst auf die Stärkung der Bezirksbeamten gesetzt. Man hat das wissenschaftlich untersucht und konnte wissenschaftlich darlegen, dass die Straßenkriminalität und auch die Kriminalität durch Jugendliche effektiv gesenkt wurden. Dazu haben wir einen Antrag eingebracht. Ich finde, der passt sehr gut zu diesem Thema. Wir werden am Donnerstag auch eine Anhörung dazu durchführen.

Ich würde mich sehr freuen, wenn sich im Sinne einer effektiven Kriminalprävention die anderen Fraktionen dazu durchringen könnten, diesem Antrag zuzustimmen. Ich meine, dass das für die Polizeiarbeit in Nordrhein-Westfalen wirklich gut wäre.

Insofern ein Werbeblock für dieses Thema: Kommen Sie am Donnerstag zu unserer Anhörung. Stimmen Sie nachher unserem Antrag zu. Damit tun wir etwas gegen die Kriminalität in Nordrhein-Westfalen und stärken unsere Polizei.

Ich wünsche Ihnen heute noch einen guten Abend, bleiben Sie unbedingt gesund, damit wir uns im April hier wiedersehen. Bis dann, tschüss.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Schäffer. – Es spricht der Innenminister, Herr Reul.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Diesen guten Wünschen, dass wir uns bitte gesund wiedersehen, möchte ich mich anschließen. Man weiß es ja im Moment nicht so ganz genau.

Die Beantwortung der Großen Anfrage 2 hat ganz viele Aspekte. Wir reden aber im Grunde nur über ein, zwei Aspekte.

Die AfD hat in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen heute das Verfassungsgerichtsurteil gestellt. Das kann ich auch verstehen. Dieses hat sich am 28.01. mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen die Landesregierung eine Antwort ausnahmsweise nicht erteilen muss. Deswegen will ich auch darauf eingehen. Denn das ist zwar in der Sache vielleicht nicht das Wichtigste, aber von der AfD zum Thema gemacht worden. Es geht auch um die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Antwort in geheimer bzw. nichtöffentlicher Sitzung erteilt werden darf.

Anlass war die geforderte Offenlegung von vermeintlich gefährlichen und verrufenen Orten, an denen verdachtsunabhängig Polizeikontrollen erfolgen können.

Vielleicht das vorneweg: Sie wissen, dass für mich und für alle anderen Mitglieder der Landesregierung das Informationsrecht der Abgeordneten dieses Hauses einen hohen Stellenwert hat, für mich auch deshalb, weil ich lange, lange Zeit selbst Abgeordneter war. Das ist selbstverständlich. Darin stimme ich auch mit dem Verfassungsgerichtshof vollkommen überein.

Ich persönlich habe mich in der Vergangenheit immer wieder für größtmögliche Transparenz eingesetzt – das merkt man, glaube ich –, im Innenausschuss, in den Untersuchungsausschüssen und auch jetzt bei der Antwort auf die Große Anfrage. Es ist richtig: 485 Seiten bedeuten, dass wir die Antworten, die wir geben konnten, gegeben haben.

An einer Stelle waren wir anderer Meinung, nämlich bezüglich der Nichtöffentlichkeit. Wir haben übrigens auch das Angebot gemacht, diese Antwort nichtöffentlich zu geben. Das ist aber nicht angenommen worden. Dann ist es zu der Entscheidung des Gerichts gekommen.

Ich will übrigens nicht versäumen, zu erwähnen, dass das grundsätzlich bestehende Frage- und Informationsrecht von Abgeordneten auch verfassungsrechtlichen Beschränkungen unterliegen kann. Der Verfassungsgerichtshof hat dazu ausgeführt, dass das zum Beispiel bei betroffenen Grundrechten privater Dritter und bei dem Gebot gegenseitiger Rücksichtnahme im Verhältnis der Staatsorgane zueinan

der so sein kann. Er hat übrigens erstmalig hervorgehoben, dass eine solche Einschränkung auch aus Gründen des Staatswohls geboten sein kann. Es gibt ja nicht nur den Erfolg, den Sie da haben, sondern auch den Gesamttext, und der ist nicht uninteressant.

Das war und ist der Grund, weshalb die Landesregierung von der Veröffentlichung der konkreten Orte abgesehen hatte. Wir wollten die polizeiliche Arbeit nicht beeinträchtigen und sahen hier Probleme. In der Großen Anfrage wird nämlich die irreführende Bezeichnung „verrufener Ort“ genutzt, und das wirkt anders, als es sein soll.

Wichtig ist in diesem Zusammenhang zu wissen, dass es sich immer nur um eine Momentaufnahme bei uns handelt und nicht um eine notwendig dauerhafte, statische Bewertung des Ortes. Denn die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Nr. 2 Polizeigesetz müssen, wie bei allen anderen polizeilichen Maßnahmen auch, immer zum Zeitpunkt des konkreten Einschreitens vorliegen.

Dabei können sich die Polizeibeamten nicht ausschließlich auf formale Einstufungen berufen. Mit der Großen Anfrage wurde aber genau das Gegenteil suggeriert; dass es nämlich in Nordrhein-Westfalen Orte gibt, die dauerhaft und immer aufgrund einer eigenen, selbstständigen Klassifizierung als gefährlich bzw. verrufen einzuordnen sind. Das entspricht jedoch nicht der Zielrichtung des Polizeigesetzes.

Der Verfassungsgerichtshof hat aber klargestellt, dass die entsprechenden Informationen nur unter einer Bedingung hätten zurückgehalten werden dürfen, wenn wir nämlich die Geheimhaltungsbedürftigkeit für jeden der in Rede stehenden Orte einzelfallbezogen geprüft und mit der Bedeutung des Fragerechts der Abgeordneten abgewogen hätten. Dann hätten wir sie zurückhalten können; das haben wir aber nicht getan. Und die Landesregierung hätte in der Antwort diesen Punkt ausführlich begründen und gegebenenfalls eine nichtöffentliche Unterrichtung vornehmen müssen.

Diesen erhöhten verfassungsrechtlichen Begründungsmaßstab werden wir in Zukunft selbstverständlich respektieren und uns danach richten. Das ist klar. Sie werden das bei allen Antworten in Zukunft ordnungsgemäß so erfahren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Reul. – Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit schließe ich die Aussprache und stelle fest, dass die Große Anfrage 2 der Fraktion der AfD erledigt ist.

Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende unserer heutigen Sitzung angelangt. Ich berufe das

Plenum wieder ein für Mittwoch, den 1. April 2020, 10 Uhr.

Ich wünsche Ihnen allen einen angenehmen Abend und schließe mit Worten von Hanns Dieter Hüsch, der mal so schön formulierte:

„Wir haben Angst und müssen mutig sein.“

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Mut. Achten Sie aufeinander und auf sich selbst, und bleiben Sie gesund!

Die Sitzung ist geschlossen.