Protokoll der Sitzung vom 24.03.2020

„Stay home“ ist für Wohnungslose nicht umsetzbar, weil sie kein Zuhause haben und die Notunterkünfte derzeit nicht voll belegt werden können. Nahezu alle Wohnungslosen zählen ja zu den Risikogruppen und stehen jetzt auf der Straße.

„Stay home“ kann für viele allein lebende Menschen, ältere Menschen oder Menschen mit psychischen Erkrankungen geradezu gefährliche Auswirkungen auf ihre psychische Gesundheit haben. Psychotherapeuten können beispielsweise telefonische Beratung nicht abrechnen, die sie aber leisten müssen, damit diese Menschen durch die Krise kommen.

Die Armen in unserer Gesellschaft, die leider auf die Tafeln angewiesen sind, stehen jetzt vor verschlossenen Türen; denn die Hälfte der Tafeln hat inzwischen geschlossen.

Kinder aus einkommensschwachen Familien können nicht mehr in der Schule oder in der Kita versorgt werden, wo die Versorgung erstattet oder bezahlt wird. Diese Kinder stehen zum Teil zu Hause vor leeren Kühlschränken.

Ich könnte diese Liste noch weiterführen. Aber eines ist klar: Es sind sehr viele betroffen. Um die Versorgung all derjenigen zu sichern, die jetzt auf mehr Hilfeleistungen angewiesen sind, müssen wir auch für diese Menschen und für diese Strukturen Mittel zur Verfügung stellen, weil auch sie einen Rettungsschirm brauchen,

(Beifall von den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der SPD)

für telefonische Beratung oder beispielsweise die Anmietung zusätzlicher Appartements zur Unterbringung oder die Anmietung von Hotels, wie es derzeit in der Stadt Düsseldorf praktiziert wird.

Natürlich kann sich eine Stadt wie Düsseldorf das eher leisten als andere Städte. Deswegen dürfen gerade die Kommunen jetzt mit diesen Dingen nicht alleine gelassen werden. Die Freie Wohlfahrtspflege hat dazu bereits eine Stellungnahme abgegeben, die wir ausdrücklich unterstützen.

Das Land kann die Kommunen insgesamt mit dieser Situation nicht alleine lassen. Denn die Auswirkungen sind auch jetzt schon spürbar. Insbesondere den finanzschwachen Kommunen drohen wegen sinkender Steuereinnahmen in Milliardenhöhe und höherer Ausgaben ohnehin neue Kassenkredite. Wir wissen, dass nordrhein-westfälische Kommunen immer noch hoch belastet sind, weil es noch keinen Altschuldenfonds gibt. Sie drohen, in die bilanzielle Überschuldung zu geraten; denn sie haben wegbrechende Einnahmen auf der einen Seite und höhere Ausgaben auf der anderen Seite.

Kurzfristig muss das Land den Städten und Gemeinden Zugang zu zinslosen Krediten zur Finanzierung ihrer Aufgaben gewähren und Finanzhilfen leisten. Wir müssen überprüfen, ob das Haushaltsrecht entschärft werden kann. Auch sollten die Kassenkredite als Folge der Coronakrise beispielsweise in das Aufkaufprogramm der Europäischen Zentralbank aufgenommen werden oder anderweitig abgebaut werden.

Auch die Kommunen brauchen aus unserer Sicht einen Rettungsschirm; denn auch sie sind für unser Gemeinwesen systemrelevant.

(Beifall von den GRÜNEN, der SPD und Josef Hovenjürgen [CDU])

Schlussendlich müssen wir daran denken, dass mit dem Überwinden der akuten gesundheitlichen Krise

Vorsorge für kommende Herausforderungen getroffen werden muss. Denn auch wenn unser Gesundheitssystem im europäischen Vergleich verhältnismäßig gut aufgestellt ist, merken wir jetzt doch leidvoll, dass wir nicht ausreichend auf diese Krise vorbereitet waren.

Der Öffentliche Gesundheitsdienst in den Kommunen war und ist unterfinanziert. Diejenigen, die in den Kliniken arbeiten, sind schon im Normalbetrieb überlastet und an ihren Grenzen. Die Personalnot in den Pflegeberufen hat auch mit den Arbeitsbedingungen und der sehr niedrigen Bezahlung zu tun.

Diese jetzt so sehr und viel beschworenen systemrelevanten Berufe und diese Menschen, denen wir jetzt aus vollem Herzen aufrichtig unseren Dank aussprechen, sollten uns zukünftig mehr wert sein.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Ver- einzelt Beifall von der CDU)

Wir brauchen perspektivisch mehr Personal. Wir brauchen mehr technische und digitale Unterstützung. Wir brauchen Entlastung von Bürokratie. Das wird dauerhaft mehr Geld kosten. Aber es lohnt sich, zu investieren; denn es geht um unser aller Gesundheit und darum, dass wir uns besser auf kommende Krisen vorbereiten.

Wir brauchen dafür auch eine Pandemiestrategie. Es sind Erfahrungen aus dieser Krise, dass wir solche Dinge tatsächlich besser vorbereiten müssen.

Dazu gehört wahrscheinlich auch, Herr Laumann, dass Schutzausrüstungen, die jetzt überall fehlen, in ausreichender Zahl vorgehalten werden.

Es braucht einen auskömmlich ausgestatteten Öffentlichen Gesundheitsdienst. Auch darum werden wir uns nach der Krise kümmern müssen.

Damit die Wirtschaft nach der Krise wieder ans Laufen kommt, werden wir Konjunkturprogramme brauchen, um die angeschlagene Wirtschaft anzukurbeln. Die notwendigen Investitionsprogramme können sehr viel dazu beitragen, die Arbeitsplätze dauerhaft zu sichern.

Es sollte aber nicht blind Geld in Form von Abwrackprämien oder auf andere Weise über das Land verteilt werden. Wenn wir uns daranmachen, die Wirtschaft mit den Investitionsprogrammen auf der Strecke zu stärken, müssen wir dabei im Auge behalten, dass es um einen Transformationsprozess hin zum nachhaltigen Wirtschaften geht und dass zielgerichtet investiert wird; denn auch das muss jetzt in den Blick genommen werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe mich dem Dank meiner Vorredner an. Ich danke allen herzlich, die gerade daran mitwirken, dass unsere Versorgungsstrukturen aufrechterhalten werden.

Das ist die Kassiererin, das ist der Müllmann, das sind die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern, in den Pflegeberufen und in unserer Infrastruktur, damit wir morgen wieder im Supermarkt einkaufen gehen können.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vielleicht steht ja morgen auch mal wieder ein Paket Nudeln im Regal; das wäre dann ja auch noch mal was.

Ich wünsche allen diesen Menschen viel Kraft und Ausdauer auf unserem gemeinsamen Weg aus dieser Krise.

Auch meinen Vater kann ich derzeit nicht mehr besuchen. Er ist 89 Jahre alt und lebt alleine. Die Nachbarin bietet sich an, für ihn einzukaufen. Solche Gesten gibt es derzeit tagtäglich in den Nachbarschaften.

Ich wünsche mir, dass wir von diesem Zusammenhalt und dieser Solidarität, die wir in dieser Krise gerade tagtäglich erleben, etwas hinüberretten, wenn wir hoffentlich bald wieder in den Alltag zurückfinden; denn das kann dieser Gesellschaft nur guttun. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Düker. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Rasche.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch ich möchte mich sämtlichen Vorrednern anschließen. Man kann in diesen Tagen gar nicht oft genug Danke sagen.

Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft – zuletzt oft belächelt – erreichen eine völlig neue Bedeutung und eine völlig neue Anerkennung. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist gut so.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Viele Menschen gehen an die Grenze ihrer Belastbarkeit, oft darüber hinaus. Ein Dank also auch von mir an das Personal in Krankenhäusern, in Pflegeeinrichtungen, in Apotheken, an die Menschen, die unsere Versorgungsketten aufrechterhalten, an die Menschen, die unsere Infrastruktur am Laufen halten, an die Polizisten und Polizistinnen, an die Feuerwehren und die anderen Hilfsorganisationen, an die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Supermärkten, aber auch an die vielen sozialen Einrichtungen, an die Wohlfahrtsverbände und Sozialverbände, die sich für die Menschen in unserem Land einsetzen.

(Beifall von der FDP, der CDU, der SPD und den GRÜNEN)

Danke an die Verwaltungen, an die Behörden, an die Fraktionen hier im Hohen Haus, die konstruktiv zusammenarbeiten.

Ein besonderes Dankeschön von mir aber auch an die Landesregierung. Die Ministerinnen und Minister, der Ministerpräsident selbst stehen vor bisher unbekannten Herausforderungen. Die Lage, selbst die wissenschaftliche Lage, verändert sich täglich, wenn nicht sogar stündlich. Man kann vielleicht in einer solchen Situation immer etwas noch besser machen. Die Bereitschaft zum Dazulernen ist natürlich da.

Die Ministerinnen und Minister erreichen Emotionen von ihnen persönlich unbekannten Menschen, trotzdem erreicht sie auch unerwartete Kritik. Ministerinnen und Minister in Nordrhein-Westfalen und in ganz Deutschland geben ihr Bestes, um die Krise abzufedern. Dafür noch mal ausdrücklichen Dank.

(Beifall von der FDP, der CDU und den GRÜNEN)

Alle Menschen sind von der Krise, von dem Virus betroffen – gesundheitlich, wirtschaftlich und sozial.

Zudem erreichen uns Angst, Hilferufe. Die Verunsicherung ist groß. Die Gefühle bei den Menschen in Nordrhein-Westfalen verändern sich. Der Ministerpräsident zeigte es eben einmal auf, als er davon sprach: Aus Distanz wird plötzlich Nähe. – So geht es uns allen. Und auch das ist gut so.

Die Kontakte haben sich völlig verändert. Wie gerne würden wir Familienangehörige und Freunde in den Arm nehmen, wie es normal war, wie wir es täglich getan haben.

Auch die Kommunikation ändert sich. SMS, WhatsApp und andere Möglichkeiten gewinnen an Bedeutung. Das Festnetztelefon wird vom Staub befreit. Vieles verändert sich.

Nicht nur unser Gesundheitssystem, sondern jedes Gesundheitssystem auf der Welt hat seine Grenzen. Das deutsche Gesundheitssystem gehört weltweit zu den besten. Trotzdem müssen wir gemeinsam versuchen, zu erreichen, dass die Grenze dieses Systems nicht erreicht wird. Dafür müssen wir vor allem eines tun: Zeit gewinnen.

Wir brauchen mehr Schutzmaterial und Ausstattung. Wir brauchen mehr medizinisches Personal. Das Land, die Regierung stellt weitere 150 Millionen Euro in diesem Bereich zur Verfügung.

Die Zusammenarbeit zwischen den Krankenhäusern muss weiterhin verbessert werden, auch in Verbindung mit Bezirksregierungen und Kommunen. Die Intensivkapazitäten müssen erweitert werden. Das gesamte Gesundheitssystem muss ausgebaut werden.

Zwei Punkte sind von elementarer Bedeutung: einmal die Kontaktreduzierungen – ganz wichtig – und zum Zweiten landesweit ausgeweitete Tests für eine viel größere Bevölkerungsgruppe als bisher, um festzustellen, wer infiziert ist, damit diese infizierten Bürgerinnen und Bürger isoliert werden können, damit die breite Masse der Bevölkerung sich nicht anstecken kann.

Noch einmal: Weitere, ausgeweitete Tests und Kontaktreduzierungen – das sind zwei wichtige Aufgaben und Ziele, die wir erreichen sollen und die wir erreichen müssen. In diesem Zuge ist und bleibt die Balance von Gesundheit, Vernunft und Freiheit eine extrem schwierige Aufgabe.